UFS ZRV/0058-Z3K/06

UFSZRV/0058-Z3K/0613.3.2006

Antrag auf Erlass oder Erstattung von Abgaben nach Art. 239 ZK; Verlängerung der Frist zur Antragstellung

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde des Bf., vertreten durch Dr. N.N., vom 22. Februar 2006 gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes X. vom 23. Jänner 2006, Zl. a., betreffend 1.) einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Erlass der Abgaben nach Art. 239 Abs. 2 ZK und 2.) Zurückweisung eines Antrages auf Erlass der Abgaben nach Art. 239 ZK entschieden:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Hauptzollamt X. hat mit Bescheid vom 18. Oktober 2002, Zl. b., gemäß Art. 220 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex, ZK) die buchmäßige Erfassung von Eingangsabgaben für vom Beschwerdeführer (Bf.) A. im Juni 2000 aus Slowenien in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführte Wohnungseinrichtungsgegenstände berichtigt und ihm einen Nacherhebungsbetrag an Eingangsabgaben in der Höhe von € 1.939,86 (Einfuhrumsatzsteuer) sowie eine Abgabenerhöhung von € 225,60, in Summe daher einen Betrag von € 2.165,46 zur Entrichtung vorgeschrieben.

Mit der Eingabe vom 18. August 2005 stellte der Bf. durch seinen Rechtsvertreter beim Zollamt X. hinsichtlich des zur Zahlung vorgeschriebenen Abgabenbetrages und der dazu bis dahin angefallenen Nebenansprüche einen Antrag auf Verlängerung der Frist für die Einbringung eines Antrages auf Erlass nach Art. 239 Abs. 1 ZK gemäß Art. 239 Abs. 2 zweiter Unterabsatz ZK und reichte gleichzeitig den Antrag auf Erlass nach Art. 239 Abs. 1 ZK nach.

In einem Sammelbescheid vom 17. November 2005, Zl. d., hat das Zollamt X. (mit Bescheid I) den Antrag auf Fristverlängerung zur Einbringung eines Erlassantrages gem. Art. 239 Abs. 2 ZK als unbegründet abgewiesen und (mit Bescheid II) den Antrag auf Erlass als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen. Das Zollamt führte darin aus, der Antragsteller habe weder in seinem Antrag vom 18. August 2005 noch über Vorhalt innerhalb wiederholter Fristverlängerungen seinen Antrag auf Fristverlängerung für einen Erlassantrag entsprechend begründet.

Sowohl gegen die Abweisung des Fristverlängerungsantrages als auch gegen die Zurückweisung des Erlassantrages erhob der Bf. durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2005 Berufung. Zum Antrag auf Verlängerung der Frist für die Einbringung des Erlassantrages führte der Bf. in seiner Berufung aus, seine finanzielle Lage habe sich beginnend mit dem Jahr 2002 immer mehr verschlechtert, weil seine Gattin schwer erkrankt sei, was zu erheblichen Mehrbelastungen geführt habe. Die Voraussetzungen für den Erlass der gegenständlichen Abgabenschuld seien erst nach Ablauf der Ein-Jahres-Frist eingetreten, sodass die Fristversäumnis unabhängig von seinem Willen eingetreten sei und von ihm auch nicht in zumutbarer Weise verhindert werden habe können. Diesbezüglich verwies der Bf. auf seinen Erlassantrag vom 18. August 2005 und auf die mit der Eingabe vom 9. November 2005 vorgelegten nachstehenden Urkunden:

Beilage./1

Rentenbezug A. : Mitteilung des Landesamtes B., Nettobezüge Monat April 2005 (€ 1.547,60), Mitteilung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte C., Netto-Altersrente ab 01.07.2005 (€ 820,85), Mitteilung der PVA Steiermark, Netto-Pensionshöhe ab 01.01.2005 (€ 69,55);

Beilage./2

Rentenbezug D: Mitteilung der LVA O., Netto-Rentenzahlung ab 01.07.2005 (€ 98,02);

Beilage./3

Unterlagen betreffend laufende Wohnungskosten der G.: Mitteilung v. 17.10.2005 über die Fälligkeit einer Grundkostenrate zum 25.11.2005 (€ 2.075,13), monatliche Entgeltvorschreibung ab 01.01.2005 (€ 387,31);

