UFS RV/0829-L/07

UFSRV/0829-L/0715.9.2008

Verlustabzug: Zeitpunkt der Betriebseröffnung im Zusammenhang mit Anlaufverlusten.

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0298 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 24.11.2011 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der GR, vom 28. Juni 2007 gegen die Bescheide des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom 15. Juni 2007 betreffend Einkommensteuer für 2005 sowie Anspruchszinsen für 2005 entschieden:

1. Der Berufung betreffend Einkommensteuer für 2005 wird Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der im angefochtenen Einkommensteuerbescheid angeführten Abgabe betragen:

 

Bemessungsgrundlage

Abgabe

Jahr

Art

Höhe

Art

Höhe

2005

Einkommen

49.496,80 €

Einkommensteuer

16.429,66 €

Gutschrift gegenüber Erstbescheid

16.341,39 €

Die Berechnung der Bemessungsgrundlagen und der Höhe der Abgabe sind dem als Anlage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bildet.

2. Die Berufung betreffend Anspruchszinsen für 2005 wird gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

Entscheidungsgründe

(1) Die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw.) betrieb bis 2006 als Einzelunternehmerin ein Handelsunternehmen mit Whirlpools, Infrarotkabinen und Kunsthandwerk. Das diesbezügliche Datum des Entstehens der Gewerbeberechtigung ist der 6. März 2000. Sie gab erstmals eine Steuererklärung für das Jahr 1999 ab, in deren Beilage sie keine Einnahmen erklärte und als Ausgaben Spesen des Geldverkehrs (ATS 606), Zinsen für Kredite und Darlehen (ATS 26.363,50) sowie Zuweisung zum Investitionsfreibetrag (ATS 77.861) und somit einen - teilweise nicht ausgleichsfähigen - Verlust von ATS 104.830,50 geltend machte.

In den Jahren 2000, 2001 sowie 2002 erklärte die Bw. ebenfalls Verluste iHv. ATS 463.668, ATS 497.272 sowie 32.875,29 Euro.

(2) Im Jahr 2005 machte die Bw. als Sonderausgaben Verlustvorträge geltend, die ua. auch den im Jahr 2002 angefallenen Verlust betreffen. Dieser wurde im Einkommensteuerbescheid jedoch mit der Begründung nicht anerkannt, dass gemäß § 18 Abs. 7 EStG 1988 Anlaufverluste solche Verluste seien, die in den ersten drei Veranlagungszeiträumen ab Eröffnung eines Betriebes entstünden. Der Beginn des Zeitraums der vortragsfähigen Verluste sei mit dem Beginn der Betätigung, aus der betriebliche Einkünfte erzielt würden, gleichzusetzen. Diese Phase umfasse auch Aufwendungen aus Vorbereitungshandlungen. Daher hätten lediglich die Anlaufverluste für 1999 bis 2001 sowie die Wartetastenverluste für 1999 und 2000 Anerkennung gefunden.

(3) Gegen diesen Bescheid sowie gegen den damit im Zusammenhang stehenden Bescheid, mit welchem hinsichtlich Einkommensteuer für 2005 Anspruchszinsen zur Vorschreibung gelangten, wurde am 28. Juni 2007 mit folgender Begründung Berufung erhoben:

Im Jahr 1999 habe noch keine Eröffnung des Betriebes stattgefunden, sondern es hätten lediglich Umbauten der Betriebsliegenschaft begonnen. Bei den laufenden Ausgaben seien nur Zinsen und Spesen des Geldverkehrs zu verbuchen gewesen. Die ersten Einnahmen seien erst Mitte Mai 2000 und der erste Einkauf von Handelswaren im April 2000 erfolgt. Weiters sei das Gewerbe mit 6. März 2000 angemeldet worden.

