UFS RV/0546-I/06

UFSRV/0546-I/064.9.2007

Bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des wiederaufzunehmenden Bescheides (des abgeschlossenen Verfahrens) abzustellen.

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Berufungswerbers, vom 27. April 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes, vertreten durch Finanzanwalt, vom 20. April 2006 betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2002 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber begehrte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2001 vom 26. Februar 2002 Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten anlässlich seiner Dienstzuteilung zum Ort3- als Werbungskosten, welche jedoch vom Finanzamt. im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 (mit Ausfertigungsdatum 7. Oktober 2002) nicht gewährt wurden, da diese die vom Arbeitgeber steuerfrei ausbezahlten Tages- und Nächtigungsgelder nicht übersteigen würden. Im Folgejahr beantragte der Berufungswerber in seiner am 3. März 2003 eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2002 nunmehr - neben anderen unstrittig gebliebenen Aufwendungen (Sonderausgaben) - die steuerliche Berücksichtigung von den (in den Jahren 2000 und 2001) erwachsenen Fahrtkosten (Fahrten von den auswärtigen Unterkünften zu den Dienstzuteilungsorten) in Form eines Pendlerpauschale als Werbungskosten wie folgt:

"Aufgliederung des Pendlerpauschales: Zuteilungen von Ort1:

 

Dauer:

Fahrtstrecke:

Entfernung pro Fahrt:

Ort2-

Jänner 2000 - Ende März 2000

Ort2 / T - Ort5

8 km

Ort3-

April 2000 - Ende August 2000

Ort3 - Zollhaus Ort6

5 km

Ort3-

Jänner 2001 - Ende Dezember 2001

Ort3 - Zollhaus Ort6

5 km

3 Monate

52,50 € (anteilig)

5 Monate

87,50 € (anteilig)

12 Monate

210,00 €

 

350,00 €

Vom Dienstgeber wurde keine Vergütung der Fahrten geleistet."

Vom Berufungswerber wurden betreffend dem strittigen Jahr 2002 Aufwendungen für Fahrten zwischen den auswärtigen Unterkunftsorten und den Dienstleistungsorten sowie für Familienheimfahrten (vom Ort der auswärtigen Unterkunft zum Familienwohnsitz) weder behauptet noch als Werbungskosten erklärt. Das Finanzamt. veranlagte die Einkommensteuer im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 (mit Ausfertigungsdatum 8. April 2003) antrags- und erklärungsgemäß. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Innsbruck, erkannte in seiner Entscheidung vom 26. Jänner 2006 zur GZ die vom Berufungswerber für das Jahr 2003 geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten anlässlich der Dienstzuteilung von Ort1 nach Ort3 ohne Kürzung durch die steuerfrei ausbezahlten Zuteilungsgebühren als Werbungskosten an, woraufhin der Berufungswerber mit Schreiben vom 18. März 2006 unter Verweis auf obige Entscheidung die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2002 sowie die Erlassung eines neuen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 begehrte.

Die Abgabenbehörde wies mit Bescheid vom 20. April 2006 den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2002 mit der Begründung ab, neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen würden unabhängig davon, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neue Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung gewonnen werden würden, keine Wiederaufnahmsgründe im Sinne des § 303 BAO darstellen. Die eventuell nachteiligen Folgen einer früheren anderen Würdigung oder Wertung offen gelegt gewesener Sachverhalte lasse sich daher bei unveränderter Tatsache nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen.

