Ansuchen um Nachsicht im Sinne des § 236 BAO
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des H.S., vom 16. Juli 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom 23. Juni 2005 betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schriftsatz vom 4.7.2003 suchte der Berufungswerber (Bw) um Nachsicht der aushaftenden Beträge aus Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Säumniszuschläge in einer Höhe von gesamt € 6.574,41 an. Der aushaftende Betrag resultiert aus einer für die Jahre 1997 bis 2000 gem. § 151 Abs 3 Bundesabgabenordnung (BAO) im Unternehmen des Bw durchgeführten Betriebsprüfung. In der Begründung führte der Bw aus, dass aufgrund von Sparmaßnahmen im Wirtschaftsministerium die Gelder für zugesagte Studien ersatzlos gestrichen worden und darüber hinaus sämtliche Reserven aufgebracht seien. Die offenen Zahlungen könnten damit nicht mehr erfüllt werden. In einem Ergänzungsersuchen wurde der Bw aufgefordert seine wirtschaftlichen Vermögensverhältnisse offen zu legen. In einem persönlichen Gespräch mit der Sachbearbeiterin W. am 21. 3.2003 wurde die Aussetzung der Abgaben für ein Jahr vereinbart, wobei der Antrag auf Nachsicht bestehen blieb.
Mit Bescheid vom 23. 6. 2005 wurde das Ansuchen des Bw hinsichtlich der Nachsicht der Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 6.574,41 abgewiesen.
Der Bw führte in seiner Berufung begründend aus, dass bei der Betriebsprüfung unter Angabe neuer Bestimmungen durch den Finanzminister systematisch betriebswichtige Ausgabeposten (Betriebsstätte, Computer, Diäten etc) gestrichen worden seien. Für die Firmenbusse sei kein Vorsteuerabzug gewährt worden. Aufgrund rigoroser Streichungen von innovativen Studienprojekten im Bereich Freizeit und Tourismus sei sein Einkommen in die Verlustzone gerutscht. Durch Vermarktung von Dienstleistungen in Spanien habe er versucht fällige Rückzahlungen zu tilgen. Die Forderung des Finanzamtes übersteige aber seine finanziellen Möglichkeiten. Ein 50% Schuldennachlass könnte die finanzielle Existenz seines Einmannbetriebes retten, zumal ein nicht unerheblicher Teil der Rückstandes wegen Unvereinbarkeit mit geltendem EU-Recht (EuGH Spruch von 1/2001) sowieso nicht rechtens sei.
Die Berufung wurde seitens der Behörde mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom 30.8.2005 unter Hinweis auf die fehlende sachliche und persönliche Unbilligkeit im Einzelfall als unbegründet abgewiesen.
In seiner am 28.9.2005 eingebrachten Berufung argumentierte der Bw damit, dass ein großer Teil der Forderungen (Nichtanerkennung der Mehrwertsteuer für Firmenbus) geltendem EU-Recht widerspräche.
Am 20.12.2005 wurde die Berufung der Abgabenbehörde II. Instanz zur Entscheidung vorgelegt.
Im Zuge des zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens wurden am 27.12.2006 bzw. am 12.1.2007 Ergänzungsschreiben einerseits durch den Bw selbst, andererseits durch seinen steuerlichen Vertreter eingebracht: Der Bw verweist darin erneuert daraufhin, dass die Nichtanerkennung der Vorsteuer für Firmen-Kleinbusse EU-widrig und damit nicht exekutierbar sei. Unter Bezugnahme auf die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes führte der Bw aus, dass sich die Höhe der - nach seinen Angaben zum Vermögensverzeichnis - noch ausstehenden Verbindlichkeiten vorwiegend aus Privatdarlehen von Freunden und Verwandten zusammensetzen würden.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung abgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Abgabenbehörde hat im Falle eines Ansuchens auf Nachsicht zunächst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff der "Unbilligkeit" der Einhebung nach Lage des Falles entspricht. Verneint sie die Frage, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, sondern der Antrag schon aus rechtlichen Gründen abzuweisen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, VwGH, v. 28.11.2001, 2000/13/0025).
Es ist daher in der ersten Verfahrensphase der maßgebliche Rechtsbegriff der Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO näher zu untersuchen. Dabei ist der Zweck dieser Rechtsnorm zu beachten. Durch § 236 BAO soll die Möglichkeit geschaffen werden, eine im Einzelfall eingetretene und vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Strenge der Abgabenvorschriften durch Billigkeitsmaßnahmen entweder zu beseitigen oder doch zu mildern.
