Sind für die vom Arbeitgeber für die Vermittlung von Aufträgen vergütete Provisionen Lohnabgaben einzubehalten und abzuführen?
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/15/0049 eingebracht. Mit Erk. v. 26.2.2013 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw, vertreten durch Kastner & Schatz Steuerberatung GmbH, 3340 Waidhofen/Ybbs, Wiener Straße 5, vom 30. April 2007 gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom 19. April 2007 betreffend Lohnsteuer (L), Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe (DB) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für die Jahre 2003 und 2004 entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Im Zuge einer "gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben" unterzog der Prüfer unter anderem die laut Buchhaltung an zwei Arbeitnehmer der als Installationsunternehmen tätigen Berufungswerberin zugeflossenen Provisionen der Nachversteuerung. Einer "Stellungnahme" des Prüfers im Prüferakt ist zu entnehmen, dass laut Aussage des Steuerberaters und der Buchhalterin bei der Berufungswerberin es sich um Geschäftsvermittlungen an die Berufungswerberin außerhalb der gesetzlichen Arbeitszeit handeln würde und diese dafür erhaltenen Provisionen der Einkommensteuer zu unterziehen wären. Da diese Vermittlungen zweifelsfrei mit der beruflichen Tätigkeit als Installateure zusammenhängen würden, sei eine Nachversteuerung im Sinne der nichtselbständigen Tätigkeit vorgenommen worden. Es gebe keine wie auch immer gearteten Verträge mit der Aussage, dass diese beiden Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit geschäftliche Vermittlungen sowie Abschlüsse zu tätigen hätten. Außerdem würde es auch an der fachlichen Kompetenz fehlen, solche Abschlüsse vorzunehmen.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ die nunmehr angefochtenen Bescheide. In den dagegen erhobenen Berufungen verwies die Berufungswerberin darauf, dass die Mitarbeiter Provisionen nur im Fall ausbezahlt bekommen würden, wenn 3 Voraussetzungen kumulativ erfüllt seien:
1) der Mitarbeiter stellt freiwillig außerhalb seiner Dienstzeit einen Kontakt zwischen einem neuen Kunden und der Berufungswerberin her
2) der Berufungswerberin erwächst dadurch ein Auftrag
3) der Kunde hat die Rechung bezahlt
Bei dieser Tätigkeit würde es sich nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handeln, weil die Herstellung des Kontaktes eines neuen Kunden mit der Berufungswerberin, welcher mit einer Provision belohnt werde, nicht im Rahmen der normalen Dienstzeit erfolgen würde. Würde der Kontakt doch im Rahmen der normalen Dienstzeit durch Zufall hergestellt werden (z.B. der Nachbar eines Kunden, wo gerade gearbeitet werde, werde angetroffen, wodurch dieser auf die Berufungswerberin aufmerksam werde und dadurch ein Auftrag resultieren würde) würde kein Provisionsanspruch seitens des Dienstnehmers bestehen. Die Handhabung dieser Vorgehensweise sei den Dienstnehmern der Berufungswerberin seit Jahren bekannt und werde im Unternehmen regelmäßig angewendet. Die Lohnsteuerrichtlinien würden dazu unter der Randziffer 665 ausführen:
... "Führt ein Arbeitnehmer eine Vertretertätigkeit außerhalb seiner Dienstzeit aus und ist er hiezu von seinem Arbeitgeber vertraglich auch nicht verpflichtet, ist dieser Vertretertätigkeit nicht dem vertraglichen Arbeitsbereich eines Angestellten im Innendienst zuzurechnen. Es liegen daher diesbezüglich keine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit vor (VwGH 9.3.1967, 0499/66." So hätte auch der UFS entschieden (RV/0217-S/04).
