Vertragsdauer bei unbestimmt vereinbarter Dauer mit Kündigungsverzicht für die ersten zwei Jahre
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der A.M., Adresse, vertreten durch Rechtsanwältin.X, gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 6. April 2004 betreffend Rechtsgebühr entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom 2. April 2004 hat die Bevollmächtigte der Vermieterin einen als Anhang übermittelten Mietvertrag dem Finanzamt zur Vergebührung angezeigt. In dieser Anzeige wird vermerkt, dass es sich um einen unbefristet abgeschlossen Mietvertrag handle, wobei jedoch alle Vertragspartner für die Dauer von 2 Jahren auf ihr Kündigungsrecht verzichtet hätten. Die entsprechende Vertragsbestimmung des Mietvertrages hatte folgenden Wortlaut:
"2.) Mietdauer und Kündigung Das Mietverhältnis beginnt am 1. März 2004 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Es kann von jedem Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf den letzten Tag des Februars eines jeden Jahres aufgekündigt werden. Die Vertragspartner verzichten jedoch auf ihr Kündigungsrecht für zwei Jahre, sodass das Mietverhältnis also frühestens zum 28.02.2006 aufgekündigt werden kann."
Mit Bescheid vom 6. April 2004 setzte das Finanzamt die Gebühr gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG fest. Unter Berücksichtigung sowohl der zweijährigen beiderseitigen Unkündbarkeit als bestimmte und auch der vereinbarten unbestimmten Vertragsdauer wurde das 60- fache Monatsentgelt (der fünffache Jahreswert) als Bemessungsgrundlage herangezogen.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung bekämpft unter Hinweis auf die aus den beiden VwGH- Erkenntnisse vom 28.09.1998, 98/16/0176 und vom 27.01.2000, 99/16/0017 hervorgehenden Rechtslage die der Gebührenbemessung zugrunde gelegte Mietdauer mit dem Argument, da im vorliegenden Vertrag, der grundsätzlich auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden ist, sowohl die Bestandgeberin als auch die Bestandnehmer für die Dauer der ersten beiden Jahre auf die Ausübung ihres Kündigungsrechtes verzichtet haben, sei von einer bestimmten Vertragsdauer von 2 Jahren auszugehen. Selbst wenn der beiderseitige Kündigungsverzicht nicht zur Beurteilung des Vertrages mit einer bestimmten, nämlich zweijährigen Dauer führen sollte, so könnte dieser Mietvertrag höchstens als solcher mit unbestimmter Laufzeit beurteilt werden. Diesfalls könnte dann höchstens der dreifache Jahreswert als Bemessungsgrundlage herangezogen werden.
Die über diese Berufung abweisend absprechende Berufungsvorentscheidung stützte sich auszugsweise auf folgende die Entscheidung tragende Begründung:
"Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Fellner, Band I Stempel- und Rechtsgebühren, § 33 TP 5 GebG, RZ 145, "Verlängerung auf unbestimmte Zeit") sind auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Verträge, bei denen aber zunächst auf eine bestimmte Zeit ein beidseitiger Kündigungsverzicht vereinbart wurde, für die Zeit des Kündigungsverzichtes als Verträge mit bestimmter Dauer und für die anschließende Zeit als solche von unbestimmter Vertragsdauer zu vergebühren. Durch die in der Berufung zitierten VwGH- Erkenntnisse soll geklärt werden, ob auf Grund der vereinbarten besonderen Kündigungsmöglichkeiten die Verträge als auf bestimmte Dauer oder unbestimmte Dauer abgeschlossen gelten. Da im Mietvertrag vom 26./27.2.2004 keine besonderen Kündigungsmöglichkeiten, die einen der Vertragspartner zur vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses berechtigten würden, angeführt wurden, ist der Sachverhalt gegenüber jenen, die ihren beiden zitierten VwGH- Erkenntnissen zu Grunde liegen, nicht vergleichbar. Die Berufung ist daher abzuweisen."
Die Bw. stellte daraufhin den Antrag auf Vorlage ihres Rechtsmittels zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung replizierend wird noch vorgebracht, dass derartige besonders vereinbarte Kündigungsmöglichkeiten zur vorzeitigen Auflösung unter Punkt 7.) des Mietvertrages getroffen worden seien.
