UFS RV/0285-F/06

UFSRV/0285-F/0613.5.2008

Fortgesetztes Verfahren nach VwGH 25.10.2006, 2004/15/0150, betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0221 eingebracht. Mit Erk. v. 24.6.2010 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., A., B. 15a, vertreten durch Plankel, Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte, 6850 Dornbirn, Am Rathauspark, vom 24. Februar 2003 gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 20. Jänner 2003 betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (in der Folge Bw.), die mit Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 14. August 2002 zur Rückzahlung von 32.571,96 € an zuviel bezogener Familienbeihilfe verpflichtet wurde, beantragte die gänzliche oder zumindest teilweise Nachsicht dieser Schuldigkeit wegen Vorliegens einer persönlichen Unbilligkeit.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2003 wurde das Nachsichtsersuchen mit der Begründung abgewiesen, eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit sei nicht gegeben. Gegenständlich liege lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vor und kein bei Anwendung des Gesetzes vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis.

Die dagegen erhobene Berufung, in der beanstandet wurde, dass lediglich die Voraussetzungen für das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit, nicht jedoch das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit geprüft worden seien, wurde vom Unabhängigen Finanzsenat unter GZ. RV/0104-F/03 mit Entscheidung vom 20. September 2004 als unbegründet abgewiesen. Auf den bekannten Inhalt dieser Entscheidung wird verwiesen.

Gegen die Berufungsentscheidung wurde Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, 2004/15/0150, diese Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Das Höchstgericht begründete die Aufhebung damit, die belangte Behörde habe es verabsäumt, Feststellungen darüber zu treffen, wie sich die seitens des Finanzamtes erfolgte versehentliche Überweisung eines überhöhten Betrages an Familienbeihilfe (36.191,07 € statt 3.619,11 €) auf die wirtschaftliche Situation der Bw., insbesondere ihre Kreditverbindlichkeiten, ausgewirkt habe. Hierbei sei von Bedeutung, ob dies zu einer Reduzierung, vorläufigen, zeitlich befristeten Aussetzung der monatlichen Raten oder lediglich zu einer Verkürzung der Laufzeit der Kredite der Bw. geführt habe. Die Behörde habe sich auch genaue Kenntnisse über die damals bestehenden Kreditverbindlichkeit(en) bzw. die Kreditbedingungen der Bw. zu verschaffen. Weiters habe sie die näheren Umstände der Maßnahmen des Finanzamtes zur Rückführung der Familienbeihife zu ermitteln, insbesondere die Dauer der Pfändungen und die monatliche Höhe der dadurch hereingebrachten Beträge. Schließlich seien die Einkommensverhältnisse der Bw. exakt festzustellen, also das der Bw. tatsächlich zur Verfügung stehende Nettoeinkommen, ihre laufenden Belastungen sowie ihre Lebenshaltungskosten und zwar für die Zeit vor der Überweisung des überhöhten Betrages an Familienbeihilfe, für die Zeit danach sowie während des gesamten Zeitraumes, während dem Einbringungsmaßnahmen des Finanzamtes betreffend des zu Unrecht angewiesenen Betrages erfolgt seien.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Bw. mit Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenates vom 11. Juli 2007 zur Kenntnis gebracht, laut den vorliegenden Akten habe im Zeitraum November 2002 bis einschließlich September 2003 eine Gegenverrechnung der laufenden Familienbeihilfe in Höhe von insgesamt 6.486,63 € mit der rückgeforderten Familienbeihilfe stattgefunden. Die Forderungspfändung (betreffend Pachtzins für das sich im Eigentum der Bw. befindliche Grundstück samt Gebäude in G., GST-NR: xx, EZ XX, GB YY G.) sei von Dezember 2002 bis Oktober 2003 erfolgt, wobei bis einschließlich März 2003 der gesamte monatliche Pachtzins in Höhe von 3.851,66 € gepfändet und ab April 2003 die Forderungspfändung auf 2.300,00 € eingeschränkt worden sei (der restliche Pachtzins sei ausbezahlt worden). Im Detail seien die Zwangsmaßnahmen des Finanzamtes Feldkirch wie nachfolgend dargestellt erfolgt:

 

Gegenverrechnung auf dem Familienbeihilfenkonto

Forderungspfändung (Pachtzins)

Zwangsweise eingebrachte rückgeforderte Beihilfe samt Nebenansprüchen und Nebengebühren

November 2002

1.167,20 €

 

1.167,20 €

Dezember 2002

 

3.851,66 €

3.851,66 €

Jänner 2003

1.211,00 €

3.851,66 €

5.062,66 €

Februar 2003

  

0,00 €

März 2003

752,80 €

 

752,80 

April 2003

 

2.300,00 €

2.300,00 €

Mai 2003

752,80 €

4.600,00 €

5.352,80 €

Juni 2003

 

2.300,00 €

2.300,00 €

Juli 2003

752,80 €

2.300,00 €

3.052,80 €

August 2003

1.097,23 €

2.300,00 €

3.397,23 €

September 2003

752,80 €

4.500,00 €

5.252,80 €

Oktober 2003

 

1.070,58 €

1.070,58 €

   

33.560,53 €

In Entsprechung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Oktober 2006, 2004/15/0150, wonach der unabhängige Finanzsenat die obig angeführten Erhebungen nachzuholen hat, wurde der Bw. zudem mit Ergänzungsersuchen vom 11. Juli 2007 die Beantwortung der nachfolgenden Fragen sowie die Vorlage der angesprochenen Unterlagen aufgetragen:

Mit Schreiben vom 14. September 2007 übermittelte die Bw. vier Kreditverträge mit Abschlussdatum 30.11.2000 und einen Kreditvertrag mit Abschlussdatum 28.05.2001. Kreditgeber war jeweils die V.L.u.H.-Bank, der zur Sicherstellung ihrer Forderungen an den Liegenschaften der Bw. Höchstbetragshypotheken eingeräumt wurden. Aus den Vertragsurkunden ist ersichtlich, dass es sich bei den am 30.11.2000 eingeräumten Krediten um Fremdwährungskredite handelt und zwar um zwei Schweizer Franken Kredite mit einer Kreditsumme von jeweils CHF 176.000,00 sowie um zwei Kredite in Japanischen Yen mit einer Kreditsumme von jeweils JPY 13.061.000,00. Die Laufzeit aller vier Kredite beträgt 20 Jahre, die Verzinsung und Tilgung der Kredite hat jeweils monatlich zu erfolgen mit Fälligkeitsdatum am Monatsende. Vierteljährlich wird eine Zinsanpassung vorgenommen, Referenzzinssatz ist die "London Interbank Offered Rate" ("Libor"). Laut Vereinbarung liegt der Zinssatz 0,75% bzw. 1% über dem Libor-Zinssatz. Zum Auszahlungszeitpunkt betrug der Zinssatz der Schweizer Franken Kredite jeweils 4,375% p.a. und jener der Kredite in Japanischen Yen jeweils 1,625% p.a.. Die Rückzahlungsraten der Schweizer Franken Kredite betrugen zum Auszahlungszeitpunkt jeweils CHF 1.108,00 und die der Kredite in Japanischen Yen jeweils JPY 63.927,00. Bei letzteren waren zudem einmalige Bearbeitungsgebühren in Höhe von je JPY 34.000,00 zu entrichten. Die Bw. übermittelte überdies einen sog. "Devisenchart CHF und JPY", aus dem das Ausmaß der Kursschwankungen bei den Fremdwährungskrediten (Schweizer Franken und Japanischer Yen) und das sich daraus ergebende Kursrisiko ersichtlich sind (dieses betrug im Zeitraum 30.11.2000 bis 17.08.2007 zur Referenzwährung Euro beim Schweizer Franken durchschnittlich 3,51% p.a. und beim Japanischen Yen durchschnittlich 9,57% p.a.). Aus der Krediturkunde vom 28.05.2001 geht hervor, dass der Bw. ein Kredit in Höhe von 1.356.300,00 S (entspricht 98.566,16 €) mit einer Laufzeit von 20 Jahren und einem variablen Zinssatz eingeräumt wurde. Auch bei diesem Kredit hat die Verzinsung und Tilgung monatlich zu erfolgen. Zum Auszahlungszeitpunkt betrug der Zinssatz 6% p.a. und der monatliche Rückzahlungsbetrag 9.788,00 S (711,32 €). Sämtliche Kreditverträge enthalten zudem Bestimmungen für den Fall einer Zahlungssäumnis (z.B. Verzugszinssätze, Kreditfälligstellung, Kompensationsrechte, Geltendmachung der bestellten Sicherheiten). Die nachstehend dargestellte seitens der Bw. beigebrachte Kreditaufstellung beinhaltet die aushaftenden Kreditsummen sämtlicher Kredite zu den Zeitpunkten 30.11.2000 bzw. 31.05.2001 und 07.08.2007.

