UFS RV/0663-I/06

UFSRV/0663-I/067.3.2007

Es ist Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind (VwGH 30.9.1987, 87/13/0006). Ebenso muss ein Aufhebungsbescheid die Voraussetzungen des § 299 BAO darlegen.

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Stb, vom 23. Oktober 2006 gegen die Bescheide des Finanzamtes vom 22. September 2006 betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2003, gegen den Bescheid, mit dem der am 29.5.2006 ausgefertigte Einkommensteuerbescheid 2004 aufgehoben wurde, gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 und gegen die Bescheide betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen für 2003 und 2004 entschieden:

Der Berufung gegen den Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2003 und gegen den Bescheid, mit dem der Einkommensteuerbescheid 2004 aufgehoben wurde, wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Die Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 wird als unzulässig geworden zurückgewiesen.

Die Berufung gegen die Bescheide betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Abgabepflichtige wurde mit Bescheiden vom 4.5.2005 betreffend Einkommensteuer 2003 und vom 29.5.2006 betreffend Einkommensteuer 2004 veranlagt. Die Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen. Mit den am 22.9.2006 ausgefertigten Bescheiden verfügte das Finanzamt hinsichtlich Einkommensteuer 2003 die Wiederaufnahme des Verfahrens, der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2004 wurde gemäß § 299 BAO aufgehoben. Mit gleichem Datum (22.9.2006) wurden neue, zu Steuernachforderungen führende Sachbescheide betreffend Einkommensteuer 2003 und 2004 sowie Bescheide betreffend die Festsetzung von Anspruchszinsen ausgefertigt.

Der Abgabepflichtige erhob "gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 und die Festsetzungen der Anspruchszinsen 2003 und 2004 vom 22.9.2006" Berufung. Er wendete ein, weder "in der Begründung zur Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich des Jahres 2003" noch "in der Begründung zur Aufhebung bezüglich des Jahres 2004" seien die Gründe für die Wiederaufnahme bzw. Aufhebung ersichtlich. Ihm sei auch nicht bekannt, "welche Berechnungen das Finanzamt angestellt" habe. Er habe daher keine Möglichkeit, inhaltlich zu den erfolgten Änderungen Stellung zu nehmen. Er beantrage die Aufhebung der bekämpften Bescheide. Die Berufung wurde unmittelbar beim Unabhängigen Finanzsenat eingebracht.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Berufung richtet sich nach ihrer Überschrift "gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 und die Festsetzungen der Anspruchszinsen 2003 und 2004 vom 22.9.2006". Für die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sich die Berufung richtet, schreibt die BAO keine bestimmte Form oder bestimmte Formel vor. Die Bezeichnung kann auch z.B. durch Wiedergabe des Bescheidinhaltes erfolgen, sofern dies im konkreten Fall genügt, um Zweifel oder Missverständnisse über den Gegenstand der Berufung auszuschalten. Entscheidend ist, ob aus dem gesamten Inhalt der Berufung hervorgeht, wogegen sie sich richtet (Ritz, BAO, Kommentar, 3. Auflage, Tz 4 ff zu § 250).

In der Berufung wird unter teilweiser Zitierung der Begründung zum Wiederaufnahme- und Aufhebungsbescheid ausgeführt, dass die Gründe für die Wiederaufnahme und die Bescheidaufhebung nicht bekannt seien. Der Berufungsantrag lautet auf Aufhebung der Bescheide "infolge Verfahrensmangels". Somit geht aus den Berufungsausführungen eindeutig hervor, dass sich die Berufung auch gegen den Wiederaufnahme- und Aufhebungsbescheid richtet. Dies ungeachtet des Umstandes, dass in der Berufungsüberschrift nur die Sachbescheide (Einkommensteuer und Festsetzung von Anspruchszinsen) genannt sind.

1. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2003:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Dabei ist es Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind (VwGH 30.9.1987, 87/13/0006).

Der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2003 enthält folgende Begründung:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO, weil Tatsachen neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Das Finanzamt stützte die Wiederaufnahme des Verfahrens auf das Hervorkommen neuer Tatsachen. Dem Bescheid ist jedoch nicht zu entnehmen, welche Tatsachen oder Beweismittel konkret zur Verfahrenswiederaufnahme geführt haben und wie die Behörde Kenntnis von diesen Wiederaufnahmsgründen erlangt hat. Zu beachten ist auch, dass die Wiederaufnahme im Ermessen der Behörde liegt und die Ermessensübung ebenfalls entsprechend zu begründen gewesen wäre (vgl. Ritz, BAO, 3. Auflage, Rz 37 zu § 303). Da der bekämpfte Bescheid diesen Anforderungen nicht entspricht, war der Berufung in diesem Punkt stattzugeben und der Bescheid, mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt wurde, aufzuheben.

2. Aufhebung gemäß § 299 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2004:

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen. Sie hat weiters die Gründe für die Ermessensübung darzustellen (Ritz, BAO, 3. Auflage, Rz 40 zu § 299). Der Bescheid, mit dem der Einkommensteuerbescheid 2004 aufgehoben wurde, ist wie folgt begründet:

"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist."

Die Begründung des angefochtenen Aufhebungsbescheides beschränkt sich somit auf die Wiedergabe des § 299 Abs. 1 BAO. Es wird nicht ausgeführt, worin die Unrichtigkeit des Bescheidspruches nach Ansicht des Finanzamtes konkret besteht. Auch fehlt eine Begründung für die Ermessensübung. Der Berufung war daher auch in diesem Punkt Folge zu geben.

3. Sachbescheide:

Durch die Aufhebung der verfahrensrechtlichen Bescheide (Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2003; Aufhebung gem. § 299 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2004) treten die neuen Sachbescheide (betreffend Einkommensteuer 2003 und 2004) ex lege aus dem Rechtsbestand. Soweit sich die Berufung gegen die Sachbescheide richtet, war sie daher als unzulässig (geworden) zurückzuweisen.

4. Bescheide betreffend die Festsetzung von Anspruchszinsen:

Anspruchszinsenbescheide sind an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommen- (Körperschaft-) steuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung oder Gutschrift gebunden (Ritz, SWK 2001, S. 27 ff). Zinsenbescheide sind daher nicht mit der Begründung anfechtbar, der zu Grunde liegende Stammabgabenbescheid sei rechtswidrig. Erweist sich nachträglich die Rechtswidrigkeit der maßgebenden (Nachforderungszinsen bedingenden) Abgabenfestsetzung, so egalisiert ein zu erlassender Gutschriftszinsenbescheid die Belastung mit Nachforderungszinsen (vgl. auch Erl. zu Art 27 Z 8 der 311 BglNR 21. GP). Die Berufung gegen die Bescheide betreffend die Festsetzung von Anspruchszinsen war daher abzuweisen.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 7. März 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Wiederaufnahme des Verfahrens, Bescheidaufhebung, Anspruchszinsen

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