Bei Einkünften aus selbständiger Arbeit keine begünstigte Besteuerung nichtentnommener Gewinne gem. § 11a EStG 1988
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 3334/05 eingebracht. Mit Erk. v. 6.12.2006 aufgehoben.
Entscheidungstext
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt, einem Wirtschaftsprüfer oder einem Steuerberater unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Der Bw., ein niedergelassener Facharzt für Radiologie, ermittelt seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988. In der Einkommensteuererklärung für 2004 wies er bei Einnahmen von € 307.791,47 einen Gewinn von € 58.633,10 aus und beantragte, ihm die begünstigte Besteuerung (Hälftesteuersatz) gemäß § 11a EStG 1988 für einen nicht entnommenen Gewinn in Höhe von € 32.182,47 zuzuerkennen.
Das Finanzamt gab diesem Begehren nicht statt und erließ den Einkommensteuerbescheid für 2004 am 1. Juni 2005 in den übrigen Punkten erklärungsgemäß. Begründend führte das Finanzamt aus, dass die begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne nicht in Anspruch genommen werden könne, da diese nur bei bilanzierenden Land- und Forstwirten und Gewerbetreibenden zum Tragen komme.
In der gegen den Einkommensteuerbescheid für 2004 erhobenen Berufung führte der Bw. aus, dass er den Ausschluss der Einkünfte aus selbständiger Arbeit vom § 11a EStG als verfassungswidrig betrachte. Er beantrage daher die Neuausfertigung des Einkommensteuerbescheides für 2004 unter Berücksichtigung seines Antrages betreffend § 11a EStG. Bei Abweisung der Berufung werde der Weg zum Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der verfassungsrechtlich bedenklichen Bestimmung des § 11a EStG in Betracht gezogen.
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Im Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat ergänzte der steuerliche Vertreter das bisherige Vorbringen in der Berufungsangelegenheit dahingehend, dass der Bw. über ein hohes fremdfinanziertes Anlagevermögen verfüge. Die Bilanz- und Einkünftestruktur des Unternehmens des Bw. sei vergleichbar mit einem typischen Gewerbebetrieb. Es bestehe weder vermögensmäßig noch einkunftsmäßig ein Unterschied zu einem gewerblichen Unternehmen.
In der Bilanz zum 31. Dezember 2004 wies der Bw. Buchwerte für "Betriebs- und Geschäftsausstattung" von € 353.256,26 sowie weiters für "Investitionen in fremde Gebäude" von € 52.100,78 aus. Die Bankverbindlichkeiten des Bw. betrugen zum 31. Dezember 2004 € 434.174,02.
Über die Berufung wurde erwogen:
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, wurde die Bestimmung des § 11a in das Einkommensteuergesetz 1988 neu eingefügt. Gemäß § 124b Z. 78 leg. cit. ist § 11 a erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 anzuwenden.
Die gesetzliche Bestimmung hat folgenden - aufgrund der Änderungen durch BGBl. I Nr. 124/2003 und BGBl. I Nr. 180/2004 - für die gegenständliche Berufungsangelegenheit anzuwendenden Wortlaut:
"Begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne
§ 11a. (1) Natürliche Personen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können den Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne (§ 4 Abs. 10) und Veräußerungsgewinne (§ 24), bis zu dem in einem Wirtschaftsjahr eingetretenen Anstieg des Eigenkapitals, höchstens jedoch 100 000 Euro, mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs. 1 versteuern (begünstigte Besteuerung). Der Höchstbetrag von 100.000 Euro steht jedem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum nur einmal zu. Der Anstieg des Eigenkapitals ergibt sich aus jenem Betrag, um den der Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne und Veräußerungsgewinne, die Entnahmen (§ 4 Abs. 1) übersteigt. Einlagen (§ 4 Abs. 1) sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie betriebsnotwendig sind.