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG 1957, BGBl. Nr 267/1957 sind Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert mit 1 % der Bemessungsgrundlage zu vergebühren. Gemäß § 33 TP 5 Absatz 3 erster und zweiter Satz GebG idF BGBl. I Nr. 28/1999 sind bei unbestimmter Vertragsdauer die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.
Auf unbestimmte Dauer abgeschlossene Bestandverträge, bei denen aber zunächst für eine bestimmte Zeit ein beiderseitiger Kündigungsverzicht vereinbart wurde, sind für die Zeit des Kündigungsverzichtes als Verträge mit bestimmter Dauer und für die anschließende unbestimmte Zeit als solche von unbestimmter Vertragsdauer zu vergebühren. In derartigen Fällen ist die Rechtsgebühr von der Summe der Jahreswerte der bestimmten und unbestimmten Vertragsdauer zu bemessen (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz 145 zu § 33 TP 5 GebG und die dort zitierte VwGH- Rechtsprechung, nämlich VwGH 3.12.1964, Slg. 3190/ F, verstärkter Senat, VwGH 17.12.1964, 915/63, VwGH 31.10.1966, 729/66, VwGH 28.11.1966, 1826/65, VwGH 21.10.1971, 2193/70, VwGH 10.2.1972, 2266/71, VwGH 2.3.1972, 796/71, VwGH 30.5.1974, 1832/73, VwGH 18.2.1976, Slg. 4941/ F, VwGH 13.10.1976, 703-721/76, VwGH 5.6.1978, Slg 5271/F, VwGH 17.2.1986, 85/15/0112, VwGH 19.1.1994, 93/16/0159, VwGH 19.2.1998, 95/16/0281).
Unter Beachtung dieser durch Rechtsprechung und Lehre abgeklärten Rechtslage entscheidet den vorliegenden Berufungsfall, ob der seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Vertragsdauer abgeschlossene Mietvertrag wegen des beiderseitig vereinbarten Kündigungsverzichtes für die ersten zwei Jahre, wobei der Bestandgeberin aus den im Punkt 7 des Mietvertrages bezeichneten Gründen eine vorzeitige Auflösungsmöglichkeit zustand, vom Finanzamt zu Recht für diesen zweijährigen Zeitraum als solcher auf bestimmte Vertragsdauer und für die anschließende Zeit als mit unbestimmter Vertragsdauer abgeschlossener Bestandvertrag vergebührt worden war.
Das Unterscheidungsmerkmal zwischen einem auf bestimmte Zeit und einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrag besteht nach der von der Bw. selbst angeführten VwGH- Rechtsprechung darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen, nach der Bestimmung des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG nicht im Wege steht. Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss (VwGH 27.01.2000, 99/16/0017). Ein seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag ist als Vertrag auf bestimmte Dauer anzusehen, wenn nach seinem Inhalt das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist (VwGH 28.09.1998, 98/16/0176).
Bei der Beurteilung des vorliegenden Berufungsfalles ist an Sachverhalt laut Punkt 2 des Mietvertrages davon auszugehen, dass das am 1. März 2004 beginnende Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen war, wobei es von jedem Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf den letzten Tag des Februars eines jeden Jahres aufgekündigt werden konnte. Die Vertragspartner verzichteten jedoch auf ihr Kündigungsrecht für zwei Jahre, sodass das Mietverhältnis also frühestens zum 28.02.2006 aufgekündigt werden kann. Nach Punkt 7 des Mietvertrages war die Vermieterin berechtigt, diesen Vertrag vorzeitig aufzulösen, wenn die Mieter mit der Zahlung des monatlichen Hauptmietzinses inklusive Umsatzsteuer und Betriebskostenakonto oder der ordnungsgemäß vorgeschriebenen und abgerechneten Betriebskosten trotz eingeschriebenen Mahnung mehr als einen Monat in Verzug geraten; wenn die vereinbarte Kaution nicht termingerecht an die Vermieterin übergeben; wenn über das Vermögen auch nur eines der Mieter der Konkurs eröffnet wird oder wenn die Mieter einen erheblich nachteiligen Gebrauch vom Mietobjekt machen.
