Ergänzender Schriftsatz kein selbständiges, gesondert devolvierbares Anbringen
Entscheidungstext
Bescheid
Der unabhängige Finanzsenat hat über den Devolutionsantrag des Dw. vom 14. Jänner 2005 wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Wien 9/18/19 und Klosterneuburg zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Umsatzsteuer für das Jahr 1999 vom 12. Juli 2004 entschieden:
Der Devolutionsantrag wird zurückgewiesen.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Entscheidungsgründe
Der Devolutionswerber (Dw) bringt persönlich am 14. Jänner 2005 den im Spruch angeführten Devolutionsantrag beim unabhängigen Finanzsenat ein. Nach Ablauf der Nachhol- und Berichtsfrist des § 311 Abs. 3 BAO teilt das Finanzamt mit Schreiben vom 6. Mai 2005 mit, dass der Dw einen Antrag auf Wiederaufnahme vom 12.7.2004 bezüglich Umsatzsteuer für die Jahre 1999 und 2000 nicht habe vorlegen können. Stattdessen seien andere - ebenfalls devolvierte - Anbringen vorgelegt worden. Seinem Bericht legt das Finanzamt Ablichtungen folgender Wiederaufnahmsanträge bei:
1.) Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO vom 6.7.2004 zur Festsetzung der Umsatzsteuer für 1999 mit folgender Begründung: "Ich habe am 5.7.2004 von Frau EK den Brief vom 22.7.1999 an Dr. UK, den ich in Kopie meinem Antrag beilege, erhalten. Damit beweise ich schlüssig, daß Frau NJ gegen eine Monatsmiete von öS 2.000,- als Untermieterin in den Räumlichkeiten der Frau EK gewohnt hat. Damit ist auch bewiesen, daß nicht Frau NJ sondern Frau EK meine Mieterin war und ist. Die Umsatzsteuer für 1999 muß also diesbezüglich unter Bedachtnahme auf meine Unternehmereigenschaft festgesetzt werden." Als Beilage ist eine Kopie des Briefes vom 22.7.1999 erwähnt.
2.) Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO vom 12.7.2004 zur Festsetzung der Umsatzsteuer für 1999 mit folgender Begründung: "Ich habe am 5.7.2004 von Frau EK den Brief vom 22.7.1999 an Dr. UK, den ich in Kopie meinem Antrag beilege, erhalten. Damit beweise ich schlüssig, daß Frau NJ gegen eine Monatsmiete von öS 2.000,- als Untermieterin in den Räumlichkeiten der Frau EK gewohnt hat. Damit ist auch bewiesen, daß nicht Frau NJ sondern Frau EK meine Hauptmieterin war. Die Umsatzsteuer für 1999 muß also unter Bedachtnahme auf meine Unternehmereigenschaft und auf das Urteil des EuGH vom 8.5.2003 Rs C-269/00 "Seeling" festgesetzt werden, wonach ein voller Vorsteuerabzug für die ganze Liegenschaft geboten ist." Als Beilage ist eine Kopie des Briefes vom 22.7.1999 erwähnt.
Über den Devolutionsantrag wurde erwogen:
1. Rechtsgrundlagen: Gemäß § 311 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.
Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97), so kann gemäß § 311 Abs. 2 BAO jede Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat, den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen (Devolutionsantrag). Devolutionsanträge sind bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz einzubringen.
Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).
Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist gemäß § 303 Abs. 1 BAO stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
2. rechtliche Beurteilung: Der Dw stützt sowohl den Wiederaufnahmsantrag vom 6.7.2004 als auch jenen vom 12.7.2004 auf ein und dasselbe neue Beweismittel/dieselbe neue Tatsache iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO, nämlich ein aus dem Jahr 1999 stammendes, von EK an Dr. UK gerichtetes Schreiben. Dass im als Wiederaufnahmsantrag vom 12.7.2004 bezeichneten Schriftsatz über den wiederholten Wiederaufnahmsgrund hinausgehend das EuGH-Urteil "Seeling" ins Treffen geführt wird, macht diesen Schriftsatz nicht zu einem selbständigen Wiederaufnahmsantrag. Jener Schriftsatz, den der Dw als Wiederaufnahmsantrag vom 12.7.2004 bezeichnet, ist als ein den Wiederaufnahmsantrag vom 6.7.2004 ergänzender Schriftsatz anzusehen. Das Finanzamt kann daher auch nur einmal, nämlich zum ersten Wiederaufnahmsantrag vom 6.7.2004, seine Entscheidungspflicht verletzen. Ein ein Anbringen iSd § 85 BAO ergänzender Schriftsatz ist kein selbständiges Anbringen und damit nicht selbständig devolvierbar. Den Wiederaufnahmsantrag bezüglich Umsatzsteuer für das Jahr 1999 vom 6.7.2004 hat der Dw jedoch nicht im Devolutionsantrag angeführt.
Darüber hinaus wird bemerkt, dass die direkte Zurechnung der von EK erklärten Mieteinnahmen der NJ an den Dw nur in den Jahren 2000 und 2001 erfolgte (s. Berufungsentscheidung vom 23.3.2004, RV/4468-W/02, RV/4469-W/02). Auch übersieht der Dw, dass diese Zurechnung zweifach begründet ist, und zwar zusätzlich mit der fehlenden Fremdunüblichkeit. Für die Jahre 1995 bis 1999 hat die ehemalige Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (FLD) wegen Devolution in erster Instanz die Umsatzsteuerbescheide erlassen und den BP-Bericht unverändert als Bescheidbegründung herangezogen. Die Zurechnung der Mieteinnahmen hat weder der Betriebsprüfer noch die FLD nicht aufgegriffen. Die FLD hat vielmehr die vom Betriebsprüfer vertretene Rechtsansicht zur Liebhaberei uneingeschränkt geteilt.
Wien, 11. Mai 2005
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Verletzung der Entscheidungspflicht, Devolution, Säumigkeit, Anbringen |