Kredit Nr.

Datum

Währung

Betrag

Kurs

Betrag EUR

aa

30.11.2000

JPY

13.061.000,00

96,4

135.487,55

bb

30.11.2000

JPY

13.061.000,00

96,4

135.487,55

cc

30.11.2000

CHF

176.000,00

1,5057

116.889,15

dd

30.11.2000

CHF

176.000,00

1,5057

116.889,15

ee

31.05.2001

EUR

98.566,16

1

98.566,16

     

603.319,57

Kredit Nr.

Datum

Währung

Betrag

Kurs

Betrag EUR

aa

07.08.2007

CHF

137.470,54

1,637

83.977,12

bb

07.08.2007

CHF

151.017,81

1,637

92.252,79

cc

07.08.2007

CHF

127.234,89

1,637

77.724,43

dd

07.08.2007

CHF

176.000,00

1,637

107.513,74

ee

07.08.2007

CHF

115.632,35

1,637

70.636,74

     

432.104,82

Übermittelt wurde überdies eine Zinsenliste datiert mit 26.07.2005, in der die in den Jahren 2000 bis 2004 erfolgten Zinsvorschreibungen für Bankkredite angeführt werden. Diese betrugen im Jahr 2000 107.891,67 S (7.840,79 €), im Jahr 2001 173.788,02 S (12.629,67 €), im Jahr 2002 8.252,17 €, im Jahr 2003 12.906,70 € und im Jahr 2004 8.352,27 €.

Nicht nachgekommen ist die Bw. allerdings der Aufforderung des Unabhängigen Finanzsenates im Vorhalt vom 11. Juli 2007, jene zum Zeitpunkt der Überweisung der überhöhten Familienbeihilfe (22. Oktober 1998) bestehenden Kreditverträge beizubringen. In der Stellungnahme vom 12. Oktober 2007 gibt die Bw dazu an, sie habe zahlreiche Versuche unternommen, weitere Unterlagen zu erhalten. Seitens der Kreditinstitute sei ihr jedoch mitgeteilt worden, die angeforderten Unterlagen seien nicht mehr vorhanden. Als Beweis für die Höhe der im Zeitraum 1998 bis etwa 2000 bestehenden Verbindlichkeiten bei der B, für die im November 2000 bzw. Mai 2001 erfolgte Umschuldung verbunden mit einem Bankwechsel zur V.L.u.H.-Bank und die zu zahlenden bzw. bezahlten Zinsen wurden ersatzweise Saldenlisten (Sachkonten Jänner 1999 bis Dezember 1999 und Sachkonten Jänner 2000 bis April 2000) übermittelt. Laut diesen bestanden im Zeitraum Jänner 1999 bis April 2000 betrieblich veranlasste Kreditverträge mit der B G., der H-Bank, der S. G. und der W.B.. Demgegenüber gab die Bw. an, im Zeitraum 1998 bis 2000 hätte es nur Kreditverträge mit der B gegeben. Die Höhe der aushaftenden Kreditsummen bezüglich der betrieblichen Bankverbindlichkeiten betrug laut Saldenlisten zum 1.1.1999 insgesamt 4.142.631,99 S (301.056,81 €), zum 31.12.1999 insgesamt 4.844.138,85 S (352.037,30 €) und zum 30. April 2000 insgesamt 3.360.107,47 S (244.188,53 €). Dass die Kreditsummen vor der Umschuldung jenen nach erfolgter Umschuldung entsprächen (siehe dazu die obig dargestellte Kreditliste), wie die Bw. in ihrer Stellungnahme anführte, wurde dadurch somit nicht aufgezeigt. Laut Saldenlisten wurden der Bw. für das Jahr 1999 weiters Zinsen inklusive Gebühren und Nebenkosten in Höhe von 445.087,16 S (32.345,75 €) vorgeschrieben und solche in Höhe von 186.034,12 S (13.519,63 €) entrichtet. Für den Zeitraum Jänner 2000 bis April 2000 betrug die Vorschreibung 68.465,50 S (4.975,58 €), entrichtet wurden 40,00 S (2,91 €).

