UFS RV/0568-G/06

UFSRV/0568-G/062.4.2008

Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung bei einer infolge Vermögenslosigkeit aufgelösten GmbH (§ 206 lit. b BAO).

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom 31. Mai 2006 gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom 15. Februar 2006 betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2001 bis 2003 sowie Festsetzung der Vorauszahlung von Umsatzsteuer für November 2005 entschieden:

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Von der Festsetzung der Abgaben wird gemäß § 206 lit. b BAO ganz Abstand genommen.

Entscheidungsgründe

Die Bw ist eine im Jahr 2001 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihr Geschäftszweig ist "Gastgewerbe" (laut Firmenbuch) bzw. der Betrieb eines Bordells (laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung). Ehemaliger Gesellschafter-Geschäftsführer und nunmehriger Liquidator ist MS.

Das Finanzamt führte nach Beschlagnahme der Unterlagen der Bw von Dezember 2004 bis Jänner 2006 eine Außenprüfung bei der Bw durch. Nach den Feststellungen im Bericht über das Ergebnis der Buch- und Betriebsprüfung vom 7. Februar 2007 hat die Bw die Einkünfte aus der Vermietung von Wohnungen an die im Bordell beschäftigten Mädchen gar nicht und Erlöse aus dem Bordellbetrieb teilweise nicht erklärt. Auf Grund dieser Feststellungen setzte das Finanzamt auf Grundlage einer Schätzung die Abgaben - teilweise nach Wiederaufnahme des Verfahrens - mit den hier angefochtenen Bescheiden vom 15. Februar 2006 fest, woraus sich folgende Abgabennachforderungen ergeben:

Umsatzsteuer (in Euro):

2001

33.028,28

2002

55.640,54

2003

62.620,06

2004

60.887,80

11/2005

69.248,93

Körperschaftsteuer (in Euro):

2001

19.542,17

2002

33.662,92

2003

32.535,26

2004

49.250,00

KVZ 2006

55.590,00

Am 15. März 2006 beantragte der steuerliche Vertreter der Bw auf elektronischem Weg die Verlängerung der Berufungsfrist für die "Wiederaufnahmebescheide Ust und KöSt 2001, 2002, 2003" sowie "USt- und KöStbescheide 2001, 2002, 2003" und für "Umsatzsteuer November 2005" bis 15. Mai 2006. Mit ebenfalls auf elektronischem Weg eingebrachten Anträgen vom 12. Mai 2006 beantragte der steuerliche Vertreter für diese Bescheide eine weitere Verlängerung der Berufungsfrist bis 30. Juni 2006.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2006 erhob die Bw selbst die Berufung gegen diese Bescheide (ausgenommen Wiederaufnahme des Verfahrens) sowie gegen die Bescheide vom 15. Februar 2006 betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2004, betreffend Vorauszahlung von Körperschaftsteuer 2006 und betreffend Anspruchszinsen für 2001 bis 2004 (letztere erfasst zur GZ. RV/0570-G/06).

Mit Bescheiden vom 23. Juni 2006 wies das Finanzamt die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004 und gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2004 als verspätet zurück.

Mit Beschluss des Gerichts vom 30. August 2006 erfolgte eine Konkursabweisung mangels Vermögens und eine Auflösung der Bw infolge rechtskräftiger Abweisung des Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens.

Das Finanzamt legte die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat im Oktober 2006 zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 206 lit. b BAO kann die Abgabenbehörde kann ua. von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2008 teilte das Finanzamt dem Unabhängigen Finanzsenat nach Durchführung von Erhebungen mit, dass nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der strittige Abgabenanspruch bei der Bw eingebracht werden kann.

Da somit im Fall der Bw auf Grund der zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen fest steht, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird, war von der Festsetzung der Abgaben ganz Abstand zu nehmen.

Zu den Ausführungen des Finanzamtes in dem genannten Schreiben zu § 206 lit. b BAO wird angemerkt, dass es sich dabei um eine Bestimmung handelt, die rein verwaltungsökonomischen Zwecken dient und den Abgabenbehörden die Abgabenfestsetzung in jenen Fällen ersparen soll, in denen bei einem bestimmten Abgabepflichtigen die Abgaben uneinbringlich sind (gerade in jenen Fällen, in denen Gesellschaften wegen Abgabennachforderung in Konkurs "geschickt" werden). Durch die Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung wird der gesetzliche Abgabenanspruch als solches nicht "vernichtet", sondern es wird lediglich - wegen Uneinbringlichkeit - auf seine Durchsetzung gegenüber der Bw verzichtet. Dem Finanzamt steht es daher offen, den Abgabenanspruch durch Ausspruch von Haftungen (zB Verschuldenshaftung gemäß § 9 BAO oder Haftung des rechtskräftig verurteilten Täters gemäß § 11 BAO) durchzusetzen. Die Haftung setzt die Erlassung des Abgabenbescheides gegenüber dem Primärschuldner nicht voraus.

Graz, am 2. April 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 206 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Vermögenslosigkeit, Uneinbringlichkeit

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