UFS RV/0330-I/06

UFSRV/0330-I/0616.11.2009

Zurückweisung eines verspäteten Wiedereinsetzungsantrages

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/15/0001 eingebracht. Mit Erk. v. 24.6.2010 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende HR Dr. Johanna Lanser und die weiteren Mitglieder HR Dr. Robert Mark, Dr. Reinhold Lexer und Mag. Klaus Schönach im Beisein der Schriftführerin Angelika Ganser nach durchgeführter mündlicher Verhandlung am 6. November 2009 über die Berufung des Berufungswerbers, vertreten durch Mag. X., vom 4. März 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 26. Jänner 2006 betreffend Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

1.1. Zur Vorgeschichte des Falles ergibt sich aus den Akten, dass das Finanzamt im Anschluss an eine abgabenbehördliche Prüfung an den Berufungswerber (Bw.) Bescheide mit Ausfertigungsdatum 23. 3. 2004 unter anderem betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1999 sowie Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 2000 erlassen hat. Diese Bescheide wurden an den Bw. am 26. 3. 2004 zugestellt. Der zugrunde liegende Betriebsprüfungsbericht vom 5. 4. 2004 wurde an den Bw. am 7. 4. 2004 zugestellt.

Am 25. 5. 2004 brachte der steuerliche Vertreter des Bw. ein Schreiben mit folgendem Inhalt beim Finanzamt ein:

"An das

Finanzamt Innsbruck

Referat A...

Betrifft:

St. Nr. xxx/xxxx, Bw.-Name...

Ansuchen um Fristverlängerung gem. § 245 Abs. 3 BAO vom 5. 5. 2004,

Richtigstellung der Steuernummer und des Berufungswerbers

Vollmacht erteilt !

Für meinen o. a. Klienten wurde am 5. 5. 2004 beiliegendes Fristverlängerungsansuchen eingebracht, wobei durch ein Versehen des Sekretariats unter Verwendung eines Musterschreibens als Berufungswerber Herr ...G... und die Steuernummer yyy/yyyy bzw. das Referat B angegeben wurde.

Aus den im Text angeführten Ziffern und Daten geht jedoch eindeutig hervor, dass es sich um die Berufung gegen die an meinen Klienten, Herrn Bw.-Name, am 23. 3. 2004 bzw. mit BP-Bericht am 7. 4. 2004 ergangenen Bescheide handelt.

Ich ersuche die Behörde höflich das Versehen zu entschuldigen und die Berufung bzw. den Stundungsantrag vom 5. 5. 2004 meinem Klienten Bw.-Name, St. Nr. xxx/xxxx zuzuordnen...."

Diesem Schreiben vom 25. 5. 2004 war eine unveränderte und eine abgeänderte Ausfertigung des Fristverlängerungsansuchens vom 5. 5. 2004 angeschlossen, wobei sich die unveränderte von der abgeänderten Ausfertigung dadurch unterschied, dass in der unveränderten Ausfertigung das Referat B und im Betreff die Steuernummer yyy/yyyy sowie der Name des ...G..., in der abgeänderten Ausfertigung hingegen das Referat A und im Betreff die Steuernummer xxx/xxxx sowie der Name des Bw. aufschienen.

Mit weiterem Schreiben vom 25. 5. 2004 beantragte der steuerliche Vertreter des Bw. eine Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 2. 6. 2004.

In der Folge erhob der Bw. mit Schriftsatz vom 2. 6. 2004 Berufung unter anderem gegen die eingangs angeführten Wiederaufnahme- und Sachbescheide.

