Familienheimfahrten eines kroatischen Gastarbeiters.
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/15/0056 eingebracht. Mit Erk. v. 2.9.2009 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Weihburggasse 20, vom 5. März 2004 gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom 2. Februar 2004 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2002 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber ist seit dem Jahr 1992 in Österreich berufstätig. Im Zuge seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2002 machte er in gleicher Weise wie für die Vorjahre regelmäßige Heimfahrten zu seiner in Z (Kroatien) lebenden Ehefrau und seinen beiden im Berufungsjahr bereits volljährigen Kindern als Werbungskosten geltend. Die Aufwendungen wurden in der Arbeitnehmerveranlagung nicht anerkannt.
In der dagegen eingebrachten Berufung hielt der Berufungswerber durch seinen zwischenzeitig bevollmächtigten steuerlichen Vertreter den Antrag auf Berücksichtigung der Familienheimfahrten weiterhin aufrecht und verwies als Begründung auf sein Vorbringen zu den gleichartigen Anträgen in den früheren Jahren. In diesen wurde die Unzumutbarkeit einer Verlegung des Familienwohnsitzes im Wesentlichen damit begründet, dass er in Kroatien Haus samt Hof und Wiese besitze, was eine materielle Absicherung bedeute, falls er in Österreich keine Beschäftigungsbewilligung mehr erhalten sollte. In Österreich hätte er jedoch nur eine Schlafstelle zur Verfügung. Seine Ehefrau sei seit 1998 in Kroatien beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und müsse daher im Land bleiben. Er selbst sei in den letzten Jahren bei verschiedenen Arbeitgebern in Österreich an unterschiedlichen Orten tätig gewesen, weshalb eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich nicht zweckmäßig erschienen sei. Außerdem hätte er als kroatischer Staatsbürger lediglich über befristete Beschäftigungsbewilligungen verfügt. Ebenso wie er würden auch seine Ehefrau und seine mit ihm in gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder als Fremde aus einem Drittstaat eine entsprechende Niederlassungsbewilligung benötigen, wobei dies an der seit dem Jahr 1993 eingeführten "Quotenregelung" scheitern könnte.
Folgende ergänzende Feststellungen wurden bereits zu seinen Anträgen betreffend die Vorjahre getroffen: Bei dem "Haus samt Hof und Wiese" handelte es sich um ein Grundstück mit 831 m². Richtig ist, dass der Berufungswerber in den ersten Jahren seiner beruflichen Tätigkeit mehrfach den Arbeitgeber gewechselt hatte, seit dem Jahr 2000 bis laufend ist er jedoch nur bei ein und demselben Arbeitgeber beschäftigt. Seit Juli 2001 verfügt er über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung im Bundesgebiet.
Auf Grund letzterer Feststellung erging im Zuge des weiteren Berufungsverfahrens eine Anfrage an den Berufungswerber, ob er zwischenzeitig auch eine Aufenthaltsgenehmigung für seine Ehegattin beantragt hätte. Hiezu gab der steuerliche Vertreter des Berufungswerbers folgende Stellungnahme ab: Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zugunsten der Ehefrau des Berufungswerbers sei bislang nicht beantragt worden. Der Berufungswerber verfüge seit Juli 2001 über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung. Selbst für den Fall, dass er zeitlich daran anschließend sofort einen Aufenthaltstitel für die Ehegattin beantragt hätte, hätte die Ehefrau einen solchen Aufenthaltstitel aufgrund der Quotenpflicht und der damals in aller Regel mehr als einjährigen Wartefrist im Jahr 2002 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht erhalten können. Ein Nachzug der Ehefrau sei daher im Jahr 2002 allein aufgrund der fremdenrechtlichen Bestimmungen (noch) nicht möglich gewesen. Hinsichtlich der Folgejahre (ab 2003) würden noch weitere Erhebungen betreffend die Ehefrau (Beschäftigung oder Arbeitslosenmeldung in Kroatien) und betreffend die Unterkunft des Berufungswerbers in Österreich gepflogen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Hingegen dürfen nach § 20 Abs. 1 EStG 1988 bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:
1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.
2.a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, so können Familienheimfahrten vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten sein, nämlich dann, wenn die Beibehaltung des Wohnsitzes außerhalb der üblichen Entfernung vom Arbeitsort aus beruflichen Gründen erfolgt.
Zur Problematik, inwieweit steuerlich beachtliche berufliche Gründe vorliegen, wurden durch die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits mehrfach Abgrenzungen vorgenommen. So ist eine einkünftemindernde Berücksichtigung von Heimfahrtkosten etwa dann möglich, wenn die Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes unzumutbar ist, weil keine die Begründung eines Familienwohnsitzes rechtfertigende dauernde Arbeitsstelle vorliegt oder weil der Ehegatte am Ort des Familienwohnsitzes selbst berufstätig ist und steuerlich relevante Einkünfte erzielt (vgl. VwGH 17.2.1999, 95/14/0059 oder VwGH 27.2.2002, 98/13/0122). Wiederholt hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung und daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (z.B. VwGH 15.11.2005, 2005/14/0039).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtssprechung wurden für die Vorjahre Aufwendungen für laufende Familienheimfahrten des Berufungswerbers als Werbungskosten anerkannt, dies insbesondere aufgrund der Überlegung, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich unzumutbar sei, solange der Berufungswerber in Ermangelung einer dauerhaften finanziellen Absicherung nach den damaligen Bestimmungen des Fremdengesetzes auch kaum eine Chance auf eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung hatte und daher unsicher war, ob er die Arbeitsmöglichkeit in Österreich überhaupt beibehalten könne, zumal bis zum Jahr 2000 auch noch ein minderjähriger Sohn in Kroatien die Schule besuchte.
Anders stellt sich die Situation im Berufungsjahr 2002 dar: Der Berufungswerber verfügt bereits seit Juli 2001 über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung im Bundesgebiet, und er ist auch seit dem Jahr 2000 bis laufend bei einem fixen Arbeitgeber beschäftigt. Damit sind die wesentlichsten Gründe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar gemacht haben, bereits während des Jahres 2001 weggefallen. Das "Haus samt Hof und Wiese", über das er in Kroatien verfügt, entspricht mit 831 m² einer durchschnittlichen Bauparzelle mit Einfamilienhaus - eine materielle Absicherung kann ein derartiges Grundstück auch in Kroatien unter Berücksichtigung der dortigen Lebenshaltungskosten nicht bieten. Auch eine offensichtlich seit Jahren erfolglose Meldung der Ehegattin beim kroatischen Arbeitsamt konnte im Jahr 2002 keinen ernsthaften Grund bieten, ihren Wohnsitz nicht nach Österreich zu verlagern - nach einer Meldung aus dem Jahr 2004 war die Ehegattin auch zu dieser Zeit dort noch als arbeitslos gemeldet. Die beiden Söhne des Berufungswerbers sind im Berufungsjahr bereits volljährig. Wenn sie auch als Studenten vom Berufungswerber noch erhalten werden, so ist dennoch eine persönliche Betreuung durch die Mutter nicht mehr erforderlich. Bei dieser Sachlage hätten im Berufungsjahr keine Gründe von objektivem Gewicht mehr dagegen gesprochen, eine Verlegung des Familienwohnsitzes zu veranlassen.
Wenn der Berufungswerber einwendet, dass selbst bei sofortiger Beantragung eines Dauer-Aufenthaltstitels für die Ehefrau mit Juli 2001 ein solcher Aufenthaltstitel sicherlich für das Jahr 2002 noch nicht erteilt worden wäre, so mag dies dahingestellt bleiben. Wenn der Berufungswerber jedoch bisher nicht einmal versucht hat, einen Aufenthaltstitel für die Ehegattin zu erhalten, so sind derartige Überlegungen unerheblich, bringt er damit doch zum Ausdruck, dass er den Familienwohnsitz jedenfalls weiterhin - aus welchen Gründen auch immer - in Kroatien beibehalten will. Damit sind die laufenden Familienheimfahrten, die sich dadurch wohl zwangsläufig weiterhin ergeben, auf Gründe zurückzuführen, die zu keiner steuerlichen Berücksichtigung führen können. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch die Frage der derzeitigen Unterbringung des Berufungswerbers in Österreich, da er während seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich jedenfalls die Möglichkeit gehabt hätte, eine geeignete Familienwohnung zu beschaffen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Linz, am 26. Jänner 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Familienheimfahrten, berufliche Gründe |
Verweise: |