UFS RV/3069-W/07

UFSRV/3069-W/0727.11.2007

Kein Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe, wenn der Steuerpflichtige in Spanien beschäftigt ist und er sich mit Ehegattin und Kindern ständig in Spanien aufhält

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0002 eingebracht. Mit Erk. v. 19.3.2008 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw., gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart betreffend

1) Abweisung des Antrags auf Gewährung von Familienbeihilfe ab 1. März 2007 für den Sohn F. sowie

2) Rückforderung von zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Sohn D. für den Zeitraum August 2002 bis Juli 2007

entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) hat zwei Söhne, D., geb. am 17. März 2002, und F., geb. am 26. März 2007.

Für D. wurde im Zeitraum August 2002 bis Juli 2007 Familienbeihilfe (inkl. Kinderabsetzbeträge) bezogen. Für F. wurde Familienbeihilfe ab Geburt beantragt.

Strittig ist somit, ob das Finanzamt

1) für das Kind F. den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab März 2007 zu Recht abgewiesen hat und

2) für das Kind D. die für den Zeitraum August 2002 bis Juli 2007 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge zu Recht zurückgefordert hat.

D., geb. am 17. März 2002:

Für D. wurde die Familienbeihilfe von August 2002 bis Juli 2007 bezogen.

Seitens des Finanzamtes gab es zwei Überprüfungen des Anspruches.

Im Überprüfungsformular vom Februar 2003 wurde der Bw. um Bekanntgabe ersucht, wo er sich derzeit mit seiner Familie aufhalte: Der Bw. beantwortete die Frage mit: "7...S., N-gasse". Die Frage, ob seine Ehegattin einer Beschäftigung nachgehe und wenn ja, wo und seit wann, beantwortete er mit "Karenz".

Im Überprüfungsformular vom August 2005 ersuchte das Finanzamt um eine Kindergartenbestätigung von D.. Der Bw. gab daraufhin bekannt, dass D. keinen Kindergarten besuche.

F., geb. am 26. März 2007

Im Juli 2007 stellte der Bw. für F. einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe. Als Wohnsitzadresse gab er "7... S., N-gasse" an. Als Dienstgeber führte er die "Fa. W., Y." und als Dienstort im Ausland "Barcelona" an.

Das Finanzamt erließ am 28. August 2007 einen Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für D. für den Zeitraum August 2002 bis Juli 2007 und führte zur Begründung aus:

"Gem. § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben Personen für minderjährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Eine Person hat den Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (§2 Abs. 8 FLAG)."

Mit gleichem Datum erließ es einen Bescheid, mit dem es den Antrag des Bw. vom 6. Juli 2007 auf Gewährung der Familienbeihilfe für F., geb. am 26. März 2007, ab März 2007, unter Verweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 und 8 FLAG abwies.

Der Bw. brachte mit Schreiben vom 4. September 2007 gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes vom 28. August 2007 (betreffend Sohn D.) fristgerecht Berufung ein und begründete diese wie folgt:

"Mit Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge des Finanzamtes vom 28.8.07 wurde die von mir bezogene Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag für meinen Sohn D. für den Zeitraum Aug. 2002 Juli 2007 im Betrag von insgesamt € 9.589,70 zurückgefordert. Dagegen wendet sich die vorliegende Berufung und macht geltend: Am 20.9.02 habe ich bei meinem zuständigen Finanzamt in Eisenstadt einen Antrag auf Gewährung einer Familienbeihilfe für meinen neugeborenen Sohn D., geb. 17.3.02 gestellt. Zusätzlich zu diesem Antrag habe ich nachträglich über Aufforderung der zuständigen Referentin noch den Meldezettel des Gemeindeamtes S. über meinen Hauptwohnsitz, meinen Staatsbürgerschaftsnachweis sowie die Geburtsurkunde meines Sohnes ausgestellt am 3.5.02 in V. in Spanien vorgelegt. Aus dem von mir gestellten Antrag und den vorgelegten Urkunden ist deutlich ersichtlich, daß ich meinen Hauptwohnsitz in S.N-Gasse habe und mein Dienstort Barcelona in Spanien ist. Aufgrund der weiten räumlichen Entfernung zu meinem Heimatort und der damit verbundenen hohen Reisekosten war ich gezwungen für meine Familie und mich in der Nähe meines Dienstortes eine Wohnung zu nehmen. Ich bin seit 1.12.98 bei der österreichischen Fa. W. in Y. angestellt. Infolge meiner Ausbildung und meiner guten spanischen Kenntnisse wurde ich von meiner Fa. für den örtlichen Bereich Spanien mit dem Dienstort in Barcelona angestellt. Auch diesen Dienstort in Spanien habe ich in meinem Antrag wahrheitsgemäß angeführt. Entsprechend der im Antrag gemachten Angaben und nach Einsichtnahme in die nachträglich vorgelegten Urkunden wurde mir mit Schreiben vom 3.10.02 mitgeteilt, daß mir nach Überprüfung meines Anspruches auf Familienbeihilfe ab März 2002 eine Familienbeihilfe sowie ein Kinderabsetzbetrag für meinen Sohn D. gewährt wird. Ich habe diese beiden Leistungen des Finanzamtes im guten Glauben und vertrauend auf die richtige Entscheidung des Finanzamtes bezogen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird lediglich § 2 (1) sowie die Bestimmung des § 2 (8) des FLAG 1967 angeführt, ohne näher zu begründen, warum das Finanzamt den Mittelpunkt meiner Lebensinteressen Spanien zugeordnet hat und nicht meinem Heimatland Österreich sowie dies bei der ersten Entscheidung des Finanzamtes vor 5 Jahren erfolgt ist, obwohl sich am Sachverhalt seit der Antragstellung nichts geändert hat. Allein die Tatsache, daß ich mich berufsbedingt in Spanien gemeinsam mit meiner Familie aufhalte, rechtfertigt noch nicht die Annahme des Finanzamtes, daß der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen in Spanien liegt. Diese für mich negative Entscheidung wurde, ohne mir vorher Gelegenheit zu geben dazu gehört zu werden, zu meinem Nachteil gefällt. Derart gegensätzliche Entscheidungen bei vorliegen desselben Sachverhaltes sind überhaupt nicht nachvollziehbar und führen nur zu größter Rechtsunsicherheit. Die Behörde muß den Parteien das Parteiengehör ausdrücklich in förmlicher Weise und von Amts wegen einräumen und muß vor Erlassung eines Rückzahlungsbescheides der Partei ausdrücklich und mit ausreichender Frist, Gelegenheit zur Stellungnahme geben. (Vfslg 2038,VwGH 1.4.1.2000, 98/19/0121 ua.) Das Recht auf Gehör ist gem. Art. 6 Abs.1 MRK auch verfassungsrechtlich abgesichert. Darüber hinaus sichert der Anspruch auf rechtliches Gehör die Gleichbehandlung der Parteien, wie sie schon die verfassungsmäßig garantierte Gleichheit vor dem Gesetz (Art.7 B-VG.Art.2 StGG 1967) fordert.

Es wurde mir keine Gelegenheit gegeben all jene Gründe anzugeben, die eindeutig dafür sprechen, daß der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen nach wie vor in Österreich liegt.

Ein weiterer schwerwiegender Verstoß gegen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens liegt darin, daß bei mehr als 5 Jahre gleichbleibendem Sachverhalt die nun rückgeforderten Leistungen gewährt wurden. Eine Änderung der für die Zuerkennung der Leistungen relevanten Sachlage ist nicht eingetreten, sodaß immer noch "derselbe Sachverhalt" und kein "anderer Sachverhalt" vorliegt. Es geht nur dann nicht mehr um dieselbe Verwaltungssache, wenn es um einen anderen Sachverhalt, insbesondere auch um einen später entstandenen geht, oder wenn derselbe Sachverhalt einer anderen Rechtsvorschrift unterstellt wird, insbesondere einer später erlassenen Rechtsvorschrift (VwGH 30.6.1994, 92/06/0270 ua.).

