UFS RV/1047-W/07

UFSRV/1047-W/0716.6.2009

Kein Neuerungstatbestand, wenn dem Bw. das Vorhandensein seiner Betriebsstätte seit Jahren bekannt war

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/13/0143 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit dem Beschluss vom 31.07.2013 abgelehnt.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw., vertreten durch Bilanz-Data Wirtschaftstreuhand GmbH, 1010 Wien, Schwarzenbergstraße 1-3/14a, vom 30. März 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 21/22 vom 12. Dezember 2006 betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 2002 entschieden:

Der Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 2002 wird abgeändert. Der Antrag wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) ist Programmierer und war im Berufungszeitraum sowohl im Inland als auch für deutsche Auftraggeber in der Bundesrepublik Deutschland beruflich tätig. In Deutschland unterhielt der Bw. eine Betriebsstätte. Im Zuge der Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 1996 bis 2002 erfolgte zunächst für die Jahre 1996 bis 1999 die Erfassung der gewerblichen Einkünfte erklärungsgemäß. Im Zuge einer von der ehemaligen steuerlichen Vertretung des Bw. übermittelten Aufstellung über pauschalierte Einkünfte für die Jahre 1996 bis 2002 wurde das Verfahren für die Jahre 1996 bis 1999 von Amts wegen wieder aufgenommen. In weiterer Folge ergingen am 16. Dezember 2004 für die Jahre 1996 bis 1999 neue Sachbescheide bzw. für den Zeitraum 2000 bis 2002 entsprechende Erstbescheide. Gegen die betreffenden Bescheide wurde seitens des Bw. kein Rechtsmittel eingebracht, weshalb diese in Rechtskraft erwuchsen.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 stellte der Bw. hinsichtlich der Jahre 1996 bis 2002 einen Antrag auf Wiederaufnahme der entsprechenden Verfahren und begründete dies damit, dass mit den zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheiden vom 16. Dezember 2004 die Behörde nicht nur jene Beträge, die der Bw. einer liechtensteinischen Anstalt in Rechnung gestellt und bezahlt bekommen habe, der Besteuerung in Österreich unterzogen worden seien, sondern auch jene Beträge, die diese Anstalt in Empfang genommen habe und zwar auf Grund von Arbeitsleistungen, die der Bw. in Deutschland erbracht habe und von deutschen Auftraggebern an die Anstalt und nicht an den Bw. bezahlt worden seien. Der Bw. habe seinerzeit im Jahr 1996 von Seiten eines deutschen Konzerns einen Consultingauftrag erhalten und habe sich zu dessen Erfüllung Partner bedient. Da knapp vor Vertragsabschluss das deutsche Unternehmen darauf bestanden habe, dass nicht mit einem Einzelunternehmen, sondern einer Kapitalgesellschaft kontrahiert werden solle, habe man sich aus persönlichen und finanziellen Gründen der anderen Partner geeinigt, in Liechtenstein eine Anstalt zu errichten, die die durch den Bw. und seine Partner erbrachten Leistungen mit der deutschen Gesellschaft verrechnet habe. Die liechtensteinische Anstalt habe außer der Vornahme der Abrechnungen keine eigene Funktion gehabt und seien die Leistungen an den deutschen Auftraggeber durch den Bw. persönlich vor Ort in Deutschland erbracht worden. Zu diesem Zweck sei er im wöchentlichen Rhythmus, meistens Dienstag, nach Deutschland gefahren, habe dort eine eigene Wohnstätte gehabt und sei am Freitag wieder nach Österreich zurückgekehrt. Von Seiten des deutschen Konzernunternehmens sei dem Bw. ein eigener Arbeitsraum und Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung des deutschen Unternehmens seien letztendlich auch die an die liechtensteinische Anstalt bezahlten Beträge für die durch den Bw. erbrachten Leistungen als Betriebsausgaben anerkannt worden.

