UFS RV/0553-I/04

UFSRV/0553-I/0426.1.2006

keine Kürzung der Werbungskosten für Familienheimfahrten um steuerfreie Dienstzuteilunsgebühren

 

Anmerkungen:
abweichend RV/2305-W/02 und LStR 2002 Rz 740

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2003 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe betragen: Einkommen 2003: 22.626,78 €; Einkommensteuergutschrift: -987,26 €.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) ist Gendarmeriebeamter. Seine Stammdienststelle liegt in A. In der Zeit von Juli bis Dezember 2003 war er einer Dienststelle in B, ab 22. Dezember 2003 war er einer Dienststelle in C zur Dienstleistung zugeteilt.

Der Bw. ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der Familienwohnsitz befindet sich in D, im Nahebereich der Stammdienststelle in A. Der Zuteilungsort B ist vom Familienwohnsitz des Bw. ca. 140 km entfernt.

In der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2003 machte der Bw. für die Zeit der Dienstzuteilung Familienheimfahrten von B nach D (im Ausmaß des sich aus § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 ergebenden Höchstbetrages von 1.050 €) als Werbungskosten geltend. Im Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2003 wurde lediglich der Pauschbetrag für Werbungskosten von 132 € (§ 16 Abs. 3 EStG 1998) berücksichtigt. Nach Ansicht des Finanzamtes seien nämlich von den Kosten der Familienheimfahrten (1.050 €) die steuerfrei ausbezahlten Zuteilungsgebühren "für die Tage des Aufenthaltes zu Hause" in Höhe von 1.048 € abzuziehen, sodass "kein steuerlich zu berücksichtigender Betrag" mehr verbleibe.

Der Bw. erhob Berufung. Nach ihm erteilten Auskünften seien Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten unabhängig von den auf Grund der Dienstzuteilung zustehenden Zuteilungsgebühren abzugsfähig.

In der abweislichen Berufungsvorentscheidung verwies das Finanzamt auf die bestehende Verwaltungspraxis, wonach steuerfreie Ersätze des Arbeitgebers für Tage, an denen sich der Arbeitnehmer am Familienwohnsitz aufhalte, mit den abzugsfähigen (nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 limitierten) Ausgaben für Familienheimfahrten verrechnet würden. Für die Tage des Aufenthaltes am Familienwohnsitz könnten dem Bw. keine Mehraufwendungen für Verpflegung oder Unterkunft erwachsen sein. Die auf Grund lohngestaltender Vorschriften auch für die Aufenthaltszeiten am Familienwohnsitz gewährten, steuerfrei belassenen Zuteilungsgebühren seien daher nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt als Kostenbeitrag des Arbeitgebers für die durch die Dienstzuteilung generell verursachten Mehrkosten einschließlich der mit der Heimfahrt verbundenen Fahrtkosten zu verstehen. Auf Zeiten des Aufenthaltes am Familienwohnsitz im (geschätzten) Ausmaß von acht Tagen pro Monat entfielen steuerfreie Zuteilungsgebühren (Tagesgebühren) von insgesamt 1.048 €, die von dem für Familienheimfahrten geltend gemachten (Höchst-)Betrag von 1.050 € abzuziehen seien. Zusammen mit den Differenzreisekosten für zwei Fahrten zum Dienstantritt an den Zuteilungsorten (43,02 € und 6,45 €) ergebe sich sohin ein Gesamtbetrag an Werbungskosten von 51,47 €, der durch das allgemeine Werbungskostenpauschale (132 €) gedeckt und damit ohne steuerliche Auswirkung sei.

Der Bw. beantragte ohne weitere Ausführungen die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

1) Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gehören Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden, nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (soweit sie die im Gesetz genannten Sätze nicht übersteigen). Eine Dienstreise liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers seinen Dienstort zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann. Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, tritt an die Stelle des Dienstortes der Wohnort (Wohnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Familienwohnsitz). Enthält eine lohngestaltende Vorschrift eine besondere Regelung des Begriffes Dienstreise, ist diese Regelung anzuwenden.

Zu § 26 Z 4 EStG 1988 ist am 17. Oktober 1997 die Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen BGBl. II Nr. 306/1997 betreffend Reisekostenvergütungen auf Grund einer lohngestaltenden Vorschrift ("Dienstreiseverordnung") ergangen. Diese Verordnung bestimmt:

"§ 1. Sieht eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 EStG 1988 vor, dass ein Arbeitnehmer, der über Auftrag des Arbeitgebers

1. seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder

2. so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann,

Tagesgelder zu erhalten hat, sind diese im Rahmen der Bestimmungen des § 26 Z 4 lit. b und d EStG steuerfrei. Als Dienstort gilt der sich aus dem Kollektivvertrag ergebende Dienstort.

