Rückzahlung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe, Geldempfang wurde bestritten
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/15/0113 eingebracht. Mit Erk. v. 28.10.2008 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0758-I/08 erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch RA., vom 25. März 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 18. März 2005 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum 1. März 2004 bis 30. September 2004 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom 18.3.2005 forderte das Finanzamt Innsbruck von der Bw. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge im Gesamtbetrag von € 1.272,60 zurück. Begründet wurde der Bescheid damit, dass die Bw. für ihre Tochter M. (geb. am tt.mm.jjjj) für den Zeitraum 1.2.2004 bis 30.9.2004 die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen habe, da die Tochter der Bw. ihre Lehre mit 20.2.2004 abgebrochen habe.
Gegen den angeführten Bescheid erhob die Bw. mit Schreiben vom 25.3.2005 form- und fristgerecht Berufung. In der Berufungsschrift, die in den Antrag auf ersatzlose Bescheidaufhebung mündet, bringt die Bw. als Begründung vor:
Die Bw. bestreite, dass sie die angeführten Beträge jemals erhalten habe. Sie bitte daher um Eruierung, wohin das Geld gegangen ist.
Am 17.8.2005 erließ das Finanzamt Innsbruck eine abweisliche Berufungsvorentscheidung. Die Abweisung wurde wie folgt begründet:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Nach § 10 Abs.2 FLAG 1967 erlischt der Familienbeihilfenanspruch mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt. Gemäß § 25 FLAG sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt zu erfolgen. Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 in der ab dem 1. Mai 1996 geltenden maßgeblichen Fassung BGBl. 1 Nr. 8/1998 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch eine in § 46 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannte Gebietskörperschaft oder gemeinnützige Krankenanstalt verursacht worden ist. Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 steht zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag (Monatsbeträge, gestaffelt nach Anzahl der Kinder) zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden. Die Regelung der Rückzahlungspflicht im Sinne des § 26 FLAG ist nur auf den objektiv vorliegenden Sachverhalt der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe abgestimmt. Eine subjektive Sichtweise ist nicht vorgesehen, d.h. persönliche oder sonstige Umstände, die zum unrechtmäßigen Bezug geführt haben, sind nicht zu berücksichtigen. Entscheidend ist lediglich, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe nicht gegeben waren. Dass die Anspruchsvoraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe (im vorliegenden Fall durch den Abbruch der Berufsausbildung Ihrer Tochter) im strittigen Zeitraum nicht mehr vorgelegen war, wird von Ihnen nicht bestritten. Nach den Erhebungen des Finanzamtes wurde die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag mittels Postanweisungen für den Zeitraum März bis September 2004 ausbezahlt und mit Unterschrift die Übernahme bestätigt. Es waren daher die für den Zeitraum 1.3.2004 bis 30.9.2004 zu Unrecht bezogenen Beträge (FB und KAB) zurückzufordern."
Mit Eingabe vom 19.9.2005 beantragte die Bw. (inzwischen rechtsfreundlich vertreten) fristgerecht die Vorlage der Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat. Im Vorlageantrag wird ergänzend vorgebracht:
"Unstrittig sind in gegenständlichem Verfahren offensichtlich zwei Tatsachen, nämlich erstens, dass die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe für die Tochter M. seit 01.03.2004 nicht mehr vorliegen und zweitens dieser Umstand dem Finanzamt unverzüglich, jedenfalls aber fristgerecht mitgeteilt wurde. Ausdrücklich bestritten wird jedoch der Vorwurf, dass Frau Bw1. im Zeitraum vom 01.03.2004 - 30.09.2004 sowohl die Kinderbeihilfe als auch den Kinderabsetzbetrag tatsächlich bezogen hat. Die Auszahlungen der Kinderbeihilfe erfolgten jeweils nach Postanweisung durch den Briefträger in bar, und zwar bis Februar 2004 direkt an Frau Bw1. , und im März 2004 an die inzwischen volljährig gewordene Tochter M. . Sofort nach Mitteilung vom Beginn der Arbeitstätigkeit durch M. erfolgten keine Auszahlungen mehr, und zwar weder an Frau Bw1. noch an M. . Die Übernahme von Barbeträgen oder eine Anweisung auf Konten hat ab 01.03.2004 nicht mehr stattgefunden, sodass die Rückforderung mangels vorhergehender Leistung zu Unrecht erfolgt. Der langjährige Briefträger für das Gebiet in dem Frau Bw1. wohnt, Herr Zeuge, hat über Jahre hinweg die Auszahlungen an Frau Bw1. vorgenommen. Er ist sich sicher, ab 01.03.2004 keine Auszahlungen mehr durchgeführt zu haben. Es wird daher ausdrücklich die Einvernahme des Zeugen Zeuge , p. A. Osterreichische Post AG, Postamt Adresse1 beantragt. Die von Behördenseite eingeholten Auszahlungsbelege vom 16.04.2004 und 18.08.2004 müssen unter dem Gesichtspunkt, dass Frau Bw1. nach dem 01.03.2004 keine derartigen Belege mehr unterschrieben hat, hinsichtlich der Unterschrift Fälschungen eines Unbekannten darstellen. Die Unterschrift von Frau Bw1. ist besonders prägnant, vor allem aber in ihrer Länge sehr gerafft. Gerade letzteres Merkmal unterscheidet das Original von der Fälschung. Es obliegt zwar dem Finanzamt Innsbruck den Nachweis darüber zu führen, dass die Beträge tatsächlich an Frau Bw1. in bar übergeben wurden, vorsichtshalber wird jedoch ausdrücklich die Herbeischaffung der Originalbelege und die Erstellung eines graphologischen Gutachtens durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen beantragt."