Unter Berücksichtigung des gegenständlichen Sachverhaltes werde nun die Wiederaufnahme der Veranlagungsverfahren für die Jahre 1996 bis 2002 beantragt. Im Zuge der Exekution der bescheidmäßig festgestellten Abgabennachzahlung für die Jahre 1996 bis 2002 sowie der persönlichen Erörterung der Gründe für diesen Abgabenrückstand mit der steuerlichen Vertretung sei zum Vorschein gekommen, dass seitens der Abgabenbehörde eine Fehlinterpretation vorgelegen sei. Da die betreffenden Bescheide bereits rechtskräftig gewesen seien, habe auch nicht die Möglichkeit bestanden, ein Rechtsmittel zu ergreifen. Auch habe eine Anfrage an das Ministerium am 18. August 2006 ergeben, dass die Rechtsansicht betreffend der abgabenrechtlichen Beurteilung der Einkünfte des Bw. richtig sei, weshalb gegenständlicher Wiederaufnahmeantrag rechtzeitig erfolge. Hinsichtlich des vom Gesetz geforderten Nichtvorliegens des Verschuldens der Partei dürfe darauf verwiesen werden, dass dieses nicht vorliege, sei doch der Bw. EDV-Analytiker und Systemtechniker, weshalb es ihm nicht zumutbar sei, komplexe internationale Steuersachverhalte erkennen zu können. Zudem würde auch die steuerliche Vertretung keinerlei Verschulden treffen, da diese darauf vertrauen hatte dürfen, dass die Unterlagen des von ihr Vertretenen vollständig und richtig seien. Die Unterlagen seien so aufbereitet gewesen, dass kein Zweifel daran bestanden habe, dass der Bw. auf Basis der vorgelegten Einnahmen und Ausgaben seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen bestreiten habe können. Weiters werde vom Gesetz verlangt, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Auch dies sei der Fall, da nach bestätigter Rechtsansicht es sich bei den Einkünften des Bw. nicht um steuerpflichtige Einnahmen, sondern um deutsche Betriebsstätteneinkünfte handle, welche gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland unter Progressionsvorbehalt in Österreich steuerfrei zu stellen seien. Wie Stoll in seinem BAO Kommentar ausführe, könne ein Wiederaufnahmeantrag nur auf solche Tatsachen oder Beweismittel gestützt werden, die beim Abschluss des wieder aufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden gewesen seien. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Tatsache sei gewesen, dass der Bw. die Beratungstätigkeit für das deutsche Unternehmen vor Ort in deren Haus an einem eigenen ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz persönlich ausgeführt habe und die liechtensteinische Anstalt lediglich aus verrechnungstechnischen Gründen auf Wunsch des Konzerns errichtet worden sei. Zudem sei das neu hervorgekommene Beweismittel in diesem Verfahren das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland. Dieses sei eindeutig eine Erkenntnisquelle für die bescheidbedeutsame Tatsache, die Betriebsstätte des Bw. in Deutschland, und nehme das Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland erzielte Betriebsstätteneinkünfte in Österreich - jedoch unter Berücksichtigung eines Progressionsvorbehaltes - von der Besteuerung aus. Gegenständliches Beweismittel, nämlich das Doppelbesteuerungsabkommen, habe bereits im Zeitpunkt des abgeschlossenen Verfahren bestanden und sei dieses Grundlage für die sachrichtige Wertung der Tatsache des Bestehens der Betriebsstätte. Im Sinne der Bestimmung des Doppelbesteuerungsabkommens und unter Berücksichtigung des fast ausschließlichen Aufenthaltes in Deutschland zur Erfüllung der unternehmerischen Tätigkeit seien 10% der erzielten Umsätze als in Österreich steuerpflichtig geschätzt worden. Diese Zuteilung der in Deutschland erzielten Gewinne an das österreichische Stammhaus scheine insofern gerechtfertigt, als in Österreich die organisatorische und administrative Verwaltung erfolgt sei. Die im Zusammenhang mit den dem österreichischen Stammhaus zugerechneten Gewinnanteilen abzugsfähigen Aufwendungen seien im Sinne des § 17 EStG 1988 mit 12% des in Österreich steuerpflichtigen Gewinnanteils kalkuliert worden.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2006 wies die Behörde den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet ab und führte dazu aus, dass mit der Betriebsstätte des Bw. keine neu hervorgekommenen Tatsachen geltend gemacht worden seien und es sich vielmehr um neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen gehandelt hätte. Zudem seien die Anträge, soweit sie die Jahre 1996 bis 1999 betreffen würden, bereits verjährt.

