Umschulungsmaßnahme im Sinne des § 16 Abs 1 Z 10 EStG 1988 idF AbgÄG 2004
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom 27. September 2004 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 21/22 vom 9. September 2004 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2003 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die Abgabenfestsetzung der Einkommensteuer für 2003 erfolgt gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufig.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw) erzielte als Bankangestellte im Streitjahr 2003 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2003 brachte die Bw Ausgaben für die Umschulung zur Shiatsu-Therapeutin iHv 1.500 € als Werbungskosten in Ansatz. Im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 9. September 2004 wurden die in Rede stehenden Ausgaben vom Finanzamt mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass es sich im Falle der Bw um Ausbildungskosten handle (keine berufsspezifische Fortbildung).
Die Bw begründete ihre daraufhin erhobene Berufung vom 27. September 2004 damit, dass es sich bei diesen Ausgaben um Ausbildungskosten im Sinne einer Umschulungsmaßnahme entsprechend dem Punkt 358, letzter Absatz, in den Lohnsteuerrichtlinien handle. Ihre Ausbildung zur Shiatsu-Therapeutin ermöglichte ihr einen neuen beruflichen Einstieg. Der österreichische Dachverband für Shiatsu sehe genaue Ausbildungsrichtlinien und einen Diplomabschluss vor. Die von der Bw bisher absolvierten Kurse und Übungen seien keine Einzelkurse oder Kursmodule die für sich allein keinen Berufsumstieg darstellten.
Die abweisende Berufungsvorentscheidung vom 19. Oktober 2004 wurde damit begründet, dass es sich im Fall der Bw um eine berufsspezifische Bildungsmaßnahme für fremde Berufe handle und die in diesem Zusammenhang erwachsenen Ausbildungkosten als Werbungskosten nicht abzugsfähig seien.
In Ihrem Vorlageantrag vom 29. Oktober 2004 verwies die Bw darauf, dass in § 16 Abs 1 Z 10 1. Satz EStG 1988 Ausbildungsmaßnahmen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die Tätigkeiten in einem neuen Berufsfeld ermöglichten ausdrücklich als Werbungskosten erwähnt seien (BGBl 1 2002/155/ ab 2003) und dass diese Gesetzesstelle in die Rz 358 letzter Absatz der Lohnsteuerrichtlinien (AFÖ 2003/71) aufgenommen worden sei. Bei den von der Bw absolvierten Kursen und Übungen handle es sich um einen stufenweisen Ausbildungsplan für eine diplomierte Shiatsu-Praktikerin.
Im Rahmen eines Vorhaltes wurde die Bw ersucht, bekannt zu geben, wie weit es möglich sei bzw die Bw die konkrete Absicht habe, ihren derzeit ausgeübten Beruf einer Bankangestellten aufzugeben und den Beruf einer Shiatsu-Therapeutin künftig auch tatsächlich auszuüben, bis wann ihre Ausbildung bzw Umschuldung zur Shiatsu-Therapeutin voraussichtlich abgeschlossen sein werde und inwieweit und ab wann aus dieser Tätigkeit Einkünfte zu erwarten sein würden.
In der Vorhaltsbeantwortung teilte die Bw mit, dass es laut Ausbildungsplan sieben Stufen mit anschließender Diplomprüfung gäbe; die Bw habe im Jahr 2005 Stufe fünf absolviert und werde für die beiden letzten Stufen voraussichtlich noch drei bis vier Jahre brauchen. Danach möchte die Bw neben ihrem derzeitigen Beruf, Shiatsu als Nebenberuf ausüben. Ab Beginn dieser Nebenberufstätigkeit seien dann Einkünfte zu erwarten.
Über die Berufung wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
- Die Bw ist Angestellte bei einer Bank.
- Im Streitjahr 2003 besuchte die Bw vier - der laut Ausbildungsplan sieben - Kurse (Stufe 1 - 3, Anatomie) zur Ausbildung bzw Umschuldung zur Shiatsu-Therapeutin im Europäischen Shiatsu-Institut.
- Für die beiden letzten, noch zu absolvierenden Kurse wird die Bw laut eigenen Angaben noch drei bis vier Jahre benötigen.
- Die Bw möchte danach neben ihrem jetzigen Beruf Shiatsu als Nebenberuf ausüben. Konkrete Pläne hinsichtlich Beginn dieser Nebentätigkeit sowie Vorstellungen über die zu erwartenden Einkünfte sind noch nicht vorhanden.
Diese Feststellungen ergeben sich aus der Berufung, dem Vorlageantrag und der Vorhaltsbeantwortung.
Der festgestellte Sachverhalt war in folgender Weise rechtlich zu würdigen:
Gemäß § 200 Abs 1 erster Satz BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. . . .
Ist die Ungewissheit beseitigt, wird die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung ersetzt. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass, so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt (§ 200 Abs 2 leg cit).
Werbungskosten im Sinne des § 16 EStG 1988 sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen.
Gemäß § 16 Abs 1 Z 10 erster Satz EStG 1988 in der für das Streitjahr 2003 nunmehr anzuwendenden Fassung BGBl. I 180/2004 (AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180/2004 vom 30. Dezember 2004) stellen Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen, Werbungskosten dar. Gemäß § 124b Z 107 EStG ist § 16 Abs 1 Z 10 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 180/2004 erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2003 anzuwenden.
Aus dem Gesetzestext leitet sich die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen als Werbungskosten dann ab, wenn die Umschulungsmaßnahme einerseits derart umfassend ist, dass sie den Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglicht, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht verwandt ist, und andererseits auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielt.
Aus dieser ausdrücklich genannten Tatbestandsvoraussetzung des "Abzielens auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes", schließt der Unabhängige Finanzsenat, dass Umstände vorliegen müssen, die über eine bloße Absichtserklärung hinausgehen müssen.
Inhaltlich schließt sich der Begriff der "umfassenden Umschulung" somit dem der "vorweggenommenen Werbungskosten" an. Die Anerkennung so genannter vorbereitender oder vorweggenommener Werbungskosten setzt voraus, dass die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen (vgl zB VwGH 28.5.1986, 85/13/0045).
Diese über die bloße Absichtserklärung hinausgehende tatsächliche Absicht der Berufsausübung kann von der Bw zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nachgewiesen werden, was einer Anerkennung der geltend gemachten Kosten derzeit entgegensteht. Andererseits kann eine spätere tatsächliche Berufsausübung als Shiatsu-Therapeutin durch die Bw in näherer Zukunft auch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, da die von der Bw geäußerte Absicht im Zeitraum von drei bis vier Jahren aus der Tätigkeit als Shiatsu-Therapeutin Einnahmen erzielen zu wollen, die zu steuerpflichtigen Einkünften führen, erst anhand der tatsächlich gesetzten Aktivitäten beurteilt werden kann. Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates handelt es sich dabei um eine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs 1 BAO, welche eine vorläufige Abgabenfestsetzung rechtfertigt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 16. Jänner 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Shiatsu-Therapeut, Umschulung, Werbungskosten, Ausbildung vorweggenommene Werbungskosten |
Verweise: | VwGH 28.05.1986, 85/13/0045 |