Weiters erfolgte ein Verweis auf Doralt/Renner (EStG10, § 18, Tz 315/2), wonach mit der Anknüpfung an die ersten Aufwendungen bzw. Verluste der Gesetzeszweck nicht wirklich erfüllt werden könne, weil sonst auch Bagatellaufwendungen die Frist für den Anlaufverlust auslösen könnten und bei genauer Beachtung des Gesetzes oft bereits das erste Verlustjahr konsumieren würden. Nach dem Gesetzeszweck müssten vielmehr die Verluste aus der Vorbereitungsphase zusammengefasst auf den Zeitpunkt der eigentlichen Betriebseröffnung bezogen werden; ab diesem Zeitpunkt dürfte erst der Verlustverrechungszeitraum beginnen.

(4) Am 8. Juli 2008 richtete der Referent des Unabhängigen Finanzsenats einen Vorhalt folgenden Inhalts an die Bw., in dem um die Beantwortung folgender Fragen ersucht wurde:

1. In welchem Zusammenhang fielen im Jahr 1999 Zinsen im Ausmaß von ATS 26.363, 50 an, dh. zB., welche Wirtschaftsgüter wurden mit dem aufgenommenen Kredit erworben?

2. Wofür fielen im Jahr 1999 Geldbeschaffungskosten iHv. ATS 17,840 an und warum wurde diesbezüglich ein Privatanteil geltend gemacht?

3. Für welche Wirtschaftsgüter erfolgte im Jahr 1999 die Zuweisung des Investitonsfreibetrages iHv. ATS 77.861 und wann wurden diese erworben?

4. Ab wann wurde mit der Adaptierung der Betriebsräumlichkeiten bzw. des Geschäftslokales begonnen?

5. Ab wann begann die werbende Tätigkeit (zB. Drucken von Prospekten, andere Werbemaßnahmen) Ihres Unternehmens?

6. Wann fielen die ersten Ausgaben für Handelswaren an, wurde der Betrieb - nach allgemeinem Sprachgebrauch - "eröffnet" - (dh. "aufgesperrt") und flossen die ersten Einnahmen?

(5) Der Vorhalt wurde mit Eingabe vom 14. August 2008 folgendermaßen beantwortet:

1. Mit dem Kredit sei eine Betriebsliegenschaft erworben worden, deren Zinsen ausschließlich deren Finanzierung beträfen.

2. Die Geldbeschaffungskosten setzen sich aus Kreditgebühr (ATS 15.760) und Bearbeitungsgebühr (ATS 15.000) zusammen, wovon der betriebliche Anteil 58% betrage.

3. Der Investitonsfreibetrag sei ausschließlich für Gebäudeinvestitionen geltend gemacht worden. Das Gebäude sei im Juni 1999 erworben und ab diesem Zeitpunkt renoviert worden. Es sei noch keine AfA gebucht worden, weil das Gebäude erst ab dem ersten Halbjahr 2000 genutzt und fertiggestellt worden sei.

4. Siehe Beantwortung zu 3.

5. Werbemaßnahmen seien ab April 2000 getätigt worden (Spot, Inserate, Poster).

6. Die ersten Handelswaren seien am 12. April 2000 eingekauft und die ersten Einnahmen am 19. Mai 2000 erzielt worden.

Weiters sei zu erwähnen, dass Büroeinrichtungen, Computer und Telefonanlage erst im ersten Halbjahr 2000 erworben worden seien.

(6) Zu diesem Vorhalt gab die Amtspartei folgende Stellungnahme ab:

Die Liegenschaft sei tatsächlich am 1. Juni 1999 erworben worden. Im Grundbuch sei ein Pfandrecht einer Bank im Höchstbetrag von 95.000 Euro eingetragen. Die Angaben der Bw. in ihrer Vorhaltsbeantwortung erschienen daher schlüssig. Wofür der Investitionsfreibetrag geltend gemacht worden sei, müsste sich aus dem Veranlagungsakt ergeben. Betreffend die Punkte 4 bis 6 bestehe kein Grund, an den Angaben der Bw. zu zweifeln. Der Standpunkt des Finanzamtes habe sich durch die Vorhaltsbeantwortung jedoch nicht geändert.