§ 2. Fahrtkostenvergütungen, die aus Anlass einer nach einer lohngestaltenden Vorschrift (§ 1) vorliegenden Dienstreise gezahlt werden, bleiben insoweit steuerfrei, als sie der Höhe nach die tatsächlichen Kosten oder bei Verwendung eines arbeitnehmereigenen Kraftfahrzeuges die Sätze gemäß § 26 Z 4 lit. a EStG nicht übersteigen."

Nach den unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen des Finanzamtes hat der Bw. für die Zeit der Dienstzuteilung Zuteilungsgebühren - und zwar Tagesgebühren - nach § 22 der Reisegebührenvorschrift (RGV) erhalten, die (im Rahmen der Sätze des § 26 Z 4 lit. b EStG 1988) auch insoweit nicht dem Lohnsteuerabzug unterzogen wurden, als sie auf die am Familienwohnsitz verbrachten dienstfreien Tage entfielen.

2) Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung dürfen nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 nicht abgezogen werden.

Nimmt der Steuerpflichtige eine Erwerbstätigkeit an einem außerhalb der üblichen Entfernung zum Wohnort gelegenen Arbeitsort auf und ist ihm weder die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz noch eine Verlegung der Familienwohnung an den Ort der Erwerbstätigkeit zumutbar, stellen die Kosten der doppelten Haushaltsführung einschließlich der Familienheimfahrten nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Werbungskosten dar. Aufwendungen für Familienheimfahrten sind allerdings nur insoweit abzugsfähig, als sie innerhalb angemessener Zeiträume erfolgen. Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen sind in der Regel wöchentliche Familienheimfahrten zu berücksichtigen (Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Rz 220 zu § 16 Stichwort "Familienheimfahrten" sowie Rz 359 zu § 4 und die dort zitierte Rechtsprechung). Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung ist zudem der Abzug von Werbungskosten für Familienheimfahrten der Höhe nach mit dem Betrag des höchsten Pendlerpauschales (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988) begrenzt, wobei die jährliche Höchstgrenze (im Streitjahr: 2.100 €) auf den Zeitraum der doppelten Haushaltsführung (hier: Juli bis Dezember 2003) umzurechnen ist. Daraus ergibt sich im Berufungsfall eine Begrenzung der abzugsfähigen Kosten für Familienheimfahrten mit insgesamt 1.050 €.

Außer Streit steht, dass die Kosten der Familienheimfahrten von der Dienststelle in B zum Familienwohnsitz in D dem Grunde nach als Werbungskosten abzugsfähig waren, weil dem Bw. eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach B schon im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Dienstzuteilung nicht zugemutet werden konnte.

Aus den der Steuererklärung beigeschlossenen Aufstellungen ergibt sich, dass dem Bw. im Streitjahr Aufwendungen für Heimfahrten zum Familienwohnsitz (nach Abzug der Reisebeihilfe gemäß § 24 RGV) in Höhe von 1.659,56 € erwachsen sind. Danach ist der Bw. nach Maßgabe seines Dienstplanes in unregelmäßigen, öfters kürzeren Zeitabständen als ca. einer Woche nach Hause gefahren. Abzugsfähig sind, wie ausgeführt, nur die Kosten von Familienheimfahrten, die in angemessenen Zeitabständen unternommen werden. Unter Berücksichtigung von Familienheimfahrten, die jeweils nach ca. fünf- bis siebentägiger Abwesenheit erfolgten, ergeben sich aus dem Titel "Familienheimfahrten" Werbungskosten (Kilometergelder) von 812,28 € (Heim-/Rückreisen am 3.7./23.7., 29.7./31.7., 8.8./19.8., 26.8./1.9., 7.9./22.9., 28.9./1.10., 8.10./14.10., 20.10./23.10., 30.10./4.11., 9.11./12.11., 19.11./21.11., 26.11./28.11., 3.12./5.12. und am 10.12./13.12.2003). Der Bw. hat gegen diese Berechnung keine Einwendungen erhoben.