In weiterer Folge brachte der Bw. gegen den betreffenden Abweisungsbescheid das Rechtsmittel der Berufung ein und führte unter Hinweis auf die Begründung des Abweisungsbescheides noch ergänzend aus, dass auch Stoll in der Tz 10 des BAO-Kommentars festhalte, dass maßgebend sei, ob der Abgabenbehörde in dem wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Diese Ansicht decke sich im Übrigen auch mit einem Erlass des BMF und würde zudem dieser ausführen, dass der Umstand, dass ein Prüfer aus den ihm vorgelegten Unterlagen einen Umstand hätte erkennen können, einer Wiederaufnahme nicht entgegenstünde.

Wie bereits im seinerzeitigen Ansuchen um Wiederaufnahme der Verfahren angeführt, habe der Bw. seine unternehmerischen Leistungen in der Bundesrepublik Deutschland vor Ort erbracht und seien die betreffenden Leistungen nur über die auf Wunsch des Konzerns gegründete, sonst aber funktionslose Briefkastengesellschaft in Liechtenstein abgerechnet worden. Es habe somit ohne Zweifel eine Betriebsstätte in Deutschland gegeben und hätte der Prüfer von dieser Tatsache Kenntnis gehabt, hätte dies zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Prüfer eine Tatsache, nämlich das Bestehen einer Betriebsstätte und das Bestehen eines entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland nicht bekannt gewesen sei, führe, unter Berücksichtigung der Aussagen von Ritz im BAO-Kommentar sowie dem BMF-Erlass zu der Tatsache, dass eine Wiederaufnahme erfolgen müsse. Zudem handle es sich nicht um eine geänderte Rechtsansicht, da sowohl zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung als auch zum Zeitpunkt des Ansuchens um Wiederaufnahme das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland bestanden habe und die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte für einen in Österreich unbeschränkt Steuerpflichtigen vorsehe. Lediglich der Umstand, dass die Existenz der Betriebsstätte dem Prüfenden nicht bekannt gewesen sei, habe zu der unrichtigen Annahme, dass die durch den Bw. erzielten Einkünfte steuerpflichtig seien, geführt. Hinsichtlich der von der Behörde eingewandten Verjährung werde auf § 304 BAO verwiesen. Wie die Behörde selbst ausgeführt habe, datierten die Bescheide hinsichtlich der das Ansuchen auf Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren gestellt worden sei, vom 16. Dezember 2004, weshalb gemäß § 304 lit. b BAO Verjährung noch nicht eingetreten sei. Es werde deshalb nochmals der Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 2002 gestellt sowie beantragt, die Veranlagung entsprechend den am 11. Oktober 2006 eingebrachten Steuererklärungen durchzuführen.