Beilage./4

Aufstellung der Miete mit Nebenkosten für eine geschützte Kleinstwohnung im PZ für 2004 (SIT 1,007.066,00, € 4.207,50, d.s. monatlich im Durchschnitt € 350,63), Rechnung 000164/05 für Jänner 2005 (SIT 88.724,00, € 370,33), Rechnung 000212/05 für Februar 2005 (SIT 85.424,00, € 356,55), Rechnung 000596/05 für März 2005 (SIT 84.380,00, € 352,20), Rechnung 000797/05 für April 2005 (SIT 85.469,00, € 356,75), und Rechnung 001013/05 für Mai 2005 (SIT 121.946,00, € 509,00);

Beilage./5

Rechnungen LP für Nahrungsergänzungsmittel bzw. Medikamente für Frau D: ReNr. 45280903 vom 22.02.2004 (€ 279,84), ReNr. 45315772 vom 22.03.2004 (€ 93,18), ReNr. 45351856 vom 22.04.2004 (€ 160,31) Vorlage doppelt, ReNr. 45415008 vom 15.06.2004 (€ 646,28), ReNr. 45783003 vom 26.01.2005 (€ 241,34), ReNr. 45831840 vom 22.02.2005 (€ 240,57), ReNr. 46037389 vom 09.06.2005 (€ 664,83); Rechnungen CM (Rechnungsadressat: V, p.A. Bf.): ReNr. R050008 vom 31.01.2005 (€ 240,26), ReNr. R050055 vom 07.06.2005 (€ 171,10); Rechnungen der OW (Rechnungsadressat V , p.A. Bf): ReNr. 19955 vom 05.03.2003 (€ 415,74) ReNr. 20909 vom 17.05.2004 (€ 321,51), ReNr. 24399 vom 28.01.2005 (€ 375,40);

Beilage./6

Honorarnoten für medizinische Gutachten: Honorarnote Dr. A.P. (D) vom 08.11.2003 (€ 182,00), Privat-Honorarnote Dr. A.P. (A.) vom 29.01.2004 (€ 202,00), Honorarnote Dr. A.P. (D) vom 30.03.2005 € 800,00), Honorarnote Dr. A.P. (D) vom 07.04.2005 (€ 550,00), Honorarnote Dr. A.P. (D) vom 06.05.2005 (€ 550,00), Honorarnote Dr. St. (A.) vom 09.05.2005 (€ 84,87), Honorarnote Dr. A.P. (A.) vom 11.05.2005 (€ 550,00), Honorarnote Dr. A.P. (A.) vom 12.05.2005 (€ 550,00).

Bei diesen Urkunden handelte es sich um Nachweise der Einkünfte des Erlasswerbers jeweils eines einzelnen Monats im Jahr 2005 (Bezug, Altersrente und Pension), jeweils eine Rechnung über eine Teilzahlung von Grundkosten und das monatliche Entgelt für eine Wohnung des Erlasswerbers, verschiedene Rechnungen in slowenischer Sprache über Kosten für eine Kleinwohnung in einem Pflegezentrum in Slowenien, mehrere Rechnungen für Lieferungen von Nahrungsmittelergänzungs- bzw. Vitaminpräparaten und einige Honorarnoten für ärztliche Gutachten aus den Jahren 2003, 2004 und 2005.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2005, Zl. c., hielt das Zollamt dem Berufungswerber vor, die mit der Eingabe vom 9. November 2009 vorgelegten Rechnungskopien seien zum Teil in slowenischer Sprache erstellt worden, sodass deren Inhalt nicht beurteilt werden könne und in Rechnungen für Nahrungsmittelergänzungen und Kosmetikartikeln nicht er oder seine Frau sondern an seine Wohnanschrift adressiert ein "V." als Rechnungsadressat ausgewiesen werde. Der Berufungswerber wurde zudem eingeladen darzulegen, weshalb die Abgabenschuld nicht innerhalb des Jahres nach deren Bekanntgabe entrichtet wurde, wenn der (vermeintliche) Zustand der Existenzgefährdung erst nach Ablauf der einjährigen Antragsfrist für den Abgabenerlass eingetreten sein sollte.