Der Unabhängige Finanzsenat wies die Berufung vom 2. 6. 2004 gegen die Bescheide vom 23. 3. 2004 betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1999 sowie Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 2000 mit Bescheid vom 8. 9. 2005, GZ. RV/0594-I/04, gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurück. Darin wurde die Auffassung vertreten, dass der Schriftsatz vom 5. 5. 2004 nicht dem Bw. zuzurechnen gewesen sei. Für die Beurteilung von Parteianträgen komme es zwar nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufällige verbale Formen an, sondern auf den Inhalt, auf das erkennbare und zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Allerdings könne auch bei rechtsschutzfreundlicher Interpretation von Parteierklärungen nicht die Befugnis oder Pflicht der Behörde abgeleitet werden, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen als erstattet zu fingieren. Voraussetzung dafür, dass überhaupt im Sinne des Rechtsschutzgedankens Interpretationen oder klarstellenden Erhebungen nahe getreten werden könne, sei das Vorhandensein einer Eingabe, welche einen zweifelhaften Inhalt aufweise. Dies sei aber hinsichtlich des Fristverlängerungsansuchens vom 5. 5. 2004 nicht der Fall gewesen. Zwar stehe das Vorbringen in diesem Fristverlängerungsantrag mit der Aktenlage betreffend ...G... nicht in Einklang, doch sei nicht maßgeblich, ob sich Unklarheiten in Bezug auf den Inhalt des Schriftstückes im Bereich des ...G... ergeben hätten, sondern ob das Schriftstück so gefasst gewesen sei, dass die Behörde in die Lage versetzt worden wäre, zu erkennen, ob und in wessen Steuerakt einer anderen Person als der genannten sie hätte Einsicht nehmen sollen. Hiefür hätten sich aber keine Anhaltspunkte geboten. Zur Gewährleistung des Rechtsschutzes seien zwar die erkennbaren Inhalte und Ziele der Parteischritte entscheidend, darin sei aber nicht eine unrichtige Bezeichnung der Partei impliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 21. 12. 2005, 2005/14/0109, als unbegründet abgewiesen.

1.2. Mit Schriftsatz vom 12. 10. 2005, der den Eingangsstempel des Finanzamtes vom 14. 12. 2005 aufweist, stellte der Bw. durch seinen steuerlichen Vertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Berufung gegen die Bescheide vom 23. 3. 2004 betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1999 sowie Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 2000. Darin wurde als Wiedereinsetzungsgrund eine falsche Mandantenbezeichnung im Fristverlängerungsantrag vom 5. 5. 2004 aufgrund eines Kanzleiversehens geltend gemacht und zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ausgeführt, der steuerliche Vertreter habe mit seinen beiden Schreiben vom 25. 5. 2004 die irrtümliche Parteienbezeichnung in der Eingabe vom 5. 5. 2004 aufgeklärt und für den Bw. eine neuerliche Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 2. 6. 2004 beantragt. Der Bw. und sein steuerlicher Vertreter seien daher von einer wirksamen Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 2. 6. 2004 und somit vom Vorliegen einer rechtzeitigen Berufung ausgegangen. Erst der Zurückweisungsbescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom 8. 9. 2005 habe diese Ansicht als irrig erscheinen lassen. Da der Irrtum über eine wirksame Verlängerung der Berufungsfrist erst im Zeitpunkt der Zustellung des Zurückweisungsbescheides am 15. 9. 2005 weggefallen sei, sei der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der dreimonatigen Wiedereinsetzungsfrist des § 308 Abs. 3 BAO gestellt worden.

1.3. Mit Bescheid vom 26. 1. 2006 wies das Finanzamt den Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zurück, weil der Irrtum über eine Verlängerung der Berufungsfrist für den Bw. bzw. seinen steuerlichen Vertreter spätestens am 25. 5. 2004 erkennbar gewesen sei. Mit dem Entdecken dieses Irrtums sei jenes Hindernis weggefallen, das ursächlich dafür gewesen sei, dass keine wirksame Verfahrenshandlung gesetzt worden sei. Da die am 25. 5. 2004 in Lauf gesetzte dreimonatige Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages am 25. 8. 2004 abgelaufen sei, sei der am 14. 12. 2005 eingelangte Wiedereinsetzungsantrag verspätet eingebracht worden.

1.4. In der dagegen erhobenen Berufung vom 4. 3. 2006 wurde Folgendes ausgeführt:

"...Der Sachverhalt:

Wie bereits im Wiedereinsetzungsantrag angeführt, hat das Finanzamt Innsbruck im Anschluss an eine Betriebsprüfung an meinen Mandanten...zahlreiche neue Bescheide betreffend die Jahre 1994 - 1999 erlassen.

Die Berufungsfrist für diese Bescheide endete am 07.05.2004. Da noch nicht alle Unterlagen für die Erstellung der Berufung vorhanden waren, wurde von mir am 05.05.2004 ein Fristverlängerungsansuchen bis zum 25.05.2004 eingebracht. Wie bereits im Schreiben vom 25.05.2004 sowie im Antrag auf Wiedereinsetzung vom 14.12.2005 angeführt, kam es in diesem Fristverlängerungsansuchen durch einen Fehler einer seit Jahren zuverlässigen Kanzleikraft dazu, dass - unter Verwendung eines Musterschreibens - die Bezeichnung des Berufungswerbers falsch angegeben wurde.

