UFS RV/0263-I/04

UFSRV/0263-I/041.8.2005

a) Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung iSd DBA Deutschlandb) Progressionsvorbehalt

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/14/0099 eingebracht. Mit Erk. v. 14.12.2006 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0001-I/07 erledigt.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Stb, vom 15. Oktober 1998 gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 11. September 1998 betreffend Einkommensteuer 1997 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der in Österreich wohnhafte Abgabepflichtige bezog im Jahr 1997 eine Rente in Österreich (Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten) und zwei Renten aus Deutschland. Letztere betrugen zusammen 45.083 DM. Im Einkommensteuerbescheid für 1997 (ausgefertigt am 9.11.1998) ging das Finanzamt von einer ganzjährigen unbeschränkten Steuerpflicht des Berufungswerbers aus und berücksichtigte die deutschen Einkünfte für Zwecke des Progressionsvorbehaltes mit 311.073 Schilling (45.083 DM x 6,90 = 311.073 S).

Der Abgabepflichtige erhob fristgerecht am 15.10.1998 Berufung. Er wendete sinngemäß ein, die in Deutschland ausbezahlten Renten seien in Deutschland nur mit ihrem Ertragsanteil steuerpflichtig. In Österreich seien zur Berechnung der Progression nur die Einkünfte einzubeziehen, die im anderen Staat besteuert werden dürfen. Bei Einkünften handle es sich um eine Nettogröße, "also ohne steuerfreie Einkunftsteile". Die deutschen Renten seien daher auch für die in Österreich vorzunehmende Progressionsberechnung nur mit ihrem Ertragsanteil heranzuziehen. Der Ertragsanteil sei im vorgelegten Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes München II mit 6.756 DM und 5.415 DM ausgewiesen.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 25.3.1999 führte das Finanzamt aus, für Zwecke des Progressionsvorbehaltes sei das gesamte zu versteuernde Welteinkommen nach österreichischem Recht zu ermitteln.

Im Verfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat (Vorlageantrag vom 28.4.1999) ergänzte der Berufungswerber, er fühle sich "in seinem europarechtlich geschützten Grundrecht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art 39 ff EGV) bzw. der Niederlassungsfreiheit (Art 43 ff EGV) verletzt". Durch die Einbeziehung der in Deutschland steuerfrei gestellten Rententeile in die Berechnung des Progressionsvorbehaltes ergebe sich für die in Österreich zu versteuernden Einkommensteile ein wesentlich höherer Steuersatz. Wäre er in Deutschland ansässig, wäre ebenfalls ein Progressionsvorbehalt zu rechnen, jedoch würden "die steuerfreien Einkünfte" nicht für den Progressionsvorbehalt herangezogen. In Deutschland werde nur der Ertragsanteil der Rente steuerlich erfasst, weil die Ansparungszahlungen - anders als in Österreich - nicht einkommensmindernd berücksichtigt und somit bereits versteuert worden seien.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Berufungswerber ist seit seinem Zuzug aus Deutschland am 1. März 1997 in Österreich wohnhaft und unbeschränkt steuerpflichtig. Neben einer inländischen Rente (Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten) bezog er im Berufungsjahr eine Rente von der "Versorgungsanstalt der deutschen Bundespost", einer "rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts" (so die Angaben auf der vorgelegten Pensionsbescheinigung) und weitere "Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung". Die Zahlungen sind unbestritten als "Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung" Deutschlands anzusehen und folglich nach Art. 10 Abs. 2 Z 1 des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Österreich in der für 1997 anzuwendenden Fassung in Österreich unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen.

Rechtsgrundlage für den Progressionsvorbehalt sind die Tarifvorschriften des innerstaatlichen Rechts (Lang/Schuch, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Österreich, Rz 19 zu Art 15; VwGH 21.10.1960, 162/60, VwSlg 2309/1960; weitere Hinweise siehe Berufungsvorentscheidung). Die deutschen Bezüge sind daher für Zwecke des Progressionsvorbehaltes mit den nach österreichischem Recht maßgebenden Beträgen anzusetzen. Eine Aufteilung der deutschen Renteneinkünfte in einen steuerfreien Tilgungsanteil und einen steuerpflichtigen Ertragsanteil (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a dt. EStG) für Zwecke des Progressionsvorbehaltes ist in Österreich nicht vorzunehmen.

