Anspruch auf Familienbeihilfe bei Heimerziehung der Kinder
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., X., gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum 1. September 2008 bis 30. April 2009 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) bezog im Streitzeitraum 1. September 2008 bis 30. April 2009 für ihre vier minderjährigen Kinder Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge. Die Kinder befanden sich im Streitzeitraum in Heimerziehung; die Bw. legte Unterlagen vor, die die Kinderbesuche sowie die aufgewendeten Unterhaltsleistungen dokumentieren sollen.
Strittig ist, ob die vom Finanzamt mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 erfolgte Rückforderung für den oben genannten Zeitraum zu Recht erfolgte.
Die Rückforderung erfolgte mit folgender Begründung:
"Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Unter Haushalt ist eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, wobei es für die Frage nach der Haushaltszugehörigkeit eines Kindes unerheblich ist, wer den Haushalt führt, dem das Kind angehört. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).
Eine einheitliche Wirtschaftsführung nach dieser Gesetzesstelle setzt in Bezug auf die vorübergehend außerhalb der Wohngemeinschaft lebenden Kinder voraus, dass diese Kinder im Rahmen der dem Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel entsprechend bedacht und damit noch der elterlichen Obsorge teilhaftig werden (vgl. VwGH 19.10.1960, 1509/58 ). Als "vorübergehend" wird ein Aufenthalt des Kindes außerhalb der gemeinsamen Wohnung dann anzusehen sein, wenn aus den Umständen des Falles darauf geschlossen werden kann, dass das Kind nach absehbarer Zeit wieder in der gemeinsamen Wohnung leben wird (vgl. ARD-HB 1985, S 7).
Bei Kindern, die sich wegen eines Leidens oder Gebrechens dauernd in Anstaltspflege oder in Heimerziehung befinden, wird die Haushaltszugehörigkeit zu den Eltern unterstellt, wenn die Eltern zu den Unterhaltskosten mindestens in Höhe der Familienbeihilfe beitragen, wobei sich dieser Beitrag um den für erheblich behinderte Kinder vorgesehenen Erhöhungsbetrag erhöht, wenn das Kind erheblich behindert ist. Es gehören zu den Unterhaltskosten vielmehr auch die sonstigen Kosten, die für die Pflege und Erziehung des Kindes aufgewendet werden, wie zB Kosten für Bekleidung, ärztliche Betreuung, zusätzliche Verpflegung, Geschenke (Bücher, Spielzeug usw.), Ausgaben für kulturelle Interessen. Es ist gleichgültig, ob diese Ausgaben freiwillig oder auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgen. Diese direkten Unterhaltsleistungen können jedoch nur anerkannt werden, wenn sie nachgewiesen werden. Auch im Falle einer vollen Heimerziehung, unabhängig ob mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten oder gegen deren Willen (§§ 28, 29 und 30 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, BGBl. Nr. 161/1989, in geltender Fassung), ist nicht auszuschließen, dass das Kind bei den Eltern weiterhin als haushaltszugehörig gilt. Maßgebend für die Haushaltszugehörigkeit ist auch hier, dass das Kind noch weiterhin der elterlichen Obsorge teilhaftig wird.
Für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit ist ausschließlich die Tatsache der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft von Bedeutung, nicht dagegen das Erziehungsrecht (VwGH 22.10.1971, 0336/70 ).
Im vorliegenden Fall sind Ihre minderjährigen Kinder A., B., C. und D. seit 1. September 2008 in der Außenwohngruppe in E. untergebracht. Laut Auskunft der Einrichtung finden zwar regelmäßige Besuchskontakte mit den Kindern statt, jedoch nächtigen die Kinder immer in der Außenwohngruppe in E. und nicht im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern.
Die an den Wochenenden wahrgenommenen Kontaktmöglichkeiten begründen ebenfalls keine Zugehörigkeit zum Haushalt, weil infolge der vorgeschriebenen Rückkehr in die Wohngemeinschaft, die Aufenthalte bei den Eltern nur vorübergehend sind. Durch die Unterbringung der Kinder in der Wohngemeinschaft ist daher die Voraussetzung der Haushaltszugehörigkeit weggefallen. Weiters müssen Sie für Ihre Kinder keine Unterhaltskosten leisten. Die Heimunterbringung wird zur Gänze öffentlich finanziert.
