UFS RV/0493-I/07

UFSRV/0493-I/079.4.2008

Vorliegen der Voraussetzungen des §209a BAO.

 

Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1019/08 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25.6.2008 abgelehnt. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0216 eingebracht. Mit Erk. v. 2.9.2009 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom 11. Oktober 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes XYZ, vertreten durch Finanzanwalt, vom 12. September 2006 betreffend Einkommensteuer 1993 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Der Einkommensteuerbescheid 1993 ergeht gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) hat im Streitjahr 1993 ua. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer erzielt.

Die Steuererklärungen des Bw. wurden dem Finanzamt am 31. Juli 1995 übermittelt. Die Einkommensteuererklärung weist einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von - 111 S aus. Weiters enthält die Einkommensteuererklärung den Hinweis, dass der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteiles noch nicht erfasst sei.

Mit 1. August 1995 wurden die Steuererklärungen für das Jahr 1993 der Mitunternehmerschaft eingereicht. Weiters wurde eine vorläufige Abgabenfestsetzung wegen Ungewissheit der Höhe des vom Bw. erzielten Veräußerungsgewinnes beantragt.

Die Abgabenbehörde erster Instanz erließ mit Ausfertigungsdatum 5. September 1995 antrags- und erklärungsgemäß einen gemäß § 200 BAO Abs. 1 BAO vorläufigen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 1993. Dieser Bescheid war an die Mitunternehmerschaft gerichtet.

Ebenfalls am 5. September 1995 wurde der an den Bw. gerichtete Einkommensteuerbescheid 1993 erlassen. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden mit - 121 S festgesetzt.

Im Zeitraum 25. Oktober 1999 bis 25. Februar 2000 fand beim Bw. eine Buch- und Betriebsprüfung gemäß § 147 BAO statt. Diese Buch- und Betriebsprüfung hat die die Umsatz- und Einkommensteuer 1993 bis 1998 umfasst. Der Prüfungsauftrag datiert vom 25. Oktober 1999.

Im Zeitraum vom 5. November 1998 bis 25. Februar 2000 fand eine Buch- und Betriebsprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO bei der Mitunternehmerschaft betreffend die Zeiträume 1993 bis 1996 statt. Anlässlich dieser Betriebsprüfung wurde der Veräußerungsgewinn des Bw. ermittelt.

Mit Ausfertigungsdatum 5. Mai 2000 wurde das Verfahren betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1993 wiederaufgenommen und ein (neuer) Feststellungsbescheid erlassen. Der (neue) Feststellungsbescheid wurde an die Mitunternehmerschaft gerichtet. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Bw. wurden mit 211 S festgestellt.

Am 3. April 2000 wurde ein an den Bw. gerichteter gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderter Einkommensteuerbescheid 1993 erlassen. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden mit 211 S ausgewiesen.

Gegen den gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1993 vom 3. April 2000 wurde am 6. Mai 2000 fristgerecht Berufung erhoben. Nach Ansicht des Bw. seien weder die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens noch für eine Bescheidänderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO erfüllt.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung (20. Juni 2000) wurde fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt (Eingabe vom 19. Juli 2000).

Mit Ausfertigungsdatum 20. Dezember 2000 wurde der Berufung vom 6. Mai 2000 Folge gegeben und eine 2. Berufungsvorentscheidung erlassen. Dies deshalb, weil der Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid 1993 vom 5. Mai 2000) zum Zeitpunkt der Verfügung der Folgeänderung gemäß § 295 BAO (Einkommensteuerbescheid vom 3. April 2000) noch nicht erlassen worden sei.

Am 28. Dezember 2000 wurde (neuerlich) ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderter Einkommensteuerbescheid 1993 erlassen. Dieser Bescheid wurde dem Bw. am 3. Jänner 2001 zugestellt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden (wiederum) mit 211 S festgesetzt.

