UFS RV/0294-F/08

UFSRV/0294-F/0818.5.2010

1) Besteuerungsrecht bezüglich einer deutschen Altersrente2) Gemeinschaftsrechtskonformität der Bestimmung des § 67 Abs. 1 EStG 1988

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des E.K., gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008 entschieden:

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben betragen (hinsichtlich deren Berechnung wird auf die als Beilage angeschlossenen Berechnungsblätter verwiesen):

Jahr

Einkommen

Einkommensteuer

2006

29.161,80 €

4.687,70 €

2007

29.458,13 €

4.654,61 €

2008

30.208,41 €

4.748,76 €

Entscheidungsgründe

Der in Vorarlberg ansässige Berufungsführer bezieht neben inländischen nichtselbständigen Einkünften seit Dezember 2004 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine deutsche Altersrente.

Nachdem das Finanzamt die deutsche Pension jeweils zur Gänze dem Normalsteuersatz unterzogen hatte, wurde in den gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006 bis 2008 erhobenen Berufungen beantragt, ein Siebtel der deutschen Pensionsbezüge gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu besteuern. Dadurch, dass die deutsche Pension nicht anteilig der begünstigten Besteuerung nach § 67 Abs. 1 EStG 1988 unterzogen worden sei, werde ein Verstoß gegen verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte bzw. die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte, insbesondere den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Artikel 39 EG-Vertrag bewirkt.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 hat der Berufungsführer mitgeteilt, dass für die Jahre 2004 bis 2008 der Alleinverdienerabsetzbetrag irrtümlich beansprucht worden sei.

Auf Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenates wurden mit Schreiben vom 10. Mai 2010 eine von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erstellte Auflistung über den Versicherungsverlauf des Berufungsführers sowie Mitteilungen der Versicherungsanstalt über die in den Jahren 2005 bis 2008 monatlich auszubezahlenden Rentenbeträge vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Das Finanzamt ist bezüglich der deutschen Pension entsprechend den eingereichten Einkommensteuererklärungen von einem innerstaatlichen Besteuerungsanspruch ausgegangen. Dies erweist sich aus folgenden Gründen als nicht rechtmäßig:

Nach Art. 18 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. III Nr. 182/2002, dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen nur im Ansässigkeitsstaat (hier: Österreich) besteuert werden. Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person hingegen Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats, dürfen diese nach Abs. 2 abweichend von Abs. 1 nur im anderen Staat (hier: Deutschland) besteuert werden.

Nach Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA-BRD nimmt Österreich als Ansässigkeitsstaat Einkünfte die nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden dürfen, von der Besteuerung aus. Die solcherart von der Besteuerung ausgenommenen Einkünfte dürfen nach Art. 23 Abs. 2 lit. d leg. cit. jedoch in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen der Person einbezogen werden (sog. Progressionsvorbehalt).

Aus dem vorgelegten Versicherungsverlauf geht hervor, dass der erworbene Rentenanspruch auf bis zum Jahr 1974 geleisteten Pflichtbeiträgen bzw. angerechneten Ausbildungszeiten beruht. Die aus Deutschland bezogene Rente stellt damit ohne Zweifel einen Bezug aus der gesetzlichen Sozialversicherung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 DBA-BRD dar. Das Besteuerungsrecht für die in Rede stehenden Pensionseinkünfte kommt sohin der Bundesrepublik Deutschland als Quellenstaat zu, wohingegen sie in Österreich unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung auszunehmen sind. Die deutsche Pension ist somit aus der (inländischen) Bemessungsgrundlage auszuscheiden, darf aber bei der Festsetzung des Steuersatzes für das verbleibende inländische Einkommen miteinbezogen werden. Zu diesem Zweck wird das (Gesamt)Einkommen (dh. einschließlich der deutschen Pensionseinkünfte) ermittelt, anhand der sich daraus ergebenden Einkommensteuer der Durchschnittsteuersatz errechnet und dieser schließlich auf jenen Einkommensteil angewandt, der von Österreich besteuert werden darf. Der Progressionsvorbehalt stellt damit sicher, dass die dem Vertragstaat für Besteuerungszwecke zugeteilten Einkünfte zwar aus der Bemessungsgrundlage ausscheiden, die befreiten Einkünfte aber nicht ihre Progressionswirkung betreffend die zur Besteuerung verbliebenen Einkünfte verlieren (vgl. VwGH 26.7.2007, 2006/15/0065, mwN).