In der Vorhaltsbeantwortung vom 31.08.2009 listen Sie die ungefähr anfallenden monatlichen Kosten für den Besuch der Kinder auf. Es wurden jedoch keine Nachweise (Rechnungen) vorgelegt. Diese Aufwendungen stehen in keiner Relation zu den tatsächlichen Kosten der Heimunterbringung. Weiters können die Kosten auch nicht tatsächlich belegt werden und wurden lediglich geschätzt. Es wird nicht bezweifelt, dass Sie bei den Wochenendbesuchen Ihren Kindern Geschenke, bzw. Hygieneartikel mitgebracht haben. Um die Voraussetzungen der fiktiven Haushaltszugehörigkeit zu erfüllen, müssten Sie monatliche Zahlungen in Höhe der Familienbeihilfe von zusammen ca. € 752,- leisten und diese Zahlungen auch durch entsprechende Nachweise belegen.
Die angeführten Kilometergelder für die Hinfahrt ins Pflegeheim zählen jedoch nicht zu den Unterhaltsleistungen und können daher bei der überwiegenden Kostentragung nicht berücksichtigt werden. Bei den vorgelegten Kosten für das Haus, die Möbel der Kinder, Telefonkosten usw. ist anzuführen, dass es sich hier ebenfalls um freiwillige Leistungen und keine Unterhaltsverpflichtung handelt.
Des Weiteren führen Sie an, dass Sie am 26.12.2008, 18.01.09, 15.02.09, 15.3.09, 29.03.09, 12.04.09 und am 24.04.09 mit den Kindern nach Hause (AB) gefahren sind. Laut Routenplaner sind dies 131 km für eine Fahrtstrecke und es ist eine Fahrtzeit von einer Stunde und 43 Minuten vorgesehen. Danach wären die Kinder lediglich für 3,5 Stunden zu Hause gewesen.
Nun zählen Kinder, die sich mit Einwilligung der Kindeseltern außerhalb deren Wohnung, nicht zu Erwerbszwecken sondern zu Zwecken der Erziehung oder Ausbildung aufhalten, nur dann zum Haushalt der Kindeseltern, wenn eine einheitliche Wirtschaftsführung unter Leitung der Kindeseltern besteht. Wird ein Kind zur Fürsorgeerziehung in ein Erziehungsheim eingewiesen und kümmern sich die Eltern nicht um das Kind und leisten für dessen Heimunterbringung keine Beiträge, dann fehlt es an einer gemeinsamen Haushaltsführung mit dem Kind und es besteht bei den Eltern kein Anspruch auf Familienbeihilfe (VwGH 21.10.1959, 1092/56 ).
Das Finanzamt Waldviertel geht aufgrund des oben geschilderten Sachverhaltes davon aus, dass die Haushaltszugehörigkeit zu Ihren Kindern seit September 2008 als aufgehoben gilt und die Kinder nicht mehr der elterlichen Obsorge teilhaftig sind. Somit besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe und die Familienbeihilfe musste daher rückgefordert werden."
Die Bw. erhob gegen den Bescheid mit Fax vom 23. November 2009 Berufung.
Zur Begründung führte sie Folgendes aus:
"Unsere Kinder wurden uns aufgrund eines Misshandlungsverdachtes durch die Jugendabteilung F. entzogen. Deswegen wurde auch ein Strafverfahren gegen Bw. eingeleitet. Am 5.11.2009 wurde Frau K. von der Richterin freigesprochen, da sich die Misshandlungsvorwürfe als nichtig erwiesen haben... Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Aus unserer Sicht handelte es sich um einen ungerechtfertigen Kindesentzug, den allein die anonymen Anzeiger und die Jugendabteilung F. und nicht wir Eltern zu verantworten haben.