Gegen den genannten Bescheid wurde am 19. Jänner 2001 fristgerecht Berufung erhoben und ausgeführt, nach der Veräußerung der Mitunternehmeranteile durch den Bw. (1234) sei die Personenvereinigung als beendet anzusehen. Der Grundlagenbescheid sei dem Bw. zuzustellen gewesen.

Der Einkommensteuerbescheid vom 28. Dezember 2000 wurde von der Finanzlandesdirektion für Tirol mit Bescheid vom 8. August 2001 in Ausübung des Aufsichtsrechts gemäß § 299 Abs. 2 BAO aufgehoben. Dies deshalb, weil der Feststellungsbescheid vom 5. Mai 2000 an die Mitunternehmerschaft gerichtet war, obwohl diese infolge Beendigung des Geschäftszweckes und Abrechnung des Veräußerungserlöses per 2345 als aufgelöst und beendet zu betrachten gewesen sei. Da der Bescheid nicht wie in § 191 Abs. 2 BAO vorgesehen an diejenigen ergangen sei, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen seien, sondern an eine nicht mehr existente Personengesellschaft, sei der Einkommensteuerbescheid 1993 ohne verfahrensrechtliche Grundlage und damit rechtswidrig erlassen worden.

Die angeführte Rechtsansicht wurde der Abgabenbehörde erster Instanz von der Finanzlandesdirektion für Tirol auch zum Verfahren betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß §188 BAO mitgeteilt. Das Finanzamt erließ mit Ausfertigungsdatum 19. Februar 2002 (zugestellt an den Bw. am 22. Mai 2002), an die ehemaligen Gesellschafter gerichteten Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO 1993 sowie einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1993.

Der Bw. erhob mit Schriftsatz vom 21. Juni 2002 gegen den die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheid betreffend Feststellung von Einkünften 1993 (Ausfertigungsdatum 19. Februar 2002) das Rechtsmittel der Berufung. Die Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung direkt der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgelegt.

Der Unabhängige Finanzsenat hat die Berufung gegen den Bescheid vom 19. Februar 2002 betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich einheitlicher und gesonderter Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1993 mit Berufungsentscheidung vom 28. August 2006 als unbegründend abgewiesen.

Mit Ausfertigungsdatum 12. September 2006 erließ das Finanzamt einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1993. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden mit 211 S ausgewiesen. Der Bescheid erging gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig.

Gegen den genannten Bescheid wurde am 11. Oktober 2006 fristgerecht Berufung erhoben und Verjährung der Abgabenfestsetzung gemäß § 207 iVm § 209 BAO eingewendet. Weiters wurde die Ansicht vertreten, der für die Anwendbarkeit des § 209a (2) BAO maßgebliche Normzweck bestehe darin, den Steuerpflichtigen vor Rechtsnachteilen zu schützen, die dadurch entstehen würden, dass eine Behörde ein Anbringen des Steuerpflichtigen nicht unverzüglich erledige.

Im Streitfall sei keine positive Berufungserledigung im Feststellungsverfahren erfolgt. Die Steuerbehörde hätte zur Vermeidung der Rechtsfolgen der absoluten Verjährung trotz Berufung vom 21. Juni 2002 und noch vor Rechtskraft des Grundlagenbescheides vom 19. Februar 2002 gemäß §§ 302 Abs. 1 iVm 192 BAO den abgeleiteten Änderungsbescheid gemäß § 205 (1) BAO des Finanzamtes vom 12. September 2006 noch vor in Kraft treten des § 207 (3) BAO idF BGBl. I 57/2004 mit 01. Jänner 2006 (siehe § 323 (16) BAO idF BGBl. I. Nr. 100/2006) erlassen müssen.