In seiner Stellungnahme hiezu vom 18. Jänner 2006 legte der Berufungswerber dar, die in der Beilage 4./ aufgelisteten Kosten für eine Kleinstwohnung in Slowenien beträfen die bei einer derartigen Wohnung anfallenden üblichen Neben(Betriebs)kosten wie Telefon, Strom, Wasser etc. Diese Wohnung habe sich der Berufungswerber seit Frühling 2005 nicht mehr leisten können und sie daher auch aufgegeben. Die in der Beilage ./5 angeführten Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel förderten das minimale Wohlbefinden seiner Frau; bei deren Verzicht würde eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes stattfinden. Die Adressierung des "Ve." auf einem Teil der Rechnungen sei damit erklärbar, dass den Lieferanten der Umstand, dass der Berufungswerber diesen Verein gegründet hat und ihm ehrenamtlich angehört, bekannt und in deren Computern gespeichert sei und diese Adressierung auch auf den Rechnungen automatisch ausgedruckt werde. .... Die Kosten für diese Medikamente würden aber vom Berufungswerber getragen.

Die Abgabenschuld sei nicht innerhalb eines Jahres nach deren Bekanntgabe entrichtet worden, weil er davon ausgegangen sei, dass sie zu Unrecht vorgeschrieben wurden. Eine über die dargestellte schlechte wirtschaftliche Lage des Berufungswerbers hinausgehende Belastung in der Höhe der Abgabenschuld würde seine Existenz erheblich gefährden, weil in weiterer Folge die Kosten für die Wohnung in G und für die unbedingt notwendigen Heilmittel nicht mehr beglichen werden könnten.

Das Zollamt X. wies mit der nunmehr beim Unabhängigen Finanzsenat angefochtenen Berufungsvorentscheidung vom 23. Jänner 2006, Zl. a., die Berufung als unbegründet ab. Zunächst verwies das Zollamt in seinen Erwägungsgründen auf die Bestimmungen des Artikels 239 ZK, insbesondere aber darauf, dass eine Erstattung oder ein Erlass der Abgaben aus den in Art. 239 Abs. 1 ZK genannten Gründen gem. Abs. 2 leg.cit. auf Antrag erfolge, ein solcher Antrag innerhalb von 12 Monaten nach der Mitteilung der Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen ist und (nur) in begründeten Ausnahmefällen die Zollbehörden diese Frist verlängern können. Im vorliegenden Fall habe die 12-Monate-Frist zur Einbringung eines Erlassantrages im Oktober 2003 geendet. Der Berufungswerber habe nicht erweisen können, dass für eine Fristverlängerung ein begründeter Ausnahmefall vorliegt. Wenn er darauf verweise, dass sich seine finanzielle Lage beginnend mit 2002 zunehmend verschlechtert habe, die Voraussetzungen für einen Erlass der Eingangsabgaben erst nach der Ein-Jahres-Frist eingetreten seien und von ihm nicht in zumutbarer Weise verhindert werden konnten, sei auf die herrschende Rechtsauslegungs- und Entscheidungspraxis in der Europäischen Gemeinschaft (EuGH v. 11.11.1999, RS C-48/98 ) zu verweisen. Danach seien Vorschriften, die eine Erstattung oder einen Erlass vorsehen, eng auszulegen, weil die Erstattung oder der Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nur unter bestimmten Voraussetzungen und in den eigens dafür vorgesehenen Fällen gewährt werden können und somit eine Ausnahme vom gewöhnlichen Einfuhr- und Ausfuhrsystem darstellten. Es sei daher nach Ansicht der Berufungsbehörde auch bei der Auslegung des Begriffes "begründeter Ausnahmefall" im Sinne des Artikels 239 Abs. 2 ZK und bei der Beurteilung der diesbezüglich vorgebrachten Sachverhalte ein strenger Maßstab anzulegen. Eine Verlängerung der Frist für einen Antrag einer Erstattung oder einen Erlass nach Art. 239 ZK komme nur in Frage, wenn die Versäumnis der Antragsfrist unabhängig vom Willen des Beteiligten eingetreten ist und von ihm auch nicht in zumutbarer Weise verhindert werden konnte. Wenn nach dem Vorbringen des Berufungswerbers die Verschlechterung seiner finanziellen Lage bereits mit Beginn des Jahres 2002 begonnen habe, müsse zutreffendenfalls vor Ablauf der Antragsfrist im Oktober 2003 eine weitere Verschlechterung der Finanzlage für ihn absehbar gewesen sein. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Versäumung der Antragsfrist vom Berufungswerber nicht in zumutbarer Weise verhindert werden konnte. Nach Ansicht der Berufungsbehörde seien die vorgelegten Unterlagen überdies nicht geeignet, den Zeitpunkt eines allfälligen Auftretens der Voraussetzungen für eine Verlängerung der Antragsfrist zu erweisen, weil die Unterlagen verschiedene Zeitpunkte in den Jahren 2004 und 2005 beträfen und keinen Einblick in die kontinuierliche Entwicklung des Vermögensstandes und die finanziellen Verpflichtungen des Berufungswerbers gewährten. Weil der Berufung gegen die Abweisung des Antrages auf Fristverlängerung nicht näher zu treten gewesen sei (Bescheid I), sei auch der Berufung gegen die Zurückweisung des Antrages auf Erlass der Eingangsabgaben (Bescheid II) nicht zu entsprechen gewesen.

