UFS RV/0101-G/05

UFSRV/0101-G/0518.10.2005

Zurechnung von Umsätzen an den in der Rechnung ausgewiesenen "liefernden Unternehmer" und Vorsteuererstattung

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch AWIT Allgemeine Wirtschaftstreuhand-Gesellschaft m.b.H., 1060 Wien, Capistrangasse 4/9, vom 23. Dezember 2003 gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt, vertreten durch Dr. Erwin Ganglbauer, vom 2. Dezember 2002 betreffend Umsatzsteuer 1999 sowie Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer für Februar bis April 2000 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bescheid betreffend Umsatzsteuer 1999 wird abgeändert. Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1999 erfolgt mit 0,00 €.

Der Bescheid betreffend Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer für Februar bis April 2000 bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Das gegenständliche Verfahren ist vor dem Hintergrund der abgaben- und finanzstrafbehördlichen Verfahren gegen WT bzw. die T-GmbH&CoKG zu sehen, in denen das Finanzamt ua die Feststellung getroffen hat, dass die im April 1999 um einen Schilling von WT an DL veräußerte I-GmbH (vormals T-GmbH. bzw. IT-GmbH) bei Leistungen als leistender Unternehmer vorgeschoben worden ist. Das Abgabenkonto der I-GmbH, die keine Umsatzsteuer entrichtet hat, weist heute (nach Festsetzung von in Rechnungen ausgewiesener Umsatzsteuer durch das Finanzamt) einen uneinbringlichen Rückstand von fast einer Million Euro aus.

Die Bw ist eine in Deutschland ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Betriebsgegenstand "Lüftungs- und Brandschutztechnik". In den Jahren 1999 und 2000 hat sie Brandschutzplatten aus Österreich bezogen. Diese Brandschutzplatten wurden - so der unbestritten gebliebene Sachverhalt - von der Firma P aus Belgien zum Lagerplatz der T-GmbH&CoKG nach K geliefert, von wo sie die Bw durch einen Spediteur hat abholen und nach Deutschland hat befördern lassen. Die I-GmbH hat über die Lieferung dieser Brandschutzplatten an die Bw Rechnungen mit Umsatzsteuer wie folgt ausgestellt (Beträge in Schilling ohne Groschenbeträge):

Rechnungsdatum

Rechnungsbetrag

Umsatzsteuer

11.10.1999

417.600

69.600

18.10.1999

375.840

62.640

25.10.1999

375.840

62.640

3.11.1999

375.840

62.640

9.11.1999

375.840

62.640

11.11.1999

375.840

62.640

18.11.1999

375.840

62.640

26.11.1999

375.840

62.640

2.12.1999

375.840

62.640

9.12.1999

375.840

62.640

15.12.1999

375.840

62.640

17.12.1999

375.840

62.640

20.12.1999

375.840

62.640

17.2.2000

387.115

64.519

20.2.2000

387.519

64.519

Die Bw hat teilweise Skontobeträge abgezogen und dies auf den Rechnungen handschriftlich vermerkt.

Die Bw beantragte mit Schreiben vom 1. Dezember 1999 unter Verwendung des amtlichen Vordruckes die Erstattung von Vorsteuern für Oktober bis Dezember 1999 im Betrag von insgesamt 244.644 S (betrifft vier Rechnungen der I-GmbH). Mit Schreiben vom 13. Jänner 2000 beantragte die Bw unter Verwendung des amtlichen Vordruckes die Erstattung von Vorsteuern für November bis Dezember 1999 im Betrag von 535.572 S (betrifft neun Rechnungen der I-GmbH). Weiters beantragte die Bw. mit Schreiben vom 22. November 2000 unter Verwendung des amtlichen Vordruckes die Erstattung von Vorsteuern für Februar bis April 2000 im Betrag von insgesamt 122.586 S (betrifft zwei Rechnungen der I-GmbH).

Das Finanzamt verbuchte am 19. Jänner 2000 eine Gutschrift im Betrag von -244.644 S und am 27. Jänner 2000 eine Gutschrift im Betrag von -535.572 S am Abgabenkonto der Bw. Das Guthaben im Betrag von -780.216 S wurde in zwei Teilbeträgen (in Höhe der Gutschriften) am 2. Februar 2000 und am 3. März 2002 an die Bw ausbezahlt. Die Ausfertigung und Zustellung der diesen Zahlungen zu Grunde liegenden Bescheide durch das Finanzamt ist nicht erweisbar; nach dem Vorbringen der Bw wurden ihr keine Bescheide zugestellt, im Verwaltungsakt finden sich keine Durchschriften oder Zustellnachweise.

Nach zuvor durchgeführter Prüfung der Aufzeichnungen setzte das Finanzamt am 2. Dezember 2002 mit Veranlagungsbescheid die Umsatzsteuer für 1999 mit Null sowie eine Abgabennachforderung im Betrag von 56.700,51 € (entspricht 780.216 S) fest und versagte mit Erstattungsbescheid für den Zeitraum Februar bis April 2000 die Erstattung der beantragten Vorsteuern.

Strittig ist, ob das Finanzamt die Erstattung dieser Vorsteuerbeträge zu Recht versagt hat.

Zur Begründung führt das Finanzamt in der Niederschrift über das Ergebnis der Prüfung der Aufzeichnungen betreffend den Erstattungszeitraum Februar bis April 2000 im Wesentlichen aus, die Bw habe Brandschutzplatten aus Österreich bezogen. Der Transport von Knittelfeld nach Deutschland sei von der Bw organisiert und bezahlt worden. Die Rechnungen über die Lieferung der Brandschutzplatten wiesen österreichische Umsatzsteuer aus. Rechnungsleger sei die I-GmbH, Straße+Hausnummer_in_G. Bei Erhebungen sei festgestellt worden, dass "an dieser Adresse keine verwaltungsmäßigen Einrichtungen, Hinweis nach außen, sowie personelle Voraussetzungen bestanden haben, die jemals jenes Mindestmaß aufgewiesen hätte, welches die tatsächliche Führung eines Geschäftsbetriebes an diesem Ort hätte glaubhaft nachweisen können". Die Rechnungen seien somit wegen der falschen Adresse mangelhaft. Die angeforderten Originalbelege für den Prüfungszeitraum 1999 seien nicht vorgelegt worden. Auf Grund des Fehlens der formellen Voraussetzungen auf den Rechnungen "sei die Vorsteuer nicht vergütungsfähig." Durch die Nichtvorlage der Rechnungen für 1999 werde der festgestellte formelle Sachverhalt für 2000 auch den Rechnungen 1999 beigemessen.