(2) Bei Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind und die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können nur die Gesellschafter die begünstigte Besteuerung im Sinne des Abs. 1 in Anspruch nehmen. Der Betrag von 100 000 Euro (Abs. 1) ist bei den Mitunternehmern mit einem der Gewinnbeteiligung entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Die begünstigte Besteuerung ist nicht zulässig, wenn der Mitunternehmer die Beteiligung in einem Betriebsvermögen eines Betriebes hält, für den der laufende Gewinn ganz oder teilweise unter Anwendung des Abs. 1 begünstigt besteuert werden kann.
(3) Sinkt in einem folgenden Wirtschaftsjahr in sinngemäßer Anwendung des Abs. 1 unter Außerachtlassung eines Verlustes das Eigenkapital, ist insoweit eine Nachversteuerung unter Anwendung des Steuersatzes nach § 37 Abs. 1 vorzunehmen. Nachzuversteuern ist höchstens jener Betrag, der in den vorangegangenen sieben Wirtschaftsjahren nach Abs. 1 begünstigt besteuert worden ist. Die Nachversteuerung ist zunächst für den begünstigten Betrag des zeitlich am weitest zurückliegenden Wirtschaftsjahres vorzunehmen.
(4) Sind in einem Wirtschaftsjahr, in dem aus diesem Betrieb ein Verlust entsteht, die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung gegeben, kann der nachzuversteuernde Betrag wahlweise mit dem Verlust ausgeglichen oder nachversteuert werden. Im Falle einer Nachversteuerung ist der Nachversteuerungsbetrag gleichmäßig auf das laufende und das folgende Wirtschaftsjahr zu verteilen.
(5) Im Falle der Übertragung eines Betriebes ist die Nachversteuerung insoweit beim Rechtsnachfolger vorzunehmen, als es zu einer Buchwertfortführung kommt.
(6) Wechselt der Steuerpflichtige von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich auf eine andere Gewinnermittlung, ist eine Nachversteuerung gemäß Abs. 3 bis 5 vorzunehmen. Die Nachversteuerung unterbleibt, soweit und solange für jedes Wirtschaftsjahr innerhalb des Nachversteuerungszeitraums durch geeignete Aufzeichnungen nachgewiesen wird, dass kein Sinken des Eigenkapitals eingetreten ist. Erfolgt kein Nachweis, ist die Nachversteuerung in jenem Wirtschaftsjahr vorzunehmen, für das kein Nachweis erbracht wird.
(7) Der Anstieg des Eigenkapitals ist insoweit zu kürzen, als das Eigenkapital im Kalenderjahr 2003 außerhalb eines bei der Veranlagung 2004 zu erfassenden Wirtschaftsjahres sinkt. Dabei ist auf Entnahmen (§ 4 Abs. 1) und betriebsnotwendige Einlagen (§ 4 Abs. 1) des Kalenderjahres 2003, die außerhalb eines bei der Veranlagung 2004 zu erfassenden Wirtschaftsjahres anfallen, sowie den anteiligen Gewinn des Kalenderjahres 2003 abzustellen. Einlagen (§ 4 Abs. 1) sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie betriebsnotwendig sind. Der anteilige Gewinn des Kalenderjahres 2003 ist wie folgt zu ermitteln:
Der bei der Veranlagung 2003 zu erfassende Gewinn ist durch die Anzahl der Monate, für die dieser Gewinn ermittelt wurde, zu teilen (anteiliger Monatsgewinn). Der anteilige Monatsgewinn ist mit der Anzahl der Monate des Kalenderjahres 2003, die nicht einem bei der Veranlagung 2004 zu erfassenden Wirtschaftsjahr zuzurechnen sind, zu multiplizieren. Angefangene Monate gelten dabei als ganze Monate."
Nachdem die gesetzliche Formulierung in § 11a Abs. 1 EStG 1988 keinen Spielraum hinsichtlich des Personenkreises, welcher die begünstigte Besteuerung nichtentnommener Gewinne in Anspruch nehmen kann, erkennen ließ, waren noch die zur Verfügung stehenden Gesetzesmaterialien in Betracht zu ziehen.