In seiner Beschwerde gegen die Berufungsvorentscheidung hält der Bf. entgegen, die (dramatische) Verschlechterung seiner finanziellen Lage sei im Jahr 2003 noch nicht abzusehen gewesen, weil sich der Gesundheitszustand seiner Ehefrau erst in den letzten ein bis zwei Jahren massiv verschlechtert habe. Es seien zahlreiche Krankenhaus- und Kuraufenthalte notwendig geworden, die vom Ehepaar selbst bezahlt worden seien. Dazu seien weitere hohe Kosten für unbedingt notwendige Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel notwendig geworden, ohne die es seiner Ehefrau noch wesentlich schlechter gehen würde. Die zwangsläufig angefallenen hohen Ausgaben hätten die finanzielle Situation des Bf. kontinuierlich verschärft. Entgegen der Annahme der Berufungsbehörde sei im Jahr 2002 bzw. bis Oktober 2003 die problematische Situation des Bf. nicht absehbar gewesen, weil der Gesundheitszustand eines Menschen bzw. dessen Entwicklung binnen einiger Jahre nicht vorhergesehen werden könne. Der Bf. habe im Oktober 2003 noch nicht wissen können, wie es seiner Frau im Jahr 2004 bzw. 2005 gehen würde. Die Krankengeschichte und die damit verbundenen immens hohen Kosten seien unter keinen Umständen für den Bf. vorhersehbar gewesen, die Versäumung der Antragsfrist habe der Bf. daher nicht in zumutbarer Weise verhindern können. Die Voraussetzungen für den Erlass der gegenständlichen Abgabenschuld seien erst nach Ablauf der Ein-Jahres-Frist eingetreten.

Entgegen der Darstellung der belangten Behörde seien die vom Bf. vorgelegten Urkunden nicht unvollständig und unzureichend gewesen, weil sie nicht die kontinuierliche Einkommens- und Vermögensentwicklung darlegten. Aus diesen Urkunden, die einen wesentlichen Bestandteil der Beschwerde bilden, sei die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation sehr deutlich ersichtlich. Mit den Beilagen./1 und ./2 seien die - immer gleich bleibenden - Pensionsausweise des Ehepaares für einen Monat dokumentiert worden. Darüber hinaus verfüge der Bf. über keine anderen Einkünfte. Die - mehr oder weniger gleich bleibenden - Wohnungskosten seien ebenfalls mit der Beilage ./3 für einen Monat dokumentiert worden. Auch die zahlreichen Rechnungen für ärztliche Gutachten und Untersuchungen, Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel betreffend mehrere Monate zeigten ein deutliches Bild der permanenten finanziellen Belastungen des Bf.

Der Bf. führt überdies ins Treffen, die belangte Berufungsbehörde habe seine in der Stellungnahme vom 28. Dezember 2005 präzisierenden Angaben unberücksichtigt gelassen.