Zu den erbetenen Kontoüberziehungsrahmenvereinbarungen sowie zur Aufforderung, belegmäßig darlegen, ob bzw. wie sich die versehentliche Überweisung des überhöhten Betrages an Familienbeihilfe auf die Kreditverbindlichkeiten der Bw. ausgewirkt habe (siehe dazu oben), wird in der Stellungnahme lediglich Folgendes ausgeführt: Die Bw. hätte zum Zeitpunkt der Überweisung der erhöhten Familienbeihilfe neben den Kreditverbindlichkeiten bzw. Kreditverträgen bei der B noch ein Konto bei diesem Bankinstitut gehabt. Von diesem Konto seien die Ratenzahlungen für die laufenden Kreditverbindlichkeiten getätigt worden und auf diesem Konto sei auch die Finanzamtszahlung eingelangt. Zum Zeitpunkt dieses Zahlungseinganges sei das Konto weit überzogen gewesen. Auch durch den Zahlungseingang habe kein positiver Saldo erreicht werden können. Die Bw. habe für dieses Konto Zinsen in Höhe von 10% für die überzogenen Beträge gezahlt.

Nicht entsprochen wurde zudem dem behördlichen Ersuchen, die Bw. möge ihre wirtschaftlichen Verhältnisse monatsweise aufgegliedert beginnend mit August 1998 bis einschließlich Dezember 2003 detailliert darlegen. Die Bw. hat diesbezüglich in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2007 angegeben, sie habe keine konkreten Aufschlüsselungen ihres Einkommens bzw. ihrer laufenden Belastungen für den angesprochenen Zeitraum. Aufgrund ihrer finanziell sehr angeschlagenen Situation habe sie sich jedoch in einem permanenten "Überlebenskampf" befunden. Die Bw. habe im Wesentlichen von der Familienbeihilfe bzw. vom Unterhalt für ihre drei Kinder gelebt. Dieser sei allerdings nicht regelmäßig gezahlt worden und habe teilweise sogar exekutiert werden müssen. Ihr hätten für sich und ihre Kinder Beträge weit unter dem Existenzminimum zur Verfügung gestanden. Zu diesem Zeitpunkt sei sie daher auf Hilfe ihrer Eltern und Verwandten angewiesen gewesen, um überhaupt das Notwendigste zum Leben für sich und ihre Kinder aufbringen zu können. Die finanzielle Situation der Einschreiterin könne in diesem Zeitraum somit als äußerst prekär beschrieben werden.

Über die Berufung wurde erwogen:

In Streit steht das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit.

Die maßgebliche Rechtsnorm lautet:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet der erste Absatz auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtssprechung dargelegt hat (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 25. Oktober 2006, 2004/15/0150, vom 27. April 2000, 99/15/0161, und vom 10. Mai 2001, 2001/15/0033), liegt eine "persönliche" Unbilligkeit insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht aus "persönlichen" Gründen nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgaben mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Liegenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme. Eine persönliche Unbilligkeit ist jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte. Andererseits liegt auch dann, wenn der Abgabepflichtige in der Lage ist, den Lebensunterhalt seiner Angehörigen ausreichend zu sichern, eine Unbilligkeit nach den persönlichen Verhältnissen nicht vor (VwGH 30. April 1999, 99/16/0086).