Der mit der gegenständlichen Berufung bekämpfte Bescheid hätte mit exakt demselben Spruch bereits vor in Kraft treten des § 207 (3) BAO idF BGBl. I 57/2004 ergehen können. Insofern sei die Abgabenfestsetzung weder unmittelbar noch mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängig gewesen. Die Anwendung des § 209a (2) BAO auf den streitgegenständlichen Sachverhalt sei daher rechtswidrig. Dadurch dass die Abgabenbehörde mit der Erlassung des abgeleiteten Leistungsbescheides bis zur Anwendbarkeit der Bestimmung des § 207 (3) BAO idF BGBl. I 57/2004 mit 1. Jänner 2006 zugewartet habe, habe sie die absolute Verjährung per 31. Dezember 2003 billigend in Kauf genommen.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 18. Mai 2007 wurde mit Eingabe vom 20. Juni 2007 fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt.

Begründend wurde zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, das Recht zur Festsetzung der Einkommensteuer sei mit 31.12.2003 absolut verjährt. § 209 (3) BAO idF BGBl. I 2004/57 verkürze die absolute Verjährungsfrist auf 10 Jahre ab Entstehung des Abgabenanspruches. Gemäß § 323 (16) idF AbgÄG 2004 trete sowohl § 209 BAO als auch § 207 jeweils idF BGBl. I 2004/57 für Nachforderung aufgrund einer Außenprüfung mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

§ 209a (2) BAO ermögliche eine verjährungsungebundene Abgabenfestsetzung, wenn diese unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhänge. Der Wortlaut des § 209a BAO verlange für eine verjährungsungebundene Erlassung eines Leistungsbescheides dessen Abhängigkeit von der Berufungsentscheidung im Grundlagenverfahren (im Sinne einer conditio sine qua non). Der streitgegenständliche Leistungsbescheid (Einkommensteuerbescheid vom 12. September 2006) könne selbst bei Wegfall der Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 28. August 2006 im Grundlagenverfahren unverändert fortbestehen, da dieser nicht von der Berufungsentscheidung abhänge, sondern vom Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für das Jahr 1993 vom 19. Februar 2002.

Die gesetzlich zwingend geforderte Präjudiz der Berufungsentscheidung für die verjährungsungebundene Abgabenfestsetzung könne logisch nur bedeuten, dass letztlich im Grundlagenverfahren nur abändernde oder aufhebende (nicht abweisende) Berufungsentscheidungen die Anwendbarkeit des § 209a (2) BAO rechtfertigen könnten. Diese Überlegung habe der Gesetzgeber wohl auch bei der Formulierung des § 295 Abs. 1 letzter Satz BAO im Auge gehabt. Diese notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 209a (2) BAO werde nicht erfüllt. Im Streitfall sei mit Berufungsentscheidung des UFS vom 28. August 2006 die Berufung als unbegründet abgewiesen worden. Die Festsetzung der Einkommensteuer 1993 hätte somit unmittelbar nach Erlassung des Grundlagenbescheides vom 19. Februar 2002 bzw. noch vor Verjährungseintritt (31. Dezember 2003) erfolgen müssen.

Mangels Anwendbarkeit der Bestimmung des § 209a (2) BAO seien auf den vorliegenden Sachverhalt nur die allgemeinen Verjährungsbestimmungen bzw. die Bestimmung über die absolute Verjährung anwendbar. Bis zum 31. Dezember 2003 habe das Finanzamt verjährungsverlängernde Maßnahmen gesetzt. Die nächste nach außen hin erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches sei jedoch erst die Entscheidung des UFS vom 28. August 2006 gewesen. Diese sei 2 Jahre und 8 Monate nach Einritt der Verjährung nach § 209 (1) BAO mit 31.12.2003 erfolgt. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 12. September 2006 sei sohin ca. 2 Jahre und 9 Monate nach Verjährungseintritt gemäß § 209 (1) BAO erlassen worden. Die Festsetzung der Einkommensteuer 1993 sei absolut und auch normal verjährt.