(7) Mit Eingabe vom 10. September 2008 wurde in weiterer Folge die Berufung betreffend Vorschreibung von Anspruchszinsen für 2005 zurückgenommen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Einkommensteuer für 2005

(8) Aus sachverhaltsmäßiger Sicht ist unstrittig, dass die Bw. im Jahr 1999 eine (teilweise betrieblich genutzte) Liegenschaft erworben und mir der entsprechenden Adaptierung begonnen hat (vgl. oben Pkte. 5 und 6). Hiefür fielen in diesem Jahr einerseits Geldbeschaffungskosten an, andererseits wurde ein Investitionsfreibetrag, jedoch noch keine AfA, geltend gemacht. Werbemaßnahmen wurden erst im Jahr 2000 gesetzt; in diesem Jahr wurde auch die Büroeinrichtung erworben und es fanden die ersten Handelswareneinkäufe sowie Handelswarenerlöse statt.

(9) Gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben auch die in einem vorangegangenen Jahr entstanden Verluste abzugsfähig (Verlustabzug). Dies gilt grundsätzlich nur, wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt und nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.

Davon (teilweise) abweichend bestimmt § 18 Abs. 7 EStG 1988 (idF. vor dem KMU-FG 2006, BGBl I 2006/201), dass "Anlaufverluste", worunter Verluste, die in den ersten drei Jahren ab "Eröffnung eines Betriebes" entstehen, auch bei einem Steuerpflichtigen, der den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelt, als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum § 18 Abs. 7 EStG 1988 setzt sich mit dem Begriff der "Eröffnung eines Betriebs" nicht näher auseinander: als "Anlaufverluste" werden solche "innerhalb der ersten drei Veranlagungszeiträume" bezeichnet, wobei unklar bleibt, durch welchen Tatbestand das Vorhandensein bzw. die Ingangsetzung des ersten dementsprechenden Zeitraums gekennzeichnet wird.

(10) Im gegenständlichen Fall ist ausschließlich strittig, ob der dreijährige Zeitraum, dessen Verluste als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind, bereits mit dem Anfall der ersten die Bw. treffenden iZm. Mit dem Erwerb einer Liegenschaft stehenden Ausgaben (also 1999) beginnt bzw. welcher Zeitpunkt als jener der im EStG angeführten "Betriebseröffnung" angesehen werden kann (erstmaliges Anfallen von Betriebsausgaben oder effektive Eröffnung des Betriebes) und auf welche Veranlagungszeiträume sich dementsprechend der dreijährige "Anlaufzeitraum" erstreckt.

Nach dem - vom Steuerrecht losgelösten - herkömmlichen Sprachgebrauch ist bei einem Handelsbetrieb nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates als "Eröffnung eines Betriebs" das tatsächliche "Aufsperren" des Geschäftslokals anzusehen: solange ein Betrieb dem Konsumenten noch keine Leistungen anbieten kann, ist er in diesem Sinne daher auch noch nicht "eröffnet".

Das Finanzamt nimmt allerdings - offenbar der Verwaltungspraxis bzw. der Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen (vgl. diesbezüglich EStR 2000, Rz 4529) folgend -eine Betriebseröffnung bereits mit dem erstmaligen Anfall von Aufwendungen (im Konkreten: Fremdmittelkosten bzw. Investitonsfreibetrag) an. Demnach wäre ein Betrieb bereits dann "eröffnet", wenn er noch keine Leistungen anbieten kann, aber bereits ihm eindeutig zuzuordnende Aufwendungen (hier: Adaptierung der Liegenschaft) angefallen sind.

Für diese Rechtsfolge bietet allerdings nach einer Wortinterpretation der eindeutige Wortlaut des § 18 Abs. 7 EStG 1988 keine Handhabe, nimmt er doch unmissverständlich auf den "Eröffnungszeitpunkt" des Betriebes und somit offensichtlich auf den Beginn der Bereitstellung von Leistungen Bezug und kein Grund erkennbar ist, warum diesbezüglich vom herkömmlichen Sprachgebrauch abzuweichen wäre. Wäre tatsächlich das erstmalige Anfallen von Aufwendungen ausschlaggebend, hätte dies durch eine entsprechende Formulierung im Gesetzestext dahingehend, dass auf das erstmalige Entstehen von Aufwendungen Bezug genommen wird, seinen Niederschlag finden müssen.

