Kein Anspruch auf Familienbeihilfe für ein volljähriges Kind, wenn keine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt wurde
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/16/0325 eingebracht. Mit Erk. v. 13.12.2012 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0163-W/13 erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der N. B., W., K.straßexxx, vertreten durch Mag. Peter Zivic, 1010 Wien, Weihburggasse 20, vom 19. September 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, vertreten durch Herbert Pablée, vom 20. August 2007 betreffend die Familienbeihilfe ab 1. April 2007 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) ist b. Staatsbürgerin, sie beantragte am 10. Mai 2007 durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter die Gewährung und Nachzahlung der Familienbeihilfe ab April 2007 für ihren Sohn T. N., geboren am x.t.xxx. Das Bundessozialamt Wien bescheinigte auf Grund von fünf ärztlichen Sachverständigengutachten eine Behinderung des T. im Ausmaß von 70% und dass er nicht dauernd erwerbsunfähig sei.
Das Finanzamt wies am 20. August 2007 den Antrag auf Familienbeihilfe unter Verweis auf § 2 Abs. 1 lit c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) zurück, wonach ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder nur dann besteht, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
In der dagegen erhobenen Berufung führte die Bw. durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter aus, dass gemäß § 8 Abs. 5 FLAG ein Kind als erheblich behindert gelte, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung bestehe. Als nicht nur vorübergehend gelte ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung müsse mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handle, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG sei der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Im vom Finanzamt in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten vom 7. Februar 2007 sei für T. der Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 70% voraussichtlich für mehr als drei Jahre festgestellt worden. Es liege ein Dauerzustand vor, eine Nachuntersuchung sei nicht erforderlich. Auf Basis dieser Feststellungen bestehe der Anspruch auf Familienbeihilfe für den Sohn der Bw. nach wie vor zu Recht. Das von der Abgabenbehörde erster Instanz zitierte zweite Tatbestandsmerkmal des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 (voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen) sei eine zweite, alternative Anspruchsvoraussetzung. Diese begründe einen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind auch dann, wenn der Grad der Behinderung weniger als zumindest 50% betragen würde und/oder die Funktionsbeeinträchtigung nicht voraussichtlich mehr als drei Jahre bestehe. Auf den Sohn der Bw. würden beide Voraussetzungen zutreffen.
Aus diesen Gründen sei nach Ansicht der rechtsfreundlichen Vertretung der Bw. die erhöhte Familienbeihilfe für ihren erheblich behinderten Sohn ab 1. April 2007 im gesetzlichen Ausmaß (weiter) zu gewähren.
Nach der am 12. November 2007 auf Grund eines fachärztlichen Gutachtens ausgestellten Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen geht ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 70% hervor.
In der Anamnese des Gutachtens wird festgehalten:
"Kriegsverletzung 1993 im b.s. Krieg als der AW in seinem Heimatland einen Urlaub verbracht hat, Granatsplitterverletzung durch aufgefundene Handgranate, die der AW im Alter von 20 Jahren zur Explosion gebracht hat, Verletzung im Gesicht, am rechten vol. UA mit ausgeprägtem Weichteildefekt, sechs Monate in USA im KH behandelt worden, mehrmalige OP, Beschwerden: Cephalea, Konjunktivistis und Ventilationsstörung durch die Nase, Schmerzen links vol OA sowie am Rücken,
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz). Schmerzmedikamente bei Kopfschmerzen,
Untersuchungsbefund:
Guter AZ, guter EZ, 167 cm, 61 kg, RR 105/70, Kopf: Zähne lückenhaft, Sens. frei, NAP´s unauffällig, ausgeprägte Narbe nach Nasenplastik mit Ventilationsstörung und leichter Konjunktivitis, längsverlaufende Narbe an der medianen Stirne, Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschiebl LK oB, Thorax: geringe Assymetrie, Cor: rythmisch, HT rein keine path. Geräusche, Pulmo: VA, basen gut verschiebl. LK oB, WS: seichte linkskonv. Skoliose der BWS, FBA 10 cm, frei beweglich, ABD: weich in TN Hepar und Lien nicht palpabel, blande Narbe an der spin. 1l. ant. sup. nach Knochenentnahme, Nl: beids. Nicht klopfempfindlich, OE: am rechten UA ausgedehnter Weichteildefekt (12x2,5 cm) oa Umfang re 26cm/li 28cm Umfang re 16cm/li 20cm, Bewegungsstörung des re HG 070/20 rad Beugekontraktur der Finger II bis V rechts (Gebrauchshand), UE: am li dorsalen usch längsverlaufende Narbe nach Sehnenentnahme, alle Gelenke frei beweglich, unauffälliges Gangbild, keine Gehhilfe,
Entwicklungsstand/status psychicus
alterentsprechender Befund, lebt bei der Mutter, Reinigungskraft an der TU Wien
Relevante vorgelegte Befunde:
Keine
Diagnose:
Narben am rechten Unterarm mit Funktionseinschränkung
Richtsatzposition: 060 Gdb: 060% ICD: Q68,0
Rahmensatzbegrüdnung rechte Hand im Sinne einer völligen Gebrauchsunfähigkeit (gleichzusetzen mit Verlust), Gebrauchshand
Narben im Gesicht nach Granatsplitterverletzung,
Richtsatzposition: 702 GdB 030% ICD: Q68,0
Rahmensatzbegründung:
Tab. Re, Zeile 2 + NS, unterer Rahmensatz, da derzeit keine Behandlungserfordernis besteht.
Gesamtgrad der Behinderung: 70% voraussichtlich mehr als drei Jahre
Da der führende Grad der Behinderung des Leidens 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird, da wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt; keine Abweichung vom VGA gerechtfertigt, da keine Änderung im klinischen Bild besteht. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand. Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung ist ab dem 1. Oktober 2007 auf Grund der vorgelegten relevanten Befunde möglich. Der Untersuchte ist voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Erstellt am 8.11.2007 von D.J.
Zugestimmt am 12.11.2007
Vom leitenden Arzt
F.I."
Einem Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung ist zu entnehmen, dass T. N. seit 1. Jänner 2003 selbst krankenversichert ist.
Auf Basis dieser Aktenlage wies das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 21. Februar 2008 als unbegründet ab und führte im Begründungsteil aus, dass nach der ab 1. Jänner 2004 geltenden Rechtslage ein Kind als erheblich behindert gelte, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung bestehe und der Grad der Behinderung mindestens 50% betrage oder das Kind dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Nach der seit dem 1. Jänner 2003 geltenden Rechtslage ist für die Beurteilung des Grades der Behinderung das jeweilige Bundessozialamt zuständig.
Weiters zitierte die Abgabenbehörde erster Instanz den § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967, wonach für volljährige Kinder ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Laut der Bescheinigung des Bundessozialamtes vom 12. November 2007 betrage der Grad der Behinderung 70%, es liege jedoch keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor, weshalb die in § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 geforderten Voraussetzungen nicht vorliegen und die Berufung abzuweisen war.
Im Vorlageantrag vertritt die steuerliche Vertretung der Bw. die Ansicht, dass die Feststellung basierend auf einem Gutachten des Bundessozialamtes, wonach der Sohn der Bw. nicht dauernd erwerbsunfähig sei, unzutreffend wäre und auch nicht dem tatsächlichen Sachverhalt entspreche. Dieses Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes sei wahrscheinlich auf Basis einer Untersuchung des Kindes am 19. Oktober 2007 ohne Beiziehung eines amtlichen Dolmetschers für die b. Sprache gemäß § 39 a AVG erstellt worden. Auch bei der vorangegangenen Untersuchung am 7. Feber 2007 sei entgegen der Bestimmung des § 39 a AVG kein Dolmetscher für die b. Sprache beigezogen worden, obgleich in der Anamnese des anschließenden Sachverständigengutachtens festgehalten worden sei , dass der Sohn der Bw. in Begleitung seiner Mutter komme, die selbst schwer verständlich Deutsch spreche, weshalb eine nähere Auseinandersetzung mit demselben für die Bw. nicht möglich gewesen sei. Festzuhalten sei, dass T. N. seit der Granatsplitterverletzung in B.K. im Jahre 1993 mehr als 50% behindert sei (derzeit sogar im Ausmaß von 70%) und dies ein Dauerzustand sei. Demnach stünde die Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Sohnes des Bw. nicht mit der praktischen Lebenserfahrung im Einklang.
