UFS RV/2627-W/08

UFSRV/2627-W/0814.10.2008

Dienstgeberbeitragspflicht eines wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/13/0232 eingebracht. Mit Erk. v. 25.9.2012 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., P,N-Straße, vertreten durch Dkfm. Dieter Walla, Steuerberater, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 7, vom 24. Juli 2007 gegen die Bescheide des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom 20. Juli 2007 betreffend Festsetzung von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 1. Jänner 2002 bis 31. Dezember 2003 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der der geschäftsführende Gesellschafter MF im Streitzeitraum zu 100% beteiligt war.

Im Gefolge einer bei der Bw. durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung ergingen Abgabenbescheide gemäß § 201 BAO betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 2002 und 2003, deren Bemessungsgrundlagen unter Einbeziehung der Bezüge des wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers ermittelt wurden.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der steuerliche Vertreter der Bw. vor:

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Behörde nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Herr MF ist zu 100% an der Bw. beteiligt und nimmt die Agenden der Geschäftsführung seit 25. August 1988 wahr.

In den Jahren 2002 und 2003 wurden folgende Beträge als Geschäftsführervergütung bezahlt:

2002

2003

50.870,- Euro

50.870,- Euro

Diese Beträge wurden von der Bw. nicht in die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag aufgenommen.

Dieser Sachverhalt gründet sich auf die Feststellungen der Lohnsteuerprüfung und eine Firmenbuchabfrage.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu entrichten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen.

Entsprechend der Bestimmung des § 41 Abs. 2 FLAG in der ab 1994 geltenden Fassung BGBl. Nr. 818/1993 sind Dienstnehmer alle Personen, die in einem Dienstverhältnis i.S.d. § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen i. S. d. § 22 Z 2 EStG 1988.

Gemäß § 41 Abs. 3 FLAG idF BGBl. Nr. 818/1993 ist der Dienstgeberbeitrag von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen. Arbeitslöhne sind dabei Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit a und b EStG 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art i. S. d. § 22 Z 2 EStG 1988.

Nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2 EStG 1988) aufweisende Beschäftigung gewährt werden.

Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mehr als 25% beträgt (§ 22 Z 2 EStG 1988).

Die Regelung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag, der von der in § 41 FLAG festgelegten Bemessungsgrundlage zu erheben ist, findet sich in § 122 Abs. 7 und 8 des Wirtschaftskammergesetzes (WKG).

Im Erkenntnis des verstärkten Senates vom 10. November 2004, 2003/13/0018, stellte der Verwaltungsgerichtshof klar, dass bei der Frage, ob Einkünfte nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 erzielt werden, entscheidende Bedeutung dem Umstand zukommt, ob der Gesellschafter bei seiner Tätigkeit in den betrieblichen Organismus des Unternehmens der Gesellschaft eingegliedert ist. Weiteren Elementen, wie etwa dem Fehlen des Unternehmerwagnisses oder einer als "laufend" zu erkennenden Lohnzahlung, kann nur in solchen Fällen Bedeutung zukommen, in denen eine Eingliederung des für die Gesellschaft tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes nicht klar zu erkennen wäre.

Eine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige auf Dauer einen Teil des rechtlichen bzw. des wirtschaftlichen Organismus bildet und seine Tätigkeit im Interesse dieses Organismus ausüben muss. Die kontinuierliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung spricht für die Eingliederung (vgl. VwGH vom 23.4.2001, 2001/14/0054 und 2001/14/0052). Unerheblich ist, ob der Geschäftsführer im operativen Bereich der Gesellschaft oder im Bereich der Geschäftsführung tätig ist.

Entsprechend dem der Behörde vorliegenden Firmenbuchauszug übt Herr MF die Geschäftsführung seit 25.8.1988 aus.

Vor dem Hintergrund des vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen funktionalen Verständnisses vom Begriff der Eingliederung in den Organismus des Betriebes ist durch die unbestritten kontinuierliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung für die beiden Gesellschafter das Merkmal der Eingliederung ohne Zweifel gegeben (VwGH v. 23.11.2004, 2004/15/0068).

Zum Einwand des steuerlichen Vertreters, § 117 BAO sei vom Verfassungsgerichtshof erst am 14.1.2005 aufgehoben worden und sei somit zum Fälligkeitsdatum des DB und DZ der Jahre 2002 und 2003 in Geltung gestanden, weshalb eine Änderung der Rechtsprechung und deren Anwendung auf Tatbestände der Jahre 2002 und 2003 nicht möglich sei, ist anzumerken: Diese gesetzliche Bestimmung wurde - wie vom steuerlichen Vertreter vorgebracht - mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Dezember 2004, G 95/04 aufgehoben. Der Gerichtshof hat darin ausdrücklich ausgesprochen, dass diese Bestimmung nicht mehr anwendbar ist und eine gleichmäßige, dem Legalitätsprinzip entsprechende Rechtsanwendung vielmehr nur dann gewährleistet ist, wenn die Vorschrift auch in offenen Fällen nicht mehr anwendbar ist. Da die mit Berufung angefochtenen Bescheide mit 20 Juli 2007 datiert sind, also eindeutig erst nach Aufhebung des § 117 BAO durch den Verfassungsgerichtshof ergangen sind, war der Behörde die Anwendung dieser Bestimmung verwehrt. Wenn der steuerliche Vertreter in seiner Berufung vom Fälligkeitszeitpunkt als maßgeblichen Zeitpunkt ausgeht, so kann ihm darin nicht gefolgt werden. Abzustellen ist vielmehr auch im Fall von Selbstberechnungsabgaben auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung. Bei Änderungen verfahrensgesetzlicher Rechtsvorschriften, insbesondere bei Aufhebung und Neueinführung von Verfahrensbestimmungen, ist das neue Recht - mangels anderer Anordnung - ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf frühere Rechtsvorgänge, also auch auf Vorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechts ereignet haben. Bei Aufhebung von Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof ist die aufgehobene Bestimmung - sofern der Gerichtshof nichts anderes bestimmt - ab dem Zeitpunkt der Kundmachung im Bundesgesetzblatt nicht mehr anzuwenden, auch wenn der Abgabenanspruch vor der Kundmachung entstanden ist.