Dagegen wendet sich die Bw durch ihren steuerlichen Vertreter mit Berufungsschreiben vom 23. Dezember 2003. Zur Rechtzeitigkeit der Berufung führt sie im Wesentlichen aus, das Finanzamt habe ihr zwar mit Schreiben vom 17. November 1999 diesbezüglich einen Vorhalt zukommen lassen, aber entgegen § 10 ZustG keinen bescheidmäßigen Auftrag zur Nennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten erteilt. Damit habe die Hinterlegung der Bescheide beim Finanzamt nicht zu einer rechtswirksamen Bescheiderlassung geführt, weil ein bloßes diesbezügliches Ersuchen nicht ausreiche. Die rechtswirksame Zustellung sei am 4. Dezember 2004 durch Einlangen der Bescheide beim auch als Zustellungsbevollmächtigter fungierenden steuerlichen Vertreter erfolgt. Zur Frage der Vorsteuererstattung führt die Bw durch ihren steuerlichen Vertreter aus:

Unser Klient unterhält schon seit längerer Zeit Geschäftsbeziehungen zum Unternehmen T-GmbH&CoKG (kurz T) in K. Den Geschäftsbeziehungen gingen Gespräche zwecks Lieferungen von Brandschutzplatten mit der Geschäftsführung in den Geschäftsräumlichkeiten der seinerzeit leistenden Firma T in K voraus sodass keinerlei Zweifel über das Bestehen des Unternehmens bestand. Darüberhinaus gab es auch keinerlei Probleme in der Auftragsabwicklung, was den Eindruck eines tatsächlich bestehenden, aktiven Unternehmens weiter bestätigte. Zu dieser Zeit wurde unserem Klienten eine Person namens MM benannt, der als Bevollmächtigter der Geschäftsleitung zur Abwicklung der Aufträge befugt war und in dieser Funktion auch das Vertrauen unseres Klienten hatte. Im Jahr 1999 wurde die Firma [Bw] von Herrn MM über strukturelle Veränderungen bei der Firma T in Kenntnis gesetzt und im Zuge dessen hat dieser an unseren Klienten herangetragen, die Bestellungen für Brandschutzplatten ab Oktober 2000 bei der "Firma I-GmbH mit Sitz in G" (bis 4.6.2000 K unter der Adresse "Straße+Hausnummer_in_K") vorzunehmen. Als Auslieferungsort galt nach wie vor K als vereinbart. Darüber hinaus legte Herr MM eine an ihn seitens der Geschäftsführung der I-GmbH erteilte Vollmacht vom 25.10.1999 vor, in der er u.a. zur Abwicklung von Geschäften bevollmächtigt wird. In dieser Funktion trat Herr MM gegenüber unserem Klienten auf. Sämtliche Aufträge konnten reibungslos abgewickelt werden. Die daraus resultierenden Rechnungen wurden seitens der liefernden Firma I-GmbH ordnungsgemäß auf Geschäftspapieren unter Angabe der Firmenbuchnummer und Anführung des mit dem Firmenbuch übereinstimmenden Geschäftsführers abgerechnet. Die Rechnungen sind firmenmäßig gezeichnet. Des Weiteren wurde unserem Klienten über Verlangen die Steuer-Nr. (xxx/xxxx) und die UID-Nr. (ATU xxxxxxxx) bekannt gegeben. Aufgrund des dargestellten Sachverhalts vertreten wir die Ansicht, dass unser Klient bei der Auswahl seines Geschäftspartners äußerst sorgfältig vorgegangen war und die ihm zumutbaren Kontrollmaßnahmen für eine ordnungsgemäße und gesicherte Geschäftsabwicklung in angemessener Form gesetzt hat. Daher ist es keineswegs vertretbar, dass unserem Mandanten der Vorsteuerabzug verwehrt bleiben soll. Darüber hinaus vertreten wir die Meinung, dass bei den beanstandeten Rechnungen nicht von einer fehlenden, weil falschen Adresse ausgegangen werden kann, da diese durch deren Eintragung im Firmenbuch dokumentiert ist und die Gesellschaft durch Handlungen nach außen auftritt.

Durch den Abschluss von Geschäften durch einen Bevollmächtigten der Geschäftsführung und deren Akkordierung durch die Geschäftsführung der Gesellschaft entwickelt sich u.E. eine Geschäftstätigkeit, die eine tatsächliche Führung eines Geschäftsbetriebes dokumentiert, und zwar auch dann, wenn sie nicht überwiegend vom Sitz bzw. Ort der Geschäftsleitung ausgeführt wird. Tatsache ist auch, dass die Gesellschaft steuerlich erfasst ist.

Aus diesen Gründen ist es keineswegs gerechtfertigt, dass für Umsätze, für die in Österreich Umsatzsteuer abgeführt wird, der entsprechende Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger verweigert wird, insbesondere dann, wenn sich letzterer in ausreichender Art und Weise von der Unternehmereigenschaft seines Geschäftspartners Gewissheit verschafft hat.

In der Niederschrift zur Abgabenprüfung wird darauf verwiesen, dass der Behörde Originalrechnungen aus dem Jahr 1999 nicht vorgelegt wurden. Hiezu wollen wir der Vollständigkeit halber anmerken, dass unser Klient keineswegs verweigert hat, die gewünschten Unterlagen auszuhändigen. Diesbezüglich waren jedoch Zeitverzögerungen nicht abwendbar, da - wie auch die Sachbearbeiterin der Finanzbuchhaltung telefonisch dem zuständigen Prüfungsorgan mitgeteilt hat - zur gleichen Zeit bei unserem Klienten eine Abgabenprüfung der deutschen Groß-BP abgehalten wurde und daher die Unterlagen im Original zu deren Verfügung gehalten werden mussten. Vorab wurden Kopien der österreichischen Betriebsprüfung ausgefolgt und die Originalrechnungen unter Aufschub von zwei Wochen zugesagt, wobei seitens der Betriebsprüfung keine ablehnende Würdigung erging. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Finanzbehörde sämtliche Originalrechnungen im Erhebungsverfahren zur ursprünglichen Antragserledigung 1999 über deren Verlangen vorgelegt wurden.

Das Finanzamt wies die Berufung betreffend Umsatzsteuer für 1999 mit Berufungsvorentscheidung vom 19. November 2004 als unbegründet ab und führt dazu aus:

Unsere Prüfungsabteilung hat festgestellt, dass an der angegebenen Adresse (I-GmbH, Straße+Hausnummer_in_G), nie eine Firma existiert hat. Auch die Telefonnummer konnte nicht dieser Adresse zugeordnet werden. Es muss daher unterstellt werden, dass die Sorgfaltspflicht eines ordnungsgemäßen Kaufmannes vernachlässigt wurde. Eine Umstrukturierung einer Firma (personelle, organisatorische und datenmäßige Änderung) muss mit neuerlicher Überprüfung der Daten (sind diese wirklich durchgeführt worden?) einhergehen. Außerdem hatte die Abfrage der UID-Nr. ergeben, dass die Firma an dieser Adresse nicht gemeldet ist. Da die Daten des Rechnungsausstellers nicht korrekt sind, muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei den vorgelegten Rechnungen um keine ordnungsgemäß ausgestellte Rechnungen handelt. Dies ist aber Voraussetzung für einen Vorsteuerabzug.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 2. Dezember 2004 wies das Finanzamt unter Hinweis auf die oben angeführte Niederschrift auch die Berufung betreffend Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum Februar bis April 2000 als unbegründet ab.

Die Bw beantragt mit Schreiben ihres steuerlichen Vertreters vom 17. Dezember 2004 (Vorlageantrag) die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und ergänzt ihr Vorbringen wie folgt:

Eingangs sind zu unserer seinerzeitigen Berufungsschrift zwei Korrekturen anzumerken. Zum ersten sind die Bestellungen über Brandschutzplatten bei der Firma I-GmbH ab Oktober 1999 und nicht wie angegeben ab Oktober 2000 erfolgt. Zum zweiten erfolgte die Sitzverlegung des Unternehmens von K nach G bereits im Juni 1999 und nicht wie angegeben im Juni 2000. Bereits in unserer Berufung haben wir dargestellt, dass sich unsere Mandantin sehr wohl in einem ihr zumutbaren Umfang von der Existenz ihres Lieferanten überzeugt hatte, zumal sie sehr wohl mit der Geschäftsleitung der Firma I-GmbH auch telefonisch Kontakt pflegte, hier insbesondere mit dem Geschäftsführer Herrn DL und den von ihm bevollmächtigten und unserer Klientin bekannten Herrn MM . An der Existenz des Unternehmens bestand auch nach durchgeführten Umstrukturierungsmaßnahmen kein Zweifel, da sowohl die Sitzverlegung als auch die neue Geschäftsanschrift im Firmenbuch eingetragen war und die Geschäftsabwicklung einschließlich der Korrespondenzen reibungslos über diese Adresse erfolgte. Lediglich die Auslieferungen erfolgten über K. Unter der von der Firma I-GmbHgenannten UID-Nummer war das Unternehmen bis ins Jahr 2002 erfasst. Der von der Finanzbehörde angeführten Begründung, eine Abfrage der UID-Nummer hätte ergeben, dass eine Meldung der Firma an dieser Adresse nicht gegeben sei, kann unsererseits nicht gefolgt werden, einerseits deshalb, da das Meldegesetz in seinen Bestimmungen die Meldung von Menschen, jedoch nicht juristischer Personen vorsieht und andererseits die Geschäftsanschrift mit Eintragung vom 27.7.1999 im Firmenbuch dokumentiert wurde. Aus all den in unserer ursprünglichen Berufungsschrift genannten und auch den vorgenannten Punkten lässt sich erkennen, dass unsere Klientin alle ihr möglichen Maßnahmen zur Überprüfung ihres Geschäftspartners gesetzt hatte, um ihr eine sichere und ökonomisch vertretbare Geschäftsabwicklung zu ermöglichen. Eine Vernachlässigung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes liegt nicht vor. Es bekräftigt sich auch dadurch, dass die Finanzbehörde lediglich eine Vernachlässigung der kaufmännischen Sorgfaltspflicht unterstellt, diese aber nicht nachweisen kann. Für den Fall, dass seitens der Finanzbehörde weiterhin Zweifel an der tatsächlichen Führung eines Geschäftsbetriebes des leistenden Unternehmens bestehen, benennen wir die oben benannten Bezugspersonen Herrn DL selbst, dessen aktuelle Adresse uns nicht bekannt ist, und Herrn MM . Beide Personen können die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte und die Unterhaltung eines Geschäftsbetriebes bezeugen.

Das Finanzamt legte die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat im Februar 2005 zur Entscheidung vor.

Mit Faxschreiben ihres steuerlichen Vertreters vom 23. März 2005 hat die Bw den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat zurückgenommen.

Im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme als Zeugin gab GC (Miteigentümerin der Liegenschaft Strasse+Hausnummer) vor dem unabhängigen Finanzsenat (nachdem sie diesbezüglich bereits zweimal vom Finanzamt einvernommen worden war und es das Finanzamt unterlassen hat, den unabhängigen Finanzsenat vom Vorhandensein der Niederschriften in Kenntnis zu setzen) im Wesentlichen an, ihr Ehemann und sie hätten die Liegenschaft Ende 1999 erworben und seien im April 2000 eingezogen. DL sei zum Zeitpunkt des Erwerbes der Liegenschaft durch Sie und Ihren Ehepartner Mieter des 1. Stockes des Gebäudes gewesen. Der Vertrag sei Mitte Februar 2000 aufgelöst worden. Sie habe ihm eine neue Mietwohnung besorgt. DL habe für seine Übersiedelung zur Voraussetzung gemacht, dass sie die Übersiedelung vornehme. Er selbst sei dabei nicht anwesend gewesen. Geschäftsunterlagen habe sie bei der Übersiedelung nicht gesehen. Ob vorher Unterlagen verbracht worden seien, wisse sie nicht. Ab dem Beginn der Umbauarbeiten Mitte Jänner/Februar 2000 habe sie DL nicht mehr im Haus gesehen. Vorher habe sie ihn nur einmal gesehen. Zwischen Dezember 1999 und Mitte Februar 2000 sei ihr Ehemann ab und an, vor allem ab später Nachmittag im Haus anwesend gewesen. Er habe DL nie gesehen. DL habe Ihr gegenüber nicht erwähnt, dass es sich bei den von ihm gemieteten Räumlichkeiten um den Sitz der I-GmbH gehandelt habe. Auf die Frage, wie sie mit DL Kontakt aufgenommen habe, gab die Zeugin an, ihr Ehemannhabe einmal dessen Tochter getroffen und gebeten, dass er einmal mit ihm sprechen könne. DL habe sie dann im Büro angerufen und sie hätten sich das eine Mal in der Wohnung getroffen. Bei diesem Treffen habe er eine ausländische Telefonnummer genannt, unter der er erreichbar sei. DL habe sich nicht darüber geäußert, ob er die Wohnung laufend genutzt habe. Einmal habe sie unter der im Mietvertrag angegebenen Adresse angerufen. Abgehoben hat seine von ihm geschiedene Ehefrau, die ihr bekannt gegeben habe, dass sie über den Aufenthalt von DL nicht Bescheid wisse.

Über Ersuchen des unabhängigen Finanzsenates nahm das Finanzamt eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens vor und befragte BV (die Mutter von CL, der Tochter von DL). Diese gab niederschriftlich an, ihre Tochter habe in den Jahren 1999 und 2000 in der Strasse+Hausnummer gewohnt. DL habe sich in dieser Zeit überwiegend in Rumänien aufgehalten. Ab Mai 2000 habe DL Österreich verlassen und sei nie mehr im Inland gewesen. Er habe sich zwei Jahre in Rumänien und zwei Jahre in Spanien aufgehalten. Am 13. März 2004 sei er in Spanien verstorben.

Am 3. Mai 2005 wurde die Sach- und Rechtslage in Anwesenheit der Parteien erörtert. Das Finanzamt legte dem unabhängigen Finanzsenat dabei verschiedene Unterlagen vor, ua den Mietvertrag des DL für die Strasse+Hausnummer, aus dem hervor geht, dass die Anmietung für Wohnzwecke erfolgt sei, weiters das amtliche Formular, mit dem DL dem Finanzamt die L-Straße als Ort der Geschäftsleitung der I-GmbH bekannt gegeben hat (Eingangsstempel: 3. Mai 1999) samt einer Niederschrift mit Barbara Konrad (Mitarbeiterin des unter dieser Adresse ansässigen Bürodienstleisters), aus der hervor geht, dass die I-GmbH bzw. DL nach anfänglichem Interesse dort kein Büroservice in Anspruch genommen hatte, sowie die beiden Niederschriften mit GC. Weiters legte das Finanzamt dem unabhängigen Finanzsenat Kopien von Schecks der Bw zugunsten der I-GmbH aus. Auf einer Kopie bestätigt MM am 3. Februar 2000 den Empfang eines Bargeldbetrages von 101.401,63 DM im Zusammenhang mit mehreren Rechnungen (wobei zwei davon an dem Tag in der Zukunft gelegen waren). Die aufgezählten Unterlagen wurden der Bw in Kopie zur Kenntnis gebracht.