Dieser Fehler fiel mir erst bei Verfassung eines neuerlichen Fristerstreckungsantrages am 25.05.2004 auf, worauf ich persönlich im Finanzamt Innsbruck vorsprach und - gleichzeitig mit der Einreichung eines neuerlichen Fristerstreckungsansuchens bis zum 02.06.2004 - den Fehler mündlich bekannt gab. In diesem Zusammenhang legte ich auch die von mir vertretene Rechtsansicht dar, dass es sich meiner Ansicht nach um einen behebbaren inhaltlichen Mangel handelt, zumal offensichtlich war, dass die im Betreff angeführten Bescheide niemals dem als Berufungswerber angeführten ...G... zuzurechnen waren. Dies hätte spätestens bei Anmerkung des im Fristverlängerungsantrag gleichzeitig gestellten Stundungsantrages bei der Steuernummer des ...G... hervorkommen müssen. Falls das Finanzamt die Berufung auch nur für einen Moment tatsächlich ...G... zugeordnet hätte, hätte die Behörde sofort bemerkt, dass zu diesem Zeitpunkt in Sachen ...G... bereits eine Berufung eingebracht wurde und die aushaftenden Beträge bereits gem. § 212 a BAO ausgesetzt waren.

Außerdem widersprachen die auf dem Abgabenkonto des ...G... aufscheinenden Abgabenrückstände ganz erheblich und somit sofort erkennbar den beantragten Stundungsbeträgen des nunmehrigen Berufungswerbers.

Nach mündlicher Erörterung meiner Rechtsansicht wurde diese vom Finanzamt als durchaus zustimmend interpretiert und ich wurde aufgefordert, unter Vermeidung eines förmlichen Mängelbehebungsauftrages gem. § 275 BAO aus verfahrensökonomischen Gründen eine Darstellung des Fehlers und ein korrigiertes Ansuchen um Fristverlängerung mit der richtigen Bezeichnung des Berufungswerbers nachzureichen.

Dies wurde von mir sofort veranlasst und umgehend eingereicht, wobei ich diese Nachreichung von Unterlagen als Ergänzung zur ursprünglich fristgerecht eingereichten Berufung i.S.d. § 85 Abs. 2 BAO i. V. m. § 275 BAO betrachtete, und nicht als neuerlichen Fristverlängerungsantrag, der damit eindeutig verspätet eingebracht worden wäre.

Die abgestimmte Vorgangsweise wird auch dadurch bewiesen, dass die Berufung nicht als "verspätet eingebracht" zurückgewiesen wurde, sondern nach Verbesserung der aufgetretenen Mängel dem unabhängigen Finanzsenat als Berufungsinstanz zur inhaltlichen Bearbeitung vorgelegt wurde.

Dieser stellte mit Bescheid vom 08.09.2005, eingelangt am 15.09.2005, jedoch eine verfehlte Rechtsansicht fest und wies die Berufung...betreffend die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1999, die Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 2000...gem. § 273 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurück.

Der Irrtum über eine wirksame Verlängerung der Berufungsfrist wurde für mich bzw. den von mir vertretenen Mandanten...somit erst mit dem Ergehen der Entscheidung des Berufungssenates erkennbar, zumal die vorhergehenden Verfahrensschritte durch das Finanzamt Innsbruck so gesetzt wurden, als wäre am 02.06.2004 eine fristgerechte Berufung eingebracht worden und somit die im Fristverlängerungsantrag vom 05.05.2004 enthaltenen Fehler saniert worden.

Die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages:

Nach § 308 Abs. 3 BAO muss die Wiedereinsetzung binnen einer Frist von drei Monaten nach Wegfall des Hindernisses beantragt werden. Als Hindernis für die rechtzeitige Einbringung eines Rechtsmittels ist jenes Ereignis zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht dieses Hindernis in einem Rechtsirrtum über das einzubringende Rechtsmittel, so hört dasselbe auf, sobald die Verfahrenspartei diesen Rechtsirrtum als solchen erkennen konnte und musste (VwGH 18.10.2004, 2004/17/0152, ÖStZB 2005/423,514).