Die Jugendabteilung F. teilte uns auch auf wiederholte Nachfrage von Herrn K. mit, dass die Fremdunterbringung der Kinder zu keinem Verlust der Familienbeihilfe führen kann, solange wir die Kinder alle 14 Tage besuchen würden, was wir auch taten.
Als wir im Zuge unserer Übersiedelung von AB nach XY unseren neuen Wohnsitz dem Finanzamt F. meldeten, waren wir sehr überrascht, weil wir beim Hauskauf in XY einen Kredit aufnehmen mussten und natürlich mit dem Beibehalten der Familienbeihilfe kalkuliert hatten. Wir kauften dieses große Haus schließlich deswegen, um für unsere Kinder endlich genügend Platz zu haben. Wie sich herausstellte war das Beibehalten der Familienbeihilfe eine Falschinformation der Behörde, die den richtigen Sachverhalt wissen hätte müssen. Ebenso unterließ es die Jugendabteilung F., über die Fremdunterbringung unserer Kinder Meldung an das Finanzamt zu erstatten.
Die von uns beauftragten und getätigten Umbauarbeiten in AB wurden mit der Jugendabteilung vereinbart, waren also notwendig, um unseren Kindern ein sicheres und kindgerechtes Wohnen in diesem alten Haus zu ermöglichen.
Frau S., die Adoptivmutter von Frau K., stellte sich vor Gericht als anonyme Hauptanklägerin und Urheberin der Misshandlungsvorwürfe heraus. Sie hielt auch ihr Versprechen nicht, uns ihr Haus in AB zu überschreiben. Wir kauften uns daher dieses große Haus in XY, um endlich von ihr unabhängig zu sein, wie es die Jugendabteilung verlangte. Diese Maßnahme war absolut notwendig, da wir tatsächlich von ihr auf Aufforderung ihres Rechtsanwaltes, Dr. N., delogiert wurden und ihr Haus (wir hatten nur einen Nutzungsvertrag) innerhalb von 14 Tagen räumen musste.
Wenn wir keine oder höchstens zwei Kinder hätten, wäre für uns Eltern weder ein Hausumbau in AB noch der Ankauf eines so großen Hauses in XY notwendig gewesen.
Sehr unglückliche und nicht notwendige Entwicklungen, die nicht in unserer macht standen (anonyme Anzeigen und Misshandlungsvorwürfe durch die eigene Adoptivmutter von Frau K.) haben zu unserer momentanen Situation geführt; wir haben diese Situation daher nicht selbst verschuldet. Die Heimunterbringung unserer Kinder erfolgte ohne unser Einverständnis.
Unsere Lage hat sich bereits gebessert (Ablegung der Strafsache) und wird sich weiterhin bessern, da wir alles, was in unserer Macht steht, unternehmen, um unsere Kinder so rasch wie möglich aus dem Heim zurückzubekommen (Beauftragung eines Rechtsanwaltes, Lösung aus der Abhängigkeit von Frau S. und Schaffung kindgerechter Wohnverhältnisse durch den Hauskauf in XY).
Das Besuchsrecht regelt mittlerweile die Jugendabteilung F., da das Obsorgeverfahren in F. noch nicht abgeschlossen ist und daher noch keine gerichtliche Regelung besteht. Wir haben bei Gericht ein Besuchs- und Nächtigungsrecht in größtmöglichem Umfang beantragt, was zumindest zwei Wochenenden mit Nächtigungen pro Monat einschließt. Im Juli und August wurden uns bereits Nächtigungen gewährt.
Wie aus der Bestätigung der Heimleitung von "Rettet das Kind" vom 14.5.2009 hervorgeht, haben wir bisher alle von uns von der Jugendabteilung F. und der Heimleitung ermöglichten Besuchskontakte wahrgenommen.
Herr MMag. P. weist darauf hin, dass eine Nichtanerkennung der Bemühungen der Eltern hinsichtlich Besuchskontakte bei der Frage der Zuerkennung der Familienbeihilfe auch negative Auswirkungen auf das Zusammenwirken der Eltern, der Jugendabteilung und des Heimes und somit auch auf das Kindeswohl haben könnte.