Im besonderen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage (59 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP) wurde zur allgemeinen Zielsetzung der Neuregelung sowie zum betroffenen Personenkreis ausgeführt:
" Allgemeine Zielsetzung der Neuregelung
Im Interesse der Förderung der Eigenkapitalbildung soll der Anstieg des Eigenkapitals steuerlich begünstigt werden. Die bisherige Regelung des § 11, die ebenfalls dieser Zielsetzung gedient hat, erwies sich aus verschiedenen Gründen als unzulänglich. Aus diesem Grund soll eine neu konzipierte Regelung geschaffen werden, die eine höhere Anreizwirkung zur Eigenkapitalbildung entfaltet. Angestrebt wird dies mit einem neuen Instrumentarium, das zum Unterschied von der Regelung des § 11 nicht bloß indirekt über eine Verzinsung des Eigenkapitalzuwachses Anreizwirkungen entfaltet, sondern direkt die Eigenkapitalbildung fördert. In diesem Sinn sollen Gewinne, die für einen Anstieg des Eigenkapitals "reserviert" werden, einer begünstigten Besteuerung zugeführt werden.
Betroffener Personenkreis
Die Neuregelung soll den nach Handels- oder Abgabenrecht bilanzierenden Einzelunternehmern und den Mitunternehmern von bilanzierenden Mitunternehmerschaften zustehen. Generell können von der Begünstigung nur natürliche Personen, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder Gewerbebetrieb haben, Gebrauch machen. Die Begünstigung wird auf diese Bereiche konzentriert, weil das Eigenkapital in besonderem Maße bei Land- und Forstwirten und Gewerbetreibenden von betriebswirtschaftlicher Bedeutung (Liquidität, Insolvenzsicherheit) ist. Für den Bereich der Körperschaften soll § 11 weiterbestehen, der durch ergänzende Regelungen in § 11 Abs. 2 KStG 1988 flankiert wird. Ausländische Einzelunternehmer - also beschränkt Steuerpflichtige - können die Begünstigung in Bezug auf inländische Betriebsstätten und ausländische Mitunternehmer in Bezug auf inländische Mitunternehmerschaften in Anspruch nehmen."
Im Bericht des Budgetausschusses (111 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP) wurde zu Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988 u.a. festgehalten:
"Unverändert soll die Begünstigung bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit nicht zustehen. Dies deshalb, weil diese Berufe in der Regel keinen erheblichen Kapitalbedarf haben und fast ausschließlich auf der persönlichen Leistung des Berufsträgers beruhen. Für diesen Personenkreis besteht daher kein wirtschaftliches Bedürfnis, das betriebliche Sparen und damit die Kapitalinvestition im eigenen Betrieb zu fördern."
Auch die Betrachtung der Gesetzesmaterialien zeigte somit, dass am Willen des Gesetzgebers kein Zweifel bestehen kann. Die Begünstigung des § 11a EStG 1988 soll bei der Erzielung von Einkünften aus selbständiger Arbeit nicht zustehen.
Der angefochtene Bescheid wurde vom Finanzamt der geltenden Rechtslage entsprechend erlassen.
Das Vorbringen hinsichtlich der Unternehmensstruktur der Facharztpraxis für Radiologie des Bw. vermochte an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
Wenn der Bw. ausführte, dass er die gesetzliche Bestimmung des § 11a EStG 1988 als verfassungswidrig betrachte, so war es dem unabhängigen Finanzsenat in seinem Wirkungsbereich nicht möglich, darauf einzugehen.
Die Berufung erwies sich als unbegründet.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt, 23. September 2005
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 11a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Nichtentnommener Gewinn, begünstigte Besteuerung, Hälftesteuersatz, Einkünfte aus selbständiger Arbeit |