T. N. besitze lediglich einen Hauptschulabschluss aus dem ehemaligen J, sei der deutschen Sprache kaum mächtig, müsse jedoch wegen seiner Behinderung bei seinen Eltern in Österreich leben, er habe keinerlei Berufsausbildung erfahren und bislang, d.h. bis zu seinem 33. Lebensjahr, trotz dahingehender Bemühungen niemals eine Erwerbstätigkeit ausgeübt.
Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit sei auch dann gegeben, wenn eine Eingliederung des behinderten Kindes in das Erwerbsleben durch längere Zeit zwar versucht worden, aber gescheitert sei (Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2006, 1004,5). In diesem Sinne hätten die Eltern des T. immer wieder versucht, eine Beschäftigung für ihr behindertes Kind zu finden. Dies wäre von verschiedenen Arbeitgebern jedoch in Hinblick auf die Behinderung des Kindes und den dadurch zu erwartenden Krankenständen immer wieder abgelehnt worden.
Dass trotz der festgestellten Behinderung im Ausmaß von 70% eine Erwerbsfähigkeit vorliege sei in keiner Weise begründet.
Der steuerliche Vertreter der Bw. beantragte die ergänzende Einholung eines arbeitsmedizinischen Universitätsgutachten und im Rahmen dessen Erstellung die Untersuchung des T. unter Beziehung eines gerichtlich beeideten Dolmetschers für die b. Sprache gemäß § 39 a AVG.
Der unabhängige Finanzsenat brachte über Vorhalt der Bw. die bisher vom Bundessozialamt erstellten Gutachten betreffend ihren Sohn zur Kenntnis.
Im weiteren Berufungsverfahren übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung der Bw. zur Untermauerung ihres bisherigen Vorbringens einen beglaubigt übersetzten fachärztlichen Befund vom 30. Juli 2008 eines Facharztes für Orthopädie sowie einen orthopädischen Befund auf Basis einer Untersuchung des T. am 17. April 2009 durch Dr. XY mit folgendem Inhalt:
"BEFUND DES FACHARZTES
Vor- und Zuname: N. T.
Geburtsjahr: xxx
wohnhaft in xy
pppp
Kommt wegen Beurteilung der Leistungsfähigkeit. Die Beurteilung erfolgte auf Grund der verfügbaren Unterlagen und Untersuchung, mit RTG-Nachweis.
Anamnese
Der Patient wurde nach der Verwundung an der Front bei L. im Bereich des Kopfes und der oberen Extremitäten in den USA behandelt, Unterlagen vorgelegt.
Es wurde eine traumatische Nasenamputation mit dem Bruch des etmidalen Knochens, Bruch des linken Humerus mit Radialisläsion, Bruch von Ulna mit Ulnaris- und Radialisläsion rechts, und Applikation eines des Osteofixationsmaterials, welches nicht entfernt wurde, mit annehmbarer Angulation von Ulna.
Ästhetische Verunstaltung mit Funktionslosigkeit beider Hände, was für eine selbständige Erwerbstätigkeit nicht ausreicht.
Dauerzustand".
Der weitere Befund lautete wie folgt:
"Orthopädischer Befundbericht
Ich berichte über Herrn N.T. , geboren am xxyy, den ich am 17.04.2009 in der Ordination untersucht habe. Der Patient befindet sich seit Jänner 2009 bei mir in orthopädische Behandlung. Herr N. wünscht sich eine orthopädische Untersuchung bezüglich seines Gesundheitszustandes und Beurteilung der Leistungsfähigkeit.
Anamnese und derzeitige Beschwerden
Am 23.07.1993 erlitt der Patient, im b.s. Krieg, eine Granatsplitterverletzung durch aufgefundene Handgranate, die bei einer Explosion eine Verletzung im Gesicht (Nasenamputation mit dem Bruch des ethmoidalen Knochens),Bruch des linken Oberarms mit Radialisläsion, Bruch des rechten Elle mit Ulnaris - und Radialisläsion, sowie ausgeprägte Substanzverlust. Der Patient wurde danach 6 Monaten in den USA im Krankenhaus durch zahlreiche Rekonstruktions-OP behandelt. Weiter klagt er ununterbrochenen Kopfschmerzen, Konjunktivitis, Ventilationsstörungen durch die Nase, Schmerzen im gesamte Rücken und Obere Extremitäten.
Laut Patient, trotz intensiv durchgeführte Physikalische Therapie, orthopädische Infiltrationen und Infusionen, sowie schmerzstillen de Medikamente und Manuelle Therapie hätten sich die Beschwerden nur vorübergehend und geringfügig bessern lassen. Insgesamt fühle er sich nicht mehr in der Lage jegliche Tätigkeit weiter auszuüben aus gesundheitlichen Gründen.
Therapie
Physikalische Therapie, orthopädische Infiltrationen und Infusionen, Manuelle Therapie, Analgetika, NSAR
Orthopädischer Status
Guter Allgemeinzustand und guter Ernährungszustand, gute Kooperation, leicht Vorneigungskörperhaltung, Gangbild: unauffällig. Körpergröße: 167 cm, Körpergewicht:61 kg. Der Zehen - und der Fersenstand ist beidseitig durchführbar.
HWS:
Streckfehlhaltung, Kinn - Jugulum - Abstand: 2-3 QF, Reklination, Kopfrotation und Kopfseitneigung - mäßig bewegungseingeschränkt mit spürbare Myogelosen im Bereich des Trapeziusrandes beidseits.
BWS und LWS:
Skoliotische Fehlhaltung, Rumpfrotation - mäßig bewegungseingeschränkt, Rumpfseitneigung -10°-0°-10°, paravertebrale Muskulatur ist verspannt, Klopf- und Druckschmerz im LWS - Bereich, blande posttraumatische Narbe bei Z.n.Granatsplitterverletzung. Schober -Index in LWS : 10/13 Fingerkuppen - Boden - Abstand : 40 cm.
OBERE EXTREMITÄTEN
Rechtshänder, grobe Muskelkraft rechts deutlich herabgesetzt.
Schulter | rechts | links | Normal |
Ante-/Retroflexion | 150°0°50° | 170°0°50° | 170°0°50° |
Außen-/Innenrotation | 80°0°80° | 90°0°80° | 90°0°80° |
Abduktion/Adduktion | 150°0°70° | 170°0°70° | 170°0°70° |
Der Nackengriff und der Schurzengriff sind beidseits durchführbar. Die Anteflexion, die Abduktion und die Außenrotation sind im rechten Schultergelenk mäßig bewegungseingeschränkt. OA-Umfang rechts: 25 cm, links 27,5 cm. Blande Narbe linke Oberarm.
Ellbogen:
Rechts | Links | Normal | |
Extension/Flexion | 0°20°90° | 0°0°140° | 10°0°150° |
Pronation/Supination | 70°0°70° | 80°0°80° | 90°0°90° |
Der Ellbogen rechts ist hochgradig bewegungseingeschränkt. UnterArm rechts volarer - derber posttraumatischer ausgedehnte Narbenbildung (13 x 3 cm) bei Z.n. Hauttransplantat mit deutlicher Substanzverlust UA-Umfang rechts: 15 cm, links 20 cm.
Handgelenk
Rechts | Links | Normal | |
Extension/Flexion | 5°0°5° | 40°0°50° | 50°0°60° |
Radial-/Ulnarduktion | 5°0°5° | 20°0°30° | 30°0°40° |
Im Handgelenk rechts ist nur mehr Wackelbewegungen möglich.
Finkelstein - Test rechts +++.
Mittelhand und Fingergelenke
Die Fingerbeugung und die Fingerstreckung sind nur links möglich. Der Faustschluss und der Pinzettengriff sind nur links durchführbar. Mittelhand - und Fingergelenke rechts mit kompletter Beugekontraktur der Finger von II bis V und stark herabgesetzte Muskelkraft. Fromment - Zeichen rechts +++.