Mit Schreiben vom 7. Mai 2007 beantragte der Bw. die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Bw. verfügte im Berufungszeitraum 1996 bis 2002 im Inland über einen Wohnsitz und war als Programmierer tätig. Im Jahr 1996 erhielt der Bw. von Seiten eines deutschen Konzerns einen Consultingauftrag, wobei im gesamten Berufungszeitraum, nämlich von 1996 bis 2002 entsprechende Leistungen an den deutschen Auftraggeber durch den Bw. vor Ort in Deutschland erbracht wurden. Zu diesem Zwecke reiste der Bw. im wöchentlichen Rhythmus, meistens Dienstag nach Deutschland und kehrte am Freitag wieder nach Österreich zurück. In Deutschland verfügte der Bw. über eine eigene Wohnstätte und wurde ihm seitens des deutschen Auftraggebers zur Leistungserbringung ein eigener Arbeitsraum und Arbeitsplatz vor Ort zur Verfügung gestellt. Dem Bw. war seit Beginn der Aufnahme seiner Tätigkeit für die deutschen Auftraggeber bekannt, dass er in Deutschland über eine "Betriebsstätte" verfügte. Dieser Umstand steht außer Streit und wird auch seitens des Bw. nicht in Zweifel gezogen. Zur Erfüllung des Consultingauftrages bediente sich der Bw. Partner, deren Namen er der österreichischen Finanzbehörde gegenüber nicht offen legte.

Zum Zwecke der Abrechnung der für den deutschen Auftraggeber erbrachten Leistungen wurde in Liechtenstein eine Anstalt gegründet, deren einzige Aufgabe die Verrechnung der durch den Bw. in Deutschland erbrachten Leistungen war. Die durch die liechtensteinische Anstalt den deutschen Auftraggebern in Rechnung gestellte Leistungen, wurden nach Abzug marginaler Verwaltungskosten ratenweise an den in Österreich ansässigen Bw. ausbezahlt.

Seitens des Bw. wurden ein Anteil in Höhe von 10% der erzielten Umsätze als in Österreich steuerpflichtig geschätzt.

Die vor Einbringung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahr 1996 bis 2002 die jeweiligen Verfahren abschließenden Sachbescheide ergingen jeweils am 16. Dezember 2004 und erwuchsen mangels Einbringung eines Rechtsmittels in formeller Rechtskraft.

Am 16. Oktober 2006 (Tag des Poststempels) stellte der Bw. einen Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren bezüglich der Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 2002 und brachte am selben Tag einen Antrag gemäß § 299 i.V.m. § 302 Abs. 2 lit. c BAO - ebenfalls den Zeitraum 1996 bis 2002 betreffend - ein.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2006 wurde der Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren abgewiesen.

Mit Zurückweisungsbescheid vom 23. Jänner 2007 wurde der Antrag gemäß § 299 i.V.m. § 302 Abs. 2 lit. c BAO auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1999 seitens des Finanzamtes als verspätet zurückgewiesen. Gleichzeitig wurden jedoch mit Aufhebungsbescheid vom 23. Jänner 2007 die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2002, jeweils datiert vom 16. Dezember 2004, aufgehoben. In weiterer Folge ergingen für die Jahre 2000 bis 2002 seitens des Finanzamtes neue Sachbescheide (vom 26. Jänner 2007), mit welchen jeweils 10% der (laut einer Aufstellung des ehemaligen steuerlichen Vertreters des Bw.) erzielten Einkünfte als inländische Einkünfte bzw. 90% der entsprechenden Beträge als deutsche Einkünfte angesetzt wurden. Die betreffenden Einkommensteuerbescheide sind in Rechtskraft erwachsen.

Gegenständlicher Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage bzw. den Angaben des Bw.

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß Abs. 2 leg. cit. binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Die zitierte Dreimonatsfrist beginnt mit Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes und nicht erst mit dessen Beweisbarkeit zu laufen und ist nicht verlängerbar (Ritz, BAO3, § 303 Tz 27f unter Verweis auf VwGH 3.10.1984, 83/13/0067). Der Berufungswerber hat sich dabei auch die Kenntnis seines Vertreters zurechnen zu lassen. Er hat gegenüber der Abgabenbehörde nämlich nicht nur seine eigenen Handlungen und Unterlassungen, sondern auch die derjenigen Personen zu vertreten, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient (VwGH 12.8.1994, 91/14/0018).