Die in den Abgabenverfahrensgesetzen als Voraussetzung für eine Nachsicht der Einhebung der Abgabe erforderliche Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine "sachliche Unbilligkeit" ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus "persönlichen " Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ereignis eintritt. In der allgemeinen Auswirkung einer generellen Norm ist eine solche Unbilligkeit aber nicht gelegen. Ein Umstand, der auch bei allen anderen Abgabepflichtigen in der gleichen Lage hätte eintreten können und den der Gesetzgeber daher hätte voraussehen können, vermag nicht zur Annahme der Unbilligkeit zu führen. Die sachliche Unbilligkeit muss eine Unbilligkeit der Einhebung und nicht eine Unbilligkeit der Festsetzung sein (VwGH v.4.3.1999, 96/16/0221). Zur Annahme einer sachlichen Unbilligkeit muss es jedenfalls zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit des Einhebungseinzelfalles ist eben nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden.
Obwohl es im gegenständlichen Verfahren nicht Aufgabe der Rechtsmittelbehörde ist, auf die Vorschreibung der Abgaben einzugehen, wird der Vollständigkeit halber folgendes festgestellt:
Eine Betriebsprüfung des Finanzamtes im Unternehmen des Bw für die Jahre 1997 bis 2000 ergab eine Nachforderung in Höhe von € 6.574,41. Der Betrag ergab sich dadurch, dass es im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens zu Vorsteuerberichtigungen durch die Behörde kam. Wenn der Bw nun vermeint, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Nachforderung-Umsatzsteuer auf die Nichtanerkennung der Vorsteuer für Firmen-Kleinbusse zurückzuführen sei (Schreiben vom 16.7.2005, 28.9. 2005, 25.6.2005, 27.12.2006), so muss dem klar widersprochen werden:
Zum einen resultiert der Großteil der Vorsteuerberichtigung aus einer Richtigstellung bzw Korrektur der vom Bw für u a. Reisekosten, Diäten, nicht beigebrachte bzw. nicht ordnungsgemäße Rechnungen, Kfz-Kosten, wie Reifen, Reparaturkosten Kfz Gattin, Wirtschaftsgeld für die Gattin etc. geltend gemachten Vorsteuern.
Einwände seitens des Bw gegen eine aus einer Betriebsprüfung resultierenden Nachforderung sind Einwendungen gegen die Abgabenfestsetzung. Die Unbilligkeit muss sich aber, soll sich nachsichtsbedeutsam sein, auf die Einhebung einer Abgabe beziehen. Eine in der Abgabenfestsetzung gelegene Unbilligkeit rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH keine Nachsicht im Sinne des § 236 BAO. Versäumte bzw nicht erhobene Rechtsmittel können grundsätzlich nicht im Nachsichtsverfahren nachgeholt und geheilt werden.
Zum anderen muss hinsichtlich der " ungerechtfertigten " Vorsteuerverweigerung durch die Behörde betreffend die beiden Kleinbusse Nachstehendes festgehalten werden:
Mit Erlass vom 24.1.2002, GZ 09 1202/4-IV/9/02 hat das Finanzministerium zu den Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 8.1.2002, RS. C-409/99 , Stellung genommen. Demnach war die Abgrenzung von vorsteuerabzugsberechtigten Kleinbussen gegenüber nicht vorsteuerabzugsberechtigten Personen-und Kombinationskraftwagen wieder nach der Erlassregelung, wie sie zum 1.1.1995 bestanden hat, vorzunehmen. Nach der Erlassregelung des Finanzministeriums war das EuGH Urteil in all jenen Fällen anzuwenden, in denen das Abgabenverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war. Damit wurde aber in Kauf genommen, dass nicht alle sachlich gleich gelagerten Fälle durch die Rechtsprechung des EuGH auch gleich behandelt wurden. Die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Besteuerung von Fällen führen notwendigerweise, je nachdem, ob die entsprechenden Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen waren und nicht, ob die Sachverhalte vor oder nach der Änderung verwirklicht worden sind, zu subjektive Härten. Die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Belastung treten aber in allen gleichen Lagen und damit allgemein ein und führen ebenso wenig wie Gesetzesänderungen oder Änderungen in der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen und daher auch nicht zur Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall (VwGH 30,5,1990, 89/13/0266).
Im gegenständlichen Fall waren zum entscheidenden Zeitpunkt bereits sämtliche relevanten Abgabenbescheide in Rechtskraft erwachsen und damit die Verfahren rechtskräftig abgeschlossen, sodass der Bw nicht mehr in den Genuss eines rückwirkenden Vorsteuerabzuges in Bezug auf die Firmen-Kleinbusse kommen konnte. Die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung in der Besteuerung betraf aber alle, deren Verfahren zum entscheidenden Zeitpunkt bereits rechtskräftig abgeschlossen waren. Daher muss der Einwurf des steuerlichen Vertreters des Bw dahingehend (Schreiben vom10.1.2007 ), dass durch den Umstand, dass alle noch offene Verfahren in den Genuss der Rechtsprechung des EuGH gelangt seien, beim Bw im Fall der Einhebung dieser Rückstände eine im Vergleich mit derartigen Fällen eine anormale Belastungswirkung und unproportionalen Vermögenseingriff auslösen, ins Leere gehen.
Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber. Ihm obliegt es im Sinne seiner Mitwirkungspflicht, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1992, 91/13/0225).
Der Bw zeigte nicht auf, inwiefern es im gegenständlichen Fall zu einer - verglichen mit anderen Fällen, bei denen es ebenfalls - infolge der bereits eingetretenen Rechtskraft der Bescheide - zu einer Verweigerung des Vorsteuerabzuges kam, atypischen Belastungswirkung und zu einem vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigten Ergebnis gekommen ist.
Die "persönliche Unbilligkeit" ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers. Eine persönliche Unbilligkeit würde insbesondere dann vorliegen, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtwerbers gefährdet. Zur Bewilligung einer Nachsicht (aus "persönlichen" Gründen) bedarf es nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, einer Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (Hinweis E 2.12.1988, 87/17/0326).
Die Existenzgefährdung müsste gerade durch die Einhebung der Abgaben verursacht oder entscheidend mitverursacht sein (VwGH v. 1.7.2003/2001/13/0215).
Wie bereits oben ausgeführt, hat der Bw jene Umstände, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann, dazutun, und zwar von sich aus, ohne dass es noch gesonderte Aufforderungen bedarf.
Dargetan hat der Bw durch Vorlage der Vermögensverhältnisse und weiterer Eingaben (letzte vom 27.12.2006), dass sich der Schuldenstand zum einen aus Forderungen zweier Banken und zum anderen zum weitaus überwiegenden Teil aus Privatdarlehen von Freunden und Verwandten zusammensetzt. Bei Sanierung eines Unternehmens kann im Rahmen eines "Ausgleiches" der Verzicht auf die Einhebung von Abgabenschulden zur Sanierung des Unternehmens beitragen, weswegen in einem solchen Fall die Einhebung der (gesamten) Abgabenschulden unbillig sein könnte. Die Abgabenbehörde ist zur Gewährung einer Abgabennachsicht aber dann nicht verhalten, wenn nicht sichergestellt werden kann, dass auch die verbleibenden Gläubiger auf (einen Teil) ihrer Forderungen verzichten. Denn eine Abgabennachsicht ist dann nicht zweckmäßig, wenn durch eine derartige Maßnahme nur ein geringer Teil der aushaftenden Schulden nachgelassen wird, oder die Abgabennachsicht sich nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirkt (VwGH v. 24.9.2002, 2002/14/0082).
Fest steht aber, dass der zur Nachsicht beantragte Betrag in Höhe von € 6.574,41 nur einen geringen Teil der gesamten Schulden des Bw ausmacht. Die Sanierung bzw wirtschaftliche Besserung des Unternehmens kann daher nicht allein auf die Nachsicht des beanspruchten Abgabenbetrages gestützt werden.
Um die wirtschaftliche Existenz des Bw zu sichern, haben daher alle Gläubiger, Banken wie private Darlehensgeber, einem zumindest teilweisen Forderungsverzicht zuzustimmen.
Gerade diese hat der Bw in keinster Weise nachweisen können. Der Bw behauptet nicht, dass andere Gläubiger (Banken, Privat-Darlehensgeber) auf ihre Forderungen verzichtet hätten. Vielmehr verweist der Bw in seinem Schreiben vom 27.12.2006 darauf hin, dass die Privat-Gläubiger ihre Darlehen sehr wohl "zurückhaben" wollen, wenn auch nicht sofort.
Der Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie den nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zu berücksichtigenden Umstand, dass sich eine allfällige Nachsicht nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde, als einen Grund wertet, der gegen die Gewährung der Nachsicht spricht.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Nachsichtswerber keine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO aufzeigen konnte. Da sohin keine Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben zu erkennen war, ist die Berufung aus Rechtsgründen abzuweisen, ohne dass es der Rechtsmittelbehörde möglich gewesen wäre, in eine Ermessensentscheidung einzugehen.
Die Berufung war als unbegründet abzuweisen.
Salzburg, am 30. Jänner 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Nachsicht, persönliche Unbilligkeit, sachliche Unbilligkeit |