Verstößt die Einschränkung der Steuerfreiheit für begünstigte Auslandstätigkeiten auf Arbeitnehmer inländischer Betriebe gegen das Freizügigkeitsabkommen?
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom 2. September 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 2. August 2005 betreffend Einkommensteuer 2004 entschieden:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2004 festgesetzt mit | 0,00 € | |
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (mit Steuerabzug) | 1.887,15 € | |
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (ohne inl. Steuerabzug) | 32.984,32 € | |
Sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag | -6.779,93 € | |
Pauschbetrag für Werbungskosten | -132,00 € | |
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit | 27.959,54 € | |
Davon steuerfrei gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 | 26.083,39 € | |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 1.876,15 € | |
Sonderausgaben | 1.223,00 € | |
Einkommen | 653,15 € | |
Einkommensteuer | 0,00 € |
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber war im Streitjahr 2004 bis zum 30. November dieses Jahres bei einer Schweizer Stickmaschinenherstellerin (L) an deren Hauptsitz in D als Monteur beschäftigt. Aufgrund der Nähe seines Wohnsitzes (B) zum Arbeitsplatz wurde er vom Finanzamt Feldkirch übereinstimmend mit den Schweizer Behörden als Grenzgänger behandelt. Dementsprechend wurden seine im Jahr 2004 erzielten Einkünfte aus der Beschäftigung in der Schweiz mit Bescheid vom 2. August 2005 unter Anrechnung der Schweizer Quellensteuer der österreichischen Einkommensteuer unterzogen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Berufungswerber am 2. September 2005 Berufung. Zur Begründung führte er aus, dass er im Rahmen seiner Grenzgängertätigkeit ausschließlich im Ausland auf Montage gewesen sei und die daraus erzielten Einkünfte daher gem. § 3 Abs. Z 10 EStG 1988 steuerfrei seien.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 17. Oktober 2005 als unbegründet ab, weil die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. nur Arbeitnehmern inländischer Betriebe zustehe, der Berufungswerber aber bei einem ausländischen Betrieb beschäftigt gewesen sei.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 "berief" der Berufungswerber gegen die Berufungsvorentscheidung mit der Begründung, die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. stehe aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes zu. Mit diesem als Vorlageantrag zu wertenden Schreiben galt die Berufung wiederum als unerledigt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Mit Entscheidung vom 29. Mai 2006, RV/0028-F/06, hat der unabhängige Finanzsenat, entschieden, dass mit dem am 21. Juni 1999 abgeschlossenen und am 1. Juni 2002 in Kraft getretenen Abkommen über den freien Personenverkehr zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits (Freizügigkeitsabkommen) die Personenfreizügigkeit, wie sie im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft gelte, auch im Verhältnis zur Schweiz hergestellt sei und die Einschränkung der Steuerfreiheit für begünstigte Auslandstätigkeiten auf Arbeitnehmer inländischer Betriebe gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 lit. a leg. cit. auch gegenüber Arbeitnehmern, die bei einem Schweizer Betrieb beschäftigt sind, eine Ungleichbehandlung darstelle, die gegen die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoße. Die Steuerfreiheit für begünstigte Auslandstätigkeiten ist daher auch auf Arbeitnehmer, die bei einem Schweizer Betrieb beschäftigt sind, anzuwenden. Zur Begründung dieser Rechtsansicht wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Entscheidung RV/0028-F/06 (https://findok.bmf.gv.at ) verwiesen.
Zu prüfen bleibt im vorliegenden Fall allerdings noch, ob auch die übrigen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. vorliegen. Steuerfrei sind die Einkünfte nach dieser Bestimmung nur, wenn sie aus einer begünstigten Auslandstätigkeit iSd § 3 Abs. 1 Z 10 lit. b leg. cit. resultieren und wenn diese Auslandstätigkeit jeweils ununterbrochen über den Zeitraum von einem Monat hinausgeht. Da mit der Schweiz keine umfassende Amtshilfe wie im Gemeinschaftsgebiet durch die Richtlinie RL 77/99 besteht, ist den inländischen Steuerbehörden eine Überprüfung der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit des § 3 Abs 1 Z 10 leg. cit., wie bei Arbeitnehmern, die bei inländischen Betrieben oder bei Betrieben in anderen EU-Mitgliedstaaten beschäftigt sind, nicht möglich.