UNTERE EXTREMITÄTEN
Es bestehe keine Beinlängendifferenz. Lasegue - Zeichen ist beidseits negativ. Die Trendelenburg'sches - Zeichen ist beidseits negativ. Die grobe Kraft ist beidseits ungestört gleich.
Hüftgelenk:
Rechts | Links | Normal | |
Extension/Flexion | 10°0°140° | 10°0°140° | 10°0°140° |
Abduktion/Adduktion | 40°0°20° | 40°0°20° | 40°0°20° |
Außen-/Innenrotation | 50°0°45° | 50°0°45° | 50°0°45° |
Die beiden Hüften sind endlagig bewegungseingeschränkt, das weist gewisse Korrelation mit dem mäßiggradigen Bewegungseinschränkungen im LWS - Bereich auf.
Kniegelenk
Rechts | Links | Normal | |
Extension/Flexion | 0°0°140° | 0°0°140° | 10°0°150° |
Die beiden Kniegelenke sind normal konfiguriert, keine Schwellung, kein Erguss, bandstabil, positive Zohlen - Zeichen, Patella frei beweglich mit spürbaren Reibungen, verkürzte Ischiocruralmuskulatur und endlagigen Bewegungseinschränkung.
Sprunggelenk:
Plantare/Dorsale | Rechts | Links | Normal |
Extension/Flexion | 50°0°30° | 50°0°30° | 50°0°30° |
Die beiden Sprunggelenke sind normal konfiguriert, keine Schwellung, kein Erguss, bandstabil.
Vorfuß und Zehengelenke
Senk - Spreizfuß beidseitig und unauffällige Zehen.
Diagnosen:
=> | Hochgradige Fingerbeugungskontraktur II - V rechts bei Z.n. Unterarmbruch rechts mit N.ulnaris - und N.radialisläsion nach Granatsplitterverletzungen OP mit Metalleosteofixation in situ, verbliebenem deutlichem Muskelverschmächtigung, posttraumatische Substanzverlust und hochgradiger Muskelkraftverlust. |
=> | Posttraumatische Ellenbogengelenksarthrose rechts. |
=> | Z.n. traumatische Nasenamputation mit dem Bruch des Ethmoidalenknochens mit nachfolgenden zahlreiche Nasenkorrekturoperationen. |
Zusammenfassung:
Die Beschwerden sind als chronisch einzuschätzen und erweisen sich als therapieresistent, dadurch ist die Arbeitsfähigkeit des Patienten infolge der beschriebenen Problematiken sehr beeinträchtigt und stark reduziert. Mit weiteren langwierigen Behandlungen ist zu rechnen.
Aus rein orthopädischer Sicht wird festgestellt, dass auf Dauer ästhetische und völligen Funktion - und Gebrauchunfähigkeit (gleichzusetzen mit Verlust der rechte obere Extremität) besteht, was für eine selbständige Erwerbstätigkeit nicht ausreicht".
In Bezug auf die bisher erstellten Gutachten hat der unabhängige Finanzsenat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen schriftlich am 27. November 2008 ersucht, die Gründe bekannt zu geben, die Dr. G. T am 13. Oktober 2004 zur Annahme einer voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit auf Basis der Untersuchung vom 11.2.2004 geführt haben.
In einem wurde die Erstellung eines weiteren Gutachtens in Auftrag gegeben und folgende Fragen gestellt:
1. wie hoch ist der prozentuelle Grad der Behinderung des Sohnes der Bw,
2. seit wann hat dieser Grad der Behinderung bestanden und
3. falls eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit anzunehmen sei, seit wann und weshalb hat diese rückwirkend bestanden?
Außerdem wurden dem Bundessozialamt die oben dargelegten Befunde vom 30. Juli 2008 und vom 30. April 2009 zur Berücksichtigung bei der neuerlich in Auftrag gegebenen Gutachtenserstellung übermittelt.
Das Bundessozialamt übermittelte in der Folge dem unabhängigen Finanzsenat nachfolgendes Gutachten:
"OB.:: 5019120873 Begutachtung im BASB am:03.06.2009
Name: N. T. von 9:50 bis
Identität nachgewiesen durch: Reisepass kkkk, kommt mit Mutter
whft.: p.ü.. 49/2/5, 1200 Wien
ausgeübter Beruf: derzeit ohne Beschäftigung
Orthop.-fachärztliches- Sachverständigengutachten
Anamnese:
Bekannte Anamnese siehe FLAG-Gutachten vom 7.2.2007 (Abl. 5).