Ein verspätetet geltend gemachter Wiederaufnahmegrund ist zurückzuweisen (VwGH 22.2.1994, 91/14/0069).

Im Wiederaufnahmeantrag beruft sich der Bw. ausdrücklich darauf, die Betriebsstätte in Deutschland sei eine neu hervorgekommene Tatsache und handle es sich bei dem bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland um ein neues Beweismittel.

Hinsichtlich des Neuhervorkommen von Tatsachen hat das Höchstgericht in ständiger Rechtssprechung (vgl. etwa VwGH 26.4.1994, 91/14/0129) ausgesprochen, dass Tatsachen im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände seien, also Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind danach keine neuen Tatsachen. Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta) - kommen als tauglicher Wiederaufnahmegrund im Sinne des Neuerungstatbestandes in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind daher keine tauglichen Wiederaufnahmegründe.

Wie der Bw. bereits in seinem Wiederaufnahmeantrag selbst ausführt, verfügte er seit der Aufnahme seiner Tätigkeit für seine deutschen Auftraggeber in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1996 über einen von seinen Auftraggebern vor Ort zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz bzw. -raum und verbrachte der Bw. zur Ausführung seiner unternehmerischen Tätigkeit die überwiegende Zeit persönlich in Deutschland. Diese Tatsache steht außer Streit und wird selbst seitens des Bw. in seinem Wiederaufnahmeantrag dezidiert nicht in Zweifel gezogen. Daraus ergibt sich somit eindeutig und zweifelsfrei, dass der Bw. bereits zu diesem Zeitpunkt, nämlich im Jahr 1996, über eine Betriebsstätte in Deutschland verfügte und ihm diese Tatsache auf Grund seiner diesbezüglichen Argumentation im Wiederaufnahmeantrag auch bewusst und folglich bekannt war. Gleichzeitig damit ist aber das Schicksal gegenständlicher Berufung entschieden. Ist nämlich dem Bw. die Tatsache des Bestehens einer Betriebsstätte in Deutschland bereits seit dem Zeitpunkt der Aufnahme der entsprechenden Tätigkeit im Jahr 1996 und folglich bereits vor dem Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide die Jahre 1996 bis 2002 betreffend bekannt gewesen, so kann nicht in einem Jahre später gestellten Antrag auf Wiederaufnahme der bereits rechtskräftig veranlagten Jahre seitens des Bw. damit argumentiert werden, die Tatsache der Existenz der Betriebsstätte sei erst im Zuge einer im August 2006 stattgefundenen Erörterung eines angeblichen Betriebsprüfungsergebnisses und dem Bewusstwerden des Vorliegens einer abgabenrechtlichen Fehlinterpretation von Seiten der Abgabenbehörde zum Vorschein gekommen. In diesem Sinne kann auch im Zusammenhang mit dem mit Deutschland bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen nicht davon gesprochen werden, es handle sich diesbezüglich um ein neues Beweismittel. Andere Argumente, die darauf schließen lassen würden, es lägen tatsächlich für den Bw. den gegenständlichen Berufungsfall betreffend neue Tatsachen oder Beweismittel vor, die zu einer berechtigten Wiederaufnahme führen könnten, wurden keine vorgebracht.

