UFS RV/0180-I/02

UFSRV/0180-I/0214.4.2009

Vorsteuerabzug für in Rechnung gestellte Umsatzsteuer, obwohl die Leistung Teil einer Kette ist, an der ein Unternehmer beteiligt ist, der seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nicht nachkommt.

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch Stb, vom 14. März 2001 gegen die am 9. Februar 2001 ausgefertigten Bescheide des Finanzamtes betreffend Umsatzsteuer 1994 bis 1997 sowie Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für den Zeitraum 1992 bis 1998 entschieden:

1. Umsatzsteuer

Der Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 1994, 1995 und 1997 wird Folge gegeben.

Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Umsatzsteuer 1996 wird teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

2. Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO

Die Berufung gegen die Feststellungsbescheide für 1992 und 1993 wird als unbegründet abgewiesen.

Der Berufung gegen die Feststellungsbescheide für 1994 bis 1998 wird teilweise Folge gegeben.

Die im Kalenderjahr 1994 erzielten Einkünfte werden gemäß § 188 BAO mit € 971.837,90 festgestellt. Darin enthalten sind nicht ausgleichsfähige Verluste im Betrag von 662.719,78 und endbesteuerte Kapitalerträge im Betrag von € 23.071,95.

Davon entfallen auf:

 

LW

OVAG

Dr.M

Dr.B

Einkunftsanteil

5.733,81

1.579.042,98

-297.156,10

-365.563,69

Nicht ausglf. IFB-Verluste

  

297.156,09

365.563,69

Endbest. Kapitalerträge

 

11.766,68

5.652,64

5.652,64

Die im Kalenderjahr 1995 erzielten Einkünfte werden gemäß § 188 BAO mit € 3.636.023,66 festgestellt. Darin enthalten sind nicht ausgleichsfähige Verluste im Betrag von € 167.974,14 und endbesteuerte Kapitalerträge im Betrag von € 21.800,91.

Davon entfallen auf:

 

LW

OVAG

Dr.M

Dr.B

Einkunftsanteil

2.213,54

3.759.634,01

-5.599,72

-162.374,42

Darin enthalten:

    

Nicht ausglf. IFB-Verluste

  

5.599,72

162.374,42

Endbest. Kapitalerträge

 

11.118,43

5.341,24

5.341,24

Die im Kalenderjahr 1996 erzielten Einkünfte werden gemäß § 188 BAO mit € 9.089.743,00 festgestellt. Darin enthalten sind verrechenbare Verluste im Betrag von € 2.318.621,69 und endbesteuerte Kapitalerträge im Betrag von € 20.841,04.

Davon entfallen auf:

 

LW

OVAG

Dr.M

Dr.B

Einkunftsanteil

1.184,49

6.672.409,91

1.173.540,64

1.145.081,08

Darin enthalten:

    

Verrechenbare Verluste

  

1.173.540,62

1.145.081,07

Endbest. Kapitalerträge

 

10.628,91

5.106,07

5.106,07

Die im Kalenderjahr 1997 erzielten Einkünfte werden gemäß § 188 BAO mit € 6.409.414,04 festgestellt. Darin enthalten sind verrechenbare Verluste im Betrag von € 1.047.101,45 und endbesteuerte Kapitalerträge im Betrag von € 19.280,03.

Davon entfallen auf:

 

LW

OVAG

Dr.M

Dr.B

Einkunftsanteil

7.141,70

5.116.131,07

543.082,17

504.019,28

Darin enthalten:

    

Verrechenbare Verluste

  

543.082,17

504.019,32

Endbest. Kapitalerträge

 

9.832,85

4.723,59

4.723,59

Die im Kalenderjahr 1998 erzielten Einkünfte werden gemäß § 188 BAO mit € 4.952.420,30 festgestellt. Darin enthalten sind nicht ausgleichsfähige Verluste im Betrag von € 156.763,10 und endbesteuerte Kapitalerträge im Betrag von 16.354,88.

Davon entfallen auf:

 

LW

OVAG

Dr.M

Dr.B

Einkunftsanteil

27.776,13

5.538.205,09

-63.912,21

-92.850,89

Darin enthalten:

    

Nicht ausglf. IFB-Verluste

  

63.912,21

92.850,89

Endbest. Kapitalerträge

 

8.340,95

4.006,96

4.006,96

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin betreibt in der Rechtsform einer GmbH & CoKG ein Leasingunternehmen. Bei einer den Zeitraum 1992 bis 1998 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung wurden u.a. folgende Feststellungen getroffen (Bericht vom 28.11.2000, GBp 102020/98):

Tz 16 Vorsteuern

Die in den Rechnungen der Firmen L-GmbH in Wien, PH-GmbH in Wien und P-GmbH in Neunkirchen ausgewiesenen Vorsteuerbeträge in Höhe von 684.000 S (1994), 580.000 S (1995), 12.934.420 S (1996) und 3.289.260 S (1997) seien nicht abzugsfähig, "da die tatsächlich gelieferten Gegenstände nicht den in den Rechnungen ausgewiesenen Liefergegenständen entsprechen". Der Prüfungsbericht führt dazu näher aus:

"Auf Grund des bei den vorgenannten Firmen durch die Betriebsprüfung des Finanzamtes für Körperschaften in Wien erhobenen Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass diese Rechnungen von den Drahtziehern des ggstdl. zu unterstellenden Vorsteuerschwindels nur ausgestellt wurden, um sich an den darin ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen unrechtmäßigerweise zu bereichern, indem die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer von den o.a. Gesellschaften nicht erklärt und in der Folge auch nicht entrichtet wurde. Da die Abnehmer der Waren, so auch die LW, die in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge an die jeweiligen Lieferanten bezahlt und entsprechende Vorsteuerabzüge geltend gemacht haben, entstand durch diese Vorgangsweise ein Steuerausfall in Millionenhöhe."

Die "grundlegenden Feststellungen bzw. die wesentlichsten Argumente hinsichtlich des zu unterstellenden Vorsteuerschwindels" entnahm die Großbetriebsprüfung Innsbruck dem Bericht vom 9.6.1998, AbNr. 107040/97 des Finanzamtes für Körperschaften in Wien. Dieser Bericht enthalte "in der Hauptsache" das Ergebnis einer abgabenbehördlichen Prüfung bei der L-GmbH. Zusätzlich seien auch "die weiteren in ggstl. Vorsteuerschwindel involvierten Personen und Firmen angeführt (bspw. P-GmbH und PH-GmbH) sowie deren Geschäftspraktiken detailliert dargestellt." Aus dem genannten Bericht des Finanzamtes für Körperschaften in Wien ist u.a. die Feststellung wiedergegeben, wonach die L-GmbH der Berufungswerberin 249 optische Leistungsverstärker mit der Bezeichnung "BOSCH OFA 1,5 - 20" in Rechnung gestellt habe. Laut niederschriftlicher Auskunft der Fa. BOSCH seien aber nur 41 Stück dieses Modells produziert worden. Alle 41 Produkte seien an zwei (im Prüfbericht namentlich genannte) Unternehmen in Deutschland geliefert worden. Es sei kein einziges dieser 41 Stück an die L-GmbH und in der Folge an inländische Leasinggesellschaften, somit auch nicht an die Berufungswerberin, verkauft worden.

Einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung

Tz 24 Sachanlagen

Bei den Wertberichtigungen für vor dem Bilanzstichtag ausgelaufene, aber erst danach abgerechnete Leasingverträge seien im Wirtschaftsjahr 1998 realisierte Gewinne nicht berücksichtigt worden. Die vorgenommene Wertberichtigung sei um 5.777.224 S zu kürzen.

Tz 34 Gewinnverteilung

Die im Gesellschaftsvertrag aus dem Jahr 1981 vorgesehene Gewinnverteilung sei durch einen Gesellschafterbeschluss im Jahr 1989 geändert worden, um ab 1996 wieder die Verteilung laut Gesellschaftsvertrag anzuwenden. Die Wechsel seien vor folgendem Hintergrund zu sehen:

Mit Gesellschafterbeschluss aus dem Jahr 1991 räumten die beiden Gesellschafter Dr.M und Dr.B der OV-AG hinsichtlich ihrer restlichen Kommanditanteile ein Optionsrecht ein. Als Gegenleistung sollten sie für die Jahre 1992 bis 1996 einen Vorwegbezug iHv 85 % des wirtschafltichen Gewinnes erhalten, wobei auch der IFB analog zu verteilen wäre. Als eigentlicher Abtretungspreis für den Fall der Ausübung der Option sei der Buchwert der Kapitalkonten zuzüglich anteiliger stiller Reserven jedoch ausschließlich eines Anteiles am Firmenwert festgelegt worden. Sollte die LW jedoch aufglöst, im Ganzen veräußert, liquidiert, verschmolzen oder durch ähnliche Abwicklungsmaßnahmen beendet werden, bliebe der Anteil von Dr.M und Dr.B am Firmenwert erhalten. In diesen Fällen wären die bisher erhaltenen Vorweggewinne von dem auf die beiden Gesellschafter entfallenden Firmenwert in Abzug zu bringen. Das Optionsentgelt stelle somit eine Vorwegablöse des Firmenwertes der LW dar und widerspreche dem Optionsgedanken insofern, als es im allgemeinen Geschäftsgebrauch unüblich sei, die für die Einräumung einer Option bezahlte Prämie bei Nichtausübung der Option wieder zurückzuzahlen. Darüber hinaus spreche gegen das Vorliegen einer Option die Höhe des tatsächlich vereinbarten Entgeltes, das annähernd die Höhe des eigentlichen Kaufpreises des mit dem Optionsrecht belasteten Wirtschaftsgutes erreiche. Das Entgelt entspreche damit nicht einer Prämie, die bezahlt werde, um sich das Recht auf späteren Erwerb des Wirtschaftsgutes zu sichern. Auch sei zu beachten, dass hinsichtlich der Höhe des Abtretungspreises nur pauschale Vereinbarungen getroffen worden seien. Die Optionsverpflichteten müssten zwar gegebenenfalls ihre Anteile auf Verlangen des Berechtigten abtreten, hätten aber immer noch die Möglichkeit, die Höhe des Kaufpreises zu bestimmen. Die vom Gesellschaftsvertrag abweichende Gewinnverteilung sei daher steuerlich nicht anzuwenden.

Das Finanzamt fertigte am 9.2.2001 diesen Feststellungen entsprechende Bescheide aus. In der dagegen am 13.3.2001 erhobenen Berufung wurde eingewendet:

I. Umsatzsteuerbescheide 1994 bis 1997

Die Berufungseinwendungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Auch wenn nicht - wie "in den ursprünglichen Rechnungen" angegeben - Original Bosch-Geräte, sondern Produktkopien geliefert worden seien, stehe dennoch der Vorsteuerabzug zu. Die nachgebauten Produkte entsprächen "dem Originalprodukt angepasst an slowakische Verhältnisse". Es seien gleichwertige Nachbauten geliefert worden, was sich aus der Funktion, die die Geräte derzeit erfüllen, ergebe. In den Rechnungen sei daher ungeachtet der Bezeichnung als Bosch-Geräte eine handelsübliche Bezeichnung der Waren erfolgt. Es könne nicht auf die Lieferung eines aliud geschlossen werden. Sollte die "Berufungskommission" nicht dieser Meinung sein, sei auf die Berichtigung sämtlicher Rechnungen (nunmehr ohne die Bezeichnung als Bosch-Gerät) hinzuweisen. Es dürfte zwar nicht üblich sein, No-name Produkte zum Preis der Originalgeräte zu verkaufen, doch sei dies eine Frage des vertraglich vereinbarten Preises. Allein auf Grund des gleichen Preises könne nicht der Vorsteuerabzug versagt werden. Die Geräte stünden bei den Abnehmern in Verwendung und es gebe von zwei Ausnahmen abgesehen keine Beschwerden.

2. Einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für 1996 bis 1998

a) Rückstellung Schadensfall S

Es werde beantragt, die für den Schadensfall S in Höhe von 1,1 Mio. gebildete Rückstellung im Jahr 1998 aufzulösen. Im Prüfungsbericht seien die steuerlichen Belastungen im Zusammenhang mit den Feststellungen zu Tz 26 (Mehrsteuern) richtigerweise aufwandswirksam festgehalten worden. Es sei jedoch übersehen worden, dass im Jahr 1998 für eine allfällige Inanspruchnahme aus den Feststellungen im Zusammenhang mit der Geschäftsabwicklung "S" eine Rückstellung in Höhe von ATS 1,1 Mio gebildet worden sei. Es werde beantragt, die Rückstellung gewinnerhöhend aufzulösen, da die Mehrsteuern periodengerecht abgegrenzt worden seien.

b) Teilwertabschreibung vermietete Pkw

Die Berufung wurde in diesem Punkt zurückgenommen.

3. Gesonderte Gewinnfeststellung für 1992 bis 1998

a) Die unter Tz 26 des Prüfungsberichtes gewinnmindernd angesetzten Mehrsteuern seien nach dem mit 31.3.1999 erfolgten Ausscheiden der Mitgesellschafter Dr.M und Dr.B vorgeschrieben worden. Bei Ermittlung der Ausscheidungsguthaben seien die festgestellten Mehrsteuern nicht in die Bewertung des Anteiles einbezogen worden. Da Betriebsausgaben einer Mitunternehmerschaft demjenigen zuzurechnen seien, der sie auch wirtschaftlich zu tragen habe, werde die Zurechnung ausschließlich an die verbliebene Gesellschafterin OV-AG beantragt.

b) Unter Tz 24 sei die Kürzung einer Wertberichtigung für drohende Verluste aus der Verwertung von Leasinggegenständen gewinnerhöhend allen drei Gesellschaftern zugerechnet worden. Wie bereits unter lit. a ausgeführt, sei die Abschichtung der anderen beiden Gesellschafter vor Kenntnis dieser Gewinnrealisierung erfolgt und habe im Abschichtungsvertrag keinen Niederschlag gefunden. Der Gewinn sei daher ausschließlich der OV-AG zugeflossen.

c) Im Rahmen der Gewinnfeststellung für 1992 bis 1998 werde die Berücksichtigung der erklärungsgemäßen Vorweggewinne für Dr.M und Dr.B ebenso wie die erklärungsgemäße Zurechnung der ertragsmindernd gebildeten Investitionsfreibeträge beantragt. Die Vorweggewinne an die Gesellschafter Dr.M und Dr.B seien von den sich fremd gegenüberstehenden Gesellschaftern der Berufungswerberin vereinbart worden und seien abgabenrechtlich anzuerkennen.

Die zunächst beantragte Entscheidung über die Berufung durch den gesamten Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde zurückgenommen.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Umsatzsteuer

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von einem anderen Unternehmer in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH steht dem Leistungsempfänger ein Vorsteuerabzug für in Rechnung gestellte Umsatzsteuer auch dann zu, wenn die Leistung Teil einer Kette ist, an der ein Unternehmer beteiligt ist, der seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nicht nachkommt (Urteil vom 12.1.2006, Rs C-354/03 , C-355/03 , C-484/03 , Optigen ua und Urteil vom 6.7.2006, Rs C-439/04 , Kittel ua). Anderes gilt nur, wenn der Leistungsempfänger wusste oder zumindest wissen hätte müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (vgl. z.B. Rs Kittel ua). Ob ein Unternehmer von den betrügerischen Handlungen wissen musste, ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen. Nach dem Urteil vom 11.5.2006, C-384/05 , Federation of Technologies Industries, ist zu diesem Zweck zu prüfen, ob der Unternehmer alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind. Ob die Umsatzsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet war, tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde, ist für das Recht des Unternehmers auf Vorsteuerabzug hingegen ohne Bedeutung.

Die Verwaltungspraxis, die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ihre Bestätigung erfahren hat, versagte bisher regelmäßig den Vorsteuerabzug, wenn nicht alle in § 11 Abs. 1 UStG vorgeschriebenen Rechnungsmerkmale erfüllt sind. So gehört es zu den durch § 12 Abs. 1 UStG normierten Voraussetzungen für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug, dass eine Rechnung vorliegt, in der die tatsächlich gelieferten Gegenstände ausgewiesen sind. Liegt eine Diskrepanz zwischen tatsächlich gelieferter Ware und in der Rechnung enthaltener Bezeichnung vor, ist der Vorsteuerabzug zu versagen. Auf die Gutgläubigkeit des Leistungsempfängers komme es dabei nicht an (VwGH 9.9.2004, 99/15/0250 betreffend die Lieferung eines "aliud"; VwGH 1.6.2006, 2004/15/0069 betreffend die Angabe der zutreffenden Geschäftsadresse als Bestandteil der Rechnung; VwGH 1.3.2007, 2004/15/0096 betreffend die Diskrepanz zwischen tatsächlich erbrachter und in der Rechnung beschriebener Leistung).

In seinem Erkenntnis vom 30.3.2006, 2002/15/0203 hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten: Kommt die Finanzbehörde zu der Auffassung, dass aufgrund der ungewöhnlichen Abwicklung der Umsätze ein Mehrwertsteuerbetrug realisiert werden soll und hat der Unternehmer davon Kenntnis oder hätte zumindest davon Kenntnis haben können, "dann steht ihm das Recht auf Vorsteuerabzug nicht zu". Der Gerichtshof verwies ausdrücklich auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache Optigen Ltd. und versagte den Vorsteuerabzug zum einen aufgrund des Fehlens des formalen Rechnungsmerkmals "Ausweis des Entgelts" gem. § 11 Abs. 1 Z 5 UStG und führte zum anderen die Bösgläubigkeit des Steuerpflichtigen ins Treffen.

Der Gesetzgeber hat als Reaktion auf die EuGH Rechtsprechung den bisherigen § 27 Abs. 9 UStG gestrichen und in § 12 Abs 1 Z 1 UStG folgende Sätze (vgl. Art. 4 Z 3 und Z 5 AbgSiG 2007) angefügt: "Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz iZm Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf den Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft." Der Änderung kommt (nach den Erl. zur RV) nur klarstellende Bedeutung zu.

Vor diesem Hintergrund ist folgender Sachverhalt zu beurteilen:

Ing.LD (Geschäftsführer der mit Gesellschaftsvertrag vom 23.6.1994 gegründeten Fa. L-GmbH), A.K. (Geschäftsführer der Fa. T-AnlagenGmbH&CoKG) und Dr.H (Geschäftsführer der Fa. F-Finanzierungs-undAnlageberatungsGmbH, der Fa. P-GmbH und der Fa. S s.r.o. in der Slowakei) wickelten im Berufungszeitraum mit dem Ziel Mehrwertsteuer zu hinterziehen, Geschäfte nach folgendem Schema ab:

Eine Lieferfirma (zumeist Fa. L-GmbH , aber auch PH-GmbH und P-GmbH) teilten der Leasinggesellschaft (in den hier relevanten Fällen der Berufungswerberin) mit, optische Leistungsverstärker mit der Bezeichnung "BOSCH OFA 1,5 -20" für Kabelfernsehanlagen verkaufen zu wollen. Dabei gaben die Lieferanten den Ab- bzw. Leasingnehmer (im gegenständlichen Verfahren die Fa. S s.r.o., Fa. T-GmbH oder Fa. K) bekannt. Die Leasingfirma werde für die Zwischenfinanzierung benötigt. Die Lieferung der Ware erfolgte direkt an die Leasingnehmer. Die in der Rechnung der Lieferanten ausgewiesene Umsatzsteuer machte die Berufungswerberin als abziehbare Vorsteuer geltend. Die Lieferanten haben die aus diesen Geschäften resultierende Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt, sondern unter Ing.LD, A.K. und Dr.H aufgeteilt. Gemeinsam hatten diese drei Personen beherrschenden Einfluss sowohl bei den Lieferanten als auch bei den Leasingnehmern.

Bei einer abgabenbehördlichen Prüfung der Fa. L-GmbH erteilte der inländische Generalimporteuer der Bosch-Geräte nach Rücksprache mit der deutschen Muttergesellschaft die Auskunft, dass insgesamt nur 41 Stück der o.a. BOSCH-Leistungsverstärker produziert worden seien. Alle 41 Produkte seien an zwei (im Prüfungsbericht namentlich genannte) Unternehmen in Deutschland geliefert worden. Kein einziges dieser 41 Stück sei an die L-GmbH und in der Folge an inländische Leasinggesellschaften, somit auch nicht an die Berufungswerberin, verkauft worden. Da somit keine Übereinstimmung zwischen den gelieferten und den der Berufungswerberin in Rechnung gestellten Waren (BOSCH-Geräte) bestehen könne, versagte das Finanzamt insofern den Vorsteuerabzug.

Ing.LD, A.K. und Dr.H wurden wegen Abgabenhinterziehung und gewerbsmäßig schweren Betruges angeklagt. Im Zusammenhang mit dem Betrugsvorwurf hatte das zuständige Straflandesgericht zu klären, ob die Bosch-Geräte tatsächlich existiert haben und an die Leasingnehmer geliefert wurden. Im Gerichtsverfahren sagte der österreichische Generalimporteuer aus, die dem Finanzamt erteilte Auskunft, es seien nur 41 Stück der fraglichen Geräte produziert und diese an Abnehmer in Deutschland verkauft worden, habe sich als unzutreffend erwiesen. Auf nochmalige Nachfrage habe BOSCH-Deutschland mitgeteilt, dass solche Geräte sehr wohl nach Österreich geliefert worden seien, allerdings unter Umgehung des österreichischen Generalimporteurs. Die frühere gegenteilige Erstauskunft an das Finanzamt sei unzutreffend und auf Grund einer spontanen telefonischen Anfrage und ohne ausreichende Überprüfung erfolgt.

Die in diese Geschäfte eingebundenen LeasinggeseIlschaften (auch die Berufungswerberin) haben vor der Leistung von Zahlungen Angestellte zum Zwischenlager nach Bratislava geschickt, um die Lieferung der Leasingwaren sowie deren Aufbewahrung und Sicherung zu kontrollieren. Auch die Berufungswerberin hat eine (wiederholt als Zeugin angebotene) Mitarbeiterin mit Nachforschungen beauftragt und u.a. nach Bratislava geschickt. Um diese Kontrollen durchführen zu können, haben sich die Leasingfirmen vorher bei der Fa. Bosch durch Besichtigung von Vergleichsprodukten kundig gemacht. Die bei den folgenden Kontrollen angefertigten Fotos der Büro- und Lagerräume und eines optischen Leistungsverstärkers wurden in der Hauptverhandlung dem Gericht vorgelegt. Weiters bestätigte ein bei der Lagerfirma in Bratislava beschäftigter Arbeitnehmer als Zeuge, dass derartige Geräte eingelagert worden waren und dass es sich um solche der Marke Bosch handelte. Bei Gericht kam auch hervor, dass es bei einem bereits gelieferten Gerät eine Reklamation gegeben hat. Um sicherzustellen, dass das beanstandete Gerät tatsächlich eines der gelieferten Geräte ist, wurde dieses durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen und den Vertriebsleiter bei Bosch Österreich besichtigt. Diese Kontrolle ergab, dass es sich um das urspünglich gelieferte Bosch-Gerät handelte. Das erstellte Gutachten sowie "ein Konvolut an Korrespondenzen", u.a. auch betreffend die an die zuständige Finanzlandesdirektion ergangene Einladung, an der Besichtigung und Begutachtung des Gerätes teilzunehmen, wurde dem Gericht vorgelegt.

Das Gericht gelangte zum Ergebnis, dass der Vorwurf der Nichtexistenz der in Rechnung gestellten Waren bzw. andere Waren geliefert zu haben als in den Rechnungen angeführt, nicht zutrifft. Ing.LD wurde wegen Abgabenhinterziehung, A.K. und Dr.H wegen Beteiligung an der Hinterziehung rechtskräftig verurteilt. Vom Betrugsvorwurf durch "Vorspiegelung vorsteuerabzugsfähiger Handelsgeschäfte mittels" an näher bezeichnete Leasinggesellschaften gerichteter "Scheinrechnungen über die Lieferung fingierter Waren" wurden die Genannten freigesprochen.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass ein Vorsteuerabzug nicht mehr mit dem Argument, die gelieferte Ware sei nicht ident mit der in Rechnung gestellten Ware, versagt werden kann. Die Herstellerfirma selbst hat diese zunächst erteilte Auskunft als unzutreffend bezeichnet und bestätigt, dass Leistungsverstärker auch an Abnehmer in Österreich geliefert worden waren. Der Umstand, dass die Lieferanten der Berufungswerberin die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt haben, hat keinen Einfluss auf den Vorsteuerabzug bei der Berufungswerberin (EuGH 11.5.2006, C-384/05 Federation of Technologies).

Ein Vorsteuerabzug wäre der Berufungswerberin nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung dann zu versagen, wenn sie von allfälligem betrügerischem Verhalten ihrer Geschäftspartner wusste oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt wissen hätte müssen. Unzweifelhafte Hinweise auf ein betrügerisches Vorgehen der Lieferanten der Berufungswerberin liegen - abgesehen von der für die Berufungswerberin nicht erkennbaren Absicht der Lieferanten, die Mehrwertsteuer nicht an das Finanzamt abzuführen - nach der geänderten Aussage der Herstellerfirma im Gerichtsverfahren nicht mehr vor. Sollten dennoch betrügerische Handlungen gesetzt worden sein, stellt sich im Zusammenhang mit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Frage, wie die Berufungswerberin hievon Kenntnis erlangen hätte können. Ihr und den anderen Leasinggesellschaften ist zuzugestehen, dass sie sich über die Existenz der Waren vergewissert und auch Kontrollen nach deren Verbringung ins Ausland durchgeführt haben (siehe dazu oben). Der Geschäftsführer der L-GmbH gab vor Gericht zu Protokoll, es sei Teil ihres Planes gewesen, dass die Leasingfirmen in ihre Absichten nicht eingeweiht sein dürfen, weil sie sonst die Vorfinanzierung nicht übernommen hätten. Finanzierungsmodus und Risikotragung folgten laut Berufungswerberin den bei Ostgeschäften üblichen Gepflogenheiten.

Da eine Verletzung der die Berufungswerberin treffenden Sorgfaltspflichten nicht festzustellen war, war der gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1994, 1995 und 1997 gerichteten Berufung Folge zu geben. Hinsichtlich Umsatzsteuer 1996 erfolgte in Hinblick auf die unter Tz 16 Punkt 3.4.3. des Betriebsprüfungsberichtes enthaltene Feststellung eine teilweise Stattgabe. Nach dieser Feststellung wäre in diesem Jahr laut eingesehener Leasingverträge und Rechnungen ein und dasselbe Produkt zweimal an die Berufungswerberin verkauft worden. Die zwei Eingangsrechnungen sind im Prüfungsbericht näher bezeichnet, die Leasingverträge und die Gerätenummern der gelieferten Produkte sind ebenfalls angeführt. Diese Feststellung wurde im übrigen auch im Prüfungsverfahren bei der Lieferantin (L-GmbH) getroffen. Die auf diese Lieferung entfallende Mehrwertsteuer im Betrag von 1.251.600 S kann nur einmal als Vorsteuer in Abzug gebracht werden. Der beantragte Vorsteuerabzug war entsprechend zu kürzen.

2. Gewinnfeststellung für 1996 bis 1998

a) Rückstellung Schadensfall S

Die für den Schadensfall S in Höhe von 1,1 Mio. gebildete Rückstellung war im Jahr 1998 aufzulösen. Der Ertrag aus der Auflösung war, wie mit Eingabe vom 25.3.2009 beantragt, der OV-AG zuzurechnen.

b) Teilwertabschreibung vermietete Pkw

Die Berufung wurde in diesem Punkt zurückgenommen.

3. Gewinnfeststellung für 1992 bis 1998

a) Die unter Tz 26 des Prüfungsberichtes gewinnmindernd angesetzten Mehrsteuern wurden der verbliebenen Gesellschafterin zugerechnet.

b) Die Kürzung der Wertberichtigung für drohende Verluste aus der Verwertung von Leasinggegenständen war ausschließlich der OV-AG zuzurechnen.

c) Der beantragten Berücksichtigung der erklärungsgemäßen Vorweggewinne für Dr.M und Dr.B ebenso wie die erklärungsgemäße Zurechnung der ertragsmindernd gebildeten Investitionsfreibeträge im Rahmen der Gewinnfeststellung für 1992 bis 1998 wurde nicht entsprochen. Auf die insofern umfangreiche Begründung und rechnerische Darstellung im Betriebsprüfungsbericht wird verwiesen.

Die Gewinnfeststellung und -verteilung für die Jahre 1994 bis 1998 ist in den angeschlossenen Berechnungsblättern dargestellt.

Beilage: 8 Berechnungsblätter betreffend Umsatzsteuer 1994 - 1997 5 Berechnungsblätter betreffend Gewinnfeststellung 1994 bis 1998

Innsbruck, am 14. April 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 12 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994

Schlagworte:

umsatzsteuerliche Pflichten, Vorsteuerabzug

Stichworte