Herr MMag. P. erachtet auch die Verwaltungspraxis bzw. die Regelungen der einzelnen Finanzämter in den Bezirken Niederösterreichs als uneinheitlich, widersprüchlich und damit häufig nicht nachvollziehbar. Denn bisher haben die Bestätigungen der Heimleitung hinsichtlich Regelmäßigkeit der Besuchskontakte und Heimfahrten inhaltlich für die Zuerkennung der Familienbeihilfe genügt.
Wir Eltern haben wie oben ausführlich begründet die Fremdunterbringung unserer Kinder nicht verschuldet. Die Situation hat sich durch unsere Anstrengungen und unser Einschreiten zu unseren Gunsten bereits verbessert und wird sich durch unsere Bemühungen weiter bessern..."
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gesetzliche Bestimmungen:
Gemäß § 2 Abs. 2 hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).
Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in seiner Judikatur nicht zwischen den Begriffen "Heimerziehung" und "Anstaltspflege"; bei den Kosten des Unterhalts ist auf die materiellen Leistungen abzustellen, also in der Regel auf den Geldunterhalt (sh. VwGH 16.12.2009, 2009/15/0207).
Feststehender Sachverhalt und rechtliche Würdigung:
Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass die vier Kinder der Bw. seit 1. September 2008 in einer Außenwohnstätte des Vereines "Rettet das Kind" untergebracht sind (Hauptwohnsitz laut Zentralem Melderegister). Grund dafür war ein Misshandlungsverdacht durch die Jugendabteilung F. auf Grund einer anonymen Anzeige.
Die Bw., ihr Gatte und die vier Kinder wohnten bis 20. April 2009 in AB im Haus der Adoptivmutter. Seit 20. April 2009 sind die Bw. und ihr Gatte an der Adresse I, gemeldet.
Die vier Kinder waren bis 1. September 2008 mit einem Hauptwohnsitz in AB und ab 3. September 2007 mit einem Nebenwohnsitz in Wien gemeldet.
Fest steht weiters (Schreiben der BH F. vom 8. Mai 2009), dass die Bw. und ihr Gatte in den ersten zwei bis drei Monaten ihre Kinder in wöchentlichem Abstand und später "auf Grund der Konzeption einer Außenwohngruppe" nur mehr 14-tägig gesehen haben. Es handelte sich dabei sowohl um Heimfahrten der Kinder in das neue Haus in XY als auch um Besuche der Eltern in der Außenwohnstelle. Wie aus einer von der Bw. beigebrachten Aufstellung über die gemeinsamen Aufenthalte von Eltern und Kindern hervorgeht, haben diese im Streitzeitraum bloß zwischen 6 und 16 Stunden, im Monatsschnitt also rund 12,5 Stunden betragen, wobei hiervon offensichtlich noch die Anreisezeiten zu den Kindern abzuziehen sind.
Voraussetzung für die Haushaltszugehörigkeit eines Kindes ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, wobei die Bedürfnisse des Kindes in dieser einheitlichen Wirtschaftsführung entsprechend Berücksichtigung finden müssen. Bei einer Besuchsfrequenz, wie sie oben dargestellt wurde, kann nicht von einer Haushaltszugehörigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG gesprochen werden. Festgehalten wird in diesem Zusammenhang, dass die Bw. in ihrem Schreiben vom 20.5.2009 ausführte, dass sie und ihr Gatte vor ca. einem Monat (das wäre April 2009) in das neue Haus übersiedelt seien und für jedes Kind bereits ein bezugsfertiges Zimmer zur Verfügung stehen würde. Tatsächlich sind die vier Kinder der Bw. nach wie vor in der Außenwohnstelle E. untergebracht. Es kann somit auch nicht davon gesprochen werden, dass die Haushaltszugehörigkeit nur vorübergehend aufgehoben war.