Der Wortlaut des § 209a BAO könne den Rechtsanwender zur Ansicht gereichen, dass (neben der Einbringung der Berufung gegen den Grundlagenbescheid vor Ablauf der Verjährungsfrist) einzig notwendige Voraussetzung für die verjährungsungebundende Abgabenfestsetzung, die Abhängigkeit des Leistungsbescheides von der Berufungsentscheidung im Grundlagenverfahren sei. Ein derartiger Anwendungsbereich des § 209a (2) BAO sei zu weit und widerspreche dem Normzweck.

Unter Berücksichtigung des Normzweckes (teleologische Interpretation) und seiner Stellung im Gesamtgefüge (systematische Interpretation) erfordere die Anwendung des § 209a (2) BAO auch eine zeitliche Nähe zwischen Einbringung der Berufung und Eintritt der Verjährungsfolgen dergestalt, dass der Abgabenbehörde (I. oder II. Instanz) die Berufungsentscheidung vor Eintritt der Verjährungsfolgen aus Zeitgründen nicht mehr möglich sei. Als Richtschnur für diese zeitliche Nähe zwischen Einbringung der Berufung und Eintritt der Verjährungsfolgen könnten nach Ansicht des Bw. die Fristen des § 311 (2) BAO herangezogen werden. Würde also eine Berufung im Grundlagenverfahren (bei Vorliegen aller notwendigen Voraussetzungen) längstens 6 Monate vor Eintritt der Verjährungsfolgen eingebracht, könnte im Falle einer abändernden oder aufhebenden Berufungsentscheidung in Anwendung des § 209a (2) BAO eine verjährungsungebundene Abgabenfestsetzung erfolgen.

Erfolge die Berufung gegen einen Grundlagenbescheid hingegen lange Zeit vor Eintritt der Verjährungsfolgen, so müsse nach dem Normzweck des § 209a BAO differenziert werden. Bewirke eine (abändernde oder aufhebende) Berufungsentscheidung eine Verbesserung der Situation des Steuerpflichtigen, so müsse eine Änderung im abgeleiteten Folgebescheid noch möglich sein. Bewirke hingegen eine (abändernde oder aufhebende) Berufungsentscheidung eine Verschlechterung der Stellung des Abgabepflichtigen, sei § 209a (2) BAO nicht anwendbar.

Im Streitfall sei der angefochtene Einkommensteuerbescheid nicht von der Berufungsentscheidung des UFS abhängig gewesen. Zudem sei die Berufung am 21. Juni 2002, sohin 4 Jahre und 6 Monate vor Eintritt der Verjährungsfolgen mit Wirksamkeit 1. Jänner 2006 eingebracht worden. Es wäre ohne Probleme möglich gewesen, die Festsetzung der Einkommensteuer 1993 noch vor Eintritt der Verjährungswirkungen mit 1. Jänner 2006 vorzunehmen. Eine Anwendung des § 209 (2) BAO auf den Streitfall würde den Normzweck (Schutz des Steuerpflichtigen vor behördlicher Untätigkeit) widersprechen. Zudem würden dadurch die Verjährungsbestimmungen im Ergebnis gänzlich beseitigt.

Eine isolierte Betrachtung des § 209a (2) BAO nähre die jedenfalls herrschende Ansicht, dass dieser bei Vorliegen aller geforderten Tatbestandsmerkmale auch zu Ungunsten des Abgabepflichtigen herangezogen werden könne.

§ 209a BAO sei aber als Teil der gesamten Verjährungsbestimmungen zu verstehen. Für sich allein betrachtet (also ohne Mitberücksichtigung der §§ 207-209 BAO) würde § 209a BAO überhaupt keinen Sinn ergeben. Nach Ablauf einer gewissen Zeit solle Rechtsfrieden eintreten. Die Verjährungsvorschriften in ihrer Gesamtheit seien das zentrale Instrument des verfassungsrechtlich gewährleisteten individuellen Vertrauensschutzes. Als liberales Grundrecht verfolge der Vertrauensschutz das Ziel, staatliches Handeln für den Normunterworfenen vorhersehbar zu gestalten bzw. den einzelnen Normunterworfenen gegenüber staatlichem Handeln zu schützen.

