Keine Teilpauschalierung bei einem Einheitswert unter 65.500 €
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/15/0019 eingebracht. Mit Erk. v. 28.10.2009 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch F. Hansi Stb. GmbH, Steuerberater, 1210 Wien, Donaufelderstraße 2/1/38, vom 22. Oktober 2003 gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf vom 1. Oktober 2003 betreffend Einkommensteuer 2002 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) ist Landwirt und bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einer Fläche von ca. 42 ha und einem Einheitswert von € 59.484,24 (eigene Flächen € 41.446,10, zugepachtete Flächen € 26.881,03, verpachtete Flächen € 8.892,89).
In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 erklärte der Bw. Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft in Höhe von € 11.169,37 in der Weise, dass 30 % der erzielten Einnahmen von € 55.310,35, somit € 16.593,11, zuzüglich der vereinnahmten Pachtzinse, abzüglich der bezahlten Pachtzinse sowie Sozialversicherungsbeiträgen an die Sozialversicherungsanstalt der Bauern angesetzt wurden, was einem Gesamtbetrag von € 11.169,37 entspricht.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 veranlagte das Finanzamt Gänserndorf den Bw. zur Einkommensteuer für das Jahr 2002, wobei der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft gemäß Abschnitt II der LuF PauschVO 2001 (Gewinnermittlung bis zu einem Einheitswert von € 65.500,00) mit € 21.344,17 ermittelt wurde. Gemeinsam mit nichtselbständigen Einkünften ermittelte das Finanzamt einen Gesamtbetrag der Einkünfte von € 47.191,23 und schrieb Einkommensteuer in Höhe von € 15.213,71 vor, was zu einer Nachforderung von € 8.827,43 führte.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2003, vom Finanzamt Gänserndorf als Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 gewertet, teilte die steuerliche Vertretung des Bw. unter anderem mit:
"Da die Steuerbescheide vom 1.10.2003 unserem Konzept der Steuererklärungen auf Basis der Vollpauschalierung entsprechen, gehen wir davon aus, dass irrtümlich falsche Steuererklärungen eingereicht wurden. Der Abgabepflichtige beantragt die Besteuerung auf Basis der Teilpauschalierung ...".
Beigeschlossen waren wiederum die Steuererklärungen, die den Gewinn gemäß der Teilpauschalierung ermitteln.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2003 wies das Finanzamt Gänserndorf "das Ansuchen betreffend Berichtigung der Einkommensteuererklärung 2002 ..." ab und führte begründend aus, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach den Bestimmungen der Vollpauschalierung ermittelt worden seien. "Wollen Sie die Teilpauschalierung beanspruchen, so ist dies nur im Zusammenhang mit einer sozialversicherungsrechtlichen Optionserklärung möglich. Da die Beitragsgrundlagenoption bei der SVA der Bauern nicht ausgeübt wurde, war der Antrag abzuweisen."
Mit Schreiben vom 11. November 2003 beantragte der steuerliche Vertreter des Bw., "unsere Berufung vom 17. Oktober 2003 der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen."
Gemäß § 4 Abs. 3 EStG sei die für die Gewinnermittlung maßgebliche Vorschrift der "Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung), da keine Verpflichtung zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich bestehe.
In § 2 Abs. 1 der maßgeblichen Verordnung für die pauschalierte Aufstellung von Durchschnittssätzen zur Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft heiße es nun "bei dem Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bis € 65.000,00 kann der Gewinn mittels eines Durchschnittssatzes vom maßgeblichen Einheitswert ... ermittelt werden."
In § 8 Abs. 1 der Verordnung heiße es wiederum, dass über einen Einheitswert von € 65.500,00 die Gewinnermittlung stets durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu erfolgen habe, was wiederum vollinhaltlich dem § 4 Abs. 3 EStG entspreche. Diese Formulierung schließe somit nicht aus, dass auch in anderen Fällen eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erfolgen könne. In § 8 Abs. 2 der Verordnung werde nun die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für landwirtschaftliche Betriebe im Zug einer weiteren (Teil-)Pauschalierung dergestalt vereinfacht, dass es reiche, lediglich die Betriebseinnahmen aufzuzeichnen (einschließlich Umsatzsteuer). Die Betriebsausgaben könnten dann mit einem Pauschbetrag von 70 % der Betriebseinnahmen angesetzt werden.
"Aus der Kannbestimmung des zitierten § 2 Abs. 1 der Verordnung ergibt sich, dass der Steuerpflichtige auch bei einem Einheitswert von unter € 65.000,00 das Wahlrecht hat, die Vollpauschalierung in Anspruch zu nehmen oder gesetzeskonform die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu wählen und dann die Ausgabenpauschalierung im Sinne des § 8 Abs. 2 des Verordnung in Anspruch zu nehmen. ..."
Da aus der im Einkommensteuerbescheid vom 1. Oktober 2003 enthaltenen Bescheidbