UFS RV/0567-S/08

UFSRV/0567-S/0812.11.2008

Beginn der Verjährung bei unbegründeten vorläufigen Bescheiden

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der P***GmbH, Adresse1, vertreten durch IHL Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., 5020 Salzburg, Fritschgasse 1, vom 28. Dezember 2007 gegen die folgenden Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch Mag. Dieter Lukesch, betreffend Körperschaftsteuer entschieden:

à Bescheid vom 12. November 2007 für 1998

à Bescheid vom 16. November 2007 für 1999

à Bescheid vom 19. November 2007 für 2000

Der Berufung wird Folge gegeben und die Bescheide werden aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Berufung richtet sich gegen drei Bescheide, mit denen die jeweils vorher vorläufig erlassenen Körperschaftsteuerbescheide - unter Durchführung von Änderungen der Bemessungsgrundlagen - durch eine endgültige Festsetzung ersetzt wurden.

In der Berufung behauptet die Berufungswerberin den Eintritt der Verjährung für die Streitjahre. Sie begründet dies damit, dass bei Erlassung der vorläufigen Bescheide keine Ungewissheit bestanden habe. Nachdem somit keine Ungewissheit im Sinne des § 208 Abs. 1 lit. d BAO zu beseitigen gewesen sei, sollen die Verjährungsvorschriften des § 207 Abs. 2 BAO gelten. Damit sei für die Veranlagungsjahre 1998 bis 2000 unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 209 Abs. 1 BAO Verjährung eingetreten.

Das Finanzamt legte das Rechtsmittel ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung den Unabhängigen Finanzsenat vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates basiert auf folgendem aktenkundigen Sachverhalt:

A Sachverhalt

Der vorläufige Körperschaftsteuerbescheid 1998 erging auf Basis der Körperschaftsteuererklärung für dieses Jahr. Weitere nach außen hin erkennbare Maßnahmen des Finanzamtes sind den Akten nicht zu entnehmen. Die letzte erkennbare Amtshandlungen bestand in der Erlassung des vorläufigen Bescheides vom 20. Januar 2000.

Auch für die Veranlagungsjahre 1999 und 2000 bestand die letzte nach außen hin erkennbare Amtshandlung in der Erlassung der vorläufigen Bescheide vom 28. Juli 2005. Für diese beiden Jahre erfolgte allerdings am 17. Juli 2003 die telefonische Anforderung von Unterlagen durch das Finanzamt beim steuerlichen Vertreter. Zusammengefasst sind den Akten somit die folgenden Amtshandlungen zu entnehmen, die sich auf die Streitjahre bezogen:

Alle drei vorläufigen Bescheide weisen keinerlei Begründung für ihre vorläufige Erlassung auf. Diesen Bescheiden ist nicht zu entnehmen, worin die Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO bestehen soll, auf die die vorläufige Entlassung gestützt wurde.

Das Finanzamt berief sich darauf, dass im Zuge einer Betriebs(Außen)prüfung für die Jahre 1992 bis 1992 Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Gebäude in Wien (X***Gasse 24) nicht steuerlich anerkannt worden seien (Bericht vom 2. Februar 1995). Gegen die diesbezüglichen erstinstanzlichen Bescheide aus dem Jahr 1995 wurde berufen und nachdem die Finanzlandesdirektion für Salzburg diese Entscheidung mittels Berufungsentscheidung vom 9. Oktober 2002 bestätigt hatte beim VwGH Beschwerde erhoben (VwGH Zl. 2003/15/0039). 2005 wurde diese Beschwerde zurückgezogen.

Seit Durchführung der oben erwähnten Außenprüfung ergingen die Körperschaftsteuerbescheide jeweils vorläufig. Letztmalig im Bescheid für 1993 vom 10. Jänner 1996 fand sich die folgende Begründung für die Vorläufigkeit.

Da der Umfang der Abgabepflicht von den Ergebnissen eines noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahrens abhängig ist, erfolgte die Veranlagung gem. § 200 BAO vorläufig.

Ab 1994 wurde die Vorläufigkeit in den Bescheiden nicht mehr begründet. Vom Finanzamt wurde darauf hingewiesen, dass dem Berufungswerber die Gründe bekannt gewesen seien und er keine zusätzliche Begründung verlangt habe.

Im Steuerakt finden sich im Anschluss an die Betriebsprüfung für die Jahre 1990 bis 1992 nur die folgendem Ermittlungsmaßnahmen bzw. Hinweise auf allfällige ungeklärte Probleme:

- Vorhalt vom 3. Juli 1995 (Ablage im Steuerakt 1993): Die Berufungswerberin wurde aufgefordert, die Steuererklärungen 1993 zu berichtigen und den Feststellungen der vorangegangenen Betriebsprüfung Rechnung zu tragen. Von dieser wurde dies mit Schreiben vom 31 Juli 1995 mit dem Argument verweigert, das dieses Ergebnis mit Rechtsmittel bekämpft worden sei.

- Vorhalt vom 19. März 1999 zu den Jahren 1993 bis 1997 (Ablage im Steuerakt 1997): Mit diesem Vorhalt wurde die Berufungswerberin aufgefordert, "Aufwendungen für das Wohnhaus X***Gasse 24 für die Jahre 1993 bis 1997 betraglich bekannt zu geben". Eine nähere Begründung oder ein Hinweis auf Ungewissheiten findet sich in diesem Vorhalt nicht. Eine Antwort ist den Akten nicht zu entnehmen.

- Betriebsprüfung für die Jahr 1995 bis 1997 (Bericht vom 18. August 1999): Einige Monate nach dem obigen Vorhalt wurde eine Prüfung durchgeführt, die sich laut Prüfungsauftrag ausdrücklich nur auf die Jahre 1995 bis 1997 bezog. Die Aufwendungen für das Haus in Wien (X***Gasse) wurden als nicht abzugsfähig ausgeschieden. Die bis dahin vorläufig erlassenen Bescheide 1995 bis 1997 wurden wiederaufgenommen und unter entsprechender Kürzung des steuerlichen Verlustes endgültig veranlagt. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Alle drei Maßnahmen bezogen sich unstrittigerweise nicht auf die Jahre 1998 bis 2000.

B Rechtsgrundlagen

Die Abgabenbehörde kann Rechte und Pflichten nur mittels Bescheiden begründen (§ 92 BAO). Die Auslegung solcher Bescheide erfolgt anhand des Spruches, der unter zu Hilfenahme der Begründung gedeutet wird (vgl. Ritz, BAO3, § 92 Tz 6f). Bindungswirkung kann nur durch die Aufnahme in den Bescheid erreicht werden.

Gemäß § 200 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Diese Ungewissheit muss im Tatsachenbereich vorliegen (Ritz, BAO3, § 200 Tz 3). In der Begründung ist insbesondere anzugeben, welche Ungewissheit für die Vorläufigkeit ausschlaggebend war (Ritz, BAO3, § 200 Tz 9 mwN).

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt für die Körperschaftsteuer fünf Jahre (§ 207 Abs. 2 BAO). Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO), in den Fällen des § 200 BAO jedoch mit Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde (§ 208 Abs. 1 lit. d BAO). Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Werden solche Amtshandlungen im Verlängerungsjahr unternommen, führt das zur Verlängerung um ein weiteres Jahr (§ 209 Abs. 1 BAO).

Die Ausnahmeregelungen für den Beginn der Verjährung in den Fällen des § 200 BAO sind nicht anzuwenden, wenn ein vorläufiger Bescheid erlassen wurde, obwohl keine Ungewissheit bestand. Das gilt im Größenschluss umso mehr, wenn der Bescheid überhaupt nicht erkennen lässt, von welcher Unsicherheit die erlassende Behörde ausging.

Zur Beurteilung des Beginnes des Fristenlaufes ist die Feststellung notwendig, wann und durch welche Fakten die Ungewissheit weggefallen ist (VwGH 17.4.2008, 2007/15/0054). Ist dies aber mangels angegebener Ungewissheit unmöglich, richtet sich der Beginn der Verjährung nach den allgemeinen Regeln der BAO (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 208 [6] sowie VwGH 18.10.1984, 83/15/0085 und UFS 22.11.2005, RV/0573-G/05). Die Verjährung tritt also bei vorläufigen Bescheiden nur dann später ein, wenn eine tatsächlich bestehende Unsicherheit vorliegt, die beseitigt werden kann (Ritz, BAO3, § 208 Tz 4; in Tz 11 zu § 200 bezeichnet Ritz diese Rechtsauslegung als unbestritten).

C Anwendung auf den konkreten Fall

1 Allgemein

Im konkreten Fall wurde bei Erlassung der vorläufigen Bescheide weder im Bescheidspruch noch in der Begründung ausgeführt, was der Abgabenbehörde ungewiss erschien. Es kann weder diesen Bescheiden noch den Steuerakten für die Jahre 1998 bis 2000 entnommen werden, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse das Finanzamt zur Entscheidung gelangte, dass die Abgabepflicht ungewiss sein soll. Die Ungewissheit war damit aber nicht konkretisiert und konnte demzufolge auch nicht zu einer Rechtstatsache werden.

Den Bescheiden kann weder entnommen werden,

- welche Tatsache ungewiss gewesen sein soll, noch,

- was eintreten müsste, damit die Ungewissheit beseitigt wird.

Damit ist die Feststellung unmöglich, ob und wann Tatsachen eingetreten sind, die eine Ungewissheit beseitigt haben könnten. Damit könnte der Lauf der Verjährungsfrist aber niemals in Gang gesetzt werden, was aber ganz offensichtlich weder dem Willen des Gesetzgebers noch dem Grundsatz, dass infolge Zeitablaufs Rechtsfriede eintreten soll, entsprechen kann. Damit kann der Beginn der Verjährungsfrist in einem solchen Fall nur nach den allgemeinen Regeln bestimmt werden.

Dem stehen die vom Finanzamt ins Treffen geführten Aussagen in VwGH 4.9.1986, 86/16/0083, schon mangels vergleichbarem Sachverhalt nicht entgegen. Der dem dortigen vom Höchstgericht zu beurteilenden endgültigen Bescheid vorangegangene vorläufige Bescheid enthielt nämlich eine klare Begründung für die Vorläufigkeit und stützte diese auf die Ungewissheit der Höhe von Frachtkosten. Damit war aber auch der Grund für die vorläufige Erlassung konkretisiert, was es ermöglicht, dessen Wegfall zu beurteilen. Gerade das ist aber in den hier zu beurteilenden Fällen unbestrittenermaßen nicht der Fall.

Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass für die den Streitjahren vorangegangenen Kalenderjahre Ermittlungshandlungen (Vorhalte sowie Betriebsprüfung etc.) gesetzt wurden. Dies schon deshalb nicht, weil zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bescheiden ausschließlich deren Spruch und Begründung herangezogen werden kann. Was den Bescheiden nicht zu entnehmen ist, kann auch keinen Einfluss auf deren Beurteilung haben. Dazu kommt im konkreten Fall, dass die letzte Betriebsprüfung für die Jahre 1995 bis 1997 noch vor Erlassung der strittigen vorläufigen Bescheide beendet wurde und auch den diese Verfahren endgültig abschließenden Bescheiden keine Ungewissheit zu entnehmen ist.

2 Schlussfolgerung

Der Abgabenanspruch entsteht bei der Körperschaftsteuer mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird (§ 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO). Damit beginnt die Verjährung die Körperschaftsteuer 1998 mit Ablauf des Jahres 1998 zu laufen. Für die Jahre 1999 und 2000 gilt dies entsprechend.

Die letzte nach außen hin nicht erkennbare Amtshandlung für die Körperschaftsteuer 1998 war die Erlassung des vorläufigen Bescheides im Jahr 2000. Durch diese Amtshandlung kam es zur Verlängerung der Verjährungsfrist um ein Jahr. Damit verjährte das Recht, die Körperschaftsteuer 1998 festzusetzen mit Ende 2004.

Am 17. Juli 2003 forderte das Finanzamt für die Jahre 1999 und 2000 eine Kopie der Abgabenerklärungen sowie eine Sachverhaltsdarstellung an. Im Jahre 2005 erließ das Finanzamt vorläufige Bescheide für diese beiden Jahre. Die Anforderung der Unterlagen durch das Finanzamt stellt einen nach außen hin erkennbare Amtshandlungen dar. Auch die Erlassung der vorläufigen Bescheide ist als solche zu qualifizieren.

Für die Körperschaftsteuervorschreibung 1999 bedeutet das die Verlängerung der Verjährungsfrist um ein Jahr durch die innerhalb der Verjährungsfrist gesetzte Amtshandlung im Jahre 2003. Dadurch verlängert sich die Verjährungsfrist, die nach den allgemeinen Regeln Ende 2004 abgelaufen wäre, um das Jahr 2005. Durch die Erlassung des vorläufigen Bescheides in diesem Verlängerungsjahr ergab sich eine zusätzliche Verlängerung um das Jahr 2006. Mit Ablauf dieses Jahres verjährte das Recht, die Körperschaftsteuer 1999 festzusetzen, endgültig.

Die Vorschreibungsmöglichkeit für die Körperschaftsteuer 2000 würde nach den allgemeinen Regeln Ende 2005 verjähren. Sowohl die Amtshandlung 2003 wie auch die Erlassung des vorläufigen Bescheides im Jahre 2005 erfolgten somit innerhalb der Verjährungsfrist. Daraus ergibt sich die Verlängerung dieser Frist um ein Kalenderjahr. Somit verjährte das Recht, die Körperschaftsteuer 2000 festzusetzen, ebenfalls mit Ende 2006.

Die nunmehr bekämpften endgültigen Bescheide wurden im Jahre 2007 erlassen. Dieser Zeitpunkt lag eindeutig außerhalb der Verjährungsfrist, womit die Festsetzung unzulässig war.

Dem Berufungsbegehren war deshalb nachzukommen und die bekämpften Bescheide waren ersatzlos (Ritz, BAO3, § 289 Tz 34) zu beheben.

Salzburg, am 12. November 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 200 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 200 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

endgültig, Ungewissheit, Wegfall

Verweise:

VwGH 18.10.1984, 83/15/0085
VwGH 17.04.2008, 2007/15/0054
Ritz, BAO, § 208, Tz 4
UFS 22.11.2005, RV/0573-G/05

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