Das für den Progressionsvorbehalt heranzuziehende (Gesamt)Einkommen ist nach den Vorschriften des österreichischen Einkommensteuergesetzes zu ermitteln (vgl. VwGH 14.12.2006, 2005/14/0099). Eine Pension aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung zählt gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn sie einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht. Daran kann im Berufungsfall nach der Aktenlage kein Zweifel bestehen und ist die Frage einer anteiligen Subsumierung der deutschen Pension unter § 67 Abs. 1 EStG 1988 folglich auch für Zwecke des Progressionsvorbehaltes, konkret für die Ermittlung des Durchschnittsteuersatzes von Relevanz.

Was die Frage der Herausrechnung nach § 67 Abs. 1 EStG 1988 begünstigt zu besteuernder sonstiger Bezüge betrifft, hat der Unabhängige Finanzsenat in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen, dass eine Besteuerung nur dann nach § 67 EStG 1988 erfolgen kann, wenn tatsächlich sonstige Bezüge neben dem laufenden Bezug ausbezahlt werden und in Bezug auf diese Gesetzesbestimmung auch kein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erkennbar ist (vgl. ua. UFS 4.12.2007, RV/0235-F/07).

Diese Auffassung wurde zunächst beim Verfassungsgerichtshof und nachdem dieser die Behandlung der Beschwerden mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt hatte (vgl. ua. Beschluss vom 10. Juni 2008, B 134/08 - 3), beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft. Mit Erkenntnis vom 23. Februar 2010, 2008/15/0243, hat der der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates bestätigt. Begründend führt der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus, sonstige Bezüge lägen nur vor, wenn die Bezüge neben dem laufenden Arbeitslohn und von demselben Arbeitgeber ausbezahlt würden. Sie müssten sich sowohl durch den Rechtstitel, aus dem der Arbeitnehmer den Anspruch ableiten könne, als auch durch die tatsächliche Auszahung deutlich von laufenden Bezügen unterscheiden. Sie dürften auch nicht für den üblichen Lohnzahlungszeitraum gezahlt werden, sondern müssten Leistungen aus mehreren Lohnzahlungszeiträumen abgelten. Erfülle die Entlohnung eines Arbeitnehmers nicht diese Voraussetzungen, sei eine rechnerische Aufteilung des Jahreslohnes in laufende und sonstige Bezüge nicht möglich. § 67 EStG 1988 unterscheide nicht zwischen inländischen und ausländischen Einkünften. Die Bestimmung sei für diese daher gleichermaßen anwendbar, sofern sie die Voraussetzungen des § 67 EStG 1988 erfüllten. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung (im Beschwerdefall einer Pension aus der schweizerischen gesetzlichen Sozialversicherung) sei nicht in der Regelung des § 67 EStG 1988 begründet, sondern in der unterschiedlichen Gestaltung der jeweiligen Sozialversicherungsgesetze. Die unterschiedliche Gestaltung der Sozialversicherungssysteme aber stelle keine versteckte Diskriminierung dar. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH 12.7.2005, C-403/03 , Schempp, Randnr. 45), garantiere der EG-Vertrag einem Unionsbürger nicht, dass die Verlagerung seiner Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als denjenigen, in dem er bis dahin gewohnt hat, hinsichtlich der Besteuerung neutral sei. Auf Grund der Unterschiede im Steuerrecht der Mitgliedstaaten könne eine solche Verlagerung für den Bürger je nach Einzelfall Vor- oder Nachteile bei der mittelbaren Besteuerung haben. Ebenso garantiere es der Vertrag einem Erwerbstätigen nicht, dass die Ausweitung seiner Tätigkeiten auf mehr als einen Mitgliedstaat oder deren Verlagerung in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit neutral sei (vgl. EuGH 9.3.2006, C-493/04 , Piatkowski, Randnr. 34).

Eine anteilige Herausrechnung sonstiger Bezüge kam somit nicht in Betracht. Die angefochtenen Bescheide waren daher insoweit abzuändern, als die deutsche Pension in Höhe von 5.624,28 € (2006), 5.639,34 € (2007) und 5.685,66 € (2008) aus der österreichischen Einkommensteuerbemessungsgrundlage auszuscheiden und in dieser Höhe im Rahmen der Ermittlung des Durchschnittsteuersatzes für Zwecke des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen war.

Die angefochtenen Bescheide waren weiters insoweit zu berichtigen, als entsprechend der Mitteilung des Berufungsführers vom 10. Dezember 2009 der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht mehr zu berücksichtigen war. Die abzugsfähigen Topf-Sonderausgaben verminderten sich dadurch entsprechend (§ 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988).

Beilage: 3 Berechnungsblätter

Feldkirch, am 18. Mai 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 67 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002

Verweise:

VwGH 23.02.2010, 2008/15/0243
UFS 04.12.2007, RV/0235-F/07

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