Im Zuge des Berufungsverfahren wurden von der Berufungsbehörde folgende ergänzende Ermittlungen durchgeführt:
1. Die zugehörigen Auszahlungsbelege wurden bei der PSK angefordert. Da die Orginalbelege nur ein Jahr aufbewahrt werden, konnte die PSK nur mehr Ausdrucke der verfilmten Auszahlungsbelege übermitteln (Schreiben der PSK vom 15.11. und 24.11.2004) .
2. Der Postzusteller Zeuge wurde von der Berufungsbehörde zur schriftlichen Zeugenaussage aufgefordert. In seiner schriftlichen Zeugenaussage gab Zeuge an, dass er am 23.2. und 26.4.2004 je 363,60 in bar an die Bw. persönlich ausbezahlt habe.
Am 21.6.2004 habe er € 363,60 an die Tochter der Bw. in bar ausbezahlt.
Am 24.8.2004 habe er die Bw. an ihrer Adresse nicht antreffen können. Er habe sie daher verständigt, dass der Betrag von € 363,60 beim Postamt Z. abgeholt werden könne.
Die angeführten Beweisergebnisse wurden der Bw. mit dem Ersuchen um Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Am 22.12.2005 gab die Bw. durch ihren ausgewiesenen Vertreter folgende Stellungnahme ab:
Die Bw. sei sich absolut sicher, nach dem 1.3.2004 keine Auszahlungsbelege mehr unterschreiben zu haben. Die Unterschrift der Bw. sei besonders auffällig (insbes. kürzer als jene auf den Auszahlungsbelegen). Bei den Unterschriften auf den Auszahlungsbelegen müsse es sich um Fälschungen handeln. Die Bw. wiederhole ihren Antrag auf Einholung eines graphologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass es sich bei den Unterschriften auf den Auszahlungsbelegen nicht um jene der Bw., sondern um Fälschungen handelt. Der Zeuge Zeuge habe in mehreren persönlichen Gesprächen betont, dass er sich absolut sicher sei, ab 1.3.2004 keine Auszahlungen mehr an die Bw. oder an deren Tochter vorgenommen zu haben.
Hiezu wurde erwogen:
Im gegenständlichen Fall steht unbestrittenermaßen fest, dass der Bw. für ihre Tochter M. (geb. tt.mm.jjjj ) im Zeitraum 1.3.2004 bis 30.9.2004 weder Familienbeihilfe noch Kinderabsetzbeträge zustanden, da M. ihre Lehre am 20.2.2004 abgebrochen und im Streitzeitraum keine weitere Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 absolviert hat. Allenfalls bezogene Familienbeihilfenbeträge und Kinderabsetzbeträge sind gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. rückzuerstatten. Hinsichtlich der diesbezüglichen rechtlichen Details (insbes. Bedingungen für den Bezug von Familienbeihilfe, verschuldensunabhängige Rückerstattungspflicht bei Übergenüssen) wird zur Vermeidung von umfangreichen Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz in der Berufungsvorentscheidung vom 17.8.2005 verwiesen.