In einer Vorhaltsbeantwortung ergänzte die Berufungswerberin ihr Vorbringen und gab bekannt, dass über die Auszahlung der Provisionen nur mündliche Verträge existieren würden. Jeder Mitarbeiter werde beim Eintritt über die Möglichkeit eines Provisionsanspruches und die entsprechenden Voraussetzungen informiert. Die Provisionen würden sich jeweils aus 2 % des Nettobetrages, der vom geworbenen Kunden für Material bezahlt worden wäre (unter Berücksichtigung von Skonto), ermitteln. Diese Vorgangsweise sei personenunabhängig. Bei der Provisionszahlung handle es sich um eine Leistung des Unternehmens, welche auch an Nichtdienstnehmer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen erbracht werde (siehe Vergangenheit). Ob ein Auftrag innerhalb oder außerhalb der Arbeitszeit angebahnt werde, entscheide der Geschäftsführer von Einzelfall zu Einzelfall unter Berücksichtigung des Vermittlungsherganges und der eventuellen Rücksprache mit dem Kunden.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung verweist das Finanzamt unter anderem darauf, dass sich die "Privatarbeit" des Arbeitnehmers deutlich von seinen gegenüber dem Arbeitgeber sonst erbrachten Leistungen abheben und für sich allein zumindest überwiegend die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit aufweisen müsse. Da dies im Berufungsverfahren aber nicht klar dargelegte hätte werden können, würden die an die Dienstnehmer ausbezahlten Provisionen als lohnsteuerpflichtig erachtet werden.
In dem dagegen erhobenen Vorlageantrag wird ergänzend vorgebracht, dass tatsächlich eine Vermittlungsleistung eines Dienstnehmers niemals innerhalb der Dienstzeit erfolgen könne, denn im Rahmen der normalen Dienstzeit habe jeder Dienstnehmer seine "normalen" Arbeiten zu verrichten, wodurch er nicht die Zeit/Möglichkeit habe, neue Kunden/Aufträge zu akquirieren. Von einer Überschneiung der Haupttätigkeit mit der Vermittlungsleistung könne somit hier nicht gesprochen werden. Die Entscheidung des Geschäftsführers sei nicht die Haupttätigkeit von der Vermittlungsleistung zu trennen, sondern festzustellen, ob überhaupt eine Vermittlungsleistung erbracht worden sei.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Voraussetzung für die Einordnung von Einkünften unter § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 ist somit, dass der Bezug oder Vorteil ohne Rücksicht auf die äußere Form, in die er gekleidet ist (z.B. belohnende Schenkung), dem Empfänger deshalb zugute kommt, weil er in einem Dienstverhältnis steht (vgl. Hofstätter / Reichel, Kommentar EStG, § 25, Tz 3).
Nach der Legaldefinition des § 47 Abs 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Demnach liegt ein wesentliches Kriterium der unselbständigen Tätigkeit in der sich in persönlicher Abhängigkeit äußernden Weisungsgebundenheit, die durch weitgehende Unterordnung gekennzeichnet ist und zu einer weit reichenden Ausschaltung der eigenen Bestimmungsfreiheit führt und in der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus, die im Sinne einer Abhängigkeit vom Auftraggeber zu verstehen ist (VwGH 21. 12. 1993, 90/14/0103). Sie zeigt sich unter anderem in der Vorgabe von Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers.
Die Berufungswerberin ist laut Firmenbuch im Geschäftszweig "Wasser- und Wärmetechnik" tätig. Die betroffenen Bediensteten sind hauptberuflich unbestritten in einem nichtselbständigen Dienstverhältnis im Geschäftszweig der Berufungswerberin als Installateure beschäftigt. Daneben vermitteln diese Bediensteten im gleichen Geschäftszweig Installationsaufträge für die Berufungswerberin. Nach den nicht überprüfbaren Angaben in der Berufung erfolgt dies außerhalb der Arbeitszeiten der nichtselbständigen Tätigkeit bei der Berufungswerberin.
Nach der Literatur (vgl Hofstätter / Reichel, Kommentar EStG, § 47 Tz 5) und der dort zitierten Judikatur ist bezüglich einer Haupt- und einer Nebentätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Steuerpflichtiger gleichzeitig Arbeitnehmer, Gewerbetreibender, freiberuflich Tätiger und dergleichen sein kann, wenn diese Tätigkeiten ohne gegenseitige Verbindung selbständig nebeneinander stehen, oder, mit anderen Worten, sich deutlich voneinander abheben (VwGH 9. 3. 1967, 499/66, 21. 2. 1984, 83/14/0102, 0109, 0110, 5. 7. 1988, 87/14/0121). Ist dies nicht der Fall, besteht zwischen den einzelnen Tätigkeiten eine gegenseitige Verbindung und Abhängigkeit, liegt das Verhältnis von Haupt- und Nebentätigkeit vor. Bei der Auslegung des § 47 muss daher stets das ganze Verhältnis zwischen Haupt- und Nebentätigkeit gewürdigt werden.