Bei seiner Argumentation für die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Jahr 1996 bis 2002 übersieht der Bw., dass bei einen auf § 303 Abs. 1 BAO gestützten Antrag dem Umstand des Neuhervorkommens von bereits existenten Tatsachen und Beweismittel - nämlich solchen, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden, - nur aus der Sicht des Abgabenpflichtigen entscheidungsrelevante Bedeutung beizumessen ist und nicht dem Umstand, ob diese der Behörde bekannt gewesen sind. In diesem Sinne hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof dafür ausgesprochen, dass Tatsachen oder Beweismittel nur dann ein tauglicher Wiederaufnahmegrund sind, wenn sie neu hervorkommen d.h. wenn deren Verwertung der Partei erst nachträglich möglich wurde. Gerade im vorliegenden Fall war es dem Bw. zu keinem Zeitpunkt nicht möglich, die Tatsache des Bestehens einer Betriebsstätte in Deutschland in den jeweiligen Verfahren zu verwerten. Wenn der Bw. - so wie in seinem Wiederaufnahmeantrag ausgeführt, - erst im Zuge einer Jahre später stattgefundenen Erörterung zu der Überzeugung gelangt sei, das Vorhandensein der Betriebsstätte in Deutschland hätte bei der in Österreich erfolgten Besteuerung seiner Einkünfte entsprechend berücksichtigt werden müssen, so stellt dies eindeutig eine abgabenrechtliche Beurteilung bereits lange Jahre bekannter Sachverhaltselemente dar und handelt es sich um keinen Neuerungstatbestand im Sinne der verfahrensrechtlichen Vorschriften des § 303 Abs. 1 BAO. In diesem Zusammenhang irrt auch der Bw. wenn er vorbringt, es läge hinsichtlich seines bisherigen Verhaltens kein grobes Verschulden vor, zumal er die von der liechtensteinischen Anstalt ausbezahlten Beträge im Rahmen seines Einzelunternehmens erfasst habe und es zudem ihm als EDV-Systemtechniker nicht zumutbar sei, komplexe internationale Sachverhalte erkennen zu können. Bei dieser Argumentation übersieht nämlich der Bw., dass es in jeden Fall an ihm selbst gelegen gewesen wäre, seinem steuerlichen Vertreter gegenüber den gesamten Sachverhalt offen zu legen und eine derartige Vorgehensweise auch zumutbar gewesen wäre. Wenn in weiterer Folge der steuerliche Vertreter mangels offen gelegtem Sachverhalt diesen nicht richtig eingeschätzt haben sollte, so ist jedoch auch dieses Fehlverhalten dem Bw. selbst zuzurechnen und kann nicht dazu führen, das Hervorkommen von neuen Tatsachen zu begründen.

Wie sich somit aus gegenständlichen Fall ergibt, liegt hinsichtlich der Existenz der Betriebsstätte des Bw. in Deutschland keine neue Tatsache vor, welche eine beantragte Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigen könnte. Diese Tatsache und die entsprechenden Beweismittel waren dem Berufungswerber daher spätestens an dem Tag der Aufnahme seiner Tätigkeit für seine deutschen Auftraggeber in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1996 bekannt und bewusst. Gleichzeitig damit ist jedoch auch die in § 303 Abs. 2 BAO normierte Frist von drei Monaten bis zu dieser ein Antrag auf Wiederaufnahme gestellt werden könnte, im Zeitpunkt der tatsächlich erfolgten Stellung des Wiederaufnahmeantrages längst abgelaufen. Wie sich aus gegenständlichem Sachverhalt ergibt, wurde dieser erst zehn Jahre nach der nachweislichen Kenntniserlangung der dafür behaupteten Gründe gestellt, womit dieses Anbringen aus der Sicht des Neuerungstatbestandes jedenfalls als verspätet zu beurteilen ist. Der strittige Wiederaufnahmeantrag ist daher zurückzuweisen. Der Bescheid vom 12. Dezember 2006, mit welchem der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 2002 als unbegründet abgewiesen wird, ist entsprechend abzuändern, und der Antrag als verspätet zurückzuweisen.

Abschließend ist noch festzuhalten, dass dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht entsprochen werden konnte, da der diesbezügliche Antrag nicht rechtzeitig im Sinne des § 284 BAO, sondern erst in einem die Berufung ergänzendem Schreiben vom 7. Mai 2007 gestellt wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 16. Juni 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Wiederaufnahme auf Antrag, Neuerungstatbestand, neu hervorgekommene Tatsachen, Betriebsstätte

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