Nach Ansicht des Bf. lägen die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung der Antragsfrist nach Art. 239 ZK vor, weshalb auch die Zurückweisung des Erlassantrages im Bescheid II zu Unrecht erfolgt sei.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 239 Abs. 1 ZK können Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle - werden nach dem Ausschussverfahren [Anmerkung: nach den Bestimmungen der Artikeln 899 bis 909 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften; Zollkodex-Durchführungsverordnung, ZK-DVO] festgelegt; - ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Nach dem Ausschussverfahren wird festgelegt, in welchen Fällen diese Bestimmung angewandt werden kann und welche Verfahrensvorschriften dabei zu beachten sind. Die Erstattung oder der Erlass kann von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Der Bf. hat offensichtlich den Erlassgrund des Vorliegens eines besonderen Falles nach Art. 905 ZK-DVO angesprochen, weil kein (taxativ aufgezählter) Fall nach Art. 239 Abs. 1 1. Anstrich ZK iVm Art. 900-903 ZK-DVO in Frage käme. Gemäß § 83 Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl.Nr. 1994/659 (ZollR-DG) gilt Artikel 239 ZK in Verbindung mit Artikel 905 ZK-DVO für die Erstattung und den Erlass von sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben - wie hier von Einfuhrumsatzsteuer - mit der Maßgabe, dass die Vorlage an die Kommission unterbleibt und die Artikel 906 bis 909 ZK-DVO nicht anzuwenden sind. Ein besonderer Fall ist in diesem Zusammenhang dann gegeben, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn - wie diesfalls vom Bf. angesprochen wurde - die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernstlich gefährdet ist. Liegt ein besonderer Fall auf Grund der ernstlichen Gefährdung der Existenz des Abgabenschuldners vor, ist die betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten kein Ausschließungsgrund für die Gewährung einer Erstattung oder eines Erlasses, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht. Gemäß § 239 Abs. 2 ZK erfolgt die Erstattung oder der Erlass der Abgaben aus den in Absatz 1 genannten Gründen auf Antrag; dieser ist innerhalb von zwölf Monaten nach der Mitteilung der Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen. Jedoch können - in begründeten Ausnahmefällen die Zollbehörden diese Frist verlängern, - in bestimmten Fällen kürzere Fristen im Ausschussverfahren festgelegt werden.

Wie bereits in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung festgehalten wurde, erfolgte die Mitteilung der vom Erlassantrag betroffenen Eingangsabgaben (Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von € 2.894,05) an den Bf. mit Bescheid des Hauptzollamtes X. vom 18.10.2002, im Oktober 2002. Die Frist zur Einbringung eines Erlassantrages nach Art. 239 ZK von zwölf Monaten endete demnach gemäß Artikel 3 der Verordnung (EWG, EURATOM) Nr. 1182/71 des Rates (Fristenverordnung) im Oktober 2003. Der verfahrensgegenständliche Erlassantrag sowie der Antrag auf Verlängerung der Antragsfrist wurden erst am 18. August 2005, demnach nahezu 2 Jahre nach Ablauf der regulären Frist eingebracht. Der Erlasswerber begründete die Nichteinhaltung der 12-Monatefrist und sohin den Fristerstreckungsantrag damit, seine finanzielle Lage habe sich beginnend mit dem Jahr 2002 zunehmend verschlechtert; die Voraussetzungen für den Erlass der Eingangsabgaben seien erst nach Ablauf der Einjahresfrist eingetreten und hätten von ihm auch nicht in zumutbarer Weise verhindert werden können.