Würde man § 209a (2) BAO auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen anwenden, so würde damit in Wahrheit die verfassungsrechtliche Intention des Gesetzgebers (Schutz des Einzelnen vor staatlichen Eingriffen bzw. Untätigkeit) in unzulässiger Weise ausgehöhlt bzw. ins Gegenteil verkehrt.

Über die Berufung wurde erwogen:

1.) Gemäß § 209a Abs. 1 BAO steht einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.

2.) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde (§ 209 Abs. 2 BAO).

3.) Sofern nicht Abs. 1 oder 2 anzuwenden ist, darf in einem an die Stelle eines früheren Bescheides tretenden Abgabenbescheid, soweit für einen Teil der festzusetzenden Abgabe bereits Verjährung eingetreten ist, vom früheren Bescheid nicht abgewichen werden (§ 209 Abs. 3 BAO).

4.) Nach § 323 Abs. 18 BAO gilt § 209a Abs. 1 und 2 für den Fall der Verkürzung von Verjährungsfristen durch die Neufassungen des § 207 Abs. 2 zweiter Satz durch BGBl. I Nr. 57/2004, des § 209 Abs. 1 durch BGBl. I Nr. 180/2004, des § 209 Abs. 3 durch BGBl. I Nr. 57/2004 sowie des § 304 durch BGBl I Nr. 57/2004 sinngemäß.

5.) Beispiele für eine nach Eintritt der Verjährung noch rechtmäßige Abgabenfestsetzung ergeben sich vor allem aus den §§ 209a, 302 und 304 BAO.

6.) Nach § 209a Abs. 1 BAO steht einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.

§ 209a Abs. 1 BAO setzt nicht voraus, dass die Berufung vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde. Sie ermöglicht auch Sachentscheidungen über Berufungen, die nach Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht wurden, wenn der angefochtene Bescheid etwa gemäß § 209a Abs. 2 BAO oder gemäß § 16 Abs. 3 BewG zulässigerweise nach Eintritt der Verjährung erlassen wurde. § 209a Abs. 1 versteht unter der Verjährung auch die zehnjährige ("absolute") Verjährung (vgl. Ritz, BAO ³, Anm. 5 zu § 209a, Stoll, BAO, Kommentar, Band 2. S. 2208, Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, Anm. 4 § 209a).

7.) Der Tatbestand des § 209a Abs. 2 hat ua. zur Voraussetzung, dass eine Abgabenfestsetzung von einer Berufung abhängt. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass eine Abgabenfestsetzung von einem in Berufung gezogenen Grundlagenbescheid abhängt und trotz Verjährung der bisher nicht erflossene Abgabenbescheid, der ein Folgebescheid ist, (erstmalig) erlassen werden darf, aber auch, dass unter diesen Voraussetzungen ein schon ergangener (sogar rechtskräftiger) Abgabenbescheid nach Ablauf der Verjährung geändert oder aufgehoben werden darf, § 295 somit in den vorangeführten Fällen trotz Verjährung Anwendung finden werden darf (Stoll, Kommentar, BAO, S. 2208).

8.) Eine Abgabenfestsetzung hängt von der Erledigung einer Berufung (iSd § 209a Abs. 2) beispielsweise ab, wenn die Berufung gegen einen Grundlagenbescheid (z.B: Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO) gerichtet ist. Wird sie vor Eintritt der Verjährung des abgeleiteten Bescheides eingebracht, so steht der Umstand, dass sie erst nach Verjährungseintritt meritorisch erledigt wird, der Anpassung abgeleiteter Bescheide nicht entgegen (Ritz, BAO 3, Anm. 6 zu § 209 a).