Dieser Umstand allein hindert aber die Anwendung der in Rede stehenden Steuerfreiheit auf bei Schweizer Betrieben beschäftigten Arbeitnehmern nicht. In der obzitierten Entscheidung vom 29. Mai 2006 hat der unabhängige Finanzsenat entscheiden, dass eine generelle Ablehnung der Steuerfreiheit begünstigter Auslandstätigkeiten von Arbeitnehmern, die bei Schweizer Betrieben beschäftigt sind, aufgrund der vergleichsweise reduzierten Kontrollmöglichkeit unverhältnismäßig wäre. Das (auch vom EuGH anerkannte) Ziel der steuerlichen Kontrolle könne auch dadurch erreicht werden, dass im Einzelfall die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung überprüft würden. Da ein Auslandssachverhalt vorliege, treffe die die Steuerbefreiung geltend machende Partei zwar eine erhöhte Mitwirkungspflicht (vgl. Ritz, BAO³, § 115, Tz 10), mit der die eingeschränkte Ermittlungsmöglichkeit der Behörden bei Auslandssachverhalten und fehlende Amtshilfemöglichkeiten kompensiert würden. Die Abgabenbehörde habe aber unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei oder nicht. Gelinge der Nachweis der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht, so treffe die Beweislast, da es sich um steuerbegünstigende Tatsachen handle, den Abgabenpflichtigen (vgl. Kotschnigg in ÖStZ 1992, S 82 ff., Doralt-Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts, II, 4. Auflage, 264 sowie VwGH 28.2.1995, 95/14/0016).
Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber ein Schreiben seiner Schweizer Dienstgeberin, der L, vorgelegt, in dem diese bestätigt, dass der Berufungswerber in der Zeit vom 14. April 2003 bis 30. November 2004 bei ihr als Auslandsmonteur beschäftigt gewesen sei und während des gesamten Dienstverhältnisses ausschließlich im Ausland gearbeitet habe. Zu seinem Arbeitsgebiet habe das Aufstellen und die Inbetriebnahme von Stickmaschinen gehört. In einem weiteren Schreiben vom 23. März 2006 bestätigte sie neuerlich, dass der Berufungswerber während seiner Anstellung ausschließlich im Ausland beschäftigt gewesen sei und zwar vom Mai bis Oktober 2003 in Yiwu, China, (im November und Dezember habe sich der Berufungswerber auf Urlaub befunden), vom Jänner bis März 2004 in Guoxing Plume, China, im April und Mai 2004 in Hilal, Türkei, im Juni und Juli 2004 in Bordalima, Portugal und vom August bis November 2004 in Hangzhou Hongda, China. Der Berufungswerber hat weiters Kopien seines Reisepasses mit den jeweiligen Visastempeln vorgelegt.
Nach Meinung des unabhängigen Finanzsenates gibt es keinen Grund, an der Richtigkeit des Vorbringens des Berufungswerbers zu zweifeln. Die L ist eine bedeutende Herstellerin von Hochgeschwindigkeits-Schiffchenstickmaschinen, die schwergewichtig nach Asien, in den nahen Osten und das restliche Europa geliefert werden. Ein wesentlicher Teil der von der L angebotenen Leistungen besteht in der Montage der Maschinen und dem Service. Die von der L bestätigten Auslandsaufenthalte stimmen weiters mit den vom Berufungswerber in einem früheren Vorhalteverfahren bereits gemachten Angaben überein. Als weiteres Indiz für Richtigkeit dieser Angaben ist ein im Akt befindlicher Aktenvermerk vom 13. April 2004 über ein Telefonat zwischen der Mutter des Berufungswerbers und dem Finanzamt zu werten, wonach der Berufungswerber laut seiner Mutter sich für drei Monate in der Türkei befinde (laut Bestätigung war der Berufungswerber in den Monaten April und Mai in der Türkei). Es ist daher durchaus glaubwürdig, dass der Berufungswerber in den angegebenen Ländern während der angegebenen Dauer die (vom Arbeitgeber beschriebene und bestätigte) Montagetätigkeit ausgeübt hat. Die Montage und Inbetriebnahme von Anlagen zählt gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 lit. b) leg. cit. zu den begünstigten Auslandstätigkeiten. Da der Berufungswerber während der gesamten Dienstzeit im Ausland tätig war, sind auch die Voraussetzungen betreffend den Mindestzeitraum gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. ("jeweils ununterbrochen über den Zeitraum von einem Monat hinaus") erfüllt. Es konnte daher auch von einem genauen Nachweis mittels Zeitrapporten und Stundenaufzeichnungen abgesehen werden, weil es in diesem Falle zu keiner Aufteilung des Gehalts in gem. § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. begünstigte und nicht begünstigte Gehaltsteile kam.
Der Berufung war daher statt zu geben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß abzuändern.
Feldkirch, am 4. August 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Auslandsmontage, Steuerfreiheit, Schweizer Arbeitgeber, Freizügigkeitsabkommen |
Verweise: | EuGH 14.02.1995, C-279/93 |