Bindung der Abgabenbehörde an einen Feststellungsbescheid nach § 10 Abs 1 ALSaG
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde der A-GmbH, Anschrift, vom 15. Mai 2009 gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Innsbruck vom 10. April 2009, Zl. 800000/00000/2009, betreffend Altlastenbeitrag und Festsetzung eines Säumniszuschlags entschieden:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Notifizierungsbescheid vom 31. Mai 2006, Nr AT 000000, erteilte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, der A-GmbH (im Folgenden auch: Beschwerdeführerin bzw Bf) die Zustimmung zur Verbringung von 2.500 Tonnen Shredderrückstände (Leichtfraktion) nach Deutschland. Im Kalenderjahr 2007 sind dazu von der Bf nachweislich 626 Tonnen aus dem Bundesgebiet zum Zwecke des Bergversatzes ausgeführt worden.
Da die selbst zu berechnende Beitragsschuld nach dem Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) beim zuständigen Zollamt weder angemeldet noch abgeführt worden war, setzte die Behörde die Beitragsschuld gemäß § 201 BAO mit Bescheid vom 2. Februar 2009 von Amts wegen fest und schrieb sie zur Entrichtung vor. Nach Darlegung des Sachverhalts und der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen führt die Behörde begründend aus, durch ein von der Bf am 24. April 2006 beantragtes Feststellungsverfahren der BH Innsbruck und ein darauf folgendes Berufungsverfahren beim Amt der Tiroler Landesregierung stehe die Beitragspflicht nach den Bestimmungen des AlSAG fest.
Gegen diese Entscheidung brachte die Bf mit Schreiben vom 3. März 2009 beim Zollamt Innsbruck form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein. Im Wesentlichen argumentiert sie mit fachlichen Ausführungen, verfahrensgegenständlich würde kein AlSAG-Beitragstatbestand vorliegen. Untermauert wird diese Behauptung durch eine so genannte "Gemeinsame Erklärung" von österreichischen Shredderbetrieben. Darüber hinaus richtet sich die Berufung gegen die Festsetzung des Säumniszuschlags.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom 10. April 2009 wurde sie als unbegründet abgewiesen. In den Erwägungsgründen verweist die Rechtsmittelbehörde erster Instanz neuerlich auf das Feststellungsverfahren nach § 10 AlSAG vor der BH Innsbruck, in dem festgestellt wurde, dass es sich bei dem in der Anlage des deutschen Unternehmens B hergestellten Versatzmaterial um Abfall handelt und dass mit der Beförderung der Shredderrestfraktion zum Bergversatz in Deutschland, nach erfolgter Vorbehandlung bei der B, eine nach dem AlSAG beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt. Die Entscheidung der BH Innsbruck wurde im Berufungsverfahren vom Amt der Tiroler Landesregierung bestätigt. Weiters argumentiert die Behörde, die im Feststellungsverfahren rechtskräftig entschiedenen Fragen würden für die Zollbehörde Vorfragen iSd der Bestimmung des § 116 Abs 1 BAO darstellen, an die die Abgabenbehörden gebunden seien. Der Vorwurf der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gehe infolge der Bindungswirkung an den gemäß § 10 Abs 1 AlSAG ergangenen Feststellungsbescheid ins Leere. Zudem könne dem Antrag auf Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages nicht Rechnung getragen werden. Da der Abgabenpflichtige in Kenntnis des rechtskräftigen Berufungserkenntnisses zum Feststellungsverfahren keine Selbstberechnung und Anmeldung der Abgaben vorgenommen habe, so die Behörde, könne nicht davon ausgegangen werden, dass den Abgabenpflichtigen kein grobes Verschulden an der Säumnis trifft.
Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2009 brachte die anwaltlich vertretene Bf beim Unabhängigen Finanzsenat (UFS) dagegen form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Darin wird die Berufungsvorentscheidung des ZA Innsbruck vom 10. April 2009 sowohl hinsichtlich der Bestätigung der Festsetzung des Altlastenbeitrags als auch bezüglich der Festsetzung des korrespondierenden Säumniszuschlages für das Kalenderjahr 2007 angefochten. Nach Darstellung des Sachverhalts verweist die Bf zunächst auf ihr Berufungsschreiben sowie auf die "Gemeinsame Erklärung" und erklärt deren Inhalt auch zum Inhalt der Beschwerdeschrift. Sodann folgen Ausführungen zur Behauptung, es würde keine AlSAG-Beitragspflicht bestehen; weiters vermeint die Bf, dass es sich bei der in Rede stehenden Shredderrestfraktion nur bis zur Konditionierung um Abfall handelt. Zum ebenfalls vorgeschriebenen Säumniszuschlag vertritt die Bf sinngemäß den Standpunkt, die Festsetzung entbehre jeder Grundlage, da auch kein Altlastenbeitrag zu entrichten sei. Darüber hinaus wird in der Beschwerde die Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie eine mangelhafte Begründung der BVE geltend gemacht. Abschließend beantragt die Bf die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu diesen dahingehend abzuändern, dass für das Kalenderjahr 2007 und die in diesem Zeitraum erfolgte Beförderung der Shredderrestfraktion zur physikalischen Behandlung und nachfolgenden stofflichen Verwertung im Bergversatz in der Grube Bernburg zur B Gesellschaft kein Altlastenbeitrag und somit auch kein Säumniszuschlag zu entrichten ist.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Verfahrensgegenständlich ist unbestritten, dass der A-GmbH mit dem Notifizierungsbescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, vom 31. Mai 2006, Nr AT 000000, die Zustimmung zur Verbringung von 2.500 Tonnen Shredderrückstände (Leichtfraktion) zum Bergversatz nach Deutschland erteilt wurde und im Kalenderjahr 2007 zu diesem Zwecke 626 Tonnen der bewilligten Ware aus dem Bundesgebiet ausgeführt worden sind. Strittig ist die Frage, ob es sich bei dem für den Bergversatz verwendeten Material um Abfall handelt. Die Bf verneint dies und hat versucht, anhand von zahlreichen, sowohl in der Berufungs- als auch in der Beschwerdeschrift vorgebrachten fachlichen Argumenten und mit der im verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt aufliegenden "Gemeinsamen Erklärung" von österreichischen Shredder-Betrieben der Argumentation der erstinstanzlichen Behörde entgegenzutreten. Allerdings geht sie dabei mit keinem Wort auf die im streitgegenständlichen Fall so wesentliche Begründung des Zollamtes Innsbruck ein, die Abgabenbehörde wäre in ihrer Entscheidung an den Feststellungsbescheid der BH Innsbruck vom 17. Dezember 2007, GZ X, gebunden. Aber mit dieser Behauptung ist die Behörde im Recht!
Die im maßgeblichen Zeitraum geltende Bestimmung des § 10 Absatz 1 AlSAG (BGBl 1989/299 idF BGBl I 2003/71) lautet:
"(1) Die Behörde (§ 21) hat in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Hauptzollamtes des Bundes durch Bescheid festzustellen,
1. ob eine Sache Abfall ist,
2. ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt,
3. ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt,
4. welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 vorliegt,
5. ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 nicht anzuwenden,
6. welcher Deponietyp gemäß § 6 Abs. 4 vorliegt.
Die A-GmbH hat mit Eingabe vom 20. April 2006 ein Feststellungsverfahren nach § 10 Abs 1 AlSAG bezüglich des in der Anlage der Firma B hergestellten Versatzmaterials bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck beantragt. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2007, Zl X, wurde sowohl die Abfalleigenschaft als auch die Altlastenbeitragspflicht festgestellt. Die von der Bf gegen diese behördliche Erledigung beim Amt der Tiroler Landesregierung eingebrachte Berufung wies die Behörde mit Berufungserkenntnis vom 30. April 2008, GZ Y, als unbegründet ab. Nach diesem, mittlerweile rechtskräftigen Erkenntnis lautet der Spruch des Feststellungsbescheides vom 17. Dezember 2007, Zl X, wie folgt:
"I. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 i.V.m. § 2 Abs. 4 ALSAG i.V.m. § 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 , BGBl. Nr. 102/2002, in der Fassung BGBl. I Nr. 43/2007 (in der Folge kurz AWG 2002), wird festgestellt, dass es sich bei dem in der Anlage der Firma B hergestellten Versatzmaterial um Abfall handelt.
II. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Z 4 und § 3 Abs. 1 Z 1 lit. c AlSAG wird festgestellt, dass mit der Beförderung der in der A-GmbH anfallenden Shredderrestfraktion zum Bergversatz in der Anlage der C GmbH & Co KG, Werk Bernburg, nach erfolgter Vorbehandlung in der Anlage B GmbH, nach Deutschland und somit außerhalb des Bundesgebietes, eine nach dem AlSAG beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt."
An diesen Spruch im Feststellungsbescheid war das Zollamt Innsbruck in seinem abgeleiteten Abgabenbescheid vom 2. Februar 2009 genauso gebunden wie im nachfolgenden Berufungsverfahren. Sämtliche Einwände der Bf im Abgabenverfahren zur Abfalleigenschaft der streitgegenständlichen Ware bzw zur fehlenden Beitragspflicht nach dem Altlastensanierungsgesetz gehen daher ins Leere. In diesem Sinne äußert sich auch Ritz (Ritz, BAO3, § 116 Tz 11):
"... Die Partei kann als Folge der Bindung in einer Berufung gegen den Bescheid, in dem die Bindung an die Entscheidung über die Hauptfrage besteht, nicht mit Aussicht auf Erfolg die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung (also der Hauptfragenentscheidung im anderen Verfahren) geltend machen; eine solche Berufung wäre als unbegründet abzuweisen (Vogel, FJ 1972, 144). ..."
Der österreichische Verwaltungsgerichtshof beschreibt in seinem Erkenntnis vom 17.09.2009, 2009/07/0103, das Feststellungsverfahren nach dem AlSAG wie folgt:
"Das Feststellungsverfahren nach § 10 Abs 1 ALSAG 1989 hat den Zweck, über strittige (Vor-)Fragen bescheidmäßig abzusprechen und sie damit in verbindlicher Weise für die jeweiligen Beitragsfestsetzungen zu klären. Es soll damit zur Rechtssicherheit und Verfahrensbeschleunigung beitragen. Ein Verfahren nach § 10 Abs. 1 ALSAG 1989 dient der bescheidmäßigen Klärung und damit der rechtswirksamen Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen der Altlastenbeitragspflicht (vgl. E 6. August 1998, 97/07/0174; E 25. Juni 2009, 2006/07/0150)."
Zusammenfassend wird zum Thema Altlastenbeitrag festgehalten: Das Zollamt Innsbruck war sowohl im Abgaben- als auch im Rechtsmittelverfahren an den oben erwähnten Feststellungsbescheid der BH Innsbruck gebunden. Da im Sinne dieser Entscheidung der Abgabenbescheid vom 2. Februar 2009 zu Recht erging, war die Berufung als unbegründet abzuweisen. Im Übrigen wurden dabei weder Verfahrensvorschriften verletzt noch ist die Berufungsvorentscheidung vom 10. April 2009 mangelhaft begründet. Die Behörde hat den Sachverhalt hinreichend dargelegt und unter Bezugnahme auf das von der Bf offenbar negierte Feststellungsverfahren ihre Entscheidungsfindung schlüssig begründet. Abgesehen davon können nach stRsp des VwGH Begründungsmängel im erstinstanzlichen Verfahren im Rechtsmittelverfahren saniert werden (zB VwGH 17.02.1994, 93/16/0117).
Mit der Vorschreibung des Säumniszuschlages hat das Zollamt Innsbruck einem aus § 217 BAO resultierenden gesetzlichem Auftrag entsprochen. Die Festsetzung erweist sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als korrekt, zumal der Altlastenbeitrag nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurde. Dem Antrag auf Herabsetzung bzw Nichtfestsetzung iSd § 217 Abs 7 leg cit war nicht zu entsprechen, weil im Hinblick auf das Vorliegen eines Feststellungsbescheides grobes Verschulden der Bf bezüglich der Nichtentrichtung des Altlastenbeitrags vorliegt. Eine zum Feststellungsbescheid abweichende Rechtsansicht der Bf vermag die Unterlassung nicht zu entschuldigen.
Insgesamt war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Salzburg, am 8. Juli 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Zoll |
betroffene Normen: | § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Feststellungsbescheid, Bindung, Abgabenbehörde |
Verweise: | VwGH 17.02.1994, 93/16/0117 |