9.) Im Berufungsfall wurden mit Ausfertigungsdatum 19. Februar 2002 an die ehemaligen Gesellschafter der Mitunternehmerschaft gerichteten Verfahrens- und Feststellungsbescheide für das Jahr 1993 erlassen. Der Bw. hat lediglich gegen den Wiederaufnahmebescheid, nicht aber gegen den Feststellungsbescheid 1993 vom 19. Februar 2002 Berufung erhoben. Der Bw. ist daher der Ansicht, die gesetzlich geforderte (unmittelbare oder mittelbare) Abhängigkeit der Abgabenfestsetzung von der Erledigung einer Berufung sei im Streitfall nicht gegeben.

10.) Die vom Gesetz geforderte mittelbare Abhängigkeit einer Abgabenfestsetzung besteht beispielsweise für von einem Feststellungsbescheid (§ 188 BAO) abgeleitete Einkommensteuerbescheide. Eine derartige Abhängigkeit besteht auch für Berufungen gegen die Verfügung der Wiederaufnahme eines Abgabenverfahrens für den Abgabenbescheid.

11.) Eine Mittelbarkeit i.S.d. § 209a Abs. 2 BAO besteht nach Ansicht des Unabhängigen des Finanzsenates auch bei doppelter Abhängigkeit, somit etwa im Verhältnis einer gegen die Verfügung der Wiederaufnahme des Feststellungsverfahrens (§ 188 BAO) gerichteten Berufung zur Änderung des abgeleiteten Abgabenbescheides.

Die Erledigung einer Berufung gegen die Verfügung der Wiederaufnahme des Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO hat unmittelbare Auswirkungen auf den Rechtsbestand des bezüglichen Feststellungsbescheides und somit mittelbare Auswirkungen auf den (abgeleiteten) Einkommensteuerbescheid.

12.) Insoweit vom Bw. im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal "Abhängen von einer Berufungserledigung" vom Erfordernis eines Präjudizes gesprochen und auf ein Erkenntnis vom VwGH vom 4.3.1999, 98/16/0253 verwiesen wird, ist ihm zu erwidern, dass der Gerichtshof im zitierten Fall über den zweiten Tatbestand des § 209a Abs. 2 BAO (Abgabenfestsetzung trotz Verjährung bei Abhängigkeit eines Antrages in einem anderen Verfahren) zu entscheiden hatte. In diesem Zusammenhang hat der VwGH ausgesprochen: "Ist nun die Erledigung dieses Antrages für die Abgabenfestsetzung präjudiziell, so steht die Verjährung dem folgenden Abgabenbescheid nicht entgegen, gleichgültig ob die voranzugehende grundlegende Erledigung vor oder nach Ablauf der Verjährung ergeht".

Im Übrigen ist eine Vergleichbarkeit des Beschwerdefalles mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt nicht gegeben.

13.) § 209a BAO wurde bereits durch das Bundesgesetz vom 19. März 1980 (BGBl. Nr. 151/1980), mit dem die Bundesabgabenordnung, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Zollgesetz 1955 und das Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz 1962 geändert wurde, eingeführt.

§ 209a Abs. 2 BAO idF BGBl. 151/1980 lautete wie folgt:

"Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde".

§ 209a BAO hat somit sei seiner Einführung keine wesentlichen Änderungen erfahren.

Wird aber eine Berufung zB: gegen einen Feststellungsbescheid vor Eintritt der Verjährung des abgeleiteten Einkommensteuergesetzes eingebracht, so ist nach (meritorischer) Erledigung der Berufung gegen den Feststellungsbescheid der abgeleitete Bescheid gegebenenfalls zu ändern (§ 295 Abs. 1 BAO). Diese Änderung ist auch dann zulässig, wenn im Änderungszeitpunkt die Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer bereits eingetreten ist. Gemäß § 209a Abs. 2 BAO muss "eine Abgabenfestsetzung" von der Erledigung einer Berufung abhängen; eine Einschränkung dergestalt, dass nach Erledigung der Berufung gegen den Grundlagenbescheid lediglich ein bereits erlassener Abgabenbescheid geändert werden dürfe, besteht nicht. Daher wird auch die erstmalige Erlassung eines (abgeleiteten) Abgabenbescheides zulässig sein (vgl. Ritz, ÖStZ 1982, 18, 22).