Wie oben dargelegt sind Bw.-Name und ich bis zum Erkenntnis des UFS vom 08.09.2005, eingelangt am 15.09.2005, von einer wirksamen Fristverlängerung bis 02.06. 2004 und somit von einer fristgerechten Berufung ausgegangen. Erst der Bescheid des UFS lässt diese Rechtsauffassung als irrig erscheinen. Dieser Rechtsirrtum ist somit erst mit der Zustellung des UFS-Bescheides am 15.09.2005 weggefallen.

Damit begann der Lauf der Dreimonatsfirst für den Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand am 15.09.2005, sodass der Antrag vom 14.12.2005 fristgerecht eingebracht wurde..."

1.5. Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach der für die Wiedereinsetzung maßgeblichen Bestimmung des § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 276 Abs. 2) bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen.

Der erstinstanzliche Bescheid vom 26. 1. 2006 lautet auf Zurückweisung des verspäteten Wiedereinsetzungsantrages. Für die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist daher Sache im Sinn des § 289 Abs. 2 BAO die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung und nicht die sachliche Berechtigung des Wiedereinsetzungsantrages (vgl. z. B. VwGH 26. 5. 1987, 87/11/0032; VwGH 29. 5. 1985, 84/11/0229). Demnach hat sich der Unabhängige Finanzsenat auf die Beurteilung der Frage zu beschränken, ob der am 14. 12. 2005 beim Finanzamt eingelangte Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig im Sinn des § 308 Abs. 3 BAO eingebracht wurde oder nicht.

Im vorliegenden Fall wurde als Wiedereinsetzungsgrund eine irrtümliche Mandantenbezeichnung im Fristverlängerungsansuchen vom 5. 5. 2004 geltend gemacht, während die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages auf einen zu diesem Ereignis hinzugetretenen Irrtum über eine wirksame Verlängerung der Berufungsfrist gestützt wurde. Der steuerliche Vertreter sei nämlich der Meinung gewesen, er habe mit Schreiben vom 25. 5. 2004 den Mangel einer unrichtigen Parteienbezeichnung in der Eingabe vom 5. 5. 2004 behoben, sodass durch das neuerliche Fristverlängerungsansuchen vom 25. 5. 2004 eine Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 2. 6. 2004 herbeigeführt worden sei.

Im Hinblick auf dieses Vorbringen hängt die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ausschließlich davon ab, wann der Bw. bzw. sein steuerlicher Vertreter den Irrtum über eine Verlängerung der Berufungsfrist erkennen konnte bzw. musste.

In der mündlichen Verhandlung vom 6. 11. 2009 hat der Vertreter des Finanzamtes bestätigt, dass der Vertreter des Bw. am 25. 5. 2004 bei der Abgabenbehörde vorgesprochen und die irrtümliche Mandantenbezeichnung im Fristverlängerungsansuchen vom 5. 5. 2004 aufgeklärt hat. Weiters scheint es zuzutreffen, dass sich das Finanzamt bei der Besprechung dieser Angelegenheit der Ansicht des steuerlichen Vertreters, der Mangel einer unrichtigen Parteienbezeichnung sei durch Nachreichung eines in diesem Punkt berichtigten Fristverlängerungsansuchens behebbar, angeschlossen hat.

Somit ist dem Bw. zuzugestehen, dass mit der Aufklärung des Umstandes, wonach mit dem Fristverlängerungsansuchen vom 5. 5. 2004 nicht ...G..., sondern der Bw. um eine Verlängerung der Berufungsfrist ansuchen wollte, nur der Irrtum in der Mandantenbezeichnung weggefallen ist. Hingegen war zu diesem Zeitpunkt für den Bw. bzw. seinen steuerlichen Vertreter noch nicht zu erkennen, dass die für eine Verlängerung der Berufungsfrist erforderliche Voraussetzung eines vor dem Ablauf der Berufungsfrist eingebrachten Fristverlängerungsantrages tatsächlich nicht erfüllt war. Im Hinblick auf das Ergebnis der persönlichen Vorsprache des steuerlichen Vertreters im Finanzamt konnte der Bw. zunächst noch von einer erfolgreichen (die Berufungsfrist wahrenden) Behebung des der Eingabe vom 5. 5. 2004 anhaftenden Mangels einer falschen Parteienbezeichnung ausgehen.