Hinsichtlich der streitgegenständlichen Auszahlungen nimmt die Berufungsbehörde aus folgenden Gründen folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
1. Auszahlungen vom 23.2. und 26.4.2004
Der Postzusteller Zeuge gab in seiner schriftlichen Zeugenaussage unter (strafrechtlich sanktionierter) Wahrheitspflicht als Zeuge an, dass er am 23.2. und 26.4.2004 je 363,60 € in bar an die Bw. ausbezahlt habe. Die Berufungsbehörde misst diesen Angaben höhere Glaubwürdigkeit zu als der bestreitenden Einlassung der Bw., weil der Zeuge im Gegensatz zur Bw. anlässlich seiner Zeugenaussage unter Wahrheitspflicht gestanden ist und am Ausgang des gegenständlichen Berufungsverfahrens kein persönliches finanzielles Interesse hat. Es besteht daher für die Berufungsbehörde nicht der geringste Anlass, an den glaubwürdigen und schlüssigen Angaben des Zeugen zu zweifeln. Der Berufungsbehörde liegt eine Orginalunterschrift der Bw. vor (Berufungsschrift, Bl. 16 des FA- Aktes). Für den gefertigten Referenten besteht im Hinblick auf die Prägnanz der Unterschrift der Bw. nicht der geringste Zweifel, dass die Unterschrift am Vorlageantrag mit jener auf den beiden Ausdrucken der Auszahlungsbelege vom 23.2. und 26.4.2004 identisch ist (insbes. markante Schreibweise des Vornamens und des ersten Buchstabens des Nachnamens). Die Berufungsbehörde nimmt daher in freier Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO) als erwiesen an, dass am 23.2. und 26.4.2004 je € 363,40 an die Bw. in bar ausbezahlt wurden. Hinsichtlich der am 23.2.2004 an die Bw. erfolgten Auszahlung ist weiters festzuhalten, dass in der Stellungnahme vom 22.12.2005 von der Bw. nur behauptet wird, nach dem 1.3.2004 keine Auszahlungsbelege mehr unterschrieben zu haben.
2. Auszahlung vom 21.6.2004
Der angeführte Zeuge gab in seiner Zeugenaussage an, dass er am 21.6.2004 € 363,40 in bar an die Tochter der Bw. ausbezahlt habe. Hinsichtlich der Gründe, die für die Glaubwürdigkeit des Zeugen sprechen, wird auf die vorstehenden Ausführungen in Pkt. 1. verwiesen. Auch von der Tochter der Bw. M. G. (geb. am tt.mm.jjjj ) liegt der Berufungsbehörde eine Orginalunterschrift vor (Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2004 vom 28.11.2005, eigenhändige Unterschrift auf S 4). Auch diese Unterschrift ist nach Auffassung des gefertigten Referenten mit der Unterschrift auf dem Auszahlungsbeleg vom 21.6.2004 ohne jeden Zweifel identisch (insbes. markante Schreibweise des ersten Buchstabens des Familiennamens). Der gefertigte Referent gelangt daher in freier Beweiswürdigung zur festen Überzeugung, dass am 21.6.2004 363,40 € in bar an M. ausbezahlt wurden, wobei eine Zustellung an die angeführte (an der gleichen Adresse wohnhafte) Tochter nach den Postzustellvorschriften zulässig war, weil der Auszahlungsbetrag den Grenzbetrag von € 1.500.- nicht überstiegen hat.
3. Auszahlung vom 24.8.2004
Nach den glaubwürdigen Angaben des Postzustellers (siehe Pkt. 1.) wurde der Betrag von € 363,40 (nach Verständigung der Bw.) beim Postamt Z. hinterlegt. Auch in diesem Fall besteht für die Berufungsbehörde nicht der geringste Zweifel, dass die Unterschrift am Vorlageantrag mit jener am Auszahlungsbeleg vom 24.8.2004 identisch ist und dass daher am 24.8.2004 vom Postamt Z. € 363,40 an die Bw. in bar ausgefolgt wurden.
Zu bemerken ist weiters, dass die Einlassung der Bw., dass in vier Fällen im Abstand von jeweils rund zwei Monaten zwei verschiedene Unterschriften (Unterschrift der Bw. bzw. der Tochter) gefälscht worden sein sollen, jeglicher Lebenserfahrung widerspricht. Auch spricht gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben der Bw. die Tatsache, dass eine Zustellung von Geldbeträgen nach den Postvorschriften nur nach Überprüfung der Identität des Empfängers zulässig ist (Legitimation durch amtlichen Lichtbildausweis erforderlich, sofern der Empfänger dem Zusteller nicht persönlich bekannt ist). Auch dieser Umstand spricht eindeutig dagegen, dass die Geldbeträge an eine oder mehrere unbekannte Dritte ausbezahlt wurden.
Im Hinblick auf den leicht durchzuführenden Vergleich der im gegenständlichen Fall zu beurteilenden Unterschriften konnte die von der Bw. beantragte Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens unterbleiben (Einholung eines Gutachtens nur notwendig, wenn die erkennende Behörde nicht selbst über ausreichende Fachkenntnis verfügt; VwGH 19.3.1998, 96/15/0005).
Die Berufungsbehörde gelangt daher insgesamt zur Ansicht, dass die leugnende Einlassung der Bw. zweifelsfrei widerlegt ist und dass die streitgegenständlichen Geldbeträge an die Bw. bzw. an deren Tochter (Ersatzzustellung) in bar ausgefolgt wurden.
Der Berufung musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Innsbruck, am 5. Jänner 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte: | Rückzahlung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe, Geldempfang wurde bestritten, Beweiswürdigung |