Der Bf. begründet seinen Fristerstreckungsantrag, der nach seinem Vorbringen den Zeitraum ab Ablauf der 12-Monatsfrist im Oktober 2003 bis zum 18. Oktober 2005 umfasst, und demnach das Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles für eine Fristerstreckung bis zum 18. Oktober 2003 im wesentlichen mit der massiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes seiner Ehefrau in den letzten ein bis zwei Jahren, als zahlreiche Krankenhaus- und Kuraufenthalte notwendig geworden seien, die von ihm und seiner Frau hätten selbst bezahlt werden müssen. Dazu seien weitere hohe Kosten für unbedingt notwendige Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel für seine Ehefrau gekommen. Die zwangsläufig angefallenen hohen Ausgaben hätten die finanzielle Situation des Bf. kontinuierlich verschlechtert, was bis Oktober 2003 noch nicht absehbar gewesen sei. In seiner Beschwerdeschrift verweist der Bf. zur Untermauerung seines Vorbringens ausdrücklich auf die mit Schreiben vom 9. November 2005 nachgereichten Urkunden. Sie sollten offenbar erweisen, seine finanzielle Situation habe sich zum Zeitpunkt des Fristerstreckungsantrages am 18. Oktober 2005 derart verschlechtert, dass er die Abgabenbelastung nicht mehr tragen könnte, ohne seine Existenz ernstlich zu gefährden.

Der Unabhängige Finanzsenat hat die angesprochenen Urkunden, die den begründeten Ausnahmefall erweisen oder zumindest glaubhaft machen sollten, einer Beurteilung unterzogen. Der Bf. verfügt gemeinsam mit seiner Ehefrau über ein monatliches Nettoeinkommen von € 2.536,02. Ob dem Bf. verwertbares Vermögen zur Verfügung stünde, um - ohne seine Existenzbedrohung herbeizuführen - durch dessen Verwertung die Abgabenentrichtung zu realisieren, wurde von ihm nicht dargelegt. Es verblieb daher nicht ausgeschlossen, dass der Bf. auch über ein verwertbares Vermögen verfügte. Die in der Beilage./4 dargestellten Aufwendungen für die Kleinstwohnung in Slowenien fielen nach der Darstellung des Bf. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. Jänner 2006 - offensichtlich ab Juni 2005 - nach Aufgabe der Wohnung nicht mehr an und konnten daher nicht (mehr) ursächlich für den vermeintlichen Erlassgrund sein. Im Übrigen erschienen sie in ihrer Eigenschaft als Aufwendungen für eine Zweitwohnung nicht stichhaltig als zwangsläufig erwachsen. Für die mit der Beilage./5 ausgewiesenen Rechnungen für Nahrungsergänzungsmittel bzw. Medikamente hat der Bf. gleichfalls keinen Nachweis darüber erbracht, dass deren Konsumation durch seine Ehefrau medizinisch indiziert ist und dadurch zwangsläufig angefallen sind. Die mit der Beilage./6 vorgelegten Privat-Honorarnoten des Arztes Dr. A.P. bzw. in einem Fall (für den Bf.) des Dr. St. betrafen zum einen nicht nur die Ehefrau des Bf. (diese verteilten sich auf das Jahr 2003 für 8.11. 2003 mit € 182,00, und auf mehrere Monate des Jahres 2005 für 30.3.2005 mit € 800,00, 7.4.2005 mit € 550,00 und 6.5.2005 mit € 550,00) sondern auch den Bf. selbst (diese verteilten sich auf das Jahr 2004 für 29.1.2004 mit € 202,00 und den Monat Mai des Jahres 2005 für 9.5.2005 mit € 84,87, 11.5.2005 mit € 550,00 und 12.5.2005 mit € 550,00) und zum anderen sämtliche für die Erstellung von Gutachten und nicht für medizinische Behandlungen. Nicht nachgewiesen wurde mit diesen Honorarnoten für die Erstellung von Gutachten deren Zwangsläufigkeit für den vom Bf. ins Treffen geführten sich verschlechternden Gesundheitszustand seiner Ehefrau, zumal weder der Grund für die Erstellung der Gutachten noch deren Inhalt dargetan wurden. Die Häufung von Gutachten im Monat Mai 2005 (1 Gutachten für die Ehefrau des Bf. und 3 Gutachten für den Bf. selbst) erscheint unbegründet, hat sich offensichtlich in der Folge auch nicht wiederholt und es erscheint die Annahme einer derartigen hinkünftigen Häufung nicht zulässig. Abgesehen