UFS RV/4389-W/02

UFSRV/4389-W/0230.6.2005

Nachkauf von Versicherungszeiten an die dt. gesetzliche Sozialversicherung als Sonderausgaben gemäß § 18 EStG anerkannt

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Lenneis und die weiteren Mitglieder Dr. Viktoria Blaser, Johann Holper und Mag. Hannes Bogner im Beisein des Schriftführers Foi Ingrid Pavlik über die Berufung des Bw, vom 27. Dezember 2001 gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 9., 18., und 19. Bezirk und Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Doris Obermayer, betreffend Einkommensteuer 2000 nach der am 30. Mai 2005 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Berufungswerber (Bw.) bezog im Streitjahr 2000 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er machte für das Jahr 2000 Aufwendungen für die Nachzahlung freiwilliger Beiträge für Ausbildungszeiten an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin in Höhe von S 633.024,00 als Sonderausgaben gemäß § 18 EStG geltend. Belegt wurden die Zahlungen durch den Auslands-Überweisungsauftrag und den Kontoauszug.

Das Finanzamt anerkannte die o.a. Nachzahlungen nicht als Sonderausgaben. Begründend wurde ausgeführt: "Da die Beiträge für den Nachkauf freiwilliger Beiträge für Ausbildungszeiten an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin nicht zu einer höheren Versicherungsleistung der "inländischen gesetzlichen Sozialversicherung" führen, können diese Ausgaben nicht als Sonderausgaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 anerkannt werden."

Die Berufung, eingebracht von der Vertreterin des Bw. Dr. Fidler, gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 richtet sich gegen die Versagung der aus dem Titel Nachkauf von Versicherungszeiten beantragten Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 18 Abs. 3 Z 2 EStG in Höhe von S 633.023,66. Es wird u.a. ausgeführt:

"Das Finanzamt hat die Zahlung für den Nachkauf von Versicherungszeiten mit der Begründung abgelehnt, dass der Nachkauf für Ausbildungszeiten an die Bundesversicherungsanstalt in Berlin deshalb nicht anerkannt wird, weil die Beiträge nicht zu einer Erhöhung der Versicherungsleistung in Österreich führten.

Der Begründung des Bescheides ist in ihrer Schlussfolgerung des fehlenden Einflusses auf die Versicherungsleistung zu widersprechen. Mein Mandant hat vor seinem voraussichtlichen Pensionsantritt 1.2.2003 seine erworbenen Beitragsmonate prüfen lassen. Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien hat in ihrer Stellungnahme vom 7.Dez. 2001 die bis zum 1.2.2003 angefallenen in- und ausländischen Versicherungszeiten erhoben. Demnach setzen sich die Versicherungszeiten mit dem Stand November 2001 aus 262 österreichischen und 265 ausländischen Beitragsmonaten, davon 118 ausländische Pflichtbeitragmonaten, zusammen. Die Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte hat diese Versicherungszeiten in Anwendung der bestehenden zwischenstaatlichen Abkommen bezüglich der Pensionsanspruchsvoraussetzungen ermittelt und den Anspruch auf österreichische Teilpension festgestellt. Der Rechtstitel auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ergibt sich aus der Zusammenrechnung der für die Leistung maßgeblichen Versicherungsmonate insgesamt, bzw. der erforderlichen Beitragsmonate in der Pflichtversicherung.

Mein Mandant hatte vorrangig bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Österreich den Nachkauf von Schulzeiten begehrt. Dies war und ist aber nach Bestätigung durch die Pensionsversicherungsanstalt nur möglich, wenn eine inländische Schule besucht wurde.

Unabhängig von der Beurteilung durch den österreichischen Sozialversicherungsträger hat sich mein Mandant schon seinerzeit um die Übertragung der in Deutschland erworbenen Beitragsmonate und die gegebenenfalls daraus resultierenden Pensionsleistungen bemüht. Er wurde darüber informiert, dass die Übertragung der Pensionsleistungen auf die österreichische Pension rechtlich nicht möglich sei. Mein Mandant hat in Deutschland Anspruch auf Alterspension ab dem vollendeten 63. Lebensjahr, zum 1.2.2005. Die Besteuerung dieser Pension erfolgt nach den für in Deutschland geltenden tariflichen Sonderbestimmungen. Die in Deutschland besteuerten Pensionseinkünfte aus früheren Dienstverhältnissen wurde nach Artikel 9 DBA Deutschland-Österreich im Wohnsitzstaat Österreich besteuert und unterliegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung dem Progressionsvorbehalt.