Aus der Vertragslage des Punktes 2 des Mietvertrages geht in einer nicht zu überbietenden Deutlichkeit hervor, dass zwar der Bestandvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen worden war, durch den vereinbarten beiderseitigen Kündigungsverzicht für zwei Jahre erklärten aber die beiden Vertragsteile den Vertragswillen für diese bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein zu wollen. Dieser auf bestimmte Zeit abgegebene Kündigungsverzicht macht den seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrag für diesen Zeitraum gebührenrechtlich zu einem Vertrag auf bestimmte Zeit. Das Unterscheidungsmerkmal zwischen einem auf bestimmte Zeit und einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrag ist nämlich nach der oben bereits angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darin zu erblicken, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein wollten oder nicht. Ein solcher Bindungswille auf zwei Jahre beider Vertragsteile liegt aber im Streitfall unbedenklich vor. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach Punkt 7 des Mietvertrages die Bestandgeberin berechtigt war, aus einigen bestimmt bezeichneten Gründen den Vertrag vorzeitig aufzulösen. Zum einen wird bei einem Vertrag von bestimmter Dauer nach § 33 TP 5 Absatz 3 zweiter Satz GebG der Vorbehalt einer früheren Aufkündigung außer Betracht gelassen, sodass diese der Bestandgeberin zustehenden vorzeitigen Kündigungsmöglichkeiten eine Wertung als Vertrag auf bestimmte Zeit nicht ausschließen. Zum anderen haben die Bestandnehmer auf zwei Jahre vorbehaltlos auf das Recht der Kündigung verzichtet und die Bestandgeberin war nur aus einigen wenigen im Vertrag angeführten Gründen zur vorzeitigen Auflösung berechtigt, die überdies sämtlich in der Person der Bestandnehmer gelegen und jeglichem Einfluss der Bestandgeberin entzogen waren. Nach dem Gewicht und der Wahrscheinlichkeit einer Realisierung sprachen die vereinbarten einzelnen Kündigungsmöglichkeiten nicht dagegen, dass entsprechend dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile für die Zeit des abgegebenen Kündigungsverzichtes an den Vertrag gebunden sein wollten. Dass aber entgegen dem Vorbringen im Vorlageantrag durch die vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe nicht ein derartiges Maß an Ungewissheit hinsichtlich der Vertragsdauer erreicht wurde, dass trotz des ausgesprochenen Kündigungsverzichtes von Anfang an von einer unbestimmten Vertragsdauer auszugehen war, lässt sich besonders deutlich aus dem von der Bw. selbst zitierten VwGH- Erkenntnis vom 27.01.2000, 99/16/017 ableiten, standen doch in diesem Beschwerdefall der Verpächterin in etwa ebenfalls dieselben besonderen Kündigungsgründe zu. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat darin -ohne diesen der Verpächterin zustehenden Kündigungsgründen eine entscheidungsrelevante Bedeutung beigemessen zu haben- die Ansicht, der Verpächterin sei auf Grund einer bestimmten Vertragsbestimmung (nämlich der Möglichkeit, den Pachtvertrag im Falle der Veräußerung der Hotelliegenschaft aufzulösen) anheim gestellt gewesen, das Pachtverhältnis vor Ablauf der bestimmt bezeichneten Dauer zu beenden, weshalb die Dauer des Pachtverhältnisses als unbestimmt anzusehen sei.
Zusammenfassend ergibt sich für die Entscheidung des vorliegenden Berufungsfalles, dass die Berechtigung der Bestandgeberin, trotz des vereinbarten beiderseitigen Kündigungsverzichtes, das Mietverhältnis aus bestimmten Gründen vorzeitig auflösen zu können, der Beurteilung nicht entgegensteht, dass nach dem erklärten Vertragswillen zu Beginn des Vertragsverhältnisses beide Vertragsparteien durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollten. Der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene gegenständliche Bestandvertrag war daher unter Beachtung der eingangs dargelegten Lehre und Rechtsprechung für die Zeit des vereinbarten Kündigungsverzichtes von zwei Jahren als Vertrag mit bestimmter Vertragsdauer und für die anschließende unbestimmte Zeit als solcher von unbestimmter Vertragsdauer zu vergebühren. Die im bekämpften Bescheid gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 GebG angesetzte Bemessungsgrundlage des Fünffachen des Jahreswertes als Summe der Jahreswerte der bestimmten und der unbestimmten Vertragsdauer war folglich rechtens, weshalb wie im Spruch ausgeführt die Berufung als unbegründet abzuweisen war.
Innsbruck, am 16. August 2005
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 33 TP 5 Abs. 3 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Schlagworte: | Vertragsdauer, Kündigungsverzicht |
Verweise: | Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz 145 zu § 33 TP 5 GebG |