UFS RV/0957-W/06

UFSRV/0957-W/0621.6.2006

Gewährung des großen Pendlerpauschales

 

Entscheidungstext

 

Der unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Hofrätin Dr. Judith Leodolter und die weiteren Mitglieder Oberrat Mag. Wolfgang Ryda, Ing. Helmut Jörg und Dr. Robert Zsifkovits im Beisein der Schriftführerin Christina Seper über die Berufung der Bw., Angestellte, 3003 G, WGasse, vertreten durch Dkfm. Annemarie Allabauer, Wirtschaftstreuhänder, 1140 Wien, Leegasse 3/10, vom 2. März 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, vertreten durch Amtsdirektor Martin Paulovics, vom 14. Februar 2006 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 nach der am 21. Juni 2006 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Bw. erhob mit Schriftsatz vom 2.3. 2006 gegen den mit 14.2. 2006 datierten und den gemäß der gelegten Erklärung betreffend die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2005 erlassenen Einkommensteuer 2005 das Rechtsmittel der Berufung.

Hierbei wurde seitens der steuerlichen Vertreterin der Bw. begründend ausgeführt, dass angesichts des für die als Verkäuferin tätigen Bw. maßgeblichen, um 19 Uhr angesiedelten Arbeitsendes die Wegstrecke (diese beträgt bei Unterstellung der Benützung eines PKW gemäß ÖAMTC Routenplaner 21,91 km) zwischen der in 1010 Wien, SGasse 3 gelegenen Arbeitstätte und ihres in 3003 G - H, WGasse gelegenen Wohnortes unter Einbeziehung der Geh-, Wartezeiten beim Wechsel der Massenbeförderungsmittel sowie unter Berücksichtigung eines Fußmarsches (Länge 1, 55 km, Anstieg von rund 200 HM) eine Wegzeit von rund 2 Stunden 20 Minuten hervorrufe.

Die Benützung eines Massenbeförderungsmittel erweise sich so hin zumindest hinsichtlich der halben Wegstrecke als unzumutbar und demzufolge stellte die Bw. den Antrag auf Anerkennung des auf der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 fußenden "großen Pendlerpauschales".

Mittels Vorhalt vom 10.3. 2006 wurde die Bw. seitens der Abgabenbehörde aufgefordert eine Bestätigung des Dienstgebers betreffend der im Lohnzahlungszeitraum überwiegend anfallenden Dienstzeiten nachzureichen.

Aus der seitens der Fa. D.(Dienstgeber der Bw.) nachgereichten Bestätigung war ersichtlich, dass die Geschäftszeiten von Montag bis Freitag von 10 Uhr bis 18.30 Uhr angesiedelt gelegen seien, respektive das Geschäftslokal am Samstag zwischen 10 Uhr und 17 Uhr geöffnet sei.

Nach Geschäftsschluss sei es Aufgabe der Bw. nicht nur sämtliche Kristallleuchten und Vitrinen beider Verkaufsebenen sowie der Büro- und Lagerräumlichkeiten abzuschalten, sondern auch den Tageskassenabschluss in schriftlicher Form zu erstellen.

In Ansehung vorgenannter Tätigkeiten bzw. der oftmaligen Unmöglichkeit eines pünktlichen Schließens wegen Kundenanwesenheit sei ein Verlassen des Geschäftslokales vor 19 Uhr ausgeschlossen.

Abschließend gab der Dienstgeber bekannt, dass obgenannte Verhältnisse im gesamtem Lohnzahlungszeitraum gegeben gewesen seien.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 29.3. 2006 wurde der Antrag der Bw. auf Gewährung des Pendlerpauschales abgewiesen, wobei seitens der Abgabenbehörde erster Instanz begründend ausgeführt wurde, dass angesichts des Nichtüberschreitens der zwischen Arbeitsstätte und Wohnung abends angefallenen Wegzeit von zwei Stunden von einer Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittel hinsichtlich der halben Wegstrecke nicht auszugehen sei.

In concreto stehe der Bw. der ÖBB Postbus 547 mit einer Abfahrtszeit um 19:35 Uhr (Bahnhof Hü) zum Ankunftsort G (Gemeindeamt) mit der Ankunftszeit 19:56 Uhr zur Verfügung, wobei im Anschluss daran ein - laut den Angaben der Bw. - Fußweg im Ausmaß von 35 Minuten zur Wohnadresse zu bewältigen sei.

Zusammenfassend könne somit von einer langen Wegzeit nicht gesprochen, weswegen dem im Rechtsmittel gestellten Antrag keine Berechtigung zukomme.

Mit Schriftsatz vom 26.4. 2006 wurde gegen vorgenannte Berufungsvorentscheidung ein Antrag auf Vorlage des Rechtsmittels an die Abgabenbehörde zweiter Instanz unter Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat gestellt.