Das Finanzamt vertrat im angefochtenen Bescheid die Ansicht, dass ein Familienbeihilfenanspruch auch dann bestehen könnte, wenn die Bw. zu den Kosten des Unterhalts für ihre vier Kinder mindestens in Höhe der Familienbeihilfe beigetragen hätte. Das Finanzamt vermeint daher, dass § 2 Abs. 5 lit. c FLAG auf den Berufungsfall anwendbar ist.
Die Berufungsbehörde teilt diese Ansicht nicht. § 2 Abs. 5 lit. c FLAG setzt nämlich tatbestandsmäßig voraus, dass sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet. Nach dem oben dargelegten unstrittigen Sachverhalt war für den Heimaufenthalt aber keineswegs ein Leiden oder Gebrechen der Kinder ausschlaggebend. Eine fiktive Haushaltszugehörigkeit nach § 2 Abs. 5 lit. c FLAG kann daher nicht vorliegen.
Somit könnte Familienbeihilfe nur dann gewährt werden, wenn die Bw. nach § 2 Abs. 2 FLAG überwiegend die Unterhaltskosten für die Kinder tragen würde. Dass dies im Streitzeitraum der Fall war, ist allerdings nach der Aktenlage völlig auszuschließen.
Wie oben dargelegt, ist bei den Kosten des Unterhalts auf die materiellen Leistungen abzustellen, also in der Regel auf den Geldunterhalt. Zu den Kosten des Unterhaltes gehören nicht nur die Kosten für die Unterbringung in der Außenwohnstätte des Vereines "Rettet das Kind", sondern auch die sonstigen Kosten, die für die Pflege und Erziehung eines Kindes aufgewendet werden, wie z.B. Kosten für Bekleidung, ärztliche Betreuung, zusätzliche Verpflegung, Geschenke etc. Es ist gleichgültig, ob diese Ausgaben freiwillig oder auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgen. Diese direkten Unterhaltsleistungen können jedoch nur dann anerkannt werden, wenn sie nachgewiesen bzw. zumindest glaubhaft gemacht werden. Nicht zu den Kosten des Unterhalts zählen die Fahrtkosten sowie die Kosten des Umbaus des Hauses.
Im vorliegenden Fall wurden die von der Bw. für ihre Kinder angeblich aufgewendeten Beträge nicht durch Rechnungen nachgewiesen, sondern in einem an das Finanzamt gerichteten und als "Sachverhaltsdarstellung" bezeichneten Schreiben (vom 31. August 2009) lediglich geschätzt. Dies geht vor allem daraus hervor, dass die bei den einzelnen Aufenthalten der Kinder in AB für Geschenke, Kleidung und Hygieneartikel angeführten Beträge immer gleich bleibend und gerundet angegeben wurden, nämlich 20 € pro Kind und Geschenk und 10 € für Kleidung und Hygieneartikel, ebenfalls pro Kind. Zusatzgeschenke, Mc Donald Besuche, Eintritt Hallenbad etc. wurden meistens mit 40 oder 60 € angegeben.
Selbst unter Heranziehung der Aufstellung der Bw. ergibt sich aber, dass sie (gemeinsam mit ihrem Ehegatten) in den einzelnen Monaten des Streitzeitraumes ihren Kindern Zuwendungen zwischen 340 und 730 € monatlich erbracht hätte. Nur im Dezember 2008 hat deren Summe nach den Angaben der Bw. wegen der Weihnachtsgeschenke 1.030 € betragen. Daraus folgt, dass in der Mehrzahl der Monate des Streitzeitraumes nicht einmal die Familienbeihilfe abgedeckt wurde; von einer überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten kann jedenfalls keineswegs gesprochen werden.
Da sich die Kinder seit 1. September 2008 in Heimerziehung befinden, nur 14-tägiges Besuchs- und Nächtigungsrecht besteht und weiters die Bw. und ihr Gatte keine ausreichenden Unterhaltsleistungen im Sinne des Gesetzes leisten, erfolgte die Rückforderung der Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum September 2008 bis April 2009 zu Recht.
Wien, am 23. März 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise: | VwGH 19.10.1960, 1509/58 |