Nicht gefolgt werden kann aber dem Bw. darin, dass der Irrtum über eine Verlängerung der Berufungsfrist erst im Zeitpunkt der Zustellung des Zurückweisungsbescheides des Unabhängigen Finanzsenates vom 8. 9. 2005, GZ. RV/0594-I/04, erkennbar geworden sei. Denn der Bw. lässt das Schreiben vom 8. 6. 2005 der in diesem Berufungsverfahren zuständigen Referentin des Berufungssenates außer Acht, mit welchem dem Bw. erstmals die Versäumung der Berufungsfrist zur Kenntnis gebracht wurde. In diesem Schreiben wurde der Bw. auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit dem für ...G... gestellten Fristverlängerungsansuchen vom 5. 5. 2004 kein Fristverlängerungsansuchen des Bw. zum Ausdruck gebracht worden sei. Dies habe zur Folge, dass das im Namen des Bw. gestellte Fristverlängerungsansuchen vom 25. 5. 2004 erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingebracht worden sei. Da somit keine Hemmungswirkung im Sinn des § 245 Abs. 3 BAO eingetreten sei, sei die Berufung vom 2. 6. 2004 verspätet eingebracht worden.

Im Antwortschreiben vom 1. 7. 2005 beharrte der steuerliche Vertreter aus näher dargelegten Gründen auf seinem Standpunkt, dass das Fristverlängerungsansuchen vom 5. 5. 2004 "eindeutig dem Berufungswerber zuzuordnen" sei. Allenfalls wäre "der ergänzende Antrag" im Schreiben vom 25. 5. 2004 als Wiedereinsetzungsantrag zu werten gewesen.

Nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz hätte dem Bw. bzw. seinem steuerlichen Vertreter schon im Zeitpunkt der Zustellung des Schreibens vom 8. 6. 2005 - diese erfolgte laut Rückschein am 10. 6. 2005 - der Irrtum über eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist auffallen müssen. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte der Bw. in Betracht ziehen müssen, dass es zu keiner Hemmung des Laufes der Berufungsfrist gekommen sein konnte, wenn das Fristverlängerungsansuchen vom 5. 5. 2004 nicht dem Bw. zuzurechnen war und die Aufklärung der irrtümlichen Mandantenbezeichnung erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgte. Daran ändert auch das (an sich zutreffende) Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nichts, es sei "grundsätzlich legitim", wenn unterschiedliche Rechtsansichten bestünden.

Weiters führte der steuerliche Vertreter in der mündlichen Verhandlung sinngemäß aus, die Entscheidung über die Berufung vom 2. 6. 2004 sei dem gesamten Berufungssenat oblegen, sodass nur dieser eine Versäumung der Berufungsfrist (mit Zurückweisungsbescheid vom 8. 9. 2005) feststellen habe können. Aus der im Vorhalt vom 8. 6. 2005 geäußerten Einzelmeinung eines Mitgliedes des Berufungssenates habe der Bw. nicht den Schluss ziehen können, dass sich in weiterer Folge der gesamte Berufungssenat (und auch der Verwaltungsgerichtshof) dieser Meinung anschließen würden. Da der Bw. von seiner eigenen Rechtsansicht überzeugt gewesen sei, habe er die abschließende Entscheidung des Berufungssenates abwarten dürfen, ehe er einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt habe.

Dieses Vorbringen verhilft der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg, weil es bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages nicht auf Zuständigkeitsfragen im Verfahren vor dem Berufungssenat ankommt (§ 282 Abs. 2 bis 4 BAO). Auch geht es nicht darum, dass keine Bindung des Berufungssenates an die im Vorhalt der Referentin vom 8. 6. 2005 dargelegte Rechtsansicht bestand. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bw. mit diesem Vorhalt darüber informiert wurde, dass die Berufung vom 2. 6. 2004 nicht rechtzeitig eingebracht worden war. Aufgrund dieser Information hätte dem Bw. der Irrtum über eine Verlängerung der Berufungsfrist auffallen müssen, wodurch die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages zu laufen begonnen hat. Auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. 3. 2005, 2003/14/0005, dem eine in diesem Punkt vergleichbare Sachverhaltskonstellation zugrunde lag, wird diesbezüglich hingewiesen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich der für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist maßgebliche Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums über eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist aus der Zustellung des Vorhaltes vom 8. 6. 2005 ergibt. Da somit die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages spätestens am 10. 9. 2005 abgelaufen ist, befindet sich der Bw. nicht im Recht, wenn er von der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ausgeht.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 16. November 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 308 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Irrtum, Wegfall, zumutbare Erkennbarkeit, Wiedereinsetzungsfrist

Verweise:

VwGH 16.03.2005, 2003/14/0005

Stichworte