In einer Stellungnahme ihres steuerlichen Vertreters vom 24. Mai 2005 bringt die Bw folgendes vor:

Der durch die Finanzbehörde vertretenen Rechtsansicht, nämlich dass aufgrund eines Formalmangels in den einzelnen Rechnungen der Vorsteuerabzug nicht zugestanden wird, kann unsererseits nach wie vor nicht gefolgt werden, da die Existenz des Unternehmens an der angegebenen Adresse außer Zweifel steht. Der Behauptung, dass an der angegebenen Adresse nie eine Firma existiert hat, ist neben den in Vorkorrespondenz erfolgten Sachverhaltsdarstellungen folgendes entgegenzuhalten. Unzweifelhaft ist der Umstand, dass unter der im Firmenbuch eingetragenen Adresse ein Mietvertrag abgeschlossen war und während der Zeit der Geschäftsbeziehungen mit [Bw] von Oktober 1999 bis Februar 2000 bestand hatte. Dies bestätigt auch die Zeugenaussage der Rechtsnachfolgerin (Frau GC) des früheren Vermieters. Aus der anlässlich der Zeugeneinvernahme getroffenen Aussage, dass Frau GC den Geschäftsführer von I-GmbH seit Mitte Jänner 2000 nicht mehr im Hause gesehen habe, kann nicht geschlossen werden, dass die Gesellschaft nicht von dieser Adresse aus ihre Geschäftstätigkeit entfaltet hat. Dabei ist zu beachten, dass die Liegenschaft durch die neue Vermieterin erst Ende 1999 erworben wurde und diese nach den Mitte Jänner 2000 begonnenen Umbauarbeiten im April 2000 - somit zu einem Zeitpunkt, zu dem der Mietvertrag mit Herrn DL bereits beendet war -eingezogen war. Dass der Mietgegenstand durch Herrn DL nicht für seine Wohnzwecke genutzt wurde, lässt sich schon aus der Tatsache schließen, dass er laut Meldebestätigung seinen Hauptwohnsitz zwischen Oktober 1997 und August 2000 in 8724 Spielberg bei Knittelfeld hatte. Demnach kann seine Anwesenheit nur während normaler Geschäftszeiten angenommen werden. Des Weiteren hat Herr DL einen Vertreter bevollmächtigt, der ihn auch in Fällen seiner Abwesenheit in seiner Geschäftstätigkeit vertritt. Darüber hinaus ist auch die Art der getätigten Geschäfte - in diesem Fall Ein- und Verkauf von Brandschutzplatten ohne Lagerhaltung - bei der Beurteilung der Wahl der Geschäftsorganisation zu berücksichtigen. Demnach kann die Geschäftstätigkeit durchaus in einer Mietwohnung oder Teilen einer solchen entfaltet werden. Dieser Umstand wird auch in einem Schreiben an unsere Kanzlei des von uns auch benannten Zeugen Herrn WT bestätigt, in dem er uns mitteilt, dass er einmal geschäftlich in diesen Räumlichkeiten anwesend war und sich dort Büromöbel wie Schreibtische und Bürosessel befunden haben. In einem Erkenntnis des VwGH (2002/15/0157) hält dieser für möglich, dass sogar dem Zimmer eines Gasthofes Betriebsortcharakter zukommen kann, und die Angabe dieser Adresse ausgestellten Rechnungen zum Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger berechtigt.

Ein weiteres Indiz für das Vorhandensein des Unternehmens (Firma) an der angegebenen Adresse ist die Tatsache, dass seitens des Finanzamtes Judenburg bei der Firma I-GmbH an der angeführten Geschäftsadresse Straße+Hausnummer_in_G, eine USt-Sonderprüfung stattgefunden hat. Für gewöhnlich ist davon auszugehen, dass anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung sich die Finanzbehörde von der Existenz des Unternehmens und der Richtigkeit der Geschäftsanschrift zu vergewissern hat, da diese Feststellungen für die Beurteilung eines Vorsteuerabzuges von Bedeutung sind.

Um nochmals auf die tatsächliche Führung eines Geschäftsbetriebes einzugehen, die nach Begründung der Finanzbehörde an der angeführten Adresse nicht gegeben sein soll, wird angemerkt, dass diese sehr wohl an dieser Adresse stattgefunden hat, da sowohl die Bestellungen unserer Mandantin, die Fakturierung an unsere Mandantin, weiters die Zahlungen durch unsere Mandantin an den auf den Geschäftspapieren angeführten Adressaten, der auch im Firmenbuch mit diesem Sitz eingetragen ist bzw. an den namentlich benannten Bevollmächtigten getätigt wurden. Wäre diese logische Abfolge nicht gegeben, stellte sich die Frage, ob der Firma I-GmbH überhaupt Unternehmereigenschaft zugekommen wäre. In diesem Fall wäre grundsätzlich eine Leistungskette in Frage zu stellen. Das trifft aber nicht zu, da unser Klient die Warenlieferungen tatsächlich erhalten hat und auch die entsprechenden Gegenleistungen unter der angeführten und eingetragenen Adresse des leistenden Unternehmens erbracht hat.

Weiters wurden seitens I-GmbH Umsatzsteuervoranmeldungen gelegt. Schon deshalb stehen unserer Klientin die u. E. in ordnungsgemäß gestellten Rechnungen angeführten Vorsteuerbeträge zum Abzug zu. Die Verwehrung des Abzuges würde bedeuten, dass einerseits die Umsatzsteuern eingehoben, der Leistungsempfänger jedoch mit den Vorsteuerbeträgen belastet wäre. Hinsichtlich der Entrichtung der vorangemeldeten Beträge liegen uns keine Informationen vor. Tatsache ist jedoch, dass unserer Klientin nicht die Verantwortung der Eintreibung eventuell bestehender Abgabenrückstände übertragen werden kann, sondern dies vielmehr in den Verantwortungsbereich der Finanzbehörde fällt. Nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes sind dem Gesetzgeber von Verfassung wegen Schranken gesetzt, wenn er eine Regelung trifft, die am Steuerschuldverhältnis formal unbeteiligte Dritte zur Mitwirkung bei der Einhebung der Abgaben des eigentlichen Steuerschuldners verpflichtet (Erk vom 15.3.2000, G 141 - 150/99). Des Weiteren enthält das Umsatzsteuergesetz keine für den Leistungsempfänger inländischer Lieferungen und Leistungen geltenden Haftungsbestimmungen für nicht entrichtete Umsatzsteuern seitens des Leistungserbringers.

Bislang wurde auch nicht nachgewiesen, dass die betreffenden Umsätze nicht in den Voranmeldungen enthalten waren.

Ergänzend ist noch ein Urteil des EuGH vom 21. April 2005 in der Rechtssache C-25/03 anzuführen, in dem sich der Gerichtshof unter anderem mit den umsatzsteuerrechtlichen Bestandteilen einer Rechnungen und den damit verbundenen Vorsteuerausschluss auseinanderzusetzen hatte. Nachstehend wird auszugsweise die rechtsweisende Aussage des Gerichtshofes dargestellt.

"Wie jedoch die Kommission ausgeführt hat, darf nach ständiger Rechtssprechung die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nur insoweit davon abhängig gemacht werden, dass die Rechnung über die in Artikel 22 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie geforderten Angaben hinaus noch weitere Angaben enthält, als dies erforderlich ist, um die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung durch die Finanzverwaltung zu sichern. Außerdem dürfen solche Angaben nicht durch ihre Zahl oder ihre technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Ferner dürfen die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten nach Artikel 22 Abs. 8 dieser Richtlinie erlassen dürfen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist. Sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist. "

Nach unserer durchgeführten Sachverhaltsdarstellung, und unter Hinweis auf die seitens unserer Klientin vorgenommen Prüfungshandlungen im Zusammenhang mit getätigten österreichischen Inlandsumsätzen scheint es uns mit dem (europarechtlichen) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar, dem steuerpflichtigen Leistungsempfänger das Abzugsrecht nur deshalb zu verweigern, weil die Rechnungen angeblich nicht die vom anwendbaren nationalen Recht vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Aufstellung der Fiktion des Nichtexistierens einer Firma unter der angegebenen Adresse, unter der jedoch die tatsächlich Rechtsgeschäfte getätigt, abgewickelt und ebenso der Finanzbehörde seitens des leistenden Unternehmers unter der registrierten Firmenadresse gemeldet wurden, und dem damit verbundenen Vorsteuerausschluss widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stellt eine Schikane gegenüber dem Steuerpflichtigen dar, für den das Bestehen des Unternehmens aufgrund des reibungslosen Geschäftsablaufes außer Zweifel stand.