Die Absetzbarkeit der Sonderausgaben aus dem Nachkauf von Versicherungszeiten ohne Beschränkung der Höhe nach, beruht auf dem Grundsatz des Steuerrechts, dass die daraus resultierenden Pensionseinkünfte zur Gänze steuerlich zu erfassen sind (siehe auch LStR 1999, RZ 579). Im gegenständlichen Falle wird diesem Grundsatz in dreifacher Hinsicht Rechnung getragen und nach folgender Argumenten entsprochen:

Der Nachkauf von ausländischen Schulzeiten bei der ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung erhöht die Pensionsansprüche in Deutschland - das Besteuerungsrecht dieser Pension nach dem Doppelbesteuerungsabkommen steht dem Wohnsitzstaat zu, erhöht die Besteuerungsgrundlagen und demnach den Tarif in Ausübung des Progressionsvorbehaltes in Österreich.

Der Nachkauf von ausländischen Schulzeiten bei der ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung erhöht die Pensionsansprüche in Österreich von 59,50% bei 420 Pflichtbeitragsmonaten auf 79,5% bei 540 Beitragsmonaten.

Der Nachkauf von ausländischen Schulzeiten bei der ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung erhöht die Besteuerungsgrundlagen im Inland durch erhöhte Ansprüche und unabhängig von der Progressionswirkung des Doppelbesteuerungsabkommens.

Ich bitte um Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom 25. Juli 2001 und um die Anerkennung der Sonderausgaben an die Bundesversicherungsanstalt in Berlin bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens 2000 in Österreich, weil deren Anerkennung die Pensionseinkünfte sowohl in Deutschland als auch in Österreich erhöht, die Besteuerung künftiger Pensionseinkünfte in Österreich sicherstellt bzw. die bei der Besteuerung des Wohnsitzstaates Österreich anfallenden Pensionseinkünfte aus Deutschland der Systematik des progressiven Einkommensteuertarifes unterwirft."

Als Beilagen wurden u.a. die Stellungnahme der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Wien, vom 7. Dez. 2001, die Ablehnung des Antrages auf Nachkauf von Schulzeiten in Österreich sowie eine Darstellung der Bundesversicherungsanstalt in Berlin eingebracht.

In dem Schreiben über "Vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253 b ASVG" wurde für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen die vom Bw. in Österreich und Ausland erworbenen Versicherungszeiten berücksichtigt.

Bei der Pensionsvorausberechnung zu den derzeit geltenden Bestimmungen wurden auch die im Vertragsstaat erworbenen Versicherungsmonate berücksichtigt.

Von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wurde dem Bw. bekannt gegeben, dass Schulmonate nur dann nachgekauft werden können, wenn eine inländische öffentliche bzw. mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule besucht wurde.

Ein Bescheid über den Versicherungsverlauf und eine Beitragsbescheinigung über die freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten wurden vorgelegt, weiters ein Schreiben über die zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten sowie über die Voraussetzungen für eine Rentenzahlung.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung. Begründend wurde Folgendes ausgeführt:

"Nach der Rechtslage und der darauf aufbauenden Verwaltungspraxis (Doralt Rz 84 zu § 18, unter Verweis auf BMF 26.9.1996, RdW 1996, 564) sind Beiträge für den Nachkauf von Versicherungszeiten an eine ausländische gesetzliche Sozialversicherung dann als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG iVm § 18 Abs. 3 EStG abzugsfähig, wenn die entsprechenden Beiträge zu einer höheren Versicherungsleistung der inländischen gesetzlichen Sozialversicherung führen und somit genauso wirken, wie der Nachkauf von Versicherungszeiten bei der inländischen gesetzlichen Sozialversicherung.