3) Nach § 20 Abs. 2 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden. Diese Bestimmung ist Ausdruck des allgemeinen steuerlichen Rechtsgrundsatzes, nach dem einer fehlenden Steuerpflicht auf der einen Seite das Abzugsverbot auf der anderen Seite gegenübersteht (Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Rz 149 zu § 20). Soweit der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber Kostenersätze erhält, die gemäß § 26 EStG 1988 zu den nicht steuerbaren Einnahmen gehören, kann der Arbeitnehmer die ihm ersetzten Ausgaben daher nicht als Werbungskosten abziehen. Erst wenn der Arbeitnehmer mehr aufwenden muss, als ihm ersetzt wird, kann er den Mehrbetrag grundsätzlich als Werbungskosten geltend machen (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Band III B Kommentar, Rz 5 letzter Absatz zu § 16 EStG 1988 allgemein).

Das Abzugsverbot des § 20 Abs. 2 EStG 1988 kommt zur Anwendung, wenn zwischen den Einnahmen und den Ausgaben ein klar abgrenzbarer, objektiver Zusammenhang besteht (VwGH 16.12.1986, 84/14/0127). Die Grenze der Anwendbarkeit der Bestimmung liegt also dort, wo kein solcher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben feststellbar ist (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Rz 42 zu § 20). Nun trifft es zwar zu, dass sowohl die dem Bw. ausbezahlten Zuteilungsgebühren als auch die ihm erwachsenen Fahrtkosten für Familienheimfahrten letztlich auf die Dienstzuteilung (an eine vom Wohnort 140 km entfernte Dienststelle) zurückzuführen sind. Bei den hier in Rede stehenden Zuteilungsgebühren nach § 22 RGV handelt es sich jedoch um Tagesgebühren zur Abgeltung von (dienstortbedingten) Verpflegungsmehraufwendungen. Reisebeihilfen für Heimreisen an den Wohnort werden verheirateten Beamten nach je 90 Tagen der Dienstzuteilung gemäß § 24 RGV neben der Zuteilungsgebühr gewährt. Zwischen der nach § 22 RGV durchgehend (auch für die am Wohnort verbrachte Freizeit; Galee-Traumüller, Reisegebührenvorschrift der Bundesbediensteten, 9. Auflage, S. 95) zustehenden Zuteilungsgebühr und den aus Anlass der Heimreise anfallenden Fahrtkosten besteht somit kein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG 1988, weil mit der Zuteilungsgebühr keine Fahrtkosten ersetzt werden. Der Rechtsansicht des Finanzamtes, wonach die als Werbungskosten abzugsfähigen Kilometergelder für Familienheimfahrten um Zuteilungsgebühren für die am Wohnort verbrachten dienstfreien Zeiten zu kürzen seien, kann deshalb nicht gefolgt werden. Ist - wie hier - der Tatbestand des § 1 Z 2 der Dienstreiseverordnung erfüllt, bleiben Tagesgebühren im Rahmen der Sätze des § 26 Z 4 lit. b EStG 1988 auch insoweit steuerfrei, als sie auf die am Familienwohnsitz verbrachte Freizeit entfallen. Die sachliche Rechtfertigung einer solchen Regelung ist im Rahmen dieses Berufungsverfahrens nicht zu prüfen (zur Rechtslage vor der Dienstreiseverordnung siehe jedoch VwGH 25.11.1997, 93/14/0163). Eine Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 20 Abs. 2 EStG 1988 in Fällen, in denen nach der Dienstreiseverordnung steuerfrei belassenen Leistungen des Arbeitgebers nicht mehr der Charakter eines Reisekostenersatzes (im Sinne der allgemeinen Begriffsbestimmung des § 26 Z 4 zweiter Satz EStG 1988) zukommt, kann aus dem Gesetz in keinem Fall abgeleitet werden.

4) Insgesamt waren somit Werbungskosten von 861,75 € (812,28 € für Familienheimfahrten; 49,47 € für Dienstreisen zu den Zuteilungsorten) zu berücksichtigen. Die Neuberechnung der Einkommensteuer 2003 ist dem beigeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Innsbruck, am 26. Jänner 2006

Ergeht auch an: Finanzamt als Amtspartei

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 20 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Z 2 Reisekostenvergütungen gemäß § 26 Z 4 EStG 1988, BGBl. II Nr. 306/1997

Schlagworte:

Zuteilungsgebühr, Reisegebührenvorschrift, Dienstreiseverordnung, Familienheimfahrten

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