Nach § 236 Abs. 2 BAO findet der erste Satz dieser Vorschrift auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung. In einem solchen Fall ist kein strengerer Maßstab als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgaben anzulegen. Aufgabe des Antragstellers auf Erteilung der Nachsicht im Sinne des § 236 Abs. 2 BAO ist es, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, dass die für eine Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben, wären sie noch nicht entrichtet, sprechenden Umstände durch die Tilgung der Abgabenschuldigkeit nicht beseitigt worden sind. Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber. Ihm obliegt es im Sinne seiner Mitwirkungspflicht, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann (siehe dazu z.B. VwGH 3. Juli 2003, 2002/15/0155, und VwGH 2. Juni 2004, 2003/13/0156). Auch im Falle einer Mitwirkungspflicht der Partei in Abgabenverfahren ist die Behörde jedoch nicht von ihrer Ermittlungspflicht befreit (vgl. VwGH 25. Oktober 2006, 2004/15/0150, und VwGH 21. April 1997, 92/17/0232).

Wie obig dargelegt wurde, ist der Unabhängige Finanzsenat seinem mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 2006, 2004/15/0150, ausgesprochenen Ermittlungsauftrag nachgekommen und hat Feststellungen über die Dauer der Pfändungen bzw. über den Zeitraum, in dem Gegenverrechnungen mit der laufenden Familienbeihilfe durchgeführt wurden, sowie über die monatliche Höhe der dadurch hereingebrachten Beträge getroffen. Diese Feststellungen wurden auch der Bw. zur Kenntnis gebracht. Darüber hinaus hat der Unabhängige Finanzsenat der Bw. aufgetragen, Präzisierungen zu ihrer wirtschaftlichen Situation für den Zeitraum vor Überweisung der überhöhten Familienbeihilfe (August 1998) bis nach Ende der behördlichen Zwangsmaßnahmen (Dezember 2003) beizubringen. Der Bw. wurde weiters aufgetragen, sämtliche zum Zeitpunkt der Überweisung bestehende Kreditverträge einschließlich eventueller Kontoüberziehungsrahmenbedingungen beizubringen, die Kreditbedingungen zu erläutern und belegmäßig darzulegen, ob bzw. wie sich die versehentliche Überweisung auf ihre Kreditbedingungen ausgewirkt hat.

Diesem Auftrag ist die Bw. - wie obig ausführlich aufgezeigt wurde - ungeachtet ihrer erhöhten Mitwirkungspflicht nur sehr unzureichend nachgekommen. So wurden die Lebenshaltungskosten in den Jahren vor Überweisung des überhöhten Betrages, während der Durchführung der behördlichen Zwangsmaßnahmen und danach weder durch Unterlagen belegt, noch wurden dazu konkrete Angaben erstattet. Im Wesentlichen erschöpft sich das diesbezügliche Vorbringen der Bw. in der Aussage, ihre finanzielle Situation sei äußerst prekär gewesen, sie habe sich in einem permanenten "Überlebenskampf" befunden und im Grunde von der Familienbeihilfe bzw. vom Unterhalt für ihre drei Kinder gelebt. Dieser sei allerdings nicht regelmäßig gezahlt worden und habe teilweise sogar exekutiert werden müssen. Ihr hätten für sich und ihre Kinder Beträge weit unter dem Existenzminimum zur Verfügung gestanden, weshalb sie auf Hilfe ihrer Eltern und Verwandten angewiesen gewesen sei.