vom Umstand, dass deren Zwangsläufigkeit weder nachgewiesen noch glaubhaft dargestellt erscheint, war eine derartige Häufung an Gutachtenhonoraren, weil nicht anzunehmen ist, dass sie sich wiederholt, bereits aus diesem Grund für eine Beurteilung eines begründeten Ausnahmefalles außer Ansatz zu lassen. Der Bf. hat den monatlichen Aufwand (Entgeltvorschreibung ab 1.1.2005) für die Wohnung in G durch die Beilage./3 mit € 387,31 beziffert. Die Fälligkeit einer Grundkostenrate zum 25.11.2005 über € 2.075,13 wurde ihm erst mit der Mitteilung vom 17.10.2005, demnach nach seiner Antragstellung um Fristverlängerung bekannt gegeben. War ihm dieser Aufwand aber bereits zuvor bekannt, traf ihn dieser sohin nicht unvorbereitet, weshalb er nicht für eine Begründung für einen Ausnahmefall beitragen konnte, und war daher außer Ansatz zu belassen. Unter der unerwiesenen Annahme, dass die vom Bf. ins Treffen geführten Kosten für Nahrungsergänzungsmittel bzw. Medikamente auch medizinisch indiziert und als unerlässlich angefallen wären, ergibt das vom Bf. dargestellte und auch von der Berufungsbehörde aufgezeigte Bild, dass die Kostenentwicklung sukzessive und nicht erst zum Zeitpunkt der (verspäteten) Antragstellung plötzlich angefallen ist. Die diesbezüglichen Kosten wurden für März 2003 mit € 415,74, Februar 2004 mit € 279,84, April 2004 mit € 160,31, Mai 2004 mit € 321,51, Juni 2004 mit € 646,28, Jänner 2005 mit € 851,93, Februar 2005 mit € 972,52, März 2005 mit € 352,20, April 2005 mit € 356,75, Mai 2005 mit € 509,00 und Juni 2005 mit € 835,93 dargetan. Bei einem nach Abzug des Wohnungsaufwandes verbleibenden Einkommen von € 2.148,71 (€ 2.536,02 minus € 387,31) erscheinen die aufgezeigten monatlichen Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel und/oder Medikamente am Beispiel des Zeitraumes Jänner bis Juni 2005 zwar hoch, aber im Durchschnitt mit € 646,39 (€ 3.878,34 geteilt durch 6 Monate) nicht als unerschwinglich. Eine Gefährdung der übrigen notwendigen Lebenshaltungskosten erscheint auch mit dem Anfall dieser Kosten nicht gegeben. Der Bf. vermochte auch nicht glaubhaft darzustellen, welches Ereignis (welcher Kostenanfall) zu welchem Zeitpunkt ursächlich für seine Erkenntnis, dass ihm die Entrichtung der Abgaben ohne Existenzbedrohung nicht (mehr) möglich wäre, gewesen ist. Da sein Fristerstreckungsantrag und sein Antrag auf Erlass der Abgaben am 18. August 2005 eingebracht wurden, mussten das betreffende Ereignis und die bezügliche Erkenntnis unmittelbar zuvor eingetreten sein. Für die Monate Juli und August wurden vom Bf. jedoch überhaupt keine außergewöhnlichen Aufwendungen geltend gemacht. Es wurde daher im Fristerstreckungsantrag und auch im diesbezüglichen Rechtsbehelfsverfahren nicht dargetan, aus welchen nachvollziehbaren Gründen die Fristverlängerung ab Oktober 2003 bis zum 18. August 2005 gewährt werden hätte sollen.

Da der Bf. nicht nachvollziehbar einen begründeten Ausnahmefall für die Verlängerung der Erlassantragsfrist vom Oktober 2003 bis zum 18. August 2005 glaubhaft erweisen konnte, hat das Zollamt zu Recht zum einen den Antrag auf Verlängerung der Erlassantragsfrist als unbegründet abgewiesen und zum anderen den auf Art. 239 ZK gestützten Antrag auf Erlass der Eingangsabgaben als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Es war aus den dargestellten Erwägungen und aus den im Bescheid des Zollamtes X. vom 17. November 2005, Zl. d. , und in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung dargestellten Gründen spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt, am 13. März 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Zoll

betroffene Normen:

Art. 239 Abs. 2 ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1

Schlagworte:

begründete Ausnahmefälle, Verlängerung der Antragsfrist, Antrag auf Erstattung oder Erlass

Stichworte