In der hiergegen fristgerecht eingereichten Berufung vom 27. April 2006 führte der Berufungswerber aus, ihm sei an kompetenter Stelle zugesichert worden, dass eine Wiederaufnahme sehr wohl möglich sei, zumal die damaligen Anträge zeitgerecht eingereicht worden seien und diese sich innerhalb der Verjährungsfrist von fünf Jahren befinden würden. Die Wiederaufnahme des Verfahrens stünde sohin mit der damaligen Bescheiderlassung nicht im Zusammenhang. Die abweisende Berufungsvorentscheidung vom 25. Juli 2006 begründete die Abgabenbehörde ua. damit, aus den Angaben des Berufungswerbers im Antragsverfahren ergebe sich, dass der Abgabepflichtige von Ort1 bis Ende Dezember 2001 ua. dem GP Ort3 zur Dienstleistung zugeteilt gewesen wäre. Daraus lasse sich aber weder ableiten, ob diese Zuteilung dem Grunde nach auch im Kalenderjahr 2002 bestanden habe, welche Zeiträume dieses Jahres sie gegebenenfalls umfasst habe und welche Mehrkosten dem Berufungswerber zuteilungsbedingt erwachsen seien. Auch das Ausmaß der laut Lohnzettel nicht steuerbar gewährten Arbeitgeberleistungen (€ 4.419,00) lasse keinesfalls zwingend einen Rückschluss auf den Umstand einer Dienstzuteilung zu. Insoweit betrachtet könne der Einwand der im Kalenderjahr 2002 aufrechten Dienstzuteilung nach Nordtirol sowie die daraus resultierenden Kosten für Heimfahrten an seinen Familienwohnsitz Ort4 eine Neuerung im Tatsachenbereich darstellen, die lediglich dann eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen könnte, wenn die Berücksichtigung dieses Umstandes einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Aufrechnung von Zuteilungsgebühren mit den durch die Dienstzuteilung verursachten Unterkunfts- und Fahrtkosten stelle im Hinblick auf die Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 21. Juli 2003, GZ. RV/2305-W/02, des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 13. Mai 2004, GZ. RV/0336-I/03, des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 10. März 2003, GZ. RV/0276-F/02, sowie der Rechtsansicht von Doralt im Kommentar zum EStG (Stand 1.7.1999) eine vertretbare Rechtsauffassung dar, die insbesondere keinen Zweifel am unmittelbaren Sachzusammenhang zwischen dem durch die Zuteilung verursachten Mehraufwand und den zur Abgeltung dieses Mehraufwandes steuerfrei gewährten Arbeitgebersätzen (Zuteilungsgebühren) lassen würden. Bei den eingangs angeführten neu hervorgekommenen Sachverhaltserkenntnissen ergebe sich daher im Hinblick auf die im Zeitpunkt des wiederaufzunehmenden Verfahrens herrschende Rechtslage keine Änderung im Bescheidspruch, was zum Ausschluss einer Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO führe. Eine allfällige Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung, welche der Berufungswerber im Hinblick auf die anders lautende Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 26. Jänner 2006, GZ, erblicke, könne nicht auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung zurückwirken und wäre selbst dann unbeachtlich, wenn der nunmehr vollständig bekannt gewordene Sachverhalt nach dem derzeitigen (rechtlichen) Wissenstand beurteilt werden würde, weil sich an der rechtlichen Beurteilung der Abgabenbehörde durch die gegenteilige Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 26. Jänner 2006 keine Änderung ergeben habe. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens stünde weiters entgegen der Ansicht des Berufungswerbers mit dem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren in engen Zusammenhang, weil aus der Sicht des damaligen Verfahrens zu beurteilen sei, ob der entscheidungswesentliche Sachverhalt offen gelegt gewesen wäre oder nach Rechtskraft dieses Bescheides neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen seien, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden hätten können. Darüber hinaus müsste die Kenntnis dieser neuen Umstände auch zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid führen. Mit Schreiben vom 7. Juli 2006 beantragte der Berufungswerber die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und - soweit dies für den gegenständlichen Fall von Bedeutung ist - ua. Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten (lit. b), und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (VwGH 26.1.1999, 98/14/0038; VwGH 26.7.2000, 95/14/0094); also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (VwGH 23.4.1998, 95/15/0108; VwGH 19.11.1998, 96/15/0148; VwGH 26.7.2000, 95/14/0094).

Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (VwGH 21.7.1998, 93/14/0187, 0188; VwGH 24.2.2004, 2000/14/0186; VwGH 29.9.2004, 2001/13/0135).

Der Berufungswerber begründet sein streitgegenständliches (als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu qualifizierendes) Begehren auf "Neuberechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2002" im Schreiben vom 18. März 2006 indirekt (durch Verweis auf die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 26. Jänner 2006, GZ) mit seinen im Jahr 2002 aufgelaufenen Kosten für Familienheimfahrten. Derartige im Jahr 2002 angefallene Aufwendungen wurden vom Berufungswerber in seinem am 3. März 2003 eingereichten Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2002 (vom 25. Februar 2003) weder erklärt noch ausgewiesen (vgl. die Aktenlage, aus welcher lediglich in Nordtirol gelegene Dienstorte in den Jahren 2000 und 2001, jedoch keine vom Heimatort, abweichende Dienstorte im Jahr 2002 ersichtlich sind), sodass diese für das Jahr 2002 erstmals aktenkundig wurden. Die aufrechte Dienstzuteilung zum Ort3- und die daraus resultierenden Kosten für Heimfahrten an den Familienwohnsitz des Berufungswerbers stellen somit unstrittig (siehe hierzu die händische Bescheidbegründung zur Berufungsvorentscheidung vom 25. Juli 2006, Seite 4) eine Neuerung im Tatsachenbereich im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar. Der Berufungswerber unterließ die Geltendmachung der strittigen Aufwendungen "offensichtlich als Ergebnis der für das Kalenderjahr 2001 erfolgten Ablehnung durch die Abgabenbehörde" (vgl. die händische Bescheidbegründung zur Berufungsvorentscheidung vom 25. Juli 2006, Seite 2), sohin auf Grund einer "Rechtsauskunft des zuständigen Finanzamtes", sodass dem Berufungswerber kein grobes Verschulden an dem nunmehr erst gegebenen Neuhervorkommen der gegenständlichen Kosten für Familienheimfahrten vorzuwerfen ist.

Die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 BAO setzt aber nicht nur das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel voraus, sondern hängt auch von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens seinerzeit einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Nicht schon die Verwirklichung der Wiederaufnahmsgründe, sondern erst ihre Verbindung mit einem möglicherweise anders lautenden Bescheid vermag die Wiederaufnahme zu rechtfertigen. Daher ist schon im Wiederaufnahmeverfahren auf die materiell-rechtliche Frage der möglichen Auswirkung auf den Sachbescheid einzugehen. Ist die Möglichkeit eines Einflusses des geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes auf die Sachentscheidung, also die Möglichkeit einer geänderten Entscheidung bei Berücksichtigung des nunmehr hervorgekommenen Sachverhaltes zu verneinen, ist das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nicht wieder aufzunehmen. Der Wiederaufnahmsgrund müsste geeignet sein, in den neuen Sachbescheid einzufließen, auf den Spruch durchzuschlagen. Wiederaufnahmsgründe sind daher nur entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente, die im neuen Sachbescheid zu berücksichtigen und somit seinen Spruch zu beeinflussen geeignet sind (Ritz, Bundesabgabenordnung³, Kommentar, Tz 24 zu § 303, 942; Stoll, BAO Kommentar, Band 3, Seite 2917 f und hierin zitierte Judikatur).

Ob die in Frage stehende Eignung der neuen Tatsache gegeben ist oder nicht, ist nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die in dem Zeitpunkt zu beachten war, in dem das erste Verfahren bescheidmäßig abgeschlossen worden ist, und nicht etwa nach der Lage in dem Zeitpunkt, in dem über die Frage der Wiederaufnahme abgesprochen werden soll. Für das Vorliegen von Wiederaufnahmsgründen ist ausschlaggebend, ob im Zeitpunkt des wiederaufzunehmenden (abgeschlossenen) Verfahrens - bei Kenntnis der Tatsachen - eine anders lautende Entscheidung erfolgt wäre, wobei auf die damalige Rechtslage - nicht jedoch auf die damalige Verwaltungsübung oder Rechtsmeinung (Rechtskenntnis) des Organwalters - abzustellen ist (Wiedermann, Wiederaufnahme und Betriebsprüfung, 123, 126).

Das Finanzamt sah die Wiederaufnahme des Verfahrens deshalb für nicht gerechtfertigt, da die neu hervorgekommenen Sachverhaltserkenntnisse im Hinblick auf die im Zeitpunkt des wiederaufzunehmenden Verfahrens herrschende Rechtslage zu keiner Änderung im Bescheidspruch geführt hätten. Die durch die Dienstzuteilung verursachten Mehraufwendungen würden sowohl nach den Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates als auch nach Doralt im Kommentar zum EStG (Stand 1.7.1999) in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den zur Abgeltung des Mehraufwandes steuerfrei gewährten Arbeitgebersätzen (Zuteilungsgebühren) stehen, sodass es einer Aufrechnung von Zuteilungsgebühren mit den durch die Dienstzuteilung verursachten Unterkunfts- und Fahrtkosten bedürfte.

Diese Rechtsansicht vermag der Referent nicht zu teilen. Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gehören Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden, nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (soweit sie die im Gesetz genannten Sätze nicht übersteigen). Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) dürfen nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Werden von einem Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Kostenersätze gezahlt, die gemäß § 26 EStG 1988 zu den nicht steuerbaren Einnahmen gehören, kann der Arbeitnehmer gemäß § 20 Abs. 2 EStG die ihm ersetzten Ausgaben nicht als Werbungskosten abziehen. Das Abzugsverbot bedarf eines klar abgrenzbaren, objektiven Zusammenhanges zwischen den Einnahmen und den Ausgaben (VwGH 16.12.1986, 84/14/0127). Die Grenze der Anwendbarkeit der Bestimmung liegt dort, wo kein solcher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben feststellbar ist (Quantschnigg/ Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Rz. 42 zu § 20). Bei der in Rede stehenden Zuteilungsgebühr handelt es sich nach § 22 Dienstreiseverordnung (RGV), BGBl. II Nr. 306/1997, um Tagesgebühren zur (ausschließlichen) Abgeltung von (dienstortbedingten) Verpflegungsmehraufwendungen. Nachdem sohin mit den durchgehend (auch für die am Wohnort verbrachte Freizeit) zustehenden Zuteilungsgebühren nach § 22 RGV keine Fahrtkosten für Heimfahrten ersetzt werden, besteht sohin zwischen diesen und den aus Anlass der Heimreise anfallenden Fahrtkosten kein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG 1988. Aus der vorliegenden Gesetzeslage ergibt sich somit keine Kürzung der Werbungskosten für Familienheimfahrten um die für auch am Wohnort verbrachten dienstfreien Zeiten gezahlten Zuteilungsgebühren. Eine Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 20 Abs. 2 EStG 1988 in Fällen, in denen nach der Dienstreiseverordnung steuerfrei belassene Leistungen des Arbeitgebers nicht mehr der Charakter eines Reisekostenersatzes (im Sinne der allgemeinen Begriffsbestimmung des § 26 Z 4 zweiter Satz EStG 1988) zukommt, kann aus dem Gesetz in keinem Fall abgeleitet werden.

Aus den dargestellten rechtlichen Ausführungen ergibt sich, dass das Finanzamt bei einer zum Zeitpunkt der Erlassung des (wiederaufzunehmenden) Einkommensteuerbescheides bereits gegebenen Kenntnis von den streitgegenständlichen Aufwendungen für Familienheimfahrten im Jahr 2002 angehalten gewesen wäre, bei gesetzeskonformer Auslegung obiger gesetzlicher Bestimmungen einen im Spruch anders lautenden Einkommensteuerbescheid 2002 herbeizuführen. Der vom Berufungswerber geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund hat somit nach Auffassung des Referenten einen Einfluss auf die Sachentscheidung, da bei richtiger rechtlicher Subsumtion des nunmehr gegebenen Sachverhaltes ein vom wiederaufzunehmenden Einkommensteuerbescheid 2002 abweichender Bescheidspruch zu erlassen sein wird.

Die Ausführungen des Finanzamtes in der händischen Bescheidbegründung zur Berufungsvorentscheidung vom 25. Juli 2006, der zur Folge die Kenntnis der streitgegenständlichen Kosten für doppelte Haushaltsführung keine Änderung des Bescheidspruches begründen könnten, kann der Referent nicht folgen, beruhen diese doch nicht auf der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung des wiederaufzunehmenden Bescheides gegebenen Rechtslage. Das Finanzamt verweist in seiner Begründung zum einen auf Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates, welche erst nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides (mit Ausfertigungsdatum 8. April 2003) ergangen sind (RV/2305-W/02 am 21. Juli 2003 und RV/0336-I/03 am 13. Mai 2004) bzw. welches über die vorliegende Rechtsfrage nicht explizit abspricht (RV/0276-F/02 vom 10. März 2003) und zum anderen auf Doralt, Einkommensteuergesetz4, Kommentar, Tz. 104/11 zu § 20, in welchem dieser jedoch lediglich unkommentiert die Lohnsteuerrichtlinien (LStRL 1999), Rz. 356 und 740, sowie das Lohnsteuerprotokoll 1997, AÖF 1997/185, sohin Rechtsmeinungen des Bundesministeriums für Finanzen, wiedergibt. Nachdem - wie von der Abgabenbehörde in ihrer Bescheidbegründung selbst dargelegt wird - bei Beurteilung der Auswirkung des Wiederaufnahmsgrundes auf den Bescheidspruch ausschließlich auf die zum Zeitpunkt des wiederaufzunehmenden Bescheides gegebene Rechtslage, nicht jedoch auf die damalige Verwaltungsübung oder Rechtsmeinung des Organwalters abzustellen ist, können diese Ausführungen den Rechtsstandpunkt der Abgabenbehörde nicht begründen. Die zum Zeitpunkt der Erlassung des wiederaufzunehmenden Bescheides bereits gegebene Rechtslage sieht jedoch - wie bereits oben dargelegt - keinesfalls eine Gegenverrechnung der Tagesgelder mit den angefallenen Fahrtkosten vor.

Zusammenfassend ist sohin auszuführen, dass dem Antrag des Berufungswerbers neu hervorgekommene Tatsachen zugrunde liegen, welche geeignet sind, einen im Spruch anders lautenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 herbeizuführen.

Gemäß § 307 Abs. 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dazu werden unterschiedliche Ansichten vertreten:

Nach Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz, BAO, § 307 Anm. 5, setzt eine Verbindung von Bescheiden voraus, dass für beide Maßnahmen dieselbe Abgabenbehörde sachlich zuständig ist. Dies ist nicht der Fall, wenn - wie hier - ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zunächst von der Abgabenbehörde erster Instanz abgewiesen wurde, einer dagegen gerichteten Berufung aber von der Abgabenbehörde zweiter Instanz stattgegeben wird. Zur Erlassung der neuen Sachentscheidung bleibt die Abgabenbehörde erster Instanz zuständig, zumal andernfalls die Rechtsmittelmöglichkeiten der Partei (§ 78 BAO) eingeschränkt wären. Nach Stoll (BAO, 2966 und 2969) hat die Rechtsmittelbehörde bei Stattgabe der Berufung gegen die Abweisung des Wiederaufnahmsantrages den angefochtenen Bescheid aufzuheben, um die Abgabenbehörde erster Instanz in die Lage zu versetzen, die gemäß § 307 Abs. 1 BAO zu verbindende Wiederaufnahms- und Sachentscheidung im selben Rechtsgang zu fällen. Bibus (Wiederaufnahme, in Betriebsprüfung III, 62) hingegen geht vom Vorrang des § 307 Abs. 1 BAO aus. Daraus ergebe sich gegebenenfalls die sachliche Zuständigkeit der zur Wiederaufnahme zuständigen Behörde für die Erlassung des neuen Sachbescheides (vgl. Ritz, BAO³, § 307, Tz 6).

Der erstgenannten Variante ist aus den angeführten Rechtsschutzerwägungen (Wahrung des Instanzenzuges und der damit verbundenen Rechtsmittelbefugnis) der Vorzug zu geben. Der neue Sachbescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2002 wird daher im wiederaufgenommenen Verfahren vom Finanzamt auszufertigen sein.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 4. September 2007

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Wiederaufnahme, Antrag, Bescheidspruch, Spruch, Sachlage, Rechtslage, Zeitpunkt, Kenntnis, Verwaltungsübung, Rechtsmeinung

Stichworte