Hinsichtlich des chronologischen Ablaufes wird nochmals auf den oben angeführten Zeitraum, in dem zwischen [Bw] und I-GmbH Geschäftsbeziehungen unterhalten wurden, verwiesen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Rückerstattungsanträge seitens [Bw] zwischen Dezember 1999 und November 2000 gestellt wurden. Darin wurden ausschließlich Vorsteuerbeträge aus Rechnungen des Zeitraumes der Geschäftsbeziehungen zur Rückerstattung beantragt. Über Verlangen der Behörde wurden Originalbelege vorgelegt. Die Rückerstattung der Vorsteuerbeträge für 1999 erfolgte durch Überweisung ohne bescheidmäßige Erledigung. Die Anträge zur Vorsteuerrückerstattung für die Zeiträume 2000 wurden nicht bescheidmäßig erledigt und führten auch zu keiner Rückerstattung. Die Abgabenprüfung der Groß-BP Graz, die zur bescheidmäßigen Versagung der Rückerstattungen für 1999 und 2000 führte, erfolgte mit Prüfungsauftrag vom 7.2.2001. Anlässlich dieser Abgabenprüfung wurden jene Feststellungen getroffen, die zur Versagung der Vorsteuerrückerstattung führten. Die Prüfung wurde jedoch zu einem Zeitpunkt abgehalten, zu dem der Mietvertrag bereits beendet war, und unter Umständen die Voraussetzungen tatsächlich nicht mehr gegeben waren; d.h. jedoch nicht, dass diese Voraussetzungen bereits in den strittigen Zeiträumen gefehlt haben. Unsere Ausführungen belegen unseres Erachtens das Gegenteil. Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Abfolge wird angemerkt, dass die Vorsteuerbeträge für 1999 aufgrund der Rückerstattungsanträge erstattet wurden, wobei hierüber ursprünglich nicht bescheidmäßig abgesprochen wurde. Erst im Zuge der abgaben behördlichen Prüfung ergingen Bescheide, wobei für 1999 ein Veranlagungsbescheid erlassen wurde. Für die Vorsteuerrückerstattung sieht die Verordnung des BMF BGBl 279/1995 ein eigenes, besonderes Verfahren vor. Über den Erstattungsantrag ist mit Bescheid abzusprechen. Nach Art 7 Abs. 4 der 8. RL müssen Bescheide über die Erstattungsanträge binnen sechs Monate zugestellt werden. (vgl. Kolacny-Mayer, UStG 1994 2. Auflage S 644, Manz). Die Zustellung des Veranlagungsbescheides 1999 sowie des Rückerstattungsbescheides 2000 erfolgte mit 4.12.2003. Da hiefür ein eigenes Erstattungsverfahren und kein Veranlagungsverfahren vorgesehen ist, kann u.E. hierüber nur mittels einem, diesem Verfahren entsprechenden abschließenden Bescheid abgesprochen werden, wozu ein Veranlagungsbescheid als nicht geeignet erscheint.

Der auf Grund des Antrags der Bw am 30. Juni 2005 zum Beweis der Tatsache der "tatsächlichen Führung eines Geschäftsbetriebes" durch die I-GmbH als Zeuge einvernommene MM gab niederschriftlich im Wesentlichen an, er sei Angestellter der T-GmbH&CoKG gewesen. Er habe Kunden betreut, weiters auch Verwaltungstätigkeiten, wie z.B. Behördenverkehr, ausgeübt. Die KG habe Geschäftsbeziehungen zur Bw gehabt und Brandschutzplatten geliefert. Über den Umfang könne er keine Angabe mehr machen. Er selbst habe unmittelbar Geschäftskontakt mit der Bw gehabt. Seine Ansprechpartner seien die Herren W und L gewesen. Die Bw habe keinen besonderen Ansprechpartner bei der KG gehabt. Die Bestellungen seien bei der KG eingegangen und die Lieferungen erfolgt. Die Bw habe Brandschutzplatten von der KG gekauft, zugeschnitten, und teilweise an Dritte sowie teilweise wieder an die KG verkauft. Er sei aufgrund des Ersuchens von WT und DL für den Geschäftsbetrieb der I-GmbH tätig geworden. WT habe ihn "aufgrund einer Bitte des DL ersucht, für die I-GmbH in Bezug auf die Geschäftsbeziehung zur Bw bezüglich der UID-Nummer tätig zu werden und diese beim Finanzamt zu besorgen." Weiters sei er in der Form tätig geworden, dass er der Bw mitgeteilt habe, dass sie die Brandschutzplatten zukünftig von der I-GmbH beziehen könne. Er habe nie mit DL zusammengearbeitet. Er habe gewusst, dass es persönliche Beziehungen zwischen WT und DL gegeben habe, weshalb er dem Ersuchen des WT entsprochen habe. Gesehen habe er DL oft. Er sei oft in K gewesen. Ein- oder zweimal sei er bei ihm im Büro in G gewesen. Das Büro sei irgendwo am Stadtrand von G im Grünen, möglicherweise in Stadtteil-A gewesen. Es habe sich dabei um keine Besprechungen gehandelt, sondern er habe Unterlagen bzw. Ordner an DL übergeben und solche auch nach K für WT mitgenommen. Er habe keine Verwaltungsagenden für die I-GmbH durchgeführt. DL habe ihm eine Vollmacht gegeben, als er eine Geschäftsreise nach Norddeutschland gemacht habe und dabei für die KG auch bei der Bw vorbeischauen wollte. Die KG habe sich zu dieser Zeit mit der Bw geschäftlich zusammen tun wollen, weil diese das Know-how für den Zuschnitt von Brandschutzplatten und die KG den Standort in Österreich gehabt habe, sodass die Bw auch ihr geschäftliches Wirkungsfeld nach Österreich hätte erweitern können. WT habe ihn über Ersuchen des DL ersucht, bei seiner Geschäftsreise Verrechnungsschecks der Bw für die I-GmbH von Deutschland nach Österreich mitzunehmen. Er sei nicht Ansprechpartner der Bw bezüglich deren Bestellungen bei der I-GmbH gewesen. Er bezeichne sich als Kommunikationsträger zwischen der Bw und der KG. Er wisse weder, was die Bw bei der KG, noch wisse er, was sie bei der I-GmbH bestellt habe. Einmal habe ihn IH, die Leiterin der Buchhaltung der KG, gebeten, bei der Bw anzurufen, weil noch eine Rechnung ausständig gewesen sei. Über die Entstehung der I-GmbH könne er keine Auskunft geben, weil er darüber nichts wisse. Er wisse, dass es die I-GmbH parallel zur KG gegeben habe. Diese habe sich mit dem Aufgabengebiet Trockenbau beschäftigt und hätte Bauprojekte im Ausland abwickeln sollen. Dies sei aber seines Wissens nach nicht zustande gekommen. Warum WT die I-GmbH verkauft habe, wisse er nicht. Was nach dem Verkauf der I-GmbH deren Geschäftsbetrieb war, wisse er nicht. Ab 2001 habe sie für die KG Auslandsprojekte abgewickelt. Was der Geschäftsbetrieb vorher gewesen sei, könne er nicht sagen. Für seine Tätigkeit habe er von der I-GmbH kein Entgelt erhalten und auch keine Rechnungen gestellt.