Seither sind folgende Änderungen eingetreten: zwischenzeitlich keine Operationen, es hätten physikalische Therapien stattgefunden.
Jetzige Beschwerden:
Er hätte laut Angaben seiner Mutter (da er angeblich nicht deutsch spricht) immer wieder Kopfschmerzen, tränende Augen, kalte Hände und kalte Füße. Weiters "hätte er Stress und könne daher in der Nacht nicht schlafen". Weiters hätte er Probleme mit den Zähnen. Medikamente: 0
Orthopädischer Status:
Der AW kann sich ohne Hilfe ent- und ankleiden.
Normaler Allgemein- und Ernährungszustand, 157 cm, 56 kg
Haut und sichtbare Schleimhäute: blande Narbe re. Unterarm, Weichteildefekt rechter Unterarm, Narben im Gesicht besonders an der Nase
Wirbelsäule - Beweglichkeit:
HWS: Kinn-Jugulum-Abstand 1 cm, alle übrigen Ebenen frei beweglich
BWS: gerade
LWS: Seitneigen nach links bis 40° möglich, nach rechts bis 40° möglich
FBA: 10 cm
Obere Extremitäten:
Rechts: Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich,
Ellbogengelenk: Extensionsdefizit 20°, Flexionsdefizit 20°
Handgelenk: nur Wackelbewegungen, Pro- und Supination eingeschränkt
Finger: in Flexionsstellung im MCP-Gelenk I-V
Links: Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich,
Ellbogengelenk: Extension frei, Flexionsdefizit 20°
Handgelenk: frei
Finger: o.B.
Kraft und Faustschluß: rechts herabgesetzt, links frei
Kreuzgriff: bds, frei, Nackengriff: bds. endlagig eingeschränkt
Untere Extremitäten:
Rechts: Hüftgelenk: S 0-0-150, F 70-0-70, R 60-0-60,
Kniegelenk: S 0-0-160, kein Erguß, bandstabil
OSG: frei
Links: Hüftgelenk: S 0-0-150, F 70-0-70, R 60-0-60,
Kniegelenk: S 0-0-160, kein Erguß, bandstabil
OSG: frei
Keine Varizen
Füße: bds.o.B.
Zehen- und Fersenstand: bds. möglich
Gang: unauffällig
Keine Gehbehelfe
Einschätzung
1. Zustand nach Granatsplitterverletzung rechte Hand und Unterarm (Gebrauchsarm)
60 60%
2. Zustand nach Granatsplitterverletzung im Gesicht
702 20%, + NS = 30%, Zeile 2 rechts
Unterer Rahmensatz dieser Pos. unter Berücksichtigung des Nachsatzes, da blande Narben und kosmetisch störend.
3. Zustand nach Granatsplitterverletzung im Bereich des linken Rückens und Oberarmes
702 0%, Zeile 1 links
Der Gesamt-GdB beträgt 70%, da das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 um 1 Stufe erhöht wird, da dieses eine relevante Zusatzbehinderung darstellt. Keine weitere Erhöhung durch das Leiden 3, da das Ausmaß der dauernden Gesundheitsschädigung keine weitere Erhöhung rechtfertigt.
Dauerzustand
Der Untersuchte ist voraussichtlich nicht dauernd außerstande sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Die neu vorgelegten Befunde (Abl. 13-20) beschreiben teilweise nicht die reale Situation. Die auf Abt. 20 angeführte "Funktionslosigkeit beider Hände" liegt wie aus dem heute erstellten orthopädischen Status ersichtlich ist, keineswegs vor, da die linke Hand keineswegs in ihrer Funktion eingeschränkt ist.
Dass die rechte obere Extremität nahezu gebrauchsunfähig ist, heißt nicht, dass der AW nicht einer Tätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz unter Verwendung der linken Hand nachgehen kann.
Somit ist er nicht dauernd außerstande sich selbst den Unterhalt zu verschaffen".