Die Darstellung des der Bw. in diesem Zeitraum zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens sowie der angefallenen laufenden Belastungen ist ebenfalls äußerst lückenhaft (siehe dazu oben). Für das Jahr 1998 ist nur bekannt, dass sowohl die Einkünfte aus Gewerbebetrieb als auch jene aus Vermietung und Verpachtung negativ waren (die Höhe der Einkünfte betrug laut Einkommensteuerbescheid vom 28. September 2000 insgesamt -206.736,00 S (-15.024,09 €)). Für das Jahr 1999 ist aus der beigebrachten Saldenliste (Sachkonten Jänner 1999 bis Dezember 1999) zu ersehen, dass aus dem Gaststättenbetrieb ein Verlust erzielt wurde. Hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gibt es keine Informationen, weil infolge der Nichtabgabe der Steuererklärungen die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden. Weiters ergibt sich aus der Saldenliste, dass sich die (betrieblichen) Bankverbindlichkeiten erhöht haben (von 4.142.631,99 S (301.056,81 €) zum 1.1.1999 auf 4.844.138,85 S (352.037,30 €) zum 31.12.1999) und die vorgeschriebenen Zinsen samt Nebenkosten nur teilweise bezahlt werden konnten (dem in Rechnung gestellten Gesamtbetrag von 445.087,16 S (32.345,75 €) steht eine Tilgung in Höhe von 186.034,12 S (13.519,63 €) gegenüber; siehe dazu oben). Dazu kommen laut Saldenliste noch andere Verbindlichkeiten (z.B. Betriebskosten, sonstige Forderungen des Finanzamtes, Lieferantenverbindlichkeiten), die nicht beglichen werden konnten. Für das Jahr 2000 ist bekannt, dass der Gaststättenbetrieb mit Ende März aufgegeben und aus dieser Tätigkeit ein (laufender) Verlust in Höhe von 248.398,83 S (18.051,85 €) erzielt wurde. Nachfolgend wurde das gesamte Gebäude, und zwar das Gasthaus im Erd- und Kellergeschoss sowie je eine Wohnung im ersten und zweiten Obergeschoss samt Inventar und Einrichtungsgegenständen ab 1. April 2000 vermietet. Die im Jahr 2000 erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betrugen 77.289,00 S (5.616,81 €). Ob die Bw. die ihr laut der übermittelten Zinsenliste vom 26.07.2005 für Bankkredite vorgeschriebenen Zinsen in Höhe von 107.891,67 S (7.840,79 €) zur Gänze bezahlt hat und ob auch Kapitaltilgungen vorgenommen wurden, bleibt offen. Denn die beigebrachte Saldenliste "Sachkonten" deckt nur den Zeitraum Jänner 2000 bis April 2000 ab und hat daher nur sehr begrenzt Aussagekraft. Für die Folgejahre 2001 bis 2004 ergeben sich aus den Akten folgendes Nettoeinkommen und folgende Zinsvorschreibungen:

 

2001

2002

2003

2004

Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. Einkommensteuerbescheid:

Aufgabegewinndrittel

Vermögensberatung

921.661,00 S (66.979,72 €)

919.536,00 S (66.825,29 €)

2.125,00 S (154,43 €)

73.815,87 €

66.825,29 €

6.990,58 €

 

12.827,78 €

 

19.745,97 €

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung lt. Einkommensteuerbescheid

105.990,00 S (7.702,59 €)

8.396,37 €

8.610,87 €

8.434,67 €

Alimente

12.000,00 €

12.000,00 €

12.000,00 €

12.000,00 €

Nettoeinkommen

19.857,02 €

27.386,95 €

33.438,65 €

40.180,64 €

Zinsvorschreibungen lt. "Kreditaufstellung der Bw."

173.788,02 S (12.629,67 €)

8.252,17 €

12.906,70 €

8.352,27 €

Dazu kommt noch die Familienbeihilfe für die drei Kinder der Bw. (im Jahr 2001 68.850,00 S (5.003,52 €), im Jahr 2002 71.100,00 S (5.167,04 €) und in den Jahren 2003 und 2004 5.433,60 €), die Kinderabsetzbeiträge (1.832,40 € jährlich) und der Mehrkindzuschlag (4.800,00 S (348,83 €) im Jahr 2001, ab dem Jahr 2002 436,80 € jährlich).