Einzuräumen ist, dass sich die gegenständlichen Beiträge erhöhend auf die inländischen Pension auswirken. Insoweit ist der Berufung beizupflichten. Allerdings genügt dies nicht, um der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Notwendig wäre zudem, dass die in Deutschland nachgekauften Zeiten genauso wirken, wie ein Nachkauf bei der inländischen gesetzlichen Sozialversicherung. Nun erhöht aber der Nachkauf von ausländischen Versicherungsmonate die Pensionsansprüche in Deutschland, wobei diese Pension zudem nur im Wege des Progressionsvorbehaltes bei der österreichischen Besteuerung zu berücksichtigen ist. Zwar hat der Nachkauf dieser Zeiten auch auf die österreichischen Pensionsleistungen einen Einfluss, aber nicht den, der sich bei entsprechenden Nachkauf von österreichischen Schulzeiten (falls solche vorgelegen hätten) ergeben hätte. Entscheidend ist, dass die geltenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen die Übertragung des deutschen Pensionsanspruches auf den österreichischen nicht zulassen. Dies gilt auch für den Pensionsanspruch, der sich aus dem Nachkauf der deutschen Versicherungszeiten ergibt.

Da sich somit die in Deutschland nachgekauften Zeiten auf die österreichischen Pensionsleistungen nicht genauso auswirken wie ein Nachkauf bei der inländischen Sozialversicherung, kann dem Berufungsbegehren der Berücksichtigung der ATS 633.023,00 als (voll abzugsfähige) Sonderausgaben § 18 Abs. 1 Z 2 EStG iVm § 18 Abs. 3 EStG nicht Rechnung getragen werden. Die Berufung war daher abzuweisen."

Die Bw. brachte den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein.

Nach Wiederholung des bisher Vorgebrachten wird von Frau Dr. Fidler u.a. weiteres ausgeführt:

"Die Abgabenbehörde 1. Instanz gesteht in ihrer Berufungsvorentscheidung zwar den Einfluss des Nachkaufs von ausländischen Versicherungszeiten auf die inländische Pension dem Grunde nach zu. Sie relativiert aber denselben, indem sie die Argumentationslinie semantisch verändert. In einer vom Finanzamt angezogenen Stellungnahme des BMF vom 26. Sept. 1996 (RdW 1996/11, Seite 564), wird die klarstellende Erörterung des Tatbestandes des Nachkaufes von Versicherungszeiten an in- und ausländische gesetzliche Sozialversicherungsträger missverstanden. Das BMF hält in seiner Diktion, dass Beiträge an eine ausländische gesetzliche Sozialversicherungsanstalt genauso wirkten wie die an eine inländische gesetzliche Sozialversicherungsanstalt die Nämlichkeit des Begriffs fest. Die intendierte Rechtslogik ist die der Identität und nicht die des Grundes und der Höhe. Das ist aus dem gesamten Wortlaut des in der Folge zitierten Textes abzuleiten. Der Einfluss des Nachkaufes von ausländischen Versicherungszeiten auf die Pensionsleistung in Österreich ist in keiner Hinsicht quantifiziert, weder in absoluter Höhe noch in relativer Hinsicht. Wäre es, wie von der Finanzbehörde abgeleitet, Wille des Gesetzgebers gewesen, die Abzugsfähigkeit der Sonderausgaben einzuschränken, dann hätte er dies entsprechend zum Ausdruck gebracht. Im Gegenteil: im gegenständlichen Artikel wird geradezu ein Parallelfall zu Sachverhalt bei meinem Mandaten herangezogen.

Leistet also ein (in Österreich) Steuerpflichtiger, der in Österreich tätig ist, Beiträge zur österreichischen gesetzlichen Sozialversicherung und wird er daraus eine Pension beziehen, sind Beiträge für einen Nachkauf von Versicherungszeiten an die belgische gesetzliche Sozialversicherung, die den Pensionsanspruch an die österreichische gesetzliche Sozialversicherung erhöhen, genauso zu behandeln, als würde er sie an die österreichische gesetzliche Pensionsversicherung zahlen.

Das Bundesministerium stellt klar, dass die Abzugsfähigkeit der Sonderausgaben mit künftigen erhöhten Versicherungsleistungen verknüpft wird. Auch die Beitragsrückzahlung von im Inland nachgekauften Versicherungszeiten durch den Sozialversicherungsträger, wenn sich herausstellt, dass jemand genügend Anwartschaftszeiten für den Pensionsanspruch erworben hat, führt nicht zu einer Nachversteuerung der Sonderausgaben.

Ich bitte um Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2000 und um die Anerkennung der Sonderausgaben an die Bundesversicherungsanstalt in Berlin bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens 2000 in Österreich, weil deren Anerkennung die Pensionseinkünfte sowohl in Deutschland als auch in Österreich erhöht, die Besteuerung künftiger Pensionseinkünfte in Österreich sicherstellt bzw. die bei der Besteuerung des Wohnsitzstaates Österreich anfallenden Pensionseinkünfte aus Deutschland der Systematik des progressiven Einkommensteuertarifs unterwirft."

Die Abgabenbehörde 2. Instanz ersuchte den Bw. bekannt zugeben, um welchen Betrag sich jeweils die Pension in Deutschland und in Österreich durch den Nachkauf von Pensionszeiten geändert (erhöht) hätten.

In der Beantwortung des Vorhaltes führte die steuerliche Vertreterin des Bw. u.a. aus:

"Die Auswirkungen des Nachkaufes von Schul- bzw. Hochschulzeiten auf die Pensionshöhe meines Mandanten habe ich auf der Grundlage der beiliegenden Pensionsbescheide mit Nachkauf von Schulzeiten dargestellt und diesen die Pensionshöhe ohne Nachkauf gegenübergestellt.

Die in Einzelschritten dargestellte Berechnung ergab zusammenfassend folgendes Ergebnis. Die Pensionsbezüge ohne Nachkauf von Schulzeiten wären insgesamt von € 9.921,18 pro Jahr niedriger als in der jetzigen Höhe, das sind relativ 37,5%. Die Abweichung der um 37,5% niedrigeren Pension verteilt sich mit 16,8% auf Österreich und mit 20,7% auf Deutschland. Der Grund, dass sich die Abweichung in beiden Ländern nicht im selben Verhältnis auswirkt, liegt an den unterschiedlichen Pensionssystemen und an den verschiedenen Gewichtungen der Pensionsgrundlagen. Der Vergleich ob sich der Nachkauf von Pensionszeiten in Österreich auf die österreichische Pension in der nämlichen Höhe ausgewirkt hätte, lässt sich in dieser Form nicht führen. Er setzt identische Systeme voraus.

Unabhängig davon ist unbestritten, wie auch von der Finanzbehörde bestätigt, dass der Nachkauf der Versicherungszeiten zu einer Erhöhung beider Alterspensionen führt, die systematisch auch in die inländische Besteuerung Eingang finden.

Die Tatsache, dass Ruhebezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung aus Deutschland gemäß Artikel 18, Abs.2 DBA nur in Deutschland besteuert werden dürfen, ist ein Spezifikum des bilateralen Abkommens.

Zusammenfassend geht aus den Berechnungsgrundlagen hervor, dass die Pensionserhöhungen in absoluter Höhe in beiden Ländern, Deutschland und Österreich annähernd gleich hoch sind, auf jeden Fall aber zu einer weitgehend parallelen Pensionsentwicklung geführt haben. Dem Erfordernis für die Abzugsfähigkeit der Sonderausgaben in Österreich aus dem Nachkauf der in Deutschland geleisteten Schulzeiten ist in Bezug auf seine Auswirkungen auf die Steuerbemessungsgrundlagen nachweislich Genüge getan."

Weiters hat Frau Dr. Fidler zu den steuerlichen Folgen des Nachkaufs von Versicherungszeiten aufgrund bilateraler Abkommen (Diskriminierung und Kohärenz) auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache Wielockx, EuGH 11.8.1995, Rs C 80/94, verwiesen, im dem der Gerichtshof ausgeführt habe, dass der gebietsfremde Steuerpflichtige hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Betriebsausgaben nicht genauso behandelt werden würde wie der gebietsansässige. Begründung war, dass der Staat alle Ruhebezüge, die in seinem Gebiet ansässigen Personen beziehen, die nach dem OECD-Musterabkommen geregelt sind, besteuere. Dieses Besteuerungsrecht bestehe unabhängig davon, in welchem Staat die Beiträge bezahlt wurden. Die Wechselbeziehung, wo Beiträge gezahlt werden, dort wird auch besteuert, gelte nicht ohne weiteres. Systematisch werde in diesem Fall nicht auf der Ebene der steuerpflichtigen Person argumentiert, sondern auf der Wechselseitigkeit der Vorschriften. Die Wechselwirkung bestehe auf der Grundlage des zwischen Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen Abkommens.

Aus diesem Grund könne aber die Abzugsfähigkeit in Rede stehender Beträge nicht versagt werden.

