UFS RV/0582-G/10

UFSRV/0582-G/1010.11.2010

Großes Pendlerpauschale

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom 12. Februar 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 12. Jänner 2010 betreffend Einkommensteuer 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) bezog im Streitjahr 2008 neben Pensionseinkünften (€ 7.104,36) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (€ 6.690,88) für ihre Tätigkeit als persönliche Betreuerin einer pflegebedürftigen Person.

Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2008 machte sie im Zusammenhang mit ihrer Betreuungstätigkeit Kosten für Taxifahrten für die Rückfahrt von ihrer Arbeitsstätte zu ihrer Wohnung (Entfernung: 8,2 km, davon 7,5 km öffentliches Verkehrsmittel bei der Hinfahrt und 6,4 km bei der Rückfahrt) als Werbungskosten geltend.

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob diese Taxikosten (€ 2.599,78), die der Bw. von ihrer Dienstgeberin als Fahrtersatz in voller Höhe vergütet werden, wie von ihr beantragt zumindest "in Höhe des großen Pendlerpauschales" steuerlich zu berücksichtigen sind.

In Beantwortung eines die Berücksichtigung des großen Pendlerpauschales betreffenden Vorhaltes verwies die Bw. auf ein Schreiben ihrer Dienstgeberin, worin diese ua. ausführte:

Sie benötige als Bezieherin der Pflegestufe 7 eine ständige Betreuerin und werde die Bw. zu deren Unterstützung abends benötigt. Die Arbeit der Bw. sei kaum vor 22 Uhr 45 beendet. Der letzte Autobus in die Innenstadt (sie wohne am Stadtrand), dessen Haltestelle in ca. 5 Minuten zu erreichen sei, fahre um 19 Uhr 01 ab. Zur Straßenbahn müsste die Bw. ca. 20 Minuten durch teilweise unbewohntes Gebiet gehen. Eine solche Wegstrecke sei ihr keinesfalls zumutbar und würde ihr der Gedanke, dass die Bw. "nachts alleine auf einer gefährlichen Strecke unterwegs wäre", den Schlaf rauben.

In dem daraufhin erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 hat das Finanzamt die Berücksichtigung des großen Pendlerpauschales unter Bezugnahme auf § 16 EStG 1988 versagt. Danach stünde das große Pendlerpauschale nur dann zu, wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht möglich oder zumutbar sei und die Fahrtstrecke zumindest 2 km betrage. Unzumutbarkeit liege jedenfalls dann vor, wenn ein Massenverkehrsmittel zumindest auf dem halben Arbeitsweg überhaupt nicht oder nicht zur erforderlichen Zeit verkehre. Die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels sei nicht mehr zumutbar, wenn bei einer Wegstrecke unter 20 km eine Wegzeit von eineinhalb Stunden überschritten werde.

In der dagegen gerichteten Berufung führte die Bw. ua. aus, weshalb ihr die Benützung eines Massenverkehrsmittels bei der "Rückkehr in der Nacht nach Hause nicht zumutbar ist":

Es sei ihr als älterer Person (Jahrgang 1938) nämlich nicht zumutbar, in der Nacht ca. 20 Minuten (1,34 km) durch eine einsame menschenleere Gegend zu gehen, dann bei einer einsamen Haltestelle vielleicht eine halbe Stunde auf die Straßenbahn (6,4 km) zu warten, die Straßenbahn an dem nachts äußerst gefährlichen X-Platz zu verlassen und noch einige Zeit zu Fuß (0,46 km) nach Hause zu gehen.

Das Einkommensteuergesetz selbst enthalte - so die Bw. - keine Definition des Begriffes "unzumutbar". Es müssten daher die von ihr angeführten Gründe auch der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 entsprechen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 1. März 2010 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Es sei zwar richtig, dass § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 den Begriff der Zumutbarkeit nicht näher erläutere, doch würde in den LStR 2002 Rz 255 dazu ausgeführt, dass die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels dann als nicht zumutbar gelte, wenn bei einer einfachen Wegstrecke unter 20 Kilometer eine Wegzeit von 1,5 Stunden überschritten werde; da dem im gegenständlichen Fall nicht so sei, könnte das große Pendlerpauschale nicht gewährt werden.

Daraufhin beantragte die Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Darin führte sie ergänzend aus, dass - mangels Legaldefinition des Begriffes "Zumutbarkeit" - die Ausführungen in den LStR 2002 Rz 255 auch nur eine Auslegung dieses Begriffes enthalten könnten. Es müsste daher ihrer Meinung nach "durchaus auch noch eine andere Auslegung in einem Einzelfall, der nicht häufig auftreten dürfte und der deshalb im Allgemeinen, für die normale praktische Arbeit ausgerichteten Richtlinien nicht enthalten sein dürfte, möglich sein".

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Werbungskosten auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Nach Abs. 1 Z 6 lit. a leg. cit. sind diese Kosten bei einer einfachen Fahrtstrecke bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 EStG 1988) abgegolten.

Ist dem Arbeitnehmer jedoch im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenverkehrsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, ist bei einer einfachen Fahrtstrecke von 2 km bis 20 km zusätzlich zum Verkehrsabsetzbetrag ein Pauschbetrag von 297 Euro jährlich (bis 30. Juni 2008) und 342 Euro (ab 1. Juli 2008) zu berücksichtigen (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988, sog. großes Pendlerpauschale).

Unzumutbarkeit in Sinne dieser Gesetzesbestimmung ist nach der Verwaltungspraxis (vgl. Sailer/Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2008, Frage 16/23 zu § 16 EStG 1988; vgl. auch LStR 2002 Rz 253 ff) ua. nur dann zu bejahen,

- wenn auf der gesamten Fahrtstrecken kein Massenverkehrsmittel verkehrt,

- wenn auf mehr als der halben Fahrtstrecke kein Massenverkehrsmittel verkehrt oder

- wenn zu Beginn oder Ende der Arbeitszeit (oder zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke) kein Massenverkehrsmittel verkehrt (Unzumutbarkeit wegen tatsächlicher Unmöglichkeit).

Die Bw. stellt nun gar nicht in Abrede, dass diese Unzumutbarkeitsgründe in ihrem Fall nicht gegeben sind, ist aber der Meinung, dass sich die - im Gesetz nicht näher definierte - Unzumutbarkeit aus ihrer spezielle Arbeitwegsituation (gefährliche Gehwege von der Arbeitsstätte zur Straßenbahnhaltestelle und von der Straßenbahnhaltestelle nach Hause) ergeben würde.

Dazu ist festzuhalten, dass die Gewährung des Pendlerpauschales ausschließlich nach objektiven Kriterien der Benützungsmöglichkeit des öffentlichen Verkehrsmittels zu beurteilen ist (vgl. zB UFS 3.8.2009, RV/0315-F/09, UFS 21.4.2010, RV/0118-F/10), da andernfalls - wenn auch subjektive Kriterien in diese Zumutbarkeitsbeurteilung einbezogen würden - der Willkür Tür und Tor geöffnet würde: So könnte es etwa auch von (jüngeren) Personen subjektiv als unzumutbar angesehen werden, gewisse Wege (Straßen) in der Dämmerung zu Fuß zurückzulegen bzw. persönlich als "gefährlich" eingestufte Orte oder Plätze zu passieren.

In Anbetracht dessen kann daher eine auf derartige Umstände gestützte Auslegung des Begriffes der Unzumutbarkeit (wenn auch das diesbezügliche subjektive Empfinden der Bw. keineswegs in Abrede zu stellen ist) nicht im Sinne des Gesetzgebers sein und würde - folgte man dem Begehren der Bw. - auch unter dem Aspekt einer gleichmäßigen Besteuerung aller Steuerpflichtigen nicht gerechtfertigt sein.

Objektiv gesehen steht nun der Bw. - wie aus der Sachverhaltsdarstellung ersichtlich ist - bei einer (einfachen) Gesamtwegstrecke von 8,2 km selbst bei der Rückfahrt auf weit mehr als dem halben Arbeitsweg (6,4 km) ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung.

Auf Basis der vorliegenden Sach- und Rechtslage konnte der Bw. daher das große Pendlerpauschale - wie im Spruch ersichtlich - nicht gewährt werden.

Graz, am 10. November 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

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