Soweit der Berufungswerber einwendet, diese Berechnung verletze sein "europarechtlich geschütztes Grundrecht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art 39 ff EG) bzw. der Niederlassungsfreiheit (Art 43 ff EG)", ist festzuhalten, dass Art 39 Abs. 4 EGV die Anwendung des Art 39 EGV für den Bereich der öffentlichen Verwaltung ausschließt. Ebenso finden die Artikel 43 ff EGV "auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind", keine Anwendung (vgl. Art. 45 EG).

Der Berufungswerber ist weiters der Ansicht, der angefochtene Bescheid verstoße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz (Eingabe vom 26.7.2005). Es werde "ein und dasselbe Einkommen" unterschiedlich besteuert, "je nachdem, ob der Wohnsitz in Österreich oder in Deutschland" liege.

Der VfGH hat in einem zu § 102 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ergangenen Erkenntnis ausgeführt, der Gleichheitssatz verhalte den Gesetzgeber nicht dazu, "unterschiedliche Rechtslagen im Verhältnis zu fremden Staaten, die sich aus zwischenstaatlichen Abkommen oder der Rechtslage im Wohnsitzstaat ergeben, durch Differenzierungen im innerstaatlichen Recht auszugleichen. Ist die getroffene Regelung für sich allein gesehen sachlich, so wird sie nicht schon dadurch gleichheitswidrig, dass sie Personen mit Wohnsitz in verschiedenen fremden Staaten verschieden trifft" (VfGH 16.6.1995, G 191/94, G 192/94, VfSlg 14.149/1995). Auch im Erkenntnis vom 20.6.1994, B 473/92, VfSlg 13.785/1994 hat der VfGH erkennbar die ausländische Rechtslage außer Acht gelassen (in diesem Fall war Österreich Ansässigkeitsstaat, das anzuwendende DBA sah zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung die Befreiungsmethode vor).

Hingewiesen sei auch auf die Vewaltungspraxis. Auf Grund eines gemäß Artikel 21 Abs. 2 des österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens hergestellten Gegenseitigkeitsabkommens wurde gemäß § 48 BAO angeordnet, die im Artikel 10 Abs. 2 Z 2 und 3 des Doppelbesteuerungsabkommens angeführten Bezüge bei der Anwendung des Progressionsvorbehaltes gemäß Artikel 15 Abs. 3 DBA außer Ansatz zu lassen. Die unter Artikel 10 Abs. 2 Z 1 DBA erwähnten Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung (solche sind im gegenständlichen Fall zu beurteilen) sind nicht erwähnt.

Der Unabhängige Finanzsenat ist daher der Ansicht, dass eine Verletzung von Gemeinschaftsrecht durch den bekämpften Bescheid nicht erfolgt ist.

Der angefochtene Bescheid war aber insofern zu ändern, als bei der Berechnung des Progressionsvorbehaltes nur die im Zeitraum März (Zeitpunkt des Zuzuges nach Österreich) bis Dezember 1997 zugeflossenen deutschen Rentenbezüge zu berücksichtigen sind. Der Abgabepflichtige hat in den Anlagen zur Steuererklärung für 1997 mitgeteilt, erst seit 1.3.1997 in Österreich wohnhaft zu sein. In der Steuererklärung findet sich der Vermerk "zugezogen von München nach Innsbruck ab 1.3.1997". Bei einer von ihm vorgelegten Berechnung der in- und ausländischen Pensionseinkünfte wurden die auf die Monate Jänner und Februar 1997 entfallenden Pensionsbezüge ausgeschieden. Gleichlautende Angaben erteilte er auch im "Fragebogen" vom 10.4.1997. Ein an das Finanzamt gerichteter Auftrag vom 5.8.1999, den Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich bzw. den Zeitpunkt der Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Österreich zu erheben, hat zu keinem anderen Ergebnis geführt. Laut Auskunft des Berufungswerbers betrug die "Staatliche Rente Deutschland" im Zeitraum März bis Dezember 18.941,86 DM und die Rente der "Versorgungsanstalt der deutschen Bundespost" 15.988,58 DM, in Summe somit 34.930,44 DM (d.s. 17.859,65 € oder 245.754,15 Schilling).

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Beilage: Berechnungsblätter (in Schilling und in Euro)

Innsbruck, am 1. August 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 10 Abs. 2 Z 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955
Art. 15 Abs. 3 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955

Schlagworte:

Progressionsvorbehalt, Belastungsprozentsatz, Befreiungsmethode

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