In der am 30. Mai 2005 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt:

Berufungswerber:

Zunächst verweise ich darauf, dass das Finanzamt in den Jahren 1998 und 1999 anstandslos meine damals ebenfalls geltend gemachten Beträge anerkannt hat.

Ich verweise weiters nochmals darauf, dass ich ohnehin die Absicht gehabt habe, in Österreich Einzahlungen zur Erlangung einer höheren Pension zu leisten, dies aber aus rechtlichen Gründen nicht möglich war. So musste ich einen Teil meiner Einzahlungen dazu leisten, um eine höhere deutsche Pension zu bekommen.

Dr. Fidler: Es sind hier zwei Dinge zu unterscheiden:

Der Umstand, dass die Einzahlung genauso wirkt wie bei einer inländischen Pension, ist dadurch dokumentiert, dass tatsächlich eine höhere Pension aus Deutschland zur Auszahlung kommt. Davon zu trennen ist der Umstand, dass diese Pension wiederum gemäß dem DBA Österreich - Deutschland Deutschland zur Besteuerung zugewiesen wird und in Österreich nur mittels Progressionsvorbehaltes Berücksichtigung findet.

Dr. Obermayer: Festzuhalten ist jedenfalls, dass das österreichische Pensionsrecht mit dem deutschen nicht vergleichbar ist.

Dr. Fidler: Wie schon oben ausgeführt, ist die Tarifvorschrift von den Bestimmungen betreffend Absetzbarkeit der Nachkaufzeiten zu trennen.

Der Berufungswerber ersucht abschließend, der Berufung Folge zu geben.

Über die Berufung wurde erwogen:

 

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG i.d. für das Streitjahr geltenden Fassung sind Ausgaben bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind: Beiträge und Versicherungsprämien zu einer freiwilligen Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung, ausgenommen Beiträge für die freiwillige Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung (einschließlich der zusätzlichen Pensionsversicherung im Sinne des § 479 des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes), soweit dafür eine Prämie nach § 108 a in Anspruch genommen wird, sowie ausgenommen Beiträge zu einer Pensionszusatzversicherung (§ 108 b).

Gemäß § 18 Abs. 3 Z 2 EStG wird in Ergänzung des Abs. 1 bestimmt, dass für Ausgaben im Sinne des Abs. 1 Z 2 bis 4 mit Ausnahme der Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbarer Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen ein einheitlicher Höchstbetrag von S 40.000,00 jährlich besteht.

Nach der bereits vom Finanzamt zitierten Auskunft des BMF sind Beiträge für den Nachkauf von Versicherungszeiten an eine ausländische gesetzliche Sozialversicherung dann als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs.1 Z 2 EStG in Verbindung mit § 18 Abs.2 EStG abzugsfähig, wenn die entsprechenden Beiträge zu einer höheren Versicherungsleistung der inländischen gesetzlichen Sozialversicherung führen und somit genauso wirken wie der Nachkauf von Versicherungszeiten bei der inländischen gesetzlichen Sozialversicherung. Weiters wird angeführt, dass dann, wenn ein (in Österreich) Steuerpflichtiger, der in Österreich tätig ist, also Beiträge zur österreichischen gesetzlichen Sozialversicherung leistet und er daraus eine Pension beziehen wird, die Beiträge für einen Nachkauf von Versicherungszeiten an die belgische gesetzliche Sozialversicherung, die den Pensionsanspruch an die österreichische gesetzliche Sozialversicherung erhöhen, genauso zu behandeln sind, als würde er sie an die österreichische gesetzliche Pensionsversicherung zahlen (BMF vom 26.9.1996).

Im vorliegenden Fall hat der Bw. Versicherungszeiten durch Beiträge an die deutsche gesetzliche Sozialversicherung und nicht an die österreichische gesetzliche Sozialversicherung nachgekauft. Ein Nachkauf von Versicherungszeiten in Österreich war nicht möglich, da der Bw. in Deutschland in die Schule (nachzukaufende Zeiten) gegangen ist.

Durch den Nachkauf der Versicherungszeiten erhöht sich die Pension in Deutschland und die Pension in Österreich. In Österreich ist auf Grund des DBA Österreich und Deutschland die deutsche Pension nicht unmittelbar, sondern nur mittels Progressionsvorbehalt zu erfassen. Diese Einschränkung der steuerlichen Erfassung der Pension ergibt sich auf Grund des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl III 2002/182).