Nicht berücksichtigt wurden bei der Ermittlung des Nettoeinkommens die zu entrichtenden Einkommensteuern und zwar deshalb, weil ein Großteil dieser in den Jahren 2000 bis 2002 angefallenen Steuern im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleiches gelöscht wurden (die Summe der gelöschten Abgaben betrug 42.000,00 €). Eine Tilgung des nicht abgeschriebenen Teiles der Einkommensteuern 2000 bis 2002 bzw. der Steuern der Jahre 2003 und 2004 erfolgte aber erst ab dem 28. Dezember 2005 und zwar in monatlichen Raten von 1000,00 €, sodass diese Zahlungen keinen Einfluss auf das der Bw. bis einschließlich 2004 zur Verfügung stehende Nettoeinkommen hatten.

In Würdigung des bekannten Sachverhaltes werden folgende Feststellungen getroffen:

Die Überweisung des überhöhten Betrages führte nicht zu einer Reduzierung, vorläufigen, zeitlich befristeten Aussetzung der monatlichen Raten oder zu einer Verkürzung der Laufzeit der Kredite der Bw.. Denn wie die Bw. glaubhaft dargelegt hat, wurde der betreffende Betrag auf ein Girokonto überwiesen, von dem die Ratenzahlungen für die laufenden Kreditverbindlichkeiten der Bw. getätigt wurden. Der Saldo dieses Kontos war dermaßen negativ, dass auch durch den beträchtlichen Zahlungseingang (628.450,00 S bzw. 45.671,24 €) kein positiver Saldo erreicht werden konnte. Die Finanzamtszahlung wurde somit nicht für künftige Kreditrückzahlungen verwendet, sondern diente zur teilweisen Abdeckung des Girokontos bzw. wurde mit bereits fälligen und verbuchten Kredittilgungen gegenverrechnet. Die massive Überziehung dieses Kontos, für welches Überziehungszinsen von immerhin 10% zu zahlen waren (dieser Zinssatz war sicher höher als jener, der für die Kredite zu bezahlen war) spricht zudem dafür, dass die Bw. bereits zum Zeitpunkt der Überweisung der überhöhten Familienbeihilfe (22. Oktober 1998) dermaßen überschuldet war, dass sie ihre Kreditverbindlichkeiten nicht mehr aus ihren Einkünften bestreiten konnte. In den Jahren 1998 und 1999 verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Bw. - ihre Verbindlichkeiten erhöhten sich und auch die vorgeschriebenen Zinsen konnten nur zum Teil bezahlt werden (siehe dazu oben) - sodass der Gaststättenbetrieb im Jahr 2000 aufgegeben werden musste. 2000 hatte die Bw. ein jährliches Nettoeinkommen inklusive Unterhalt und Beihilfen in Höhe von 24.746,02 € (eigene Einkünfte plus Alimente ergibt 17.616,81 € plus Familienbeihilfe in Höhe von 68.100,00 S (4.949,02 €) plus Kinderabsetzbeträge in Höhe von 25.200,00 S (1.831,36 €) plus Mehrkindzuschlag in Höhe von 4.800,00 S (348,83 €)). Nach Abzug der der Bw. für Bankkredite vorgeschriebenen Zinsen in Höhe von 107.891,67 S (7.840,79 €) verblieb somit ein Betrag in Höhe von 16.905,23 € jährlich bzw. 1.408,77 € monatlich für Kapitaltilgungen, sonstige Belastungen und Lebenshaltungskosten. 2001 standen der Bw. einschließlich der Alimentationszahlungen und sämtlicher Beihilfen finanzielle Mittel in Höhe von 27.041,77 € zur Bestreitung ihrer Lebenshaltungskosten bzw. zur Tilgung ihrer Kreditverbindlichkeiten zur Verfügung. 2002, dem Jahr, in dem im November und Dezember eine Forderungspfändung bzw. eine Gegenverrechnung mit der laufenden Familienbeihilfe in Höhe von insgesamt 5.018,86 € durchgeführt wurde, betrug das Nettoeinkommen der Bw. inklusive Alimentationszahlungen und Beihilfen 34.823,19 €. In diesem Jahr waren die Zinsvorschreibungen um 4.377,50 € geringer als im Jahr 2001 (siehe dazu oben), sodass der Bw. selbst bei Berücksichtigung der Zinszahlungen und der behördlichen Zwangsmaßnahmen ein Betrag in Höhe von 21.552,16 € jährlich bzw. 1.796,01 € monatlich (ein um 387,24 € höherer monatlicher Betrag als im Jahr 2001) zur Tragung sämtlicher weiterer Kosten verblieb. 2003 wurde in den Monaten Jänner bis Oktober durch behördliche Zwangsmaßnahmen ein Betrag in Höhe von insgesamt 28.541,67 € eingebracht. Das Nettoeinkommen betrug in diesem Jahr samt Beihilfen und Alimenten 41.141,45 €. Dieser Betrag wurde durch die für die Bankkredite vorgeschriebenen Zinsen in Höhe von 12.906,70 € und durch die gepfändeten bzw. gegenverrechneten Beträge zur Gänze aufgebraucht. Das Vorbringen der Bw., sie wäre auf die Hilfe ihrer Eltern und Verwandten angewiesen gewesen, ist daher für das Jahr 2003 zutreffend. Behördliche Zwangsmaßnahmen in diesem Ausmaß hätten somit keinesfalls durchgeführt werden dürfen. Vielmehr hätte sich die Pfändung auf einen Betrag beschränken müssen, der der Bw. das Existenzminimum gesichert hätte. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz vertritt aber weiterhin die Ansicht, dass der Bw. Ratenzahlungen zumutbar waren bzw. sind, wenn auch lediglich in einem ihrer jeweiligen finanziellen Situation angemessenen Ausmaß. Denn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Bw. haben sich seit der Aufgabe des Gasthausbetriebes im Jahr 2000 - wie obig für die Jahre bis einschließlich 2003 aufgezeigt wurde - zunehmend verbessert. Im Jahr 2004 konnte bereits ein Nettoeinkommen in Höhe von 47.883,44 € inklusive Beihilfen und Alimenten erzielt werden, wobei sich überdies der für die Bankkredite vorgeschriebene Zinssatz auf 8.352,27 € verminderte. Der Bw. war es daher möglich, ihre Bankverbindlichkeiten bis zum 7.8.2007 im Vergleich zu den Jahren 2000 bzw. 2001 um 28,38% zu reduzieren (siehe dazu die obig angeführte Zinsenliste).