Dieses Gutachten wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der Bw. am 6. Juli 2009 zur Kenntnisnahme übermittelt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach der Aktenlage steht fest, dass T. in Folge einer Granatsplitterverletzung in B.K. im Gesamtausmaß von 70% behindert, jedoch nach einer durch ein ärztliches Gutachten vom Bundessozialamt ausgestellten Bescheinigung nicht dauernd erwerbsunfähig ist.
Der unabhängige Finanzsenat stützt sich dabei auf die im Berufungsfall getroffenen Feststellungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Wien in insgesamt fünf begründeten Gutachten, wonach der Sohn der Bw. im Ausmaß von 70% behindert, jedoch voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dr. A.H. begründete das zuletzt erstellte Gutachten vom 15. Juni 2009 unter anderem damit, dass die in den von der Bw. übermittelten ärztlichen Befunden attestierte "Funktionslosigkeit beider Hände" keineswegs vorliegt, da die linke Hand nicht in ihrer Funktion eingeschränkt ist. Dass die rechte obere Extremität nahezu gebrauchsunfähig ist, bedeutet nicht, dass der Sohn der Bw. nicht einer Tätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz unter Verwendung der linken Hand nachgehen kann, weshalb er nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Auf Basis dieses die dauernde Erwerbsunfähigkeit des T. verneinenden Gutachtens geht der unabhängige Finanzsenat in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Ausführungen zum Vorliegen einer Erwerbsfähigkeit schlüssig sind. In diesem Zusammenhang ist es nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen Dr. G. T im Rahmen einer Untersuchung am 11. Feber 2004 zum gegenteiligen Ergebnis gelangt ist. Diese Feststellung war daher angesichts der übrigen vom Bundessozialamt für T. erstellten Gutachten in dieser Form nicht geeignet, als Beweismittel zu dienen.
Die Einwendungen der rechtsfreundlichen Vertretung, wonach alleine auf Basis der festgestellten 70%igen Behinderung die Familienbeihilfe zustehen würde, zumal § 8 Abs. 5 FLAG 1967 die "voraussichtliche dauernde Unfähigkeit, sich den Unterhalt zu verschaffen" als zweite alternative Anspruchvoraussetzung nennt, übersehen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Familienbeihilfe eines volljährigen Kindes nach § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 zu prüfen sind.
Es ist in diesem Zusammenhang nämlich völlig unerheblich, welcher Grad der Behinderung festgestellt wird. Außerdem lässt der Grad der Behinderung für sich allein keine zwingenden Rückschlüsse auf eine mögliche dauernde Erwerbsunfähigkeit zu. Vielmehr sieht der Gesetzgeber in § 8 Abs. 6 FLAG 1967 als einzigen zulässigen Nachweis für eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens vor.
Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ein ärztliches Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. VfGH 10.12.2007, B700/07).
Dem Sachverständigengutachten vom 15. Juni 2009 ist zu entnehmen, dass T. nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Im Ergebnis hat das Bundessozialamt in diese Beurteilung auch die kürzlich von der Bw. an den unabhängigen Finanzsenat übermittelten ärztlichen Befunde ihres Sohnes vom 30. Juli 2008 und vom 17. April 2009 miteinbezogen und dabei für den unabhängigen Finanzsenat die Art und das Ausmaß des Leidens und auch die konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise dargestellt.
Vor diesem Hintergrund war ein Abgehen von dieser Bescheinigung auf Basis eines ärztlichen Gutachtens nicht zu begründen und geht schon aus diesem Grund die vom rechtsfreundlichen Vertreter der Bw. beantragte ergänzende Einholung eines arbeitsmedizinischen Universitätsgutachtens ins Leere.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch vor Vollendung des 27.Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs. 5 FLAG ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2002 mit Wirkung ab 2003 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine ärztliche Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Aus der gutachterlichen Bestätigung einer fehlenden dauernden Erwerbsunfähigkeit des T. folgt somit, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt einer Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit c FLAG nicht erfüllt sind und deshalb auch in weiterer Folge kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe aus der Bestimmung des § 8 Abs. 5 FLAG abgeleitet werden kann.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 17. November 2009
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |