UFS RV/1731-W/02

UFSRV/1731-W/0214.1.2005

Steuerliche Behandlung von veruntreuten Geldern

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Senat 9 am 13. Dezember 2004 über die Berufung des Bw., vertreten durch Grant Thornton Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH, gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1993 bis 1999 nach in Wien durchgeführter mündlicher Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide 1993, 1998 und 1999 und gegen die Einkommensteuerbescheide 1993 und 1999 wird als unbegründet abgewiesen. Die Umsatzsteuerbescheide 1993, 1998 und 1999 und die Einkommensteuerbescheide 1993 und 1999 werden abgeändert.

Der Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide 1994, 1996 und 1997 und gegen die Einkommensteuerbescheide 1994, 1996, 1997 und 1998 wird teilweise stattgegeben. Die Umsatzsteuerbescheide 1994, 1996 und 1997 und die Einkommensteuerbescheide 1994, 1996, 1997 und 1998 werden abgeändert.

Die Berufung gegen den Umsatz- und Einkommensteuerbescheid 1995 wird als unbegründet abgewiesen. Der Umsatz- und Einkommensteuerbescheid 1995 bleibt unverändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Die Fälligkeit des mit dieser Entscheidung festgesetzten Mehrbetrages der Abgaben ist aus der Buchungsmitteilung zu ersehen.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) war in den Streitjahren bei der Fa. XY als kaufmännischer Angestellter tätig. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte das Organisieren von Seminaren und die Konzeption von Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen im Personalsektor. Er hatte Vollmacht, Rechnungen zur Bezahlung freizugeben.

Um seinen aus verschiedenen Gründen erhöhten Finanzbedarf abzudecken und sich zusätzliche Mittel zu verschaffen, fingierte der Bw. Rechnungen dergestalt, dass die von seinem Freund W.T. geführte Firma AB Leistungen im Coachingbereich für die Fa. XY erbracht hätte. W.T. stimmte der Mitwirkung bei diesen Malversationen zu, da er hoffte, mit der Fa. XY eine Geschäftsverbindung aufbauen zu können. Beide täuschten vor, die Fa. AB hätte Coachingleistungen für die Fa. XY erbracht. Der Bw. erwirkte sodann, dass die Fa. XY vorerst die Geldbeträge für die angeblich erbrachten Leistungen auf das Konto der Fa. AB überwies. Anschließend legte er Rechnungen an die Fa. AB, sodass die Beträge größtenteils auf sein eigenes Konto überwiesen wurden. Den Rest behielt W. T. als Ersatz für Steuern und Spesen.

Der Bw. wurde auf Grund dieser Vorgangsweise mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15.2.2000 wegen des Verbrechens der Untreue zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Im Zuge einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung wurde dem Bw. gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 bzw UStG 1994 die in den Rechnungen an die Fa. AB und die in den Rechnungen der Fa. AB an die Fa. XY gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer vorgeschrieben. In den einzelnen Jahren wurde die gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 bzw UStG 1994 geschuldete Umsatzsteuer in folgender Höhe ermittelt (alle Beträge sind Bruttobeträge in ATS):

 

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

Rechnungen an die Fa. XY

432.900,-

713.700,-

1,305.300,-

1,684.800,-

1,881.900,-

3,053.700,-

1,674.600,-

geschuldete USt gem. § 11 Abs. 14

72.150,-

118.950,-

217.550,-

280.800,-

313.650,-

508.950,-

279.100,-

Rechnungen an die Fa. AB

225.991,08

504.232,80

1,038.600,-

1,283.760,-

1,731.600,-

2,438.000,-

969.000,-

geschuldete USt

37.665,18

84.038,80

173.100,-

213.960,-

288.600,-

406.333,33

161.500,-

In ertragsteuerlicher Hinsicht vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass die Geldmittel, die der Bw. mit Hilfe der fingierten Rechnungen von seinem Dienstgeber lukrierte, den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen und im Wege der Veranlagung zu versteuern seien. Für Papier und anteilige Computerkosten wurden Werbungskosten in Höhe von ATS 5000,- pro Jahr anerkannt.

 

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

Einnahmen

225.991,08

504.232,80

1,038.600,-

1,283.760,-

1,731.600,-

2,438.000,-

969.000,-

Werbungskosten

-5.000,-

-5.000,-

-5.000,-

-5.000,-

-5.000,-

-5.000,-

-5.000,-

veranlagungs- pflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

220.991,08

499.232,80

1,033.600,-

1,278.760,-

1,726.600,-

2,433.000,-

964.000,-

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ zum Teil im wiederaufgenommenen Verfahren den Feststellungen Rechnung tragende Umsatz- und Einkommensteuerbescheide.

In der dagegen eingebrachten Berufung führte der steuerliche Vertreter des Bw. hinsichtlich Umsatzsteuer zusammengefasst aus, die Rechtsanwendung durch den Betriebsprüfer und die belangte Behörde (Versagung der Möglichkeit der Rechnungsberichtigung) widerspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Da keine Absicht bestanden habe, den Abgabengläubiger zu schädigen (der Bw. habe seine "Umsätze" gegenüber dem Finanzamt erklärt und die darauf entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt), müsse ein Recht auf Rechnungsberichtigung bestehen und sei die Verweigerung rechtswidrig. Darüberhinaus sei sie verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich nicht gedeckt.

1. Umsatzsteuer:

Dass der Bw. nicht Unternehmer im Sinne des UStG sei, werde nicht bestritten. Die Berufung richte sich gegen die undifferenzierte Anwendung des § 11 Abs. 14 UStG. Denn die Ausführungen des Bescheides gingen nicht auf den von Lehre und Rechtsprechung abgegrenzten Anwendungsbereich von § 11 Abs. 12 und 14 UStG ein. Ruppe führe im Rahmen der Beurteilung des § 11 Abs. 14 UStG aus:

"Abs. 14 wäre unbedenklich, wollte er nur Fälle einer missbräuchlichen Rechnungslegung bekämpfen bzw. eine angemessene Risikoverteilung zwischen Fiskus und Steuerpflichtigen herstellen. Einschränkungen dieser Art sind dem Wortlaut jedoch nicht zu entnehmen. Abs. 14 setzt keine Kollusion zwischen dem Aussteller und dem Rechnungsadressaten zum Zweck der Erlangung nicht zustehender Vorsteuerbeträge voraus, sondern erfasst dem Wortlaut nach auch Fälle irrtümlicher Rechnungslegung (zB der Rechnungsausstelller geht von seiner Unternehmereigenschaft aus, die FinVerw von Liebhaberei), Vorausrechnungen über in Aussicht genommene Leistungen, die aus nicht vorhergesehenen Umständen unterbleiben, und Fälle, in denen der Vorsteuerabzug gar nicht zur Diskussion steht (der Nichtunternehmer verkauft Gegenstände an einen anderen Nichtunternehmer und weist Mehrwertsteuer aus). Die undifferenzierte Verhängung derselben Sanktion für Tatbestände mit ganz verschiedenem "Unwert" ist unsachlich, weil unverhältnismäßig, und daher verfassungsrechtlich bedenklich (zum Problem der undifferenzierten Sanktionen allgemein zB VfGH 29.6.1985, G 42/85 ÖStZB 1986,84 = Slg 10.517; 9.10.1985, G 146/85 ÖStZB 1986,83 = Slg 10.617 ua)."

Der VwGH habe diesen Überlegungen in seiner Judikatur Rechnung getragen, als er zwar § 11 Abs. 14 UStG bei Verwirklichung des objektiven Tatbestandes jedenfalls anwende, zur Vermeidung von Härten in besonderen Fällen eine Rechnungsberichtigung aber zulasse. Der Betriebsprüfer und die belangte Behörde gingen hingegen in undifferenzierender Weise von einer missbräuchlichen Rechnungslegung durch den Bw. aus, sie befassten sich aber nicht damit, was Lehre und Rechtsprechung unter missbräuchlicher Rechnungslegung verstünden. Unter Hinweis auf den von ihnen angenommenen Missbrauch verweigerten sie die Möglichkeit einer Rechnungsberichtigung. Der VwGH habe freilich schon klar ausgesprochen, was im vorliegenden Zusammenhang unter Missbrauch gemeint sei. Im Erkenntnis vom 16.12.1980, 1805/79 führe der Gerichtshof aus, dass die Bestimmung des § 11 Abs. 14 UStG lediglich die Fälle missbräuchlicher Rechnungslegung erfasse, und zwar insbesondere zu dem Zweck, dem Rechnungsempfänger unter Täuschung der Abgabenbehörde einen unberechtigten Vorsteuerabzug zu verschaffen. Noch klarer sei die Aussage im Erkenntnis vom 19.1.1984, 83/15/10: "Bemerkt sei hiezu, dass der Missbrauch gegen den Abgabengläubiger gerichtet sein muss.... Die Absicht allein, eine Dritten (Kreditgeber) zu schädigen, könnte noch keinen iSd § 11 Abs. 14 UStG 1972 relevanten Missbrauch begründen." Diese klaren Worte zeigten schon, dass die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit belastet seien. Der Betriebsprüfer und die belangte Behörde hätten die Rechnungsberichtigung mit Hinweis auf einen Missbrauch verweigert. Nun sei es aber offensichtlich, dass es im vorliegenden Fall keine Missbrauchsabsicht gegen den Abgabengläubiger gegeben habe. Die Ausstellung der fingierten Rechnungen sei allein aus dem Grund erfolgt, von der Fa. XY widerrechtlich Vorteile zu erlangen. Es habe, wie die Aktenlage zeige, niemals die Absicht bestanden, den Abgabengläubiger zu schädigen. Denn der Bw. habe ja die "Umsätze" gegenüber dem Finanzamt erklärt und die darauf entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt. Damit sei aber erwiesen, dass keine Absicht bestanden haben könne, den Abgabengläubiger durch missbräuchliche Rechnungslegung zu schädigen.

Hinsichtlich Einkommensteuer brachte der steuerliche Vertreter des Bw. vor:

1. Als Einnahmen seien die Bruttobeträge inklusive Umsatzsteuer erfasst worden. Dem Gesetz sei aber nichts zu entnehmen, was der Nettoverrechnung im vorliegenden Fall entgegenstehe. Die Nettoverrechnung gelte auch für Umsatzsteuer, die kraft Rechnungslegung geschuldet werde. Die Umsatzsteuer sei daher nicht als Einnahme anzusehen, da sie als nicht steuerpflichtiger durchlaufender Posten zu behandeln sei.

2. Dem Einkünftebegriff des Einkommensteuergesetzes sei die Erbringung von Leistungen immanent. Ohne die Erbringung einer Leistung könne es keine Einkünfte geben. Vermögensvermehrungen, denen keine Leistungen zu Grunde lägen, fielen daher nicht unter den Einkünftebegriff des Einkommensteuergesetzes.

Im vorliegenden Fall habe der Bw. durch fingierte Rechnungen, denen keinerlei Leistungen zugrundegelegen seien, Vermögensvorteile erlangt. Da er keine Leistungen erbracht habe, fielen diese Vermögensvermehrungen nicht unter eine der Einkunftsarten des EStG.

Aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang der §§ 25 Abs. 1 lit a und 47 Abs. 2 EStG sei zu schließen, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dann vorlägen, wenn der Arbeitnehmer Bezüge und Vorteile für die von ihm gegenüber dem Arbeitgeber erbrachten Arbeitsleistungen erhalte. Ein Wesensmerkmal der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sei somit die Erbringung von Leistungen. Schon vom Wortlaut her erscheine es nicht verständlich, die beim Bw. eingetretene Vermögensvermehrung als Arbeitslohn iSd § 25 Abs. 1 lit a EStG einzustufen. Auch das BMF dürfte von dieser Rechtsauffassung ausgehen. Danach gehöre eine widerrechtliche Bereicherung des Arbeitnehmers auf Kosten des Arbeitgebers nicht zum Inhalt des Arbeitsvertrages. Eine Veruntreuung von Geldbeträgen durch einen Dienstnehmer sei daher kein Vorteil aus dem Dienstverhältnis, außer der Dienstgeber verzichte auf seinen Rückforderungsanspruch. Der ehemalige Dienstgeber des Bw. habe nicht auf seinen Rückforderungsanspruch verzichtet. Widerrechtliche Bereicherungen eines Dienstnehmers zu Lasten des Arbeitgebers würden sich nicht von Bereicherungen außerhalb eines Dienstverhältnisses unterscheiden. Es sei wohl unbestritten, dass die durch einen Diebstahl eingetretene Vermögensvermehrung nicht der Einkommensteuer unterliege. Eine Besteuerung von Diebstählen und Unterschlagungen eines Arbeitnehmers würde eine zusätzliche Pönalisierung außerhalb der dafür vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen bedeuten.

Die hier vertretene Auffassung werde auch durch das deutsche Schrifttum gestützt. Nach Hermann/Heuer/Raupach führten Diebstähle oder Unterschlagungen eines Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgebers nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Solche widerrechtlichen Handlungen begründeten vielmehr eine Forderung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, die nur im Falle des Erlasses Arbeitslohn iSd § 25 Abs. 1 EStG bilden könne.

Nach Quantschnigg/Schuch könnten nur im Rahmen eines Dienstverhältnisses denkbare Vorteile Arbeitslohn sein. Als Beispiel für das Nichtvorliegen von Arbeitslohn würden Unterschlagungen in Höhe mehrerer Millionen Schilling angeführt.

Diese Auffassung sei auch durch die Judikatur des Bundesfinanzhofes gedeckt, wonach Vermögensvermehrungen , die sich dadurch ergäben, dass der Täter unmittelbar auf ihm anvertrautes Vermögen zugreife, nicht unter die Einkunftsarten des EStG fielen.

3. Die betrieblich veranlasste irrtümliche Leistung einer Nichtschuld ziehe das gleichzeitige Entstehen eines Kondiktionsanspruches nach sich, der es verbiete, in der irrtümlich erbrachten Leistung eine Betriebsausgabe zu sehen. Überweisung und Rücküberweisung des irrtümlich bezahlten Betrages könnten nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 1.7.1992, 91/13/0084) außer Ansatz bleiben.

Im gegenständlichen Fall könne der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch auf § 1041 ABGB gestützt werden. Gleichzeitig mit der Vermögensvermehrung sei eine Rückzahlungsverpflichtung an den Arbeitgeber entstanden, weshalb der Zufluss an den Arbeitnehmer zu verneinen sei.

Abschließend wies der steuerliche Vertreter des Bw. darauf hin, der Bw. hätte eine mehrfache Abgabenbelastung zu tragen, ohne diesbezüglich letztlich Einnahmen erzielt zu haben. Der Bw. müsse die auf Grund der Rechnung geschuldete Umsatzsteuer praktisch in doppelter Höhe an den Abgabengläubiger bezahlen und schließlich schreibe die Abgabenbehörde auch noch Einkommensteuer auf die erhaltenen Zahlungen vor, wobei sogar die Umsatzsteuer der Einkommensteuer unterworfen werde.

Im Verfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde der Bw. ersucht bekanntzugeben, ob die Rechnungen, auf Grund derer die Umsatzsteuer für die Jahre 1993 bis 1999 gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 bzw 1994 vorgeschrieben wurde, berichtigt wurden und wenn ja, wann. Nach mehrmaligen telefonischen Fristverlängerungen erklärte der steuerliche Vertreter des Bw. im Zuge eines Telefongespräches am 16. Juni 2004, dass nunmehr berichtigte Rechnungen vorlägen und eine Umsatzsteuervoranmeldung für Mai 2004 eingereicht worden sei.

Mit Schreiben vom 5. November 2004 wurde den Parteien in Wahrung des Parteiengehörs die sich durch Einsichtnahme in die der Behörde vorliegenden Rechnungskopien ergebenden Änderungen mit der Möglichkeit der Stellungnahme vorgehalten und darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die vom Bw. in den Streitjahren entrichtete Umsatzsteuer als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat stellte der steuerliche Vertreter des Bw. fest, dass daran festgehalten werde, dass es ein Recht auf Rechnungsberichtigung geben müsse, er räumte aber ein, dass dies für das gegenständliche Verfahren nicht von Bedeutung sei, da die Rechnungsberichtigung erst 2004 erfolgt sei.

Zum Berufungsverfahren betreffend Einkommensteuer wies der steuerliche Vertreter auf die deutsche Literatur hin, wonach veruntreute Gelder nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteuert werden könnten. Es liege diesfalls keine steuerlich relevante Leistung vor. Außerdem wurde auf § 15 EStG verwiesen, in dem die Umsatzsteuer als durchlaufender Posten qualifiziert werde. Wenn bei der Einkommensbesteuerung die Umsatzsteuer einbezogen werde, komme es zu einer kumulativen Steuerbelastung.

Die Amtspartei verwies auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und erklärte, die Überlegungen des steuerlichen Vertreters seien zwar für betriebliche Einkünfte zutreffend, nicht jedoch für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Berücksichtigung der bisher vom Bw. entrichteten Umsatzsteuer als Werbungskosten werde jedoch zugestimmt.

Der Senat hat erwogen:

Der Senat hat folgenden Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Der Bw. war bei der Fa. XY als Leiter der Personalentwicklung angestellt. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte das Organisieren von Seminaren, die Gestaltung und Konzeption von Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen im Personalsektor. Er hatte auch die Vollmacht, Rechnungen zur Bezahlung freizugeben.

Um sich zusätzliche finanzielle Mittel zu verschaffen, fingierte er Rechnungen, wonach die von seinem Freund W.T. geführte Firma AB Leistungen im Coachingbereich für die Fa. XY erbracht hätte. Der Bw. erwirkte sodann, dass die Fa. XY vorerst Geldbeträge für die angeblich erbrachten Leistungen auf das Konto der Fa. AB überwies. Anschließend bewirkte er, dass die Beträge größtenteils auf sein eigenes Konto überwiesen wurden, indem er Rechnungen an die Fa. AB über ebenfalls fingierte Leistungen legte.

Insgesamt wurden in den vom Bw. erstellten Rechnungen folgende Umsatzsteuerbeträge (alle in ATS) ausgewiesen:

 

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

USt lt. Rechnungen

113.544,18

202.188,98

390.650,-

478.800,-

598.250,-

916.950,-

521.000,-

Der Bw. erzielte laut den der Behörde vorliegenden Rechnungen die im Folgenden dargestellten Einnahmen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ihm bei seinen Malversationen rund ATS 5.000,- jährlich an Werbungskosten entstanden sind. Vom Bw. wurden in den Streitjahren die in folgender Tabelle angeführten Umsatzsteuerbeträge tatsächlich entrichtet. Die Ermittlung der vom Bw. im Rahmen seiner Malversationen zusätzlich - neben seinem offiziellen Gehalt - erwirtschafteten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ist daher entsprechend nachstehender Tabelle vorzunehmen:

 

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

Einnahmen laut Rechnungen

239.455,08

499.433,88

1,038.600,-

1,284.000,-

1,727.600,-

2,438.000,-

1,499.400,-

entrichtete USt

0,-

0,-

0,-

399.941,-

273.135,-

182.627,-

26.946,-

Werbungskosten

5.000,-

5.000,-

5.000,-

5.000,-

5.000,-

5.000,-

5.000,-

E aus nsA

234.455,08

494.433,88

1,033.600,-

879.059,-

1,449.465,-

2,250.373,-

1,467.454,-

Dieser Sachverhalt gründet sich auf die Verantwortung des Bw. und des W.T. vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien, auf das Urteil vom 15.2.2000, auf die unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der Betriebsprüfung und die den Parteien vorgehaltenen Ermittlungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz, die ebenfalls unwidersprochen blieben.

Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:

1. Umsatzsteuer:

Gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 bzw 1994 schuldet, wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, diesen Betrag.

Die Frage, wem die Rechnungsausstellung zuzurechnen ist, ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Ist die Rechnungsausstellung nicht der als leistender Unternehmer genannten Person zuzurechnen, entsteht für den Aussteller eine Steuerschuld nach § 11 Abs. 14 UStG (vgl. Ruppe, UStG 19942, § 11 Tz 62 und Tz 141). Dem Bw. ist daher auch die Rechnungsausstellung jener Rechnungen zuzurechnen, in denen als leistender Unternehmer die Fa. AB ausgewiesen ist (vgl. Ruppe, UStG 19942, § 11 Tz 143).

Unbestrittenermaßen war der Bw. kein Unternehmer, legte aber Rechnungen, denen keine Lieferung oder sonstige Leistung zugrundelag und berichtigte diese erst im Jahr 2004. Damit ist der Tatbestand der oben zitierten Norm erfüllt, weshalb die Umsatzsteuer auf Grund der Rechnung zu Recht vorgeschrieben wurde.

Die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 16 UStG 1972 bzw 1994 im vorliegenden Fall kann daher für die streitgegenständlichen Jahre dahin gestellt bleiben, da die Berichtigung bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Voranmeldungszeitraum vorzunehmen ist, in dem die "Änderung" eingetreten ist. Die Ausführungen in der Berufung zur Möglichkeit der Rechnungsberichtigung können dem Berufungsbegehren nicht zum Erfolg verhelfen, da eine Rechnungsberichtigung unbestrittenermaßen nicht in den Streitjahren durchgeführt worden ist.

ad 2 Einkommensteuer:

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit alle Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

Entsprechend der Bestimmung des § 25 Abs. 2 EStG 1988 ist es bei den Einkünften im Sinne des Abs. 1 unmaßgeblich, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob sie dem zunächst Bezugsberechtigten oder seinem Rechtsnachfolger zufließen.

Zu den Vorteilen aus einem Dienstverhältnis im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 gehören nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch solche, die sich ein Arbeitnehmer ohne Willensübereinstimmung mit dem Arbeitgeber aneignet, etwa Bestechungsgelder, Warendiebstähle oder durch Veruntreuung oder Untreue (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 25 Tz 2 und die dort zitierte Judikatur). Vorteile, die sich ein Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers verschafft, unterliegen nicht dem Steuerabzug, sondern sind im Veranlagungswege zu erfassen (VwGH. v. 25.2.1997, 95/14/0112).

Wenn der Dienstnehmer eine ihm durch das Dienstverhältnis gebotene Gelegenheit nutzt, um sich zu bereichern, und solcherart Vorteile erzielt, liegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor. Im vorliegenden Fall nützte der Bw. seine Stellung im Unternehmen seines Arbeitgebers dergestalt aus, als er Rechnungen, denen keine Leistung zugrundelag, zur Bezahlung freigab und in weiterer Folge die Rechnungsbeträge im überwiegenden Ausmaß ihm zuflossen. Nach Ansicht der Behörde sind darin steuerpflichtige Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erblicken, die im Wege der Veranlagung zu erfassen sind.

Die Höhe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ergibt sich aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Die zeitliche Zuordnung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfolgt nach § 19 EStG 1988. Dies gilt sowohl für den Lohnsteuerabzug als auch für die Erfassung der Einkünfte im Wege der Veranlagung (vgl. Doralt, EStG7, § 25 Tz 4; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 25 Tz 4).

Das bedeutet, dass die in Rechnung gestellten Beträge beim Bw. zunächst brutto anzusetzen sind und die von ihm bezahlte Umsatzsteuer im Jahr der Entrichtung einkünftemindernd zu berücksichtigen ist.

Zum Vorbringen in der Berufung und in der mündlichen Berufungsverhandlung, dass in § 15 Abs. 1 EStG 1988 ausgesprochen werden, hinsichtlich durchlaufender Posten sei § 4 Abs. 3 EStG 1988 anzuwenden, ist anzumerken, dass die Umsatzsteuer im vorliegenden Fall keinen Durchlaufcharakter hatte, da in den Jahren 1993, 1994 und 1995 überhaupt keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt wurde. Hat die Umsatzsteuer aber keinen Durchlaufcharakter, kommt die Behandlung der Umsatzsteuer nur nach dem Bruttosystem in Betracht, d. h. die Umsatzsteuer ist als Einnahme bzw. als Ausgabe zu behandeln (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 15 Anm 23).

