Fahrtkosten eines Wochenpendlers zwischen Familienwohnsitz und Arbeitsstätte, an der sich eine fallweise benützte Schlafstelle befindet.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des A., geb. XX.XX.XXXX, Ungarn whft., vom 31. August 2006 gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 (Arbeitnehmerveranlagung) des Finanzamtes Baden Mödling vom 25. August 2006 entschieden:
Spruch:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Bw. hat seinen Familienwohnsitz in B. in Ungarn. Er ist bei einem österreichischen Transportunternehmen als Kraftfahrer angestellt. Bei der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2005 beantragt der Bw., dass die Kosten für die Fahrten zwischen seinem Familienwohnsitz und der rund 200 km entfernten Arbeitsstätte als Werbungskosten in Form des großen Pendlerpauschales oder der Familienheimfahrten berücksichtigt werden. Der Bw. ist so genannter Wochenpendler. In der Regel fährt er montags mit seinem Pkw zur österreichischen Arbeitsstätte. Nächtigt dann werktags meistens in der Schlafkabine seines Lkw`s oder in einer beim Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Schlafstelle (Mannschaftsquartier) und fährt freitags oder samstags wieder zu seinem Familienwohnsitz zurück.
Vom Finanzamt Baden Mödling wurde in den Einkommensteuerbescheiden für das Jahr 2005 vom 25.08.2006 für diese Fahrten keine Werbungskosten anerkannt, mit der Begründung, dass weder die Voraussetzungen für das Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 noch für Familienheimfahrten gemäß § 16 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 erfüllt seien. Das Pendlerpauschale stehe nur dann zu, wenn der Steuerpflichtige die Wegstrecke zwischen Wohnsitz und Arbeitsstätte im Lohnzahlungszeitraum - das ist das Kalendermonat - überwiegend zurücklege. Das sei beim Bw. nicht der Fall gewesen. Werbungskosten wegen Familienheimfahrten stünden nicht zu, weil es sich um keine Fahrten vom Familienwohnsitz zum Zweitwohnsitz am Beschäftigungsort handle. Außerdem sei dem Bw, der seit vielen Jahren in Österreich berufstätig ist, und seiner Gattin, die in Ungarn Pensionseinkünfte von jährlich € 1.818,-- beziehe, die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich aus steuerrechtlicher Sicht zumutbar.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 erhob der Bw. mit den Schriftsatz vom 31.08.2006 und form und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung. Der Bw. begehrte die Berücksichtigung von Werbungskosten für die Fahrten zwischen seinem Familienwohnsitz und der österreichischen Arbeitsstätte. Es stünde ihm hierfür das große Pendlerpauschale zu. Seine Arbeitsstätte sei der Sitz des Transportunternehmens, wo er in der Regel wöchentlich den Lkw für die aufgetragenen Transporte übernimmt, diesen vor Fahrtantritt in Betrieb nimmt und nach Ende der beruflichen Reise wieder abstellt.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Familienheimfahrten seien erfüllt, da sein Lebensmittelpunkt in Ungarn liege. Ein Zuzug nach Österreich sei auf Grund der Gesetzeslage gar nicht möglich gewesen.
Mit Vorlagebericht vom 19.10.2006 legte das Finanzamt die Berufungen dem UFS als unabhängige Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Über den festgestellten Sachverhalt besteht Übereinstimmung. Der vorstehende Sachverhalt liegt daher dieser Entscheidung zu Grunde. Strittig ist die Rechtsfrage, ob dem Bw. für die regelmäßigen wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Familienwohnsitz und dem Sitz seines Arbeitgebers Werbungskosten zustehen.
Familienheimfahrten im Sinne der §§ 16 Abs. 1, 16 Abs. 1 Z. 6 und 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG sind Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeitsort) und dem Familienwohnsitz. Die LStR 2002 RZ 354 erklären hierzu jüngst, dass für die Anerkennung von Familienheimfahrten nicht entscheidend sei, ob die Wohnmöglichkeit am Arbeitsort einen Wohnsitz nach § 26 BAO vermittle; auch eine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Schlafstelle oder ein angemietetes Hotelzimmer rechtfertigen steuerlich anzuerkennende Familienheimfahrten.
Arbeitsstätte ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird. Nach herrschender Meinung liegt keine Arbeitsstätte vor, wenn das Aufsuchen der Betriebsstätte ausschließlich mittelbar durch berufliche Obliegenheiten (z.B. Abholen von Unterlagen oder Waren, Wechseln des Fahrzeuges) veranlasst ist. Zum Beispiel kann ein angestellter Vertreter, der stets seine Reisetätigkeit von seiner Wohnung aus antritt und die Betriebsstätte lediglich zur Abgabe und Entgegennahme von Unterlagen anfährt, für die Fahrtstrecke von der Wohnung zur Betriebsstätte Fahrtkosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG geltend machen.
Hinsichtlich des Dienstantrittes entspricht aber die tatsächliche und rechtliche Stellung eines Berufskraftfahrers nicht der eines Handelsvertreters. Während die kollektivvertraglichen Bestimmungen beim Handelsvertreter die Wohnung als Dienstantrittsort vorsehen, bildet beim Kraftfahrer der LKW-Abstellplatz den Dienstantrittsort. Vor allem hat der Kraftfahrer auf Grund kraftfahrrechtlicher Vorschriften vor Antritt der Fahrt sein Fahrzeug und die Ladung zu überprüfen. Diese Überprüfungshandlungen sind bereits Ausübung unmittelbarer beruflicher Obliegenheiten. Daher wurde auch vom VwGH, E 2001/08/0229 vom 26.05.2004 der Kfz-Abstellplatz als Dienstantrittsort und Arbeitsstätte im Sinne des EStG qualifiziert. Ebenso hat der BFH (Urteil VI R 15/04 vom 11.5.2005) die Fahrten eines Busfahrers zum Busabstellplatz auf Grund des nachhaltigen Tätigwerdens an diesem Ort als Fahrten zur Arbeitsstätte beurteilt.
Die Kosten des Bw. für die Fahrten vom Familienwohnsitz zum Betriebsgelände seines Arbeitgebers und zurück, betreffen daher Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6. EStG 1988. Hierfür erhält der Bw. den Verkehrsabsetzbetrag. Ein zusätzliches Pendlerpauschale erhält der Bw. nicht, weil er die tatbestandsmäßige Voraussetzung "des überwiegenden Zurücklegens dieser Fahrtstrecke im Lohnzahlungszeitraum" nicht erfüllt. Der Bw. erklärt drei bis fünf Mal im Monat zu pendeln, hingegen erfordert die Tatbestandsverwirklichung des Pendlerpauschales mindestens 11 Fahrten im Monat.
Werbungskosten wegen Familienheimfahrten kommen im gegenständlichen Fall schon deshalb nicht in Betracht, weil Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vorliegen. Sämtliche Kosten für Fahrten auf dieser Wegstrecke gelten durch den Verkehrsabsetzbetrag kraft unwiderleglicher gesetzlicher Vermutung abgegolten. § 16 Abs. 1 Z 6 letzter Absatz des EStG lautet: "Mit dem Verkehrsabsetzbetrag ...sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten." Diese Bestimmung schließt als lex specialis einen Werbungskostenabzug für Fahrtkosten nach § 16 Abs. 1 EStG - wozu auch die Familienheimfahrten zählen - aus. Sonst erschiene es beispielsweise unsachlich, die Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages bzw. eines allfälligen Pendlerpauschales bei zusätzlichen Fahrten auf der Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte etwa für Fortbildungen zu vertreten ("Buchhalter-Fall"), im gegenständlichen Falle aber nicht. Ebenso schließt die herrschende Meinung bei Identität zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Grund des Vorranges und der Abgeltungswirkung der Regelung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG über den Verkehrsabsetzbetrag Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG für die Fahrten zum Betriebsstandort des Arbeitgebers aus.
Wie bereits dargelegt fährt der Bw. wöchentlich von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und wieder zurück zur Wohnung. Es sind daher eindeutig Fahrten, deren Kosten von der Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages erfasst sind. Der Umstand, dass der Bw. an der Arbeitsstätte über eine Schlafmöglichkeit verfügt - sei es in der Kabine des LKW oder in einem Mannschaftsquartier, vermag am Vorrang als lex specialis und der Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages nichts zu ändern.
Mit anderen Worten, vom Bw. wurde durch die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG mit der Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages erfüllt und nicht der Tatbestand der Familienheimfahrt für Fahrten zwischen Familienwohnsitz und Wohnsitz am Tätigkeitsort. Eine schlichte Schlafmöglichkeit an der Arbeitsstätte führt nicht bereits zum Vorliegen von Familienheimfahrten. Sonst würde auch eine Fahrt mit dem Wohnmobil zur Arbeitsstätte oder eine Schlafmöglichkeit im Büro (z.B. Chouch) von den Voraussetzungen des Pendlerpauschales (insb. der Überwiegensklausel) und der Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages ausnehmen und könnte einen Anspruch auf Familienheimfahrten begründen.
Der Berufung war somit kein Erfolg beschieden. Ob die weiteren Kriterien einer doppelten Haushaltsführung, insbesondere die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Tätigkeitsort erfüllt seien, war für das Ergebnis der Entscheidung nicht mehr relevant. Es kann aber auch diesbezüglich der Ansicht des Finanzamtes gefolgt werden, dass steuerlich maßgebende Gründe einer Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Tätigkeitsort vom Bw. im Veranlagungsverfahren nicht geltend gemacht wurden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 5. März 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Kraftfahrer, Lkw-Fahrer, Wochenpendler, Fahrtkosten, Familienwohnsitz, Arbeitsstätte, Familienheimfahrten, Pendlerpauschale, Schlafstelle |