Da der Unabhängige Finanzsenat die insbesondere durch den defizitären Gasthausbetrieb bedingten finanziellen Schwierigkeiten der Bw. nicht als dauerhaft, sondern bloß als vorübergehend ansieht, denen mittels Gewährung von Zahlungserleichterungen abgeholfen werden kann, wird das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit der Einhebung der überhöhten Familienbeihilfe verneint. Der Berufung war daher bereits aus Rechtsgründen keine Folge zu geben.

Abschließend soll jedoch noch darauf verwiesen werden, dass der Abgabengläubiger im Rahmen eines am 17.Oktober 2005 zwischen ihm und der Bw. abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleichs Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 42.000,00 € abgeschrieben hat. Auch ist die Bw. in der Vergangenheit ihren Erklärungspflichten nicht immer nachgekommen (z.B. Nichtabgabe der Steuererklärungen für das Jahr 2000 und Nichteinreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen für Jänner bis März 2004) und hat damit Anlass zu Schätzungen gegeben. Selbst wenn daher die Einhebung des überhöhten Betrages als unbillig angesehen worden wäre, stünde der Verstoß gegen die Anzeige- und Offenlegungspflichten als auch die bereits gewährte Abschreibung von Abgaben einer positiven Ermessensentscheidung nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates entgegen.

Gesamthaft war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am 13. Mai 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Nachsicht, persönliche Unbilligkeit, Ermessen

Stichworte