Darüber hinaus wäre § 117 BAO auch aus folgenden Überlegungen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar:

Die Bestimmung des § 117 BAO lautete wie folgt:

"Liegt eine in Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder in als Richtlinien bezeichneten Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen vertretene Rechtsauslegung dem Bescheid einer Abgabenbehörde, der Selbstberechnung von Abgaben, einer Abgabenentrichtung in Wertzeichen (Stempelmarken), einer Abgabenerklärung oder der Unterlassung der Einreichung einer solchen zu Grunde, so darf eine spätere Änderung dieser Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf einen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen stützt, nicht zum Nachteil der betroffenen Partei berücksichtigt werden."

Der Verwaltungsgerichtshof erkannte - vor Ergehen des Erkenntnisses des verstärkten Senates - in ständiger Rechtsprechung, dass Einkünfte nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 vom wesentlich beteiligten Geschäftsführer einer GmbH dann erzielt werden, wenn feststeht,

Entscheidend für die Anwendbarkeit des § 117 BAO wäre daher gewesen, dass die Rechtsauslegung im Rahmen der Selbstberechnung im Ergebnis mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereingestimmt hätte. Die Bw. hat jedoch in der von ihr vorgenommenen Selbstberechnung die Bezüge ihres wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers seien - trotz Vorliegens der im Sinne der Rechtsprechung erforderlichen Kriterien - nicht unter § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 subsumiert und diese Bezüge in Konsequenz dieser Ansicht nicht in die Bemessungsgrundlagen für den DB und DZ aufgenommen. § 117 BAO hätte daher keine Anwendung finden können.

Der Ansicht des steuerlichen Vertreters, in der Anwendung der geänderten Rechtsprechung auf die Festsetzung des Dienstgeberbeitrags und Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2002 und 2003 verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, ist entgegenzuhalten, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker ist als jeder andere Grundsatz und der Abgabenbehörde dann, wenn sie sich an der vom Verwaltungsgerichtshof klar gestellten Rechtslage orientiert, keine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben vorgeworfen werden kann (vgl VwGH 21.1.2004, 2003/16/0113).

Hinsichtlich des Einwandes, eine Änderung der Rechtsprechung könne nicht als Begründung für die Erlassung von Bescheiden herangezogen werden, deren Tatbestandsverwirklichung eindeutig vorher eingetreten sei, und könne auf keinen Fall die Begründung für die Wiederaufnahme des Verfahrens darstellen, da eine Änderung der Rechtsprechung keine neu hervorgekommene Tatsache sein könne, ist zwischen den beiden Streitjahren zu differenzieren.

1. DB und DZ 2002:

§ 201 BAO in der für dieses Jahr geltenden Fassung lautete wie folgt:

"Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ist ein Abgabenbescheid nur zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist...."

Bei den streitgegenständlichen Abgaben handelt es sich um Selbstbemessungsabgaben (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, p. 2121).

Voraussetzung für die Erlassung eines Bescheides gemäß § 201 BAO in der Fassung vor BGBl I 2002/97 ist ua, dass sich die Selbstberechnung als unrichtig erweist. Die besonderen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme eines Verfahrens sind für die Erlassung eines Bescheides gemäß § 201 BAO nicht erforderlich (VwGH 21.12.2000, 2000/16/0303).

Im Hinblick auf die bereits oben dargestellte Rechtsprechung war daher die Selbstberechnung der Bw. unrichtig und sind die nunmehr angefochtenen Bescheide betreffend DB und DZ 2002 zu Recht erlassen worden, weshalb die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abzuweisen ist.

2. DB und DZ 2003:

§ 201 idF BGBl I 2002/97 lautet:

(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbstberechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

(2) Die Festsetzung kann erfolgen,

1. ......

2. ......

3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden, oder

4. ......

5. ......

Die Bescheide betreffend DB und DZ 2003 entsprechen den darin angeführten Voraussetzungen: Das Finanzamt hat in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 303 Abs. 4 BAO Abgabenbescheide betreffend DB und DZ erlassen, da sich die Selbstberechnung der Bw. insoweit als unrichtig herausstellte, als die Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden sind. Dass die Bescheide nicht im unmittelbaren Anschluss an die im Jahr 2004 durchgeführte Lohnsteuerprüfung betreffend den Zeitraum 1.1.2000 bis 31.12.2003, sondern erst nach Abschluss der im Jahr 2007 durchgeführten, den Zeitraum 1.1.2004 bis 31.12.2006 umfassenden Lohnsteuerprüfung erlassen wurden, vermag an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nichts zu ändern. Eine Verpflichtung der Behörde, Bescheide innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens vom Zeitpunkt der Kenntnis der neuen Tatsache zu erlassen, kann dem Gesetz - mit Ausnahme der in § 207 BAO geregelten Verjährungsfrist - nicht entnommen werden (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 18.3.1966, 1848/65). Dass die Bescheide betreffend DB und DZ 2003 innerhalb der Verjährungsfrist erlassen wurden, wird von der Bw. nicht bestritten.

Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 14. Oktober 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 41 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 41 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 41 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 117 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Geschäftsführerbezüge, Eingliederung in den betrieblichen Organismus

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