14.) Die Abgabenfestsetzung (Einkommensteuer 1993) war im Streitfall von der Erledigung der Berufung gegen den Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften gemäß 188 BAO für das Jahr 1993 abhängig. Diese Berufung wurde mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 28. August 2006 als unbegründet abgewiesen. Die Abweisung der Berufung gegen den Verfahrensbescheid hatte zur Folge, dass der Feststellungsbescheid für das Jahr 1993 vom 19. Februar 2002 nicht aus dem Rechtsstand ausgeschieden ist. Somit waren aber die Voraussetzungen für eine Bescheidänderung erfüllt. Der gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheid 1993 vom 12. September 2006, mit dem Gewinn aus Gewerbebetrieb entsprechend dem Feststellungsbescheid vom 19. Februar 2002 mit 211 S festgesetzt wurde, ist zu Recht ergangen.

15.) Zutreffend ist, dass das Finanzamt von der Möglichkeit zur Bescheidänderung nach § 295 Abs. 1 BAO betreffend Einkommensteuer 1993 im Jahr 2002 (nach Ergehen des Feststellungsbescheides 1993 am 19. Februar 2002) und den Folgejahren keinen Gebrauch hat. Vielmehr hat das Finanzamt hat mit der Bescheidänderung bis zur Erledigung der Berufung gegen den Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Feststellung von Einkünften gemäß §188 BAO für 1993 gewartet. Dieser Umstand hat jedoch nicht zur Folge, dass bezüglich der Einkommensteuer 1993 mit Ablauf des Jahres 2003 Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Mit der im Jahr 1980 erfolgten Novelle der Bundesabgabenordnung (BGBl. 151/1980) sollte nämlich durch die Einführung des § 209a BAO eine Möglichkeit zur Durchbrechung (absoluten) Verjährung geschaffen werden. Voraussetzungen für eine derartige Durchbrechung der Verjährung sind nach dem Gesetzeswortlaut aber nur die (unmittelbare oder mittelbare) Abhängigkeit der Abgabenfestsetzung von der Erledigung einer Berufung sowie die Einbringung der Berufung vor Eintritt der Verjährung des abgeleiteten Bescheides.

16.) Dass die Berufung vom 21. Juni 2002 gegen den Bescheid gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1993 vor Eintritt der Verjährung des Einkommensteuerbescheides 1993 eingebracht worden ist, ergibt sich aus dem eingangs dargestellten Sachverhalt. Auch der Bw. ist der Ansicht (vgl. seine Ausführungen im Vorlageantrag vom 20. Juni 2007 Seite 6 bis 7), dass dieses Erfordernis erfüllt ist.

17.) Die Ansicht des Bw., § 209a Abs. 2 BAO könne nur dann Anwendung finden, wenn die Berufungserledigung abändernd oder aufhebend sei, vermag der Unabhängige Finanzsenat nicht zu teilen. Tatbestandsmerkmal des § 209a Abs. 2 BAO ist lediglich die Abhängigkeit einer Abgabenfestsetzung von einer Berufungserledigung, nicht aber die Art der Berufungserledigung.

18.) Vom Bw. wird vorgebracht, allgemein anerkannter Normzweck des § 209a BAO sei, der Schutz der Partei vor Rechtsnachteilen, die dadurch entstehen würden, dass eine Behörde Anbringen nicht unverzüglich erledige. Dieser Normzweck wurde von Rathgeber (Änderungen im Verjährungsrecht, SWK, 2005, 87) aus einer Anfragebeantwortung des BMF vom 9.9.2004, die zur Anregung der Wiederaufnahme des Verfahrens ergangen ist, übernommen. Das BMF hat diesen Normzweck allerdings im Zusammenhang mit dem zweiten Tatbestandes des § 209a Abs. 2 BAO (Abhängen von der Erledigung eines Antrages) erwähnt. Auch Ritz erwähnt diesen Normzweck (vgl. Ritz BAO ³, Anm. 11 zu § 209a). Von den genannten Autoren und dem BMF wird jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, dass bei Zuwarten der Abgabenbehörde (Erlassung des abgeleiteten Abgabenbescheides erst nach Erledigung der Berufung gegen den Grundlagenbescheid) § 209a Abs. 2 BAO keine Anwendung mehr finden könne.

