UFS RV/0378-G/05

UFSRV/0378-G/0515.7.2005

Anspruchszinsen, lange Verfahrensdauer, Verschulden

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des NR, vom 9. März 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 15. Februar 2005 betreffend Anspruchzinsen (§ 205 BAO) 2003 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 15. Februar 2005 wurden dem Berufungswerber (Bw.) Anspruchszinsen gem. § 205 Bundesabgabenordnung (BAO) in Höhe von € 71,94 festgesetzt, da die Einkommensteuer für 2003 am selben Tag mit einer Nachforderung von € 5.487,42 vorgeschrieben wurde.

In der dagegen eingebrachten Berufung wurde vorgebracht, der Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung sei wie jedes Jahr im März eingebracht worden. Bei nahezu allen Kollegen des Bw. sei eine Bearbeitung von 2 - 4 Monaten möglich gewesen, auch bei späterem Einbringen des Antrages. Nach telefonischer Rücksprache sei sein Akt erst am 15. Februar 2005 bearbeitet worden. Es sei für den Bw. unverständlich, warum für den Zeitraum 1. 10. 2004 bis 15. 2. 2005 Anspruchszinsen anfielen, obwohl alles rechtzeitig eingebracht worden sei.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde nach kurzer Darlegung der bezughabenden Gesetzesstelle dargelegt, dass das Entstehen des Anspruches auf Anspruchszinsen unabhängig von einem Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde an der späten Bescheiderstellung sei. Es würden dabei nicht nur Nachforderungen, sondern auch Guthaben verzinst. Im vorliegenden Fall sei die lange Bearbeitungsdauer durch eine falsche Angabe auf der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung verursacht worden, es sei nämlich angegeben worden, dass im Jahr 2003 zwei bezugauszahlende Stellen vorliegen würden, das Finanzamt habe daher immer auf einen zweiten Lohnzettel gewartet.

Im als Vorlageantrag gewerteten Schreiben vom 19. 5. 2005, per Fax eingelangt am 20. 5., führte der Bw. aus, er habe mit ca. 120 weiteren Kollegen sowohl ein Gehalt als auch eine Abfertigung aus dem Insolvenzfonds erhalten. Es sei ihm inzwischen klar, dass er dies bei der Arbeitnehmerveranlagung unglücklich oder nicht exakt deklariert habe. Dass es so etwas wie "Anspruchszinsen" gebe oder fällig würden, könne nicht jeder Steuerzahler in Österreich wissen, man müsse schon irgendwie darauf hingewiesen werden und nicht nach Monaten damit konfrontiert werden. Abschließend wünsche er sich eine für ihn positive Erledigung dieser erneuten Berufung.

Über die Berufung wurde erwogen:

 

Der für die gegenständliche Berufung relevante § 205 der Bundesabgabenordnung lautet:

(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus

a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden

b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt

c) aufgrund völkerrechtlicher Verträge oder gem. § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50,00 € nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen.

(3) Der Abgabenpflichtige kann, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahl zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 3. Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.

(4) Die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) wird durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.

(5) Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen sind insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind.

Daraus ergibt sich, dass Anspruchszinsen (Nachforderungszinsen und Gutschriftszinsen) gem. § 205 Abs. 1 BAO für Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer festzusetzen sind, die sich aus Abgabenbescheiden nach Gegenüberstellung mit geleisteten Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, somit für Nachforderungen und Gutschriften. Sie gleichen die Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile aus, die für den Abgabepflichtigen dadurch entstehen, dass für eine bestimmte Abgabe der Abgabenanspruch immer zum selben Zeitpunkt entsteht (zB für die Einkommensteuer 2003 mit Ablauf des Jahres 2003), die Festsetzung der Abgabe jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt. Maßgebend ist in einer gewissermaßen typisierenden Betrachtung, ob Zinsvorteile (-nachteile) für den Abgabepflichtigen möglich wären. § 205 BAO knüpft allein an die objektive Möglichkeit an, dass Zinsvorteile entstehen. Dass im konkreten Fall der Abgabepflichtige tatsächlich Zinsen (etwa durch günstige Geldanlage) lukrieren konnte, ist nicht erforderlich.