Die Bestimmung des §2 Abs.8 Flag 1967 nennt bei Personen die über zwei oder mehrere Wohnungen verfügen, zwei Voraussetzungen, die für das Entstehen eines Anspruches auf den Familienbeihilfenbezug vorliegen müssen. Einerseits muß der Antragsteller der den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe stellt, den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Bundesgebiet haben, andererseits müssen sich die Kinder, die den Beihilfenanspruch vermitteln ständig im Bundesgebiet aufhalten.

Im vorliegenden Fall ist gleich vorweg anzumerken, daß auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen der ständige Aufenthalt eines Kindes im EU-Ausland grundsätzlich dem ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet gleichzuhalten ist (siehe dazu auch § 53 Abs. 1 FLAG 1967, UFS Innsbruck vom 30.11..2006). Im Gegensatz zu der vom Finanzamt geäußerten Rechtsansicht ist es daher im vorliegenden Fall für den Bezug der Familienbeihilfe nicht schädlich, wenn sich mein Sohn D. überwiegend im EU-Ausland aufgehalten hat. Als zweite Voraussetzung ist zu prüfen. ob sich der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen im streitgegenständlichen Zeitraum in Österreich befunden hat. Eine Person hat nach § 2 Abs. 8 den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu welchem die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Unter den persönlichen Beziehungen sind all jene zu verstehen, die jemand aus in seiner Person liegenden Gründen, auf Grund seiner Geburt, der Staatsangehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigung religiöser und kultureller Art, mit anderen Worten nach allen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, an ein bestimmtes Land binden, während den wirtschaftlichen Beziehungen nur eine weitergehenden Zwecken dienende Funktion zukommt.

Meinen zweiten Wohnsitz in Spanien habe ich nicht selbst gewählt und ist rein beruflicher Natur. Ich verbringe mit meiner Familie meinen gesamten Urlaub, sowohl im Sommer als auch im Winter in Österreich. Darüber hinaus bin ich mindestens an 15 weiteren Wochenenden im Jahr im Bundesgebiet. Mein Sohn D. hält sich in den Monaten Juli und August sowie einen Großteil des Monates Dezember (Advent) in meiner Heimatgemeinde auf. Ich bin Eigentümer eines Hauses in meiner Heimatgemeinde. Vor 3 Jahren habe ich das gesamte Haus renoviert. So wurde der Dachstuhl mit einer neuen Bretterverschalung versehen, das Dach mit Prefa Schindeln neu gedeckt, sämtliche Spenglerarbeiten neu durchgeführt und die gesamte Hausfassade neu gestaltet. Derzeit wird die Gasheizung auf den neuesten Stand der Technik umgebaut und mit einem neuen Brennkessel versehen, um das Haus jederzeit bei meiner Rückkehr nach Österreich benützen zu können. Mein Sohn wird zweisprachig erzogen, der Schwerpunkt liegt jedoch in der deutschsprachigen Erziehung. Er besucht in Barcelona den dortigen deutschen Kindergarten, um bei einer künftigen Rückkehr nach Österreich keine Schwierigkeiten insb. sprachlicher Natur zu haben. Auch wird er im nächsten Jahr soferne wir uns noch in Spanien aufhalten die deutsche Schule in Barcelona aufsuchen. Meine Frau hat in der Zwischenzeit auch die deutsche Sprache erlemt, um bei unserer Rückkehr in das Bundesgebiet leichter eine Anstellung in ihrem erlernten Beruf zu finden. Bei meinen Aufenthalten in Österreich halte ich ständig Kontakt zu meinen Freunden in der Heimat um die persönlichen und freundschaftlichen Beziehungen zu ihnen nicht zu verlieren. Auch besitze ich ein Abonnement der Wiener Staatsoper, wobei ich meine Aufenhalte in Österreich auch zum Besuch von Opernaufführungen ausnütze. Für caritative Zwecke insbesondere bei Katastrophenfällen in Österreich spende ich Geldbeträge bei den von der Caritas durchgeführten Spendeaktionen.

Ich bin im Bundesgebiet geboren, mein Sohn und ich sind Österr. Staatsbürger mit r.k. Glaubensbekenntnis. Bei Beurteilung der Frage, wo der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen liegt, hat das Finanzamt den oben angeführten Ausführungen kein rechtliches Gewicht beigemessen. Allein die Tatsache, daß ich mich nur aus beruflichen Gründen in Spanien aufhalte, rechtfertigt noch nicht die Annahme des Finanzamtes, daß der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen in Spanien liegt. Diese für mich negative Entscheidung wurde gefällt, weil mein Anhörungsrecht wie bereits erwähnt verletzt wurde.

Durch meine berufliche Tätigkeit in Spanien war ich gezwungen im EU-Ausland einen zweiten Wohnsitz zu begründen. Mein Aufenthalt in Spanien ergibt sich einzig und allein durch meine Tätigkeit für meinen österr. Dienstgeber und es ist mir vollkommen unverständlich und rechtlich nicht nachvollziehbar, warum meine berufliche Tätigkeit in Spanien nicht gleichgestellt wird mit derselben Tätigkeit eines österr. Berufskollegen bei derselben Firma im Bundesgebiet. Beide Tätigkeiten erfolgen im wirtschaftlichen Interesse desselben Dienstgebers, jedoch mit dem Unterschied, daß die im Bundesgebiet beschäftigten Dienstnehmer sehr wohl einen Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre Kinder haben, die im EU-Ausland beschäftigten derselben Firma jedoch von diesem Anspruch ausgeschlossen sein sollen. Diese Vorgangsweise widerspricht nicht nur dem Gleichheitsgrundsatz, sondern könnte auch mit Verfassungswidrigkeit behaftet sein.

Bei Abwägung der Interessenslage zwischen meinem in Bundesgebiet gelegenem Wohnsitz und dem Wohnsitz in Spanien, kommt letzterem Wohnsitz nur der Charakter einer Wohnung für Zwecke des beruflichen Aufenthaltes an diesem Orte zu, der stärkere und ausschlaggebendere persönliche Beziehungen im Vergleich zu meinem Wohnsitz im Bundesgebiet nicht erkennen läßt. Dem Wohnsitz in Spanien kann nicht das rechtliche Gewicht beigemessen werden, das es rechtfertigt, den Mittelpunkt meiner Lebensinteressen in Spanien anzunehmen.

Es kann somit nicht unterstellt werden, daß sich der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen, am Wohnsitz meines Dienstortes befindet, wo ich mich nur aus beruflichen Gründen aufhalte und nur aus diesem Grunde dort auch eine Unterkunft brauche."

Mit Schreiben vom 6. September 2007 erhob der Bw. mit im Wesentlichen gleicher Begründung Berufung gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom 28. August 2007, betreffend seinen Sohn F..

Das Finanzamt legte die Berufungen ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Feststehender Sachverhalt:

2. Mittelpunkt der Lebensinteressen, ständiger Aufenthalt im Inland

2.1 Gemäß § 2 (8) FLAG haben Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten.

Nach der ständigen Rechtsprechung kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt. Verfügt eine Person im Ausland über eine Wohnung, sei es als Eigentümer, Mieter oder auch bloß als Mitbewohner und benützt sie diese Wohnung jahrelang und ständig aus beruflichen Gründen gemeinsam mit den engsten Familienangehörigen, so kann nicht angenommen werden, dass sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich hat (vgl. VwGH 16.12.1993, 93/16/0138; 30.1.1990, 89/14/0054; 15.3.1989, 88/16/0229; 27.10.1988, 88/16/0068; 19.12.1987, 86/16/0198 und 30.5.1985, 83/16/0177).

Der Bw. führte in seiner Berufung vom 4. September 2007 (Rückforderungsbescheid betreffend D.) aus, dass er Eigentümer des Hauses in S. sei und dass er das gesamte Haus vor drei Jahren renoviert habe. Er habe seinen zweiten Wohnsitz in Spanien nicht selbst gewählt, sondern dieser sei rein beruflicher Natur. Er verbringe mit seiner Familie den gesamten Urlaub sowohl im Sommer als auch im Winter in Österreich. D. würde sich in den Monaten Juli, August sowie einen Großteil des Monates Dezember ebenfalls in S. aufhalten.

Weiters führte er aus, dass sein Sohn die deutsche Schule in Barcelona besuchen werde und seine Gattin in der Zwischenzeit auch die deutsche Sprache erlerne.

All diese Ausführungen werden vom unabhängigen Finanzsenat nicht in Zweifel gezogen. Aber gerade auf Grund dieser Ausführungen und der Tatsache, dass sich der Bw. - bis auf die Ferienzeiten - ständig in Spanien aufhält und dort auch berufstätig ist, steht für den unabhängigen Finanzsenat fest, dass der Bw. und seine Familie (derzeit) den Lebensmittelpunkt eindeutig in Spanien haben. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des VwGH vom 8.6.1982, 82/14/0047, demzufolge gelegentliche Aufenthalte der Kinder während der Schulferien nicht geeignet sind, den ständigen Aufenthalt im Ausland zu unterbrechen.

2.2 In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich im Berufungsfall weder die Kinder ständig iSd § 5 Abs. 3 FLAG im Inland aufgehalten haben noch der Bw. seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd § 2 Abs. 8 FLAG im Inland gehabt hat. Somit steht fest, dass ein Familienbeihilfenanspruch aufgrund der innerstaatlichen Vorschriften grundsätzlich nicht gegeben ist.

2.3 Der Bw. verweist aber zu Recht auf die Bestimmung des § 53 FLAG:

"(1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

(2) Die Gleichstellung im Sinne des Abs. 1 gilt auch im Bereich der Amtssitzabkommen sowie Privilegienabkommen, soweit diese für Angestellte internationaler Einrichtungen und haushaltszugehörige Familienmitglieder nicht österreichischer Staatsbürgerschaft einen Leistungsausschluss aus dem Familienlastenausgleich vorsehen."

Es muss daher nunmehr noch geprüft werden, ob sich ein Anspruch auf Familienbeihilfe aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt (s § 53 Abs. 1 2. Satz FLAG).

3. Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften

3.1 Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbstständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, lautet in der konsolidierten Fassung ABl. L 028 vom 30. Jänner 1997 und nach Änderung durch die VO (EG) 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 ABl. L 209 auszugsweise:

"Art. 1

Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:

a) 'Arbeitnehmer' oder 'Selbständiger': jede Person,

i) die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist;

ii) die im Rahmen eines für alle Einwohner oder die gesamte erwerbstätige Bevölkerung geltenden Systems der sozialen Sicherheit gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken pflichtversichert ist, die von den Zweigen erfasst werden, auf die diese Verordnung anzuwenden ist,

- wenn diese Person auf Grund der Art der Verwaltung oder der Finanzierung dieses Systems als Arbeitnehmer oder Selbständiger unterschieden werden kann oder

- wenn sie bei Fehlen solcher Kriterien im Rahmen eines für Arbeitnehmer oder Selbständige errichteten Systems oder eines Systems der Ziffer iii) gegen ein anderes in Anhang I bestimmtes Risiko pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist oder wenn auf sie bei Fehlen eines solchen Systems in dem betreffenden Mitgliedstaat die in Anhang I enthaltene Definition zutrifft;

iii) die gegen mehrere Risiken, die von den unter diese Verordnung fallenden Zweigen erfasst werden, im Rahmen eines für die gesamte Landbevölkerung nach den Kriterien des Anhangs I geschaffenen einheitlichen Systems der sozialen Sicherheit pflichtversichert ist;

iv) die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den unter diese Verordnung fallenden Zweigen erfasst werden, im Rahmen eines für Arbeitnehmer, für Selbständige, für alle Einwohner eines Mitgliedstaats oder für bestimmte Gruppen von Einwohnern geschaffenen Systems der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats freiwillig versichert ist,

- wenn sie im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist oder eine selbständige Tätigkeit ausübt oder

- wenn sie früher im Rahmen eines für Arbeitnehmer oder Selbständige desselben Mitgliedstaats errichteten Systems gegen das gleiche Risiko pflichtversichert war;

Art. 13

(1) Vorbehaltlich des Artikels 14c (und 14f (eingefügt durch ABl. L 209/1998)) unterliegen Personen für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:

a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;

.....

f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Art. 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.