Hierbei wurde seitens der steuerlichen Vertreterin der Bw. begründend ausgeführt, dass das Finanzamt unterlassen habe sich mit dem tatsächlichen Zeitaufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen Weg-, Warte und Fahrzeiten auseinander zu setzten.

Die kategorische Vorschreibung des Postbusses 547 gehe bereits insoweit ins Leere, da es der die Bw. - bezogen auf ihre gesamte berufliche Tätigkeit - ob vorangehender Wegzeiten dessen Abfahrt um 19:35 Uhr um mindestens 5 Minuten versäume und somit den Bahnsteig keineswegs vor 19: 40 Uhr erreichen könne.

Des weiteren sei in Betracht zu ziehen, dass aus dem Autobusfahrplan der Gemeinde G, bzw. präziser ausgedrückt, aus der dort verzeichneten Stellungnahme des Vizebürgermeisters eindeutig hervorgehe, dass "für von Hü Kommende" die Fahrtdauer bis G zwischen 22 und 28 Minuten betrage, während demgegenüber die Abgabenbehörde erster Instanz diese mit 21 Minuten bemessen habe.

Zusammenfassend beruhe die im Berufungsschriftsatz verzeichnete Wegzeit keineswegs auf einer "Überbewertung" durch die Bw. und komme demzufolge dem Antrag auf Berücksichtigung des Pendlerpauschales Berechtigung zu.

Während die auf der U- Bahn (Linien U 1 und U 4) zurückgelegten Gesamtkilometer laut Information der Wiener Linien (www.vor.at ) auf 10,151 km lauten, und die Strecke vom Bahnhof Hü zum Wohnort der Bw. laut Routenplaner Map24 (www.de.map24.com ) 13,85 km beträgt, zeitigten ergänzende Ermittlungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz betreffend die (Ab) Fahrzeiten (Montag bis Freitag) der U- Bahnlinien U 1 und U 4 in Wien jenes Ergebnis, dass die Bw. unter Einbeziehung des Arbeitsendes, der Wegzeiten von der Arbeitstätte zu den U-Bahnstationen bzw. der Gehzeit innerhalb der betreffenden Bahnsteigen den Bahnhof Hü keineswegs vor 19.35 Uhr erreichen habe können.

In der am 21. Juni 2006 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde von der Bw. ergänzend ausgeführt, dass selbst dann, wenn das Geschäft pünktlich um 18:30 Uhr schließt, es ihr nur selten gelinge - aufgrund der nach Geschäftsschluss noch durchzuführenden Arbeiten - vor 19:00 Uhr wegzukommen. In der Regel sei es bereits nach 19:00 Uhr, wenn die Bw. den Heimweg antreten könne. Deshalb sei es unmöglich, den Bus in Hü um 19:35 Uhr zu erreichen. Tatsächlich sei die Bw. aufgrund der Geh-, Fahr- und Wartezeiten ca. 40 bis 45 Minuten unterwegs, bis sie in Hü beim Bus angelangt sei.

Die Gehzeit vom Geschäft in der SGasse bis zum Bahnsteig der U-Bahnlinie U1, Station Stephansplatz, betrage ca. 4 min., die Fahrzeit der U1 bis zum Karlsplatz etwa 2 min. Das Erreichen des Bahnsteiges der Linie U4 dauere ca. 4 min., die Fahrzeit der Linie U4 bis zur Endstation Hü betrage 17 min., anschließend sei noch eine Gehzeit von ca. 4 min. bis zu den Bussteigen zu bewältigen. Dabei nicht einkalkuliert seien durchschnittliche Wartezeiten auf die U-Bahnlinien von ca. 4-5 min.

Der Fußweg beim Heimweg von der Bushaltestelle bis zur Wohnung nehme ca. 40 min. in Anspruch, da es stetig bergauf gehe.

Von den Parteien wurde außer Streit gestellt, dass die Wegstrecke mehr als 20 km beträgt.

Der Vertreter des Finanzamtes verwies auf seine Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung und bezog sich ergänzend auf eine Empfehlung des Verkehrsverbundes Ost-Region, wonach unter Berücksichtigung des Verlassens des Geschäftes um19:00 Uhr das Erreichen des Busses 547 in Hü innerhalb einer Zeit von 35 min. möglich sei.

Die Bw. verwies noch einmal darauf, dass das Verlassen des Geschäftslokales um 19:00 Uhr nicht immer möglich sei, zumeist sei es noch ein paar Minuten später.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 6 erster Satz EStG 1988 sind Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten.

In diesem Zusammenhang sieht § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988. - als Ausnahme des in lit. a leg. cit. normierten Grundsatzes, wonach obgenannte Ausgaben bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten sind - für den Fall, dass dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittel zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar ist vor, dass dieser Umstand bei einer einfachen Fahrtstrecke von 20 km bis 40 km mit einem Pauschbetrag von 972 Euro jährlich zu berücksichtigen ist.

Aus der Diktion obiger Norm ist ableitbar, dass das große Pendlerpauschale bereits dann zusteht, wenn die Benützung des Massenverkehrsmittels zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar ist.

Hierbei liegt vorgenannte Unzumutbarkeit beispielsweise dann vor, wenn auf dem halben Arbeitsweg (hin oder aber auch zurück) ein Massenverkehrsmittel überhaupt nicht, oder nicht zur erforderlichen Zeit verkehrt.

Von obigen Sachverhaltskonstellationen abgesehen, wird nach dem Verständnis der Verwaltungspraxis der Tatbestand der Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenverkehrsmittels auch dann als bewirkt angesehen, wenn für eine Strecke ab 20 km eine Wegzeit von zwei Stunden überschritten wird.

In diesem Zusammenhang umfasst die Wegzeit jene Zeit vom Verlassen der Wohnung bis zum Arbeitsbeginn, bzw. - so wie im vorliegenden Fall maßgebend - vom Verlassen des Arbeitsplatzes bis zur Ankunft in der Wohnung, ein Umstand, der mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet, dass Gehzeiten oder Anfahrtszeit zur Haltestelle des öffentlichen Verkehrsmittels, die Fahrzeit mit dem öffentlichen Verkehrsmittel sowie Warte- und Stehzeiten in die Berechnung der Wegzeit einfließen.

Bezogen auf den zu beurteilenden Fall bedeuten vorstehende Ausführungen, dass unter Berücksichtigung des Arbeitsendes der Bw. bzw. der von dieser zur Absolvierung des Heimwegs benutzter Massenbeförderungsmittel inklusive der Geh-. Warte- und Stehzeiten die im Rechtsmittelschriftsatz bzw. in der mündlichen Berufungsverhandlung veranschlagte, den Zeitraum von zwei Stunden überschreitende Wegzeit als schlüssig und nachvollziehbar zu qualifizieren war.

Nämliches Ergebnis lag vor allem darin begründet, als selbst bei Unterstellung des Verlassens des Arbeitsplatzes um Punkt 19 Uhr unter Zugrundelegung der Gehzeit zur U-Bahnstation (U1 S), die Benützung vorgenannter Linie (laut Fahrplan der Wiener Linien realistische Abfahrtszeit vom S um 19: 12 Uhr) sowie der nachfolgende Umstieg auf die Linie U 4 (die Abfahrtszeit Richtung Hü unter Berücksichtigung der Gehzeit zwischen den Bahnsteigen an der Station K lautet im "best case" auf 19:17 Uhr, wobei seitens der Wiener Linien die Fahrzeit K bis Hü mit 17 Minuten ausgewiesen ist) es der Bw. unmöglich ist, den erwiesenermaßen per pedes zu erreichenden Vorplatz Bussteige 1-6 der Linie 547 (Wegzeit U- Bahnstation zu vorgenannten Bussteigen wird im Auskunftsplan der Wiener Linien bzw. jenem der ÖBB mit 4 bis 5 Minuten veranschlagt) bis zur mit 19:35 Uhr prognostizierten Abfahrt des Busses 547 zu erreichen.

In Anbetracht vorstehender Ausführungen erschienen der Abgabenbehörde zweiter Instanz sowohl die von der Bw. mit 19:40 Uhr angegebene Ankunftszeit in Hü, als auch die mit 40 Minuten bemessene Wartezeit bis zu der mit 20:20 Uhr ausgewiesenen Abfahrtszeit des (nächstfolgenden) Busses der Linie 447 als schlüssig und der Realität entsprechend.

Zusammenfassend gelangte der erkennende Senat zur Überzeugung, dass Bezug nehmend auf das Ausmaß der Wegzeit von der Arbeitsstätte zur Wohnung der Bw. von einer Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht gesprochen werden kann.

Demzufolge war dem Berufungsbegehren der Bw. Rechnung zu tragen und in Anbetracht der Länge der Wegstrecke das Pendlerpauschale mit dem Jahresbetrag von 972 Euro im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2005 zum Ansatz zu bringen.

Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass zum Zwecke der Berechnung der Einkommensteuer 2005 vor dem Abzug des Betrages von 972 Euro die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (KZ 245) um das bereits im Rahmen der Lohnbesteuerung durch den Arbeitgeber berücksichtigte "kleine" Pendlerpauschale, so hin um den Betrag von 450 Euro zu erhöhen waren.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am 21. Juni 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

zumutbare Wegzeit, großes Pendlerpauschale

Stichworte