(11) Diese Ansicht wird durch den Wortlaut des § 2 Abs. 2 der Liebhabereiverordnung, BGBl 1993/33, bestätigt, wonach der "Anlaufzeitraum", innerhalb dessen bei einer verlustträchtigen Betätigung iSd. § 1 Abs. 1 jedenfalls Einkünfte vorliegen, prinzipiell mit dem "Beginn einer Betätigung (zB. Eröffnung eines Betriebes)" in Gang gesetzt wird, sich dieser Zeitraum jedoch dann auf bis zu fünf Jahre verlängern kann, wenn bereits zuvor ein "erstmaliges Anfallen von Aufwendungen" gegeben war. Mit anderen Worten: die Liebhabereiverordnung stellt für den Beginn des dreijährigen Fristenlaufes des Anlaufzeitraums tatsächlich auf das "Aufsperren" eines Betriebes ab, bezeichnet diesen als "Betriebseröffnung" und gestattet eine Verlängerung, wenn - so wie im gegenständlichen Fall - zuvor (also schon vor der Betriebseröffnung) Aufwendungen angefallen sind und unterscheidet somit zwischen diesen beiden Tatbeständen. Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates kann der Begriff der Betriebseröffnung iZm. der Möglichkeit der Vortragsfähigkeit von Anlaufverlusten in § 18 Abs. 7 EStG 1988 nicht anders interpretiert werden.

(12) Daher ist im gegenständlichen Fall der Betriebseröffungszeitpunkt erst im Jahr 2000 anzunehmen. Im Jahr 1999 wurden nämlich seitens der Bw. gegenüber Konsumenten noch keine Leistungen angeboten, sondern sind unstrittig lediglich auf die Eröffnung des Betriebes hinzielende (Vor-)Betriebsausgaben, insbesondere im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Adaptierung einer teilweise betrieblich genutzten Liegenschaft, angefallen.

(13) Für diese Ansicht spricht aus systematischen Erwägungen auch die von der Bw. angesprochene Ansicht in der Literatur (Doralt/Renner, EStG10, § 18, Tz 315/2), wonach bei einer anderen Betrachtungsweise bereits Bagatellaufwendungen einen Teil des Anlaufzeitraums konsumieren würden - und als Folge dessen "echte" Anlaufverluste in späteren Jahren nicht mehr verwertbar wären.

Auch die Bw. hat im Jahr 1999 erst Aktivitäten relativ geringfügigen Ausmaßes gesetzt, insbesondere hat sie noch keine Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer betrieblichen Tätigkeit stehen (Handelswareneinkäufe), getätigt. Die in der angeführten Literatur manifestierten Bedenken, dass bei einem starren Festhalten am Drei-Jahres-Zeitraum der Anlaufzeitraum unverhältnismäßig beschnitten würde, treffen somit auch im gegenständlichen Fall zu.

Dies bedeutet somit, dass auch der im Jahr 2002 angefallene Verlust noch als "Anlaufverlust" anzusehen und daher als Sonderausgabe abzugsfähig ist.

Der Berufung war daher hinsichtlich er für 2005 aus den angegebenen Gründen stattzugeben.

Anspruchszinsen für 2005

(14) Da die Berufung, soweit sie die Vorschreibung von Anspruchszinsen für 2005 betrifft, mit Eingabe vom 10. September 2008 zurückgenommen wurde, erklärt die Abgabenbehörde zweiter Instanz sie insoweit gemäß § 256 Abs. 3 BAO für gegenstandslos, sodass das damit im Zusammenhang stehende Berufungsverfahren beendet ist.

Informativ wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass infolge der Änderung des als Grundlagenbescheid anzusehenden Einkommensteuerbescheides (Reduktion der Abgabennachforderung auf Grund der Stattgabe der Berufung) von Amts wegen ein weiterer Anspruchszinsenbescheid ergeht (Ritz, BAO3, § 205, Tz 35).

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Linz, am 15. September 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 18 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 18 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Anlaufverlust, Betriebseröffnung, Aufwendungen, Aufsperren

Verweise:

EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 4529

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