In der vom Bw. angeführten Rechtssache Wielockx, Rs C-80/94 , EuGH 11.8.1995, beschäftigt sich der EuGH ausführlich mit dem Rechtsgrundsatz der Kohärenz. In diesem Fall ging es um niederländisches Steuerrecht. Selbständige konnten einen Teil des Gewinns ihres Unternehmens für die Bildung eines Altersrücklage verwenden, die den Vorteil bot, dass die in jedem Jahr angesparten Beträge im Unternehmen verbleiben. Diese Altersrücklage war aufzulösen, wenn der Steuerpflichtige das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet. Diese Auflösung ist dann steuerpflichtig. Diese Regelung kam bloß für unbeschränkt Steuerpflichtige zum Tragen. Der EuGH sah darin eine Diskriminierung. Die Niederländische Regierung versuchte, diese Diskriminierung unter Berufung auf den Grundsatz der steuerlichen Kohärenz zu verteidigen: Es bestehe eine Wechselbeziehung zwischen den von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogenen Beträgen und den später steuerpflichtigen Beträgen. Wenn ein Gebietsfremder in den Niederlanden eine Alterrücklage bilden und somit einen Anspruch auf eine Rente erwerben könnte, dann könnte auf diese Rente in den Niederlanden keine Steuer erhoben werden, da diese Einkommen aufgrund eines bilateralen DBA nicht in den Niederlanden, sondern im Wohnsitzstaat besteuert wird.

Der EuGH hielt dem entgegen, dass der Staat auf Grund des Doppelbesteuerungsabkommens, die nach dem Modell des OECD-Musterabkommens gestaltet sind, alle Renten, die in seinem Gebiet ansässigen Personen beziehen, besteuert. Das Besteuerungsrecht besteht unabhängig davon, in welchem Staat die Beiträge gezahlt wurden. Der Ansässigkeitsstaat verzichtet aber umgekehrt darauf, die im Inland bezogenen Renten der Besteuerung zu unterwerfen. Dies gilt auch dann, wenn sie auf Beträgen beruhen, die in seinem Gebiet gezahlt wurden und die er als abzugsfähig angesehen hat.

Die steuerliche Kohärenz wird also nicht auf der Ebene der Einzelperson durch eine strenge Wechselbeziehung zwischen der Abzugsfähigkeit der Beiträge und der Besteuerung der Renten hergestellt, sondern sie wird auf eine andere Ebene, nämlich die der Gegenseitigkeit der in den Vertragsstaaten anwendbaren Vorschriften verlagert. Da die steuerliche Kohärenz auf der Grundlage eines mit einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen bilateralen Abkommen gewährleistet wird, kann dieser Grundsatz nicht herangezogen werden, um die Verweigerung eines Abzugsmöglichkeit, wie sie hier in Rede steht, zu rechtfertigen. (Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht, Gassner/Lang/Lechner S 40)

Im Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen regelt Art 18 Abs.1, dass dann, wenn in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat erhält, diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden dürfen. Gemäß Abs.2 des Art. 18 des zitierten Abkommens dürfen Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, abweichend von vorstehenden Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.

Im vorliegenden Fall bezog der Bw. auf Grund des Nachkaufs der Versicherungszeiten mittels Einzahlung an die dt. Sozialversicherung sowohl in Deutschland als auch in Österreich eine höhere Pension. Der Bw. ist in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Auf Grund des vorstehend zitierten Artikels des DBA Österreich/Deutschland sind die Pensionseinkünfte aus der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung in Österreich jedoch nur mittels Progressionsvorbehalt zu erfassen.

Der Rechtsprechung des EuGH folgend können Einschränkungen, die nicht auf der Ebene der Einzelperson durch eine strenge Wechselbeziehung zwischen der Abzugsfähigkeit der Beiträge und der Rentenbezüge, sondern auf der Ebene von zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen Abkommen beruhen, nicht zur Verweigerung der Abzugsfähigkeit der Beiträge, die an die deutsche Sozialversicherung bezahlt worden sind, führen.

Der Berufung war daher stattzugeben.

Beilage: 2 Berechnungsblätter (in € und ATS)

Wien, am 30 Juni 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002

Schlagworte:

Nachkauf von Versicherungszeiten, Sonderausgaben, dt. gesetzliche Sozialversicherung, DBA Österreich /Deutschland, Rechtsgrundsatz der Kohärenz

Verweise:

EuGH 11.08.1995, C-80/94

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