Familienbeihilfe für Kinder aus geschiedener Ehe, die sich ständig im Gebiet der EU aufhalten aufgrund überwiegender Kostentragung des geschiedenen in Österreich erwerbstätigen Ehegatten.
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/15/0207 (früher 2008/15/0223) eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 16.12.2009 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom 31. Jänner 2008 gegen den Bescheid des Finanzamtes c vom 28. Jänner 2008 betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) für den Zeitraum 1. Jänner 2007 bis 31. Dezember 2007 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom 28. Jänner 2008 wurde der Antrag des Berufungswerbers (Bw) auf Gewährung der Familienbeihilfe (Differenzauszahlung bzw Ausgleichszahlung) für seine Kinder a und s betreffend den Zeitraum Jänner bis Dezember 2007 mit der Begründung abgewiesen, dass gemäß § 2 Abs 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind hätten, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, habe nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Da a und s laut Angaben des Bw in r bei g wohnen, bestehe kein Anspruch auf Differenzzahlung für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 2007.
Mit Schreiben vom 30. Jänner 2008 wurde der Erhalt des obgenannten Bescheides bestätigt und hiezu folgendes ausgeführt:
"Seit nunmehr vier Jahren bekomme ich immer wieder meinen ersten Antrag auf Differenzzahlung zurück mit einer Ablehnung. Ich weise noch mal auf die Tatsachen hin, die folgende sind:
1. Meine Kinder wohnen bei ihrer Mutter in r,
2. ich trage zu fast 100 % (siehe Beilage) die Unterhaltskosten der Kinder,
3. keine andere Person ausser mir ist anspruchsberechtigt gemäß FLAG 1967 § 2 Abs 2,
4. daher ist meines Erachtens der Anspruch auf die Differenzzahlung durchaus gerechtfertigt.
Bitte konsultieren sie hiezu auch die Jahre 2004 bis 2006, deren Anträge ihnen ja vorliegen müssten, bzw. lege ich ihnen eine Kopie des letztjährigen Antrages zur Information bei. Ich hoffe, mit diesen Angaben und Dokumenten sind die vorhandenen Fragen ausreichend beantwortet."
Als Beilagen wurden eine Haushaltsrechnung (Unterhaltsbeitrag) und ein Antrag 2006 angeführt.
Betreffend Differenzausgleichszahlung für das Jahr 2006 wurde dem Bw vom Finanzamt c mit Schreiben vom 25. Februar 2008 bekanntgegeben, dass diese bereits am 4. April 2007 durchgeführt worden sei.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 25. Februar 2008 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und hiezu ausgeführt, dass nach Ansicht des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend und der Österreichischen Finanzverwaltung (siehe FLAG-Info vom 28. Juni 2007) ein von der Familie getrennt lebender Elternteil (im gegenständlichen Fall Herr hk) keinen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe geltend machen könne, auch wenn er überwiegend Unterhalt leiste, da die Haushaltszugehörigkeit der Kinder zum anderen Elternteil im EU-Ausland vorgeht. Die Betreuung der Kinder durch den haushaltszugehörigen anderen Elternteil stelle eine geld/vermögenswerte Leistung dar, durch welche der Unterhaltsbeitrag geleistet wird.
Mit Schriftsatz vom 28. Feber 2008 wurde vom Bw der Erhalt der Berufungsvorentscheidung bestätigt und folgendes ausgeführt:
"Ich habe keinen Antrag auf Familienbeihilfe gestellt, sondern einen Antrag auf Differenzzahlung, wie bereits in den vergangenen Jahren. Bisher war immer die Grundlage der Differenzzahlung (zwischen der i und der österreichischen Familienbeihilfe), dass
1. ich zu fast 100 % (siehe Beilage) die Unterhaltskosten der Kinder trage,
2. in Österreich ausser mir keine andere Person anspruchsberechtigt ist gemäß FLAG 1967, § 2 Abs 2,
3. die z Familienbeihilfe nachgewiesen wird,
4. der Wohnort in r bestätigt wird.
Da meines Erachtens alle diese Voraussetzungen zutreffen, wie sie aus den bereits übersendeten Unterlagen ersehen können, ist der Anspruch auf Differenzzahlung nach meinem Verstehen auch gerechtfertigt.
Ich stehe Ihnen auch gerne für ein persönliches Gespräch zur Verfügung, sollten noch Fragen offen sein."
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe. Nach Abs 2 der genannten Gesetzesbestimmung hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Abs 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
§ 4 Abs 1 FLAG 1967 bestimmt, dass Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wobei jedoch eine in den nachfolgenden Absätzen definierte Ausgleichszahlung unter den dort angeführten Bedingungen möglich wäre.
Gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten. In diesem Zusammenhang bestimmt jedoch § 53 Abs 1 FLAG 1967, dass Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten. Nach Wittmann/Papacek, Der Familienlastenausgleich, Kommentar § 53, wird dadurch die Gebietsgleichstellung mit Österreich bezüglich des ständigen Aufenthaltes der Kinder im EWR bzw in der EU im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen hervorgehoben.
Im gegenständlichen Fall ist aber nicht nur innerstaatliches Recht zu beachten. Vielmehr ist der Bw als in Österreich tätiger gv auch von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden als VO bezeichnet), umfasst. Die in Rede stehende Familienbeihilfe ist zweifelsfrei eine Familienleistung iSd Art 1 Buchstabe u sublit i der VO, welche einen Ausgleich von Familienlasten bezweckt und in einem staatlichen Beitrag zum Familienbudget besteht, der die Kosten des Unterhalts von Kindern verringern soll (s auch Urteil des EuGH vom 5.2.2002, Rs C-255/99 Anna Humer).
Nach Art 73 dieser VO hat ein Arbeitnehmer oder Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates unterliegt, vorbehaltlich hier nicht entscheidender Ausnahmen, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedsstaates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Familienleistungen werden in diesem Fall gem Art 75 der VO vom zuständigen Träger des Staates gewährt, dessen Rechtsvorschriften für den Arbeitnehmer oder Selbständigen gelten. Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen auf Grund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht nach Art 76 der VO der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedsstaates gegebenenfalls gemäß Art 73 der VO geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedsstaates vorgesehenen Betrag. Wird in dem Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedsstaates Art 76 Abs 1 der VO anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedsstaat gewährt wurden.
Art 1 lit f der VO bestimmt, dass für den Fall, dass nach den Bezug habenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften eine Person nur dann als Haushaltsangehöriger angesehen wird, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder Selbständigen in häuslicher Gemeinschaft lebt, diese Voraussetzung als erfüllt gilt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird.
Die Bestimmungen der genannten VO, welche vorrangig und unmittelbar berücksichtigt werden müssen, selbst wenn ihnen innerstaatliche Rechtsvorschriften entgegenstehen sollten, sind nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates im gegenständlichen Fall anzuwenden, da der Bw gv ist und seine Kinder in einem anderen Staat des Gemeinschaftsgebietes wohnen.
Die Tatsache, dass die Kinder des Bw nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Berufungswerber leben, ist unbestritten und ergibt sich aus dem Vorbringen des Bw und den vorliegenden Unterlagen sowie der Aktenlage.
Nach den Bestimmungen der VO besteht aber auch in derartigen Fällen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein Anspruch des Bw auf den Bezug der Familienbeihilfe im Inland. Ausgehend davon, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt wird und demzufolge keine Haushaltszugehörigkeit gegeben ist, reicht nach Art 1 lit f der VO in diesen Fällen die Tatsache der überwiegenden Kostentragung durch den Bw aus.
Auch die Tatsache der Auflösung der Ehe des Bw ändert nichts an der Anwendbarkeit der VO - wie der VwGH im Erkenntnis vom 19.4.2007, Zl 2004/15/0049, unter Berufung auf das oben erwähnte EuGH Urteil Rs Humer eindeutig klarstellte. Demnach sind unter dem Ausdruck "Familienlast" auch Familiensituationen nach einer Scheidung erfasst.
In Verkennung der Rechtslage hat die Abgabenbehörde erster Instanz diesbezüglich den angefochtenen Bescheid ausschließlich mit der mangelnden Haushaltszugehörigkeit begründet.
Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass für die in Rede stehenden Kinder des Bw nach innerstaatlichem Recht ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestünde (siehe § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967). Ferner liegt ebenfalls offen, dass für die Kinder für den in Rede stehenden Zeitraum in r als Wohnsitzstaat Familienleistungen (an die Mutter) vorgesehen waren und wieviel diese betrugen (siehe hiezu die dem Antrag auf Differenzauszahlung für 2007 beigelegten Unterlagen).
Da die Mutter im vorliegenden Fall Familienbeihilfe in r erhält, hat der Bw unter der Voraussetzung der überwiegenden Kostentragung, welche ebenfalls laut vorgelegter Unterlagen unbestritten ist, Anspruch auf eine entsprechende Differenzzahlung.
Der Berufung war daher Folge zu leisten und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.
Feldkirch, am 20. Mai 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 4 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte: | Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im EU-Gebiet aufhalten, überwiegende Kostentragung, VO (EWG) Nr. 1408/71 |