19.) Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenats dient der beschriebene Normzweck vor allem der Auslegung des Begriffes "Antrag" im Sinne des § 209a Abs. 2 BAO. Trotz des im Zuge der Ausschussberatungen in den § 209a Abs. 2 eingefügten Klammerausdruckes (§85) dürften nur Anträge zur Geltendmachung von Rechten sei und idR nicht auch - ebenfalls erfasste - Anbringen zur Erfüllung von Verpflichtungen. Ausnahmsweise könnten in verfassungskonformer Auslegung auch Pflichteingaben (zB Einkommensteuererklärung, wenn die Veranlagung zu einer Gutschrift führen würde) als Antrag iSd § 209a Abs. 2 beurteilt werden (vgl. Ritz, ÖStZ, 1982, 18, 22, Ritz BAO ³, Anm. 7 zu § 209a).

20.) Die vom Bw. (vgl. Seite 9 ff des Vorlageantrages vom 20. Juni 2007) vertretene Auffassung, wonach der Normzweck § 209a Abs. 2 BAO eine zeitliche Nähe der der Berufungseinbringung im Grundlagenverfahren zum Zeitpunkt des Verjährungseintritt im abgeleiteten Verfahren verlange, und als Richtschnur die Fristen des § 311 Abs. 2 BAO herangezogen werden könnten, wird in Lehre und Rechtsprechung nicht vertreten. Diese Rechtsansicht bringt weder Ritz (BAO ³, Anm. 5 zu § 209a Abs. 1) noch Stoll (Stoll, BAO, Kommentar, Band II, 2208) zum Ausdruck gebracht. Gleiches gilt für das vom Bw. in diesem Zusammenhang zitierte Erkenntnis des VwGH vom 26.2.2004, 99/15/0127.

21.) Die vom Bw. in weiterer Folge vertretene Ansicht, eine verjährungsungebundene Abgabenfestsetzung im abgeleitenden Bescheid nur erfolgen könne, wenn die Berufungsentscheidung die Situation des Steuerpflichtigen verbessere, wird von der herrschenden Lehre nicht vertreten. Gerade ist das Gegenteil der Fall. § 209a Abs. 1 und 2 gelten grundsätzlich auch für sich zu Ungunsten des Abgabepflichtigen auswirkende Maßnahmen (vgl. Ritz, BAO ³, Anm. 17 zu § 209a BAO).

22.) Verfassungsrechtliche Bedenken stehen einer Anwendung des § 209a BAO nicht entgegen. §§ 209a, 302 Abs. 2 und 304 BAO stellen nämlich Ausnahmen vom Grundsatz dar, wonach Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist möglich sind.

23.) Da im Streitfall die Voraussetzungen des § 209a Abs. 2 BAO erfüllt sind, ist der abgeleitete Einkommensteuerbescheid vom 12. September 2006 zu Recht ergangen. Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen. Auf die weiteren Einwendungen des Bw. bzw. den Eventualantrag braucht daher nicht eingegangen werden. Die Abgabenfestsetzung erfolgte jedoch gemäß § 200 Abs. BAO endgültig, zumal auch der Bw. der Ansicht ist, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Bescheiderlassung nicht erfüllt sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 9. April 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

absolute Verjährung, Normzweck, Abgabenfestsetzung, Erledigung einer Berufung, abgeleiteter Bescheid, Mittelbarkeit, Grundlagenbescheid, Feststellungsbescheid, Verfahrensbescheid, Anwendungsbereich, Nachforderungen, Gutschriften

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