Im gegenständlichen Fall kann nach Ansicht des UFS schon deswegen nur von einer engen wirtschaftlichen Verknüpfung der beiden Tätigkeiten ausgegangen werden, weil beide Tätigkeiten den gleichen Geschäftszweig der Berufungswerberin betreffen. Dass diese Tätigkeiten nicht ohne gegenseitige Verbindung selbständig nebeneinander stehen ergibt sich schon allein daraus, dass die betroffenen Bediensteten ihre Haupttätigkeit als Installateure ohne Aufträge nicht ausüben können, weswegen eine nicht unerhebliche Abhängigkeit der Bediensteten von der Berufungswerberin sowohl bei der Ausübung der Haupt- als auch der Nebentätigkeit erkennbar ist, unabhängig davon, ob die Nebentätigkeit in oder außerhalb der gesetzlichen Arbeitszeit erfolgt. Für eine gegenseitige Verbindung der beiden Tätigkeiten spricht weiters, dass nach den Ausführungen der Berufungswerberin jeder Mitarbeiter beim Eintritt über die Möglichkeit eines Provisionsanspruches und die entsprechenden Voraussetzungen informiert wird. Auch für sich allein betrachtet ist bei der Vermittlung von Aufträgen nicht unbedingt von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen, da bei Vorliegen der in § 47 Abs. 2 EStG definierten Voraussetzungen (Weisungsgebundenheit bzw. Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Unternehmens) je nach dem Einzelfall auch eine nichtselbständige Tätigkeit vorliegen kann.
Dem Einwand, bei der Provisionszahlung handle es sich um eine Leistung des Unternehmens, welche auch an Nichtdienstnehmer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen erbracht werden würde, ist entgegenzuhalten, dass es der Steuerpflicht beim Arbeitnehmer nicht entgegensteht, wenn der gleiche Vorteil aus einem anderen Grund auch einem Dritten, der nicht Arbeitnehmer ist, gewährt wird; es muss nur feststehen, dass der Arbeitnehmer den Vorteil wegen des Dienstverhältnisses erhalten hat (VwGH 8. 10. 1963, 1131/62). Bei anderen Personen, die nicht Dienstnehmer der Berufungswerberin sind und Provisionen für eine Auftragsvermittlung erhalten, ist nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei um andere Einkunftsarten handelt.
Der VwGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine nichtselbständige Nebentätigkeit zu einer selbständigen Haupttätigkeit im Bereich der selbständigen Haupttätigkeit zu erfassen ist, wenn die Nebentätigkeit in einem engen sachlichen (wirtschaftlichen) Zusammenhang mit der Haupttätigkeit steht, auch wenn diese für sich allein betrachtet als solche aus nichtselbständiger Arbeit aufgefasst werden könnte. (VwGH 19. 9. 1989, 86/14/0083, 5. 10. 1994, 92/15/0003). In Analogie zu dieser Entscheidung wäre eine selbstständige Nebentätigkeit dann einer nichtselbständigen Haupttätigkeit zuzuordnen, wenn, so wie oben dargestellt, ein enger sachlicher (wirtschaftlicher) Zusammenhang mit der Haupttätigkeit besteht.
In der von der Berufungswerberin zitierten Berufungsentscheidung des UFS vom 27.9.2006, RV/0217-S/04, wurde entschieden, dass die in diesem Fall von einer Rezeptionistin für den Verkauf von Tickets erhaltenen Provisionen entgegen der Ansicht des Finanzamtes den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zugerechnet wurden. Anstatt die Provisionen bei der Rezeptionistin als Einkünfte aus Gewerbetrieb zu veranlagen, wäre nach Ansicht des UFS der Arbeitgeber zum Abzug bzw der Abfuhr der Lohnabgaben verpflichtet gewesen, weswegen den Berufungen der Rezeptionistin stattgegeben wurde.
Der UFS vertritt daher im Einklang mit der Berufungsentscheidung des UFS vom 27.9.2006, RV/0217-S/04, die Auffassung, dass die gegenständliche Berufungswerberin als Arbeitgeberin zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnabgaben verpflichtet gewesen wäre. Das Finanzamt hat daher in den angefochtenen Bescheiden aus den angeführten Gründen zu Recht die Provisionseinkünfte der nichtselbständigen Haupttätigkeit zugerechnet, weswegen über die Berufungen, wie aus dem Spruch ersichtlich, zu entscheiden war.
Graz, am 5. Februar 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 25 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VwGH, 0499/66 |