Der auf Grund des Antrags der Bw am 7. Juli 2005 zum Beweis der Tatsache der "Existenz eines Geschäftsbetriebes" durch die I-GmbH als Zeuge einvernommene WT gab niederschriftlich im Wesentlichen an, die T-GmbH&CoKG habe an die Bw Brandschutzplatten geliefert. Die Geschäftsbeziehung zur Bw sei nicht langjährig gewesen. Wie lang die Geschäftsbeziehung gewesen sei, könne er nicht mehr sagen. Er selbst habe keinen unmittelbaren Geschäftskontakt mit der Bw gehabt, sondern MM. Es sei firmenintern mit MM über eine eventuelle gemeinsame Tätigkeit mit der Bw gesprochen worden. Der Vorteil für die KG wäre bei einer solchen Zusammenarbeit gewesen, dass die Bw bereits die Maschinen und das Computerprogramm für einen Zuschnitt von Platten gehabt habe. Einmal sei MM für eine diesbezügliche Besprechung zur Bw nach Deutschland gefahren. Die I-GmbH habe er an DL verkauft, weil es zwischen der KG und der I-GmbH interne Probleme in der Abwicklung gegeben habe. Die beiden Firmen hätten auch dieselbe Telefonnummer gehabt. Von seinen Beratern sei ihm vorgeschlagen worden, die I-GmbH entweder zu liquidieren oder zu verkaufen. DL kenne er schon lange. Dieser habe sich nach Überprüfung der Unterlagen bereit erklärt, die I-GmbH zu übernehmen. Was das Interesse von DL an der Übernahme der I-GmbH gewesen sei, wisse er nicht. Wenn aus der Nachtragsvereinbarung hervorgehe, dass auch ein Interesse am Kundenstock bestanden habe, so könne er nicht sagen welche Kunden das gewesen seien. Dazu müsste er nachschauen. Der Hauptgegenstand der I-GmbH zu diesem Zeitpunkt sei Trockenbau und Isolierungen gewesen. Im Trockenbau würden nicht die Brandschutzplatten, wie sie von Bw geschnitten würden, verarbeitet. Auch solche Brandschutzplatten, wie sie von der KG an die Bw geliefert worden seien, würden im Trockenbau nicht verwendet. Dort fänden Rigipsplatten Verwendung. Auf die Frage, warum er die I-GmbH um nur einen Schilling an DL verkauft habe, gab der Zeuge an, dass das so üblich sei. Für ihn sei die I-GmbH nichts mehr wert gewesen, er würde sonst die Kosten der Liquidierung zu tragen gehabt haben. Welchen Geschäftsgegenstand die I-GmbH nach dem Verkauf gehabt habe, wisse er nicht. Die I-GmbH sei zeitweise Subunternehmer für die KG gewesen. Sie habe darüber hinaus auch Lieferungen von Isoliermaterialien an die KG und auch an andere Firmen getätigt. Ob die KG nach dem Verkauf der I-GmbH an DL weiterhin Brandschutzplatten an die Bw geliefert habe, wisse er nicht mehr. Ob die I-GmbH vor ihrem Verkauf Brandschutzplatten an die Bw geliefert habe, wisse er auch ich nicht. Warum die KG die Lieferung der Brandschutzplatten an die Bw der I-GmbH überlassen habe, obwohl diese Lieferungen vor deren Verkauf an DL von der KG getätigt worden sei (die Bw also deren Kunde gewesen sei, wisse er nicht mehr. Auf die Frage, warum die KG der I-GmbH die Lieferungen an die Bw überlassen habe, obwohl der Kaufpreis von ein Schilling wohl keine Abgeltung zukünftiger Erträge enthalte, gab der Zeuge an, er habe nicht das Gefühl gehabt, dass dadurch für die KG eine Konkurrenz entstanden sei.

In einer Stellungnahme vom 4. August 2005 bringt das Finanzamt Folgendes vor:

Zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen wird angemerkt:

1. ) Selbst wenn man annimmt, dass die I-GmbH sich in den Jahren 1999 und 2000 lediglich mit Warenhandel beschäftigt hat und daher keine besonders große räumliche Ausstattung benötigt hat, sowie dass das räumliche Element im Rahmen der modernen Kommunikationsmöglichkeiten bedeutungsmäßig zurücktritt, ist die Angabe einer richtigen Adresse des liefernden oder leistenden Unternehmers ein indispensables Erfordernis einer Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigen soll.

2.) Vertreter der BM haben sich allenfalls in K, niemals jedoch in G aufgehalten (siehe Berufung vom 23.12.2003).

3.) DL, die maßgebliche Person bei I-GmbH, war, soweit es Österreich betrifft, immer nur in K und niemals in G gemeldet.

4.) Dass ein Vater für seine Tochter eine Wohnung mietet, daher im Mietvertrag als Partei aufscheint, selbst aber zu dieser Wohnung kein besonderes Naheverhältnis hat, entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens.

5.) Zugestanden wird abstrakt, dass Vertragsklauseln, eine Wohnung dürfe ausschließlich zu Wohnzwecken verwendet werden, öfter~ auch gebrochen werden. Ob dies im konkreten Fall aber so war, dafür liegt die Beweislast bei der Partei, die dies behaupten würde. Indizien hiefür gibt es nicht.

6.) DL als maßgeblicher Mann der I-GmbH hat jedenfalls im Februar 2000 jeden denkbaren Bezug zur Adresse Straße+Hausnummer_in_G, verloren (Aussage der GC vom 3.5.2005, Seite 2, vor dem UFS) und hat ab Mai 2000 österreichischen Boden nie mehr betreten. Jedoch auch bereits vorher in den gegenständlichen Jahren 1999 und 2000 hat er sich überwiegend in Rumänien (!!!) aufgehalten (Aussage der ehern. Lebensgefährtin BV vor dem FA Judenburg vom 25.4.2005).

7.) Soweit es in G überhaupt so etwas wie ein Büro des DL als Geschäftsführer der I-GmbH gab, befand sich dieses NICHT in der Strasse+Hausnummer in Stadteil-P .

Die Aussage des MM vor dem UFS Graz am 30. Juni 2005 lautet nämlich unmißverständlich: "Gesehen habe ich Herrn DL oft. Er war OFT in Knittelfeld. Ein- oder zweimal war ich bei ihm im Büro in G. Das Büro war irgendwo am Stadtrand von G im Grünen, möglicherweise in Stadtteil-A."

Es ist innerhalb von G, immerhin der zweitgrößten Stadt Österreichs, jedoch KEINE größere Entfernung denkbar, als zwischen Stadtteil-A im Nordosten (= günstig gelegen für Anfahrten aus Knittelfeld) und Stadteil-P im Südwesten (= mindestens 20 Minuten weiterer Weg).

8.) Dass sowohl vom Finanzamt Judenburg als auch vom Kreisgericht Leoben Schriftstücke betreffend die I-GmbH an die Adresse Straße+Hausnummer_in_G zugestellt worden sind, lässt sich mühelos damit erklären, dass einige Steuerpflichtige aus welchen Gründen immer Zustellungen an Adressen wünschen und als Zustelladresse bekannt geben, die vom Ort der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit verschieden sind. Tatsache ist, dass die I-GmbH immer beim FA Judenburg unter xxx/xxxx erfasst war, und besagtes Finanzamt trotz UVA-Prüfung keinen Grund gesehen hat, den Akt nach G abzutreten. Es kann ganz gewiss gesagt werden, dass es sich bei diesem Akt um keinen handelt, den ein damit befasster Finanzbeamter auf Biegen und Brechen in seiner Zuständigkeit behalten möchte.

9.) Dass die I-GmbH im öffentlichen Telefonbuch nicht aufscheint, was bei einer GmbH eher verwundert, wird in Erinnerung gerufen.