Die Höhe der Anspruchszinsen beträgt pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz. Maßgeblicher Zeitraum für den Zinsenlauf ist der 1. Oktober des Folgejahres (hier: 2004) bis zur Erteilung des Bescheides, der eine Nachforderung oder Gutschrift ausweist (hier: 15.2.2005), höchstens aber 42 Monate. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50,00 € nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

Zur Vermeidung bzw. Minderung von Nachforderungszinsen kann der Abgabepflichtige (auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer) Anzahlungen (iSd § 205 Abs. 3 BAO) entrichten. Der Abgabenanspruch für Anzahlungen entsteht dem § 4 Abs. 1 BAO zufolge mit der Bekanntgabe durch den Abgabepflichtigen (und zwar in der bekannt gegebenen Höhe). Die Anzahlung ist eine Abgabe, zu deren Entrichtung keine Verpflichtung besteht.

Im vorliegenden Fall wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2003 mit 5.487,42 € festgesetzt. Dieser Betrag war wie im Spruch ersichtlich gem. § 205 BAO zu verzinsen.

Den Einwendungen des Bw., er habe die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2003 rechtzeitig eingereicht, ist entgegenzuhalten, dass der § 205 BAO nicht darauf abstellt, aus welchem Grund die Abgabenfestsetzung zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt. Mögliche Zinsvorteile sollen unabhängig davon ausgeglichen werden, ob ein Verschulden der Abgabenbehörde und/oder des Abgabepflichtigen im Zeitpunkt der Abgabenfestsetzung vorliegt. Daher ist unerheblich, ob die Abgabenfestsetzung deshalb relativ spät erfolgt, weil die Abgabenbehörde ihrer Verpflichtung, ohne unnötigen Aufschub (§ 311 Abs. 1 BAO) über die Abgabenerklärung zu entscheiden, nachgekommen ist.

Auch der Vorwurf des Bw., er hätte seitens des Finanzamtes darüber informiert werden müssen, dass es Anspruchszinsen gibt, führt ins Leere, da es nicht Aufgabe der Finanzverwaltung sein kann, einen Abgabepflichtigen über sämtliche gesetzliche Neuerungen zu informieren.

Festzuhalten ist, dass Anspruchszinsenbescheide an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommensteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung oder Gutschrift gebunden sind

Wie bereits von der Abgabenbehörde erster Instanz richtig ausgeführt geht das Verschuldensargument ins Leere, da die Festsetzung von Anspruchszinsen verschuldensunabhängig ist und allein von der zeitlichen Komponente, nämlich wann der Einkommensteuerbescheid dem Abgabepflichtigen bekannt gegeben wurde und von der Höhe des Nachforderungsbetrages abhängig ist.

Nach den Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der oben zitierten Gesetzesbestimmung (RV 311 BlgNR 21. GP , 210 ff.) entstehen Ansprüche auf Anspruchszinsen unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde. Zinsenbescheide setzen nicht die materielle Richtigkeit des Stammabgabenbescheides, wohl aber einen solchen Bescheid voraus. Solche Bescheide sind daher auch nicht mit der Begründung anfechtbar, der Stammabgabenbescheid bzw. ein abgeänderter Bescheid wäre rechtswidrig.

Die prozessuale Bindung eines - wie im vorliegenden Fall - abgeleiteten Bescheides kommt nur dann zum Tagen, wenn ein Grundlagenbescheid rechtswirksam erlassen worden ist (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 252 Tz. 3).

Weder aus dem Berufungsvorbringen noch aus dem Steuerakt sind Argumente ersichtlich, dass der Einkommensteuerbescheid 2003 nicht rechtwirksam erlassen worden wäre oder dass die Höhe der Anspruchszinsen nicht korrekt wäre, sodass dem angefochtenen Anspruchszinsenbescheid auch keine formalrechtlichen Hindernisse entgegenstehen.

Sollte die Abgabenbehörde wiederholt nicht innerhalb der vom Gesetzgeber vorgegebenen Frist von 6 Monaten über einen eingebrachten Antrag entscheiden, so steht jedem Abgabepflichtigen das Instrument des Devolutionsantrages zu.

Graz, am 15. Juli 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Anspruchszinsen, lange Verfahrensdauer, Verschulden

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