Auch der Einwand, der Bw. hätte keine Leistungen erbracht, weshalb die bei ihm eingetretenen Vermögensvermehrungen nicht unter eine der Einkunftsarten des EStG subsumiert werden könnten, ist nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Unter Hinweis auf die zur Subsumtion veruntreuter Gelder ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Vorteile, die sich ein Arbeitnehmer unter Ausnützung seiner Stellung gegen den Willen des Arbeitgebers aneignet, als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und im Veranlagungswege zu erfassen.

Der vom BMF in einem Erlass vertretenen Ansicht (siehe RdW 1987, 346), wonach der Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis nicht in jedem Fall ausreichend erscheint, einen Vorteil aus dem Dienstverhältnis anzunehmen, da eine widerrechtliche Bereicherung des Arbeitnehmers auf Kosten des Arbeitgebers nicht zum Inhalt des Dienstvertrages gehöre, konnte sich der Senat vor allem im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.2.1997, 95/14/0112, nicht anschließen. Darin wurde vom Höchstgericht dezidiert ausgesprochen, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht nur die im Dienstvertrag vereinbarten Entgelte, sondern auch alle anderen Vorteile zählen, zu denen auch solche gehören, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers verschafft.

Mit diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes geht aber auch der Hinweis auf die deutsche Lehre und Judikatur ins Leere.

Das Vorbringen, im vorliegenden Fall sei der Zufluss der Vermögensvermehrung zu verneinen, da gleichzeitig mit der Vermögensvermehrung eine Rückzahlungsverpflichtung an den Arbeitgeber entstanden sei, ist aus den im Folgenden dargestellten Überlegungen nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen:

Im Erkenntnis vom 16.1.1991, 90/13/0285, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass eine Rückzahlungsverpflichtung irrelevant dafür sei, ob der Veranlagung zu unterwerfende Einkünfe aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen. Im Fall der Rückzahlung der ungerechtfertigt erlangten Beträge stellt sich für den Gerichtshof vielmehr die Frage nach der Geltendmachung von Werbungskosten.

§ 19 EStG 1988 wird von der herrschenden Lehre und Judikatur dahingehend interpretiert, dass von einem steuerlich beachtlichen Zufluss erst dann gesprochen werden kann, wenn der Steuerpflichtige rechtlich und wirtschaftlich über Geld oder geldwerte Vorteile verfügen kann. Der Vermögenszuwachs muss im Zeitpunkt des Zugangs ein endgültiger sein. Bedeutungslos ist aber, ob ein endgültiger Vermögenszuwachs eine bleibende materielle Vermögensvermehrung nach sich zieht oder nicht.

Der auf § 1041 ABGB gestützte bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch des Geschädigten kann nicht hindern, den aus der Sicht des Empfängers vorsätzlich herbeigeführten Vermögenszugang als endgültig anzusehen (im Gegensatz zu dem, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1.7.1992, 91/13/0084, zugrundeliegenden Sachverhalt, bei dem der Vermögenszugang aus der Sicht des Empfängers ungewollt und ungeplant war) und daher vom Zufluss von Vorteilen aus dem Dienstverhältnis auszugehen (vgl. Eleonore Maier-Dietrich, RdW 1995, 113).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilagen: 24 Berechnungsblätter

Wien, 14. Jänner 2005

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 11 Abs. 14 UStG 1972, Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 223/1972
§ 11 Abs. 14 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 15 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 19 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1041 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811

Schlagworte:

Rechnungsausstellung, Steuerschuld, Berichtigung, ohne Willensübereinstimmung, Veruntreuung, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch, Vorteil aus dem Dienstverhältnis

Verweise:

VwGH 25.02.1997, 95/14/0112
VwGH 16.01.1991, 90/13/0285
VwGH 01.07.1992, 91/13/0084

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