10.) Abschließend wird auf die Beweisanträge zur kontradiktorischen Einvernahme von SF, Past Graz, HJ, Groß-BP Graz zum Thema, dass sich in der Strasse+Hausnummer KEIN Sitz der I-GmbH befand, sowie über die wirtschaftlichen Hintergründe der Beziehung zwischen WT, DL, der T-GmbH&CoKG und der I-GmbH verwiesen, da das gesamte Hintergrundwissen der Finanzverwaltung in das gegenständliche Verfahren einfließen soll und auch darf, und es genauso zulässig, ist, dies durch mündliche Aussagen in das Verfahren zu bringen wie durch die Vorlage schriftlicher Unterlagen. Hiezu wird zusätzlich die Einvernehme des über den Sachverhalt informierten Leiters der PAST Graz, JW, beantragt. Es deuten nämlich Indizien - die den Beamter der PAST bekannt sind - darauf hin, dass die Einschaltung der I-GmbH in die bis dahin bestehende Geschäftsbeziehung zwischen der T-GmbH&CoKG und der Bw tatsächlich ein aus haftungsrechtlichen Gründen abgeschlossenes Umgehungsgeschäft darstellen.

Außerdem möge zum Thema"Büro in Stadteil-P ?" die CL,..., befragt werden, die ja wissen muss, ob ihr Vater von ihrer Wohnung aus geschäftliche Aktivitäten entfalten hat.

Am 4. August 2005 wurde nochmals die Sach- und Rechtslage in Anwesenheit der Parteien erörtert.

Über die Berufung wurde erwogen:

Voraussetzung für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist eine Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1994. Gemäß § 11 Abs. 1 UStG müssen Rechnungen ua den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers enthalten. Ist der Name und/oder die Anschrift unrichtig, so besteht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug (vgl. zB VwGH 25. April 2001, 98/13/0081).

Im Berufungsfall ist es unstrittig, dass die I-GmbH im Leistungszeitraum im Firmenbuch eingetragen (also rechtlich existent) war. Ebenso unstrittig ist auch, dass die I-GmbH unter der Anschrift Straße+Hausnummer_in_G, im Firmenbuch eingetragen war. Schließlich ist unstrittig, dass ihr Geschäftsführer DL im Leistungszeitraum unter dieser Anschrift über eine Mietwohnung verfügt hat.

Das Finanzamt stützt die Versagung der Erstattung der Vorsteuern im Wesentlichen auf die Feststellung, dass an der in der Rechnung genannten Anschrift "keine verwaltungsmäßigen Einrichtungen, Hinweis nach außen, sowie personelle Voraussetzungen bestanden haben, die jemals jenes Mindestmaß aufgewiesen hätte, welches die tatsächliche Führung eines Geschäftsbetriebes an diesem Ort hätte glaubhaft nachweisen können".

Mit ihren Einwendungen gegen diese Begründung ist die Bw im Recht. Die Feststellung, dass an der in der Rechnung genannten Anschrift "keine verwaltungsmäßigen Einrichtungen, Hinweis nach außen, sowie personelle Voraussetzungen bestanden haben, die jemals jenes Mindestmaß aufgewiesen hätte, welches die tatsächliche Führung eines Geschäftsbetriebes an diesem Ort hätte glaubhaft nachweisen können", reicht für sich nicht dazu aus, der Bw die Erstattung der Vorsteuerbeträge zu versagen. Denn die Führung der Geschäfte einer Handels-GmbH in einer Wohnung ist durchaus möglich, ein Hinweis nach außen (Geschäftstafel) kann lediglich ein Indiz sein. Das Finanzamt hat auch nicht klarstellt, welche personellen Voraussetzungen für die Bestellung von Wärmeschutzplatten, die von einem vom Leistungsempfänger (Bw) beauftragten Frächter abgeholt wurden, im Berufungsfall noch nötig gewesen wären. Letzteres liegt vor allem daran, dass dem Finanzamt die näheren Umstände der Geschäftsabwicklung mangels näherer Sachverhaltsermittlung verborgen geblieben und diese Umstände erst durch die vom unabhängigen Finanzsenat vorgenommene Vernehmung des Geschäftsführers der Bw sowie der Zeugen MM und WT bekannt geworden sind.

Soweit das Finanzamt die Versagung der Erstattung der Vorsteuerbeträge nun im Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat deswegen als gerechtfertigt ansieht, weil DL an der Anschrift der I-GmbH über kein "Büro" verfügt habe, so ist dem entgegen zu halten, dass ein "Büro" nicht Rechnungsmerkmal im Sinne des § 11 UStG 1994 ist und das Finanzamt im Übrigen auch keine Sachverhaltsfeststellungen dazu getroffen hat. Die Zeugenaussagen legen sogar die Vermutung nahe, dass die I-GmbH bzw. DL über ein "Büro" (wann auch immer man einen Raum so bezeichnen kann sei mangels Relevanz dahin gestellt) verfügt hat.

Entscheidend für den Berufungsfall ist es vielmehr, ob die I-GmbH tatsächlich der liefernde Unternehmer im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 war (Zurechnung der Lieferung der Brandschutzplatten). Ist unklar, ob jemand im eigenen oder im fremden Namen tätig geworden ist, kommt dem Innenverhältnis und dem wirtschaftlichen Hintergrund maßgebende Bedeutung zu. In diesem Fall ist zu fragen, wer "Herr der Leistungsbeziehung" ist, in wessen Risiko und Verantwortungsbereich die Leistung fällt. Wer unter fremden Namen auftritt, in Wahrheit aber für eigene Rechnung wirtschaftet, muss sich die Leistung zurechnen lassen. Aus der Erfolgssituation wird abgeleitet, dass das Auftreten nach außen falsch deklariert wird. Wer die Leistung in der eigenen Risikosphäre erbringt, wer das Risiko und die Chancen der unternehmerischen Tätigkeit trägt, muss sich die Zurechnung gefallen lassen, auch wenn er vorgibt, in fremden Namen zu handeln. Dabei ist sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte bloß ausführendes Organ im Zusammenhang mit einem "fremden" Leistungsaustausch ist (vgl. Ruppe, UStG 19942, § 1 Tz 258, 262 und 263).

Für den Berufungsfall ist somit entscheidend, ob die I-GmbH hinsichtlich der Lieferung der Wärmeschutzplatten an die Bw selbst Leistungserbringer oder bloß ausführendes Organ für eine der im Einflussbereich des WT stehenden Firmen war. Diese Frage ist auf Ebene der Beweiswürdigung zu lösen.

Der unabhängige Finanzsenat sieht es in freier Beweiswürdigung als erwiesen an, dass die I-GmbH nicht der liefernde Unternehmer der Brandschutzplatten war. Wesentlich für diese Beweiswürdigung ist die von der Bw selbst beantragte Zeugenaussage des WT. Dieser hat im Zuge seiner Einvernahme bestätigt, den Geschäftsanteil an der I-GmbH um ein Schilling an DL verkauft zu haben. Wie aus der Niederschrift auch hervor geht, hat die T-GmbH&CoKG zumindest einmal Brandschutzplatten an die Bw geliefert (bestätigt durch den Geschäftsführer der Bw im Zuge des ersten Erörtertungstermins, wonach er vor der ersten Lieferung das Firmengelände der T-GmbH&CoKG besichtigt hat). Nach dem Verkauf des Geschäftsanteils an DL hat zwar die I-GmbH die Rechnungen über die Lieferungen der Brandschutzplatten ausgestellt. Die Lieferung der Brandschutzplatten erfolgte aber auch nach dem Verkauf des Geschäftsanteils an der I-GmbH in der gleichen Weise wie bisher, nämlich durch Bestellung bei derselben Erzeugerfirma und Anlieferung derselben zum Lagerplatz der T-GmbH&CoKG, von wo aus diese von einem durch die Bw beauftragten Frächter abgeholt wurden. Der unabhängige Finanzsenat sieht es nun als nicht glaubwürdig an, dass jemand, der seinen GmbH-Geschäftsanteil um ein Schilling an einen Dritten veräußert, es dieser GmbH auch ohne Abgeltung zukünftig entgangener Erträge freiwillig überlässt, seinen bisherigen Kunden zu beliefern, und dem Dritten dafür auch noch seinen Lagerplatz zur Verfügung stellt. Ein solches Verhalten widerspricht jedem kaufmännischen Verständnis und müsste deshalb durch besondere Gründe gerechtfertigt sein. Solche Gründe hat WT im Zuge seiner Einvernahme nicht nennen können.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, dass auf den von der Bw vorgelegten Bestellaufträgen der Vermerk "Diese Bestellung wurde zur Disposition auch an die Fa. T geschickt." angebracht ist.

Der unabhängige Finanzsenat sieht es daher als gegeben an, dass die I-GmbH bei der Lieferung der Brandschutzplatten nicht "Herr der Leistungsbeziehung" war und das Auftreten nach außen durch die Ausstellung der Rechnungen an die Bw durch die I-GmbH falsch deklariert wurde. Die I-GmbH war daher bloß ausführendes Organ im Zusammenhang mit einem "fremden" Leistungsaustausch.

In diesem Licht ist auch die ebenfalls von der Bw beantragte Zeugenaussage des MM zu betrachten. Der Zeuge hat angegeben, dass er als Angestellter der T-GmbH&CoKG ua über Ersuchen von WT für die I-GmbH tätig geworden ist. Dieser habe ihn auch gebeten, für die I-GmbH "in Bezug auf die Geschäftsbeziehung zur Bw" beim Finanzamt eine UID-Nummer zu besorgen. Er habe nie mit DL zusammengearbeitet. Er habe gewusst, dass es persönliche Beziehungen zwischen WT und DL gegeben habe. Er sei ein- oder zweimal im Büro von DL in G gewesen, habe dort aber lediglich Unterlagen/Ordner an diesen übergeben bzw. Unterlagen/Order nach K für WT mitgenommen.

Dass MM als Angestellter der T-GmbH&CoKG für die I-GmbH beim Finanzamt eine UID-Nummer "besorgt" hat, auch den Austausch von Unterlagen zwischen WT und DL durchgeführt hat, weiters von der I-GmbH mit einer "Spezialvollmacht" ausgestattet wurde, und im Zuge einer Geschäftsreise sogar für die I-GmbH die Bw besucht und für diese bzw. jene Verrechnungsschecks nach Österreich mitgenommen hat, all dies sind Indizien, die die oben dargestellte Beweiswürdigung stützen, dass die I-GmbH nicht "Herr der Leistungsbeziehung" mit der Bw war.

Was nach dem Verkauf des Geschäftsanteils der Betriebsgegenstand der I-GmbH war, darüber hat MM bei seiner Zeugeneinvernahme keine Auskunft geben können.

Da die Rechnungen über die Lieferungen der Brandschutzplatten bezüglich des Rechnungsmerkmals "liefernder Unternehmer" unrichtig sind, war die Erstattung der Vorsteuerbeträge daher zu Recht zu versagen.

Auf die Einvernahme der vom Finanzamt beantragten Zeugen wird verzichtet. Das Finanzamt wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Einvernahme von Zeugen (insbesondere von Finanzbeamten, die an anderen im weiteren Zusammenhang stehenden Abgaben- und Finanzstrafverfahren "beteiligt" sind) nur dann zweckmäßig ist, wenn diese Zeugen über Tatsachen Auskunft geben können, und nicht, wenn sie bloß ihre eigene Würdigung eines strittigen Sachverhaltes darstellen können. Persönliche Meinungen und Würdigungen sind nicht Gegenstand von Zeugenbefragungen.

Wenn sich die Bw auf ihren guten Glauben beruft, so ist sie darauf hinzuweisen, dass das Risiko einer Enttäuschung in seinem guten Glauben der zu tragen hat, der im guten Glauben handelt. Der gutgläubig Handelnde ist nicht berechtigt, dieses sein eigenes Risiko auf einen Dritten, nämlich den Abgabengläubiger zu überwälzen. Bleibt der Leistungserbringer für den Abgabepflichtigen greifbar, werden sich unterlaufene Fehler in der Rechnungslegung im Innenverhältnis zwischen den Vertragspartnern, und sei es durch Ausstellung einer berichtigten Rechnung, beheben lassen. Die Ungreifbarkeit eines Leistungserbringers (zB wie im Berufungsfall bei Unklarheit darüber, wer tatsächlich "liefernder Unternehmer" war), ist das Risiko eines Leistungsempfängers, der sich auf eine Rechtsbeziehung mit einem solchen Partner eingelassen hat. Für eine Überwälzung dieses Risikos auf die Abgabenbehörde besteht kein rechtlicher Grund (vgl. VwGH 28. Mai 1997, 94/13/0230; ebenso VwGH 25. April 2001, 98/13/0081).

Die Bw kann weiters auch nicht mit Erfolg die Rechtsprechung des EuGH zur Neutralität der Mehrwertsteuer einwenden (Seite 3 des Schreibens des steuerlichen Vertreters vom 24. Mai 2005), weil gerade im Berufungsfall der Schutzgedanke, der mit der Forderung nach einer formell ordnungsmäßigen Rechnung verfolgt wird, zur Anwendung kommt: die von der I-GmbH in ihren Rechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer wurde nicht entrichtet und ist uneinbringlich. Wem die Leistung tatsächlich zuzurechnen ist, ist ungewiss. Die Erstattung der Vorsteuerbeträge war gerade zur Sicherung der Neutralität der Mehrwertsteuer zu versagen.

Ein weiterer Grund für die Versagung der Erstattung der Vorsteuerbeträge ist, dass es sich bei den - vom Finanzamt hinsichtlich ihrer tatsächlichen Durchführung nicht bezweifelten - Lieferungen um innergemeinschaftliche Lieferungen (Art. 7 Abs. 1 UStG 1994) gehandelt hat, weil die Bw die Brandschutzplatten für ihr Unternehmen erworben und durch einen von ihr beauftragten Frächter von K nach Deutschland hat befördern lassen. Die innergemeinschaftlichen Lieferung der Brandschutzplatten ist daher umsatzsteuerfrei (Art. 6 Abs. 1 UStG 1994). Die I-GmbH (gesetzt den Fall, sie wäre der leistende Unternehmer gewesen) hätte somit für diese Lieferungen Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, die sie nach dem UStG 1994 für diese Umsätze nicht schuldet. Der Bw wäre die Erstattung der Vorsteuerbeträge zu versagen, weil auch eine gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldete Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger grundsätzlich nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf (vgl. EuGH 13.12.1989, Rs C-342/87 ).

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO ist der unabhängige Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz ua. berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Betreffend die beantragte Erstattung der Vorsteuerbeträge für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1999, über die das Finanzamt mittels sog. Veranlagungsbescheides abgesprochen hat, war der Spruch des angefochtenen Bescheides dem eines Erstattungsbescheides entsprechend abzuändern.

Abschließend ist noch ganz besonders darauf hinzuweisen, dass es sich bei den angefochtenen Bescheiden um sog. Erstbescheide handelt. Zum Zeitpunkt der "Rückzahlung" der am Abgabenkonto der Bw ausgewiesenen Guthaben hatte das Finanzamt mangels Zustellung keine rechtswirksamen Bescheide erlassen. Die Auszahlung der beiden im Sachverhalt genannten Beträge durch das Finanzamt an die Bw erfolgte daher ohne Rechtstitel. Für den Rückerhalt dieser Beträge von der Bw bietet die BAO somit keine Handhabe.

Graz, am 18. Oktober 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 11 Abs. 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 6 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 7 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995

Schlagworte:

Zurechnung, Umsätze, leistender Unternehmer, liefernder Unternehmer, Anschrift, Adresse

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