UFS RV/0059-F/06

UFSRV/0059-F/066.9.2006

Qualifikation der Einkünfte eines Geschäftsführers als solche gemäß § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/15/0305 eingebracht. Mit Erk. v. 28.5.2008 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Adr, vertreten durch Dr. Rudolf Rudari, Steuerberater, 6706 Bürs, Felderstraße 5, vom 31. Oktober 2005 gegen die Abgaben- und Haftungsbescheide gemäß § 82 EStG 1988 des Finanzamtes Feldkirch vom 18. Oktober 2005 betreffend die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe (§ 41 FLAG) und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 WKG) für die Jahre 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004 entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Im Betrieb der Berufungswerberin fand eine Prüfung von lohnabhängigen Abgaben für den Zeitraum 1.9.2000 bis 31.12.2004 statt. Der Prüfer stellte abschließend fest, dass von den dem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer WM zugeflossenen Bezügen und Vorteilen keine Beiträge gemäß § 41 FLAG ("DB") und keine Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag gemäß § 122 WKG ("DZ") für die Jahre 2000 bis 2004 einbehalten und abgeführt worden seien. In der Folge ergingen an die Berufungswerberin als Dienstgeberin gerichtete Haftungs- und Abgabenbescheide, die die entsprechenden Beiträge und Zuschläge zur Vorschreibung brachten. Begründend wurde ausgeführt, die Bezüge und Vorteile eines Gesellschafters (Geschäftsführers) seien DB- und DZ- pflichtig, wenn dieser in den Organismus des Betriebes eingegliedert sei und seine Tätigkeit kontinuierlich ausübe.

In den dagegen erhobenen Berufungen erläuterte der steuerliche Vertreter der Berufungswerberin, Herr WM sei zu 100% Gesellschafter der WH GmbH (= Berufungswerberin). Daneben betreibe er eine Einzelfirma, die die gesamten Geschäfte der Berufungswerberin abwickle. Neben Miete und Personalkosten würden auch Geschäftsführerentgelte an die Berufungswerberin verrechnet. Diese dienten dazu, die Unkosten der Einzelfirma zu decken. Der Zweck der Berufungswerberin als GmbH liege ausschließlich darin, als Schutzschild für die risikoreichen Geschäfte des Herrn WM zu dienen. Dieser handle nämlich mit Rundholz aus Russland. Um die private Existenz des Herrn M abzusichern, sei die Berufungswerberin als GmbH konstituiert worden. Von einer Einordnung des Gesellschafter-Geschäftsführers in den betrieblichen Organismus der Berufungswerberin könne keine Rede sein, eher sei es umgekehrt. Seine Bezüge unterlägen daher nicht der DB- und DZ-Pflicht.

Die Abgabenbehörde I. Instanz wies die Berufungen als unbegründet ab und führte aus: Herr M, der im Prüfungszeitraum Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Berufungswerberin gewesen sei, habe von dieser für seine Tätigkeit Vergütungen erhalten, die als solche gemäß § 22 Z 2 Teilstrich2 EStG 1988 einzustufen seien. Sie gälten als Arbeitslöhne im Sinne des § 41 Abs. 3 FLAG, somit als Beitragsgrundlage für die Bemessung des DB und in weiterer Ableitung des DZ ( § 122 Abs. 7 und 8 WKG). Herr M habe den vom VwGH (VwGH, 29.1.2002, 2001/14/0076) in funktionalem Verständnis geforderten Begriff einer "Eingliederung in den geschäftlichen Organismus" erfüllt. Hinsichtlich der Kriterien für eine Einstufung von Einkünften als solche gemäß § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 sei weiters auf die neueste Rechtsprechung des VwGH zu verweisen (VwGH, 10.11.2004, 2003/13/0018).

Die für eine unternehmerische Tätigkeit gewählte Rechtsform könne naturgemäß in haftungs- und risikorechtlicher Hinsicht von Vorteil sein, in gleicher Weise müßten aber auch etwa steuerrechtliche Besonderheiten mitgetragen werden. Die Berufungswerberin habe umfangreiche Holzhandelsgeschäfte unter Einsatz von Fremdmitteln getätigt, habe Büroräume angemietet, sei Verpflichtungen eingegangen und habe Rechte erworben. Eine Reduzierung ihrer Funktion auf eine lediglich dienende ("Schutzschild") könne nicht erkannt werden. Nähme man eine solche an, so müßten die Gewinne in wirtschaftlicher Betrachtungsweise gemäß § 22 ff BAO dem Geschäftsführer zugerechnet und die von der Berufungswerberin übernommenen Kosten als verdeckte Gewinnausschüttungen eingestuft werden.

In dem daraufhin eingereichten Antrag auf Vorlage der Berufungen an die Abgabenbehörde II. Instanz brachte die Berufungswerberin, vertreten durch ihren Steuerberater, vor, ihr Berufungsbegehren in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Es sei anzumerken, dass das Einzelunternehmen schon wesentlich länger bestehe als die Berufungswerberin. Gesellschaftsrechtlich sei es zwar notwendig, einen Geschäftsführer namhaft zu machen, tatsächlich werde diese Funktion aber nicht von Herrn M, sondern von der Einzelfirma wahrgenommen. Auch gingen die Geschäftsführervergütungen nicht an Herrn M direkt, sondern flössen in das Einzelunternehmen. Aus ihnen würden nämlich sämtliche Unkosten der Einzelfirma getragen. Kapitalgesellschaften würden häufig aufgrund ihrer haftungsbegrenzenden Eigenschaften als Rechtsform gewählt. Die Annahme von verdeckten Gewinnausschüttungen sei rechtlich nicht haltbar.