Art. 73:

Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.

Art. 75 Abs. 1:

Familienleistungen werden in dem in Artikel 73 genannten Fall vom zuständigen Träger des Staates gewährt, dessen Rechtsvorschriften für den Arbeitnehmer oder den Selbständigen gelten; ... Sie werden nach den für diese Träger geltenden Bestimmungen unabhängig davon gezahlt, ob die natürliche oder juristische Person, an die sie zu zahlen sind, im Gebiet des zuständigen Staates oder in dem eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sich dort aufhält."

3.2 Sachverhaltsmäßig steht fest, dass sowohl der Bw. als auch seine Ehegattin ausschließlich in Spanien beschäftigt und auch dort pflichtversichert sind und waren. Damit ist aber auch Spanien nach Art. 13 Abs. 1 lit. a der genannten Verordnung als Beschäftigungsland anzusehen (sh. hierzu VwGH 25.1.2006, 2006/14/0105).

3.3 Rechtlich folgt daraus, dass die Gewährung von Familienleistungen Spanien obliegen würde und daher ein inländischer Familienbeihilfenanspruch auch auf Gemeinschaftsrecht nicht gestützt werden kann.

4. Gesetzliche Bestimmungen betreffend Rückzahlung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge

§ 26 Abs. 1 FLAG lautet:

"Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch eine in § 46 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannte Gebietskörperschaft oder gemeinnützige Krankenanstalt verursacht worden ist. Zurückzuzahlende Beträge können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden."

Die Verpflichtung zur Rückzahlung von zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfen ist sehr weitgehend, zumal sie ausschließlich auf objektiven Sachverhalten beruht und auf subjektive Momente, wie Verschulden und Gutgläubigkeit, keine Rücksicht nimmt. Die Rückzahlungspflicht besteht daher auch dann, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich auf einer Fehlleistung der Abgabenbehörde beruht (sh. zB VwGH 28.11.2002, 2002/13/0079).

Im Übrigen war es für das Finanzamt nicht ohne Weiteres erkennbar, dass der Bw. sich ständig in Spanien aufhält, hat er doch selbst sowohl bei der Antragstellung als auch bei den Überprüfungen als Wohnsitz bzw. als derzeitigen Aufenthalt S. angegeben. Ebenso nannte er als Einreisetermin der Gattin das Jahr 1999. Als Arbeitgeber wurde die Firma W. in "Y. NÖ. Barcelona" angegeben. Es wurde somit zu keinem Zeitpunkt (eindeutig) erklärt, dass sich der Dienstort in Spanien befindet.

5. Wenn der Bw. schließlich geltend macht, es sei ihm vom Finanzamt kein Parteiengehör gewährt worden, so ist darauf hinzuweisen, dass ein etwaiger unterlaufener Verfahrensmangel durch die Erlassung der angefochtenen Bescheide saniert worden ist, da dem Bw. nunmehr offengestanden ist, im Berufungswege alles ihm zweckdienlich Erscheinende vorzubringen, und er diese Möglichkeit auch wahrgenommen hat.

6. Daraus folgt, dass die beiden angefochtenen Bescheide zu Recht ergangen sind.

Wien, am 27. November 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 13 VO 1408/71 , ABl. Nr. L 149 vom 05.07.1971 S. 2
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967

Schlagworte:

Beschäftigungslandprinzip

Verweise:

VwGH 30.01.1990, 89/14/0054
VwGH 25.01.2006, 2006/14/0105
VwGH 28.11.2002, 2002/13/0079

Stichworte