Seitens des unabhängigen Finanzsenates wurde - unter Abzielung auf fundiertere Ausführungen - im Vorhaltswege folgendes Ersuchen an den steuerlichen Vertreter gerichtet:

Sie werden höflich gebeten, zur Argumentation des Finanzamtes Feldkirch in der Berufungsvorentscheidung vom 27.2.2006 - einer solchen kommt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung Vorhaltscharakter zu - Stellung zu nehmen, hier insbesondere zu den Seiten 6 und 7, die die rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen einer Rechtsformwahl für eine unternehmerische Tätigkeit erläutern.

In seinem Antwortschriftsatz teilte der steuerliche Vertreter in der Folge mit, bereits in seinem Vorlageantrag hinreichend auf die in der Berufungsvorentscheidung vertretene Argumentation eingegangen zu sein. Ihm seien überdies die steuerlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen einer Rechtsformwahl sowie die neuere VwGH-Rechtsprechung zum Gesellschafter-Geschäftsführer klar.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die gesetzlichen Grundlagen für die Erhebung des Dienstgeberbeitrages (§ 41 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 41 Abs. 2 und 3 FLAG, § 47 Abs. 2 EStG 1988, § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b EStG 1988 und § 22 Z 2 EStG 1988) sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 Abs. 7 und 8 WKG 1998) wurden in der Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde I. Instanz, auf die an dieser Stelle verwiesen werden darf, ausführlich erläutert.

Eine Fülle neuerer höchstgerichtlicher Judikate, die ebenfalls in der Berufungsvorentscheidung Erwähnung fanden, definiert, in welchen Fällen Einkünfte nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 - somit Arbeitslöhne, die die Beitragsgrundlage für die Bemessung des Dienstgeberbeitrages (DB) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) bilden - vom wesentlich beteiligten Geschaftsführer einer GmbH erzielt werden. Als Merkmale gelten neben der Eingliederung in den Organismus der Gesellschaft ein Fehlen des Unternehmerwagnisses und eine laufende, wenn auch nicht notwendig monatliche Entlohnung. In seinem Erkenntnis vom 10.11.2004, 2003/13/0018 legt der VwGH diesen - vormals gleichrangig nebeneinander stehenden Elementen - eine unterschiedliche Gewichtung bei: Das Fehlen des Unternehmerrisikos und die als laufend zu erkennende Lohnzahlung seien nur (mehr) dann bedeutend für die Verwirklichung des Tatbestandes gemäß § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988, wenn die Eingliederung des für die Gesellschaft tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft nicht klar zu erkennen wäre.

Strittig ist, ob der Geschäftsführer der Berufungswerberin Einkünfte gemäß § 22Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 erzielt hat.

Wenn der steuerliche Vertreter der Berufungswerberin der erstinstanzlichen Interpretation, wonach der 100%-ige Gesellschafter und Geschäftsführer WM in den rechtlichen und wirtschaftlichen Organismus der berufungswerbenden GmbH eingegliedert sei, mit dem Argument entgegentritt, die Rechtsformwahl samt Geschäftsführerbestellung habe einzig haftungsbeschränkende und risikomindernde Hintergründe, so kann dem nichts abgewonnen werden.

Wohl ist unsere Rechtsordnung vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt, der es den Steuerpflichtigen freistellt, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts nach eigenem Gutdünken einzusetzen. Wurde für die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit eine bestimmte Rechtsform gewählt - wie im Streitfall die einer GmbH - so kann sich diese Wahl aber evidenterweise nicht nur auf als positiv empfundene Begleiterscheinungen wie die Haftungsbeschränkung gemäß § 61 Abs. 2 GmbHG beziehen, sondern umfasst gleichermaßen Pflichten, die etwa eine GmbH als juristische Person zu tragen hat.

Die Berufungswerberin ist - unwidersprochen - als GmbH im Wirtschaftsleben aufgetreten, hat internationale Holzgeschäfte abgewickelt, Fremdmittel aufgenommen und Büroräume gemietet. Herr M ist laut Firmenbuch seit 13.3.1999 zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer bestellt und hat damit seine Aufgabe als Vertreter der GmbH kontinuierlich und über einen längeren Zeitraum wahrgenommen. Der vom VwGH entsprechend einem funktionalem Verständnis geforderten Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der GmbH ist damit Rechnung getragen. Der Umstand, dass Herr M für seine Tätigkeit fortlaufende Vergütungen bezogen hat, tritt zwar nach neuerer höchstgerichtlicher Rechtsprechung neben dem Erfordernis der Eingliederung in den Hintergrund, wird aber an dieser Stelle als weiteres Indiz für die Tatbestandsverwirklichung gemäß § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 erwähnt.

Etwaige, das Innenverhältnis betreffende Absprachen, hinsichtlich geschäftlicher Modalitäten oder Verwendung der Geschäftsführungsentgelte, vermögen an dem Gesamtbild, wonach die Berufungswerberin als juristische Person mit Rechten und Pflichten am Wirtschaftsleben teilnimmt und durch WM als Geschäftsführer vertreten ist, nichts zu ändern.

Die dem Gesellschafter-Geschäftsführer zugeflossenen Vergütungen erfüllen nach dem Ausgeführten die Voraussetzungen für eine Qualifikation als Einkünfte gemäß § 22 Abs. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 und bilden daher nach § 41 Abs. 3 FLAG 1967 sowohl die Beitragsgrundlage für den DB, als auch für den DZ.

Die Berufungen waren insgesamt spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Feldkirch, am 6. September 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 122 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
§ 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Eingliederung in den geschäftlichen Organismus, wesentlich Beteiligter, Geschäftsführer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, unternehmerische Tätigkeit, Rechtsformwahl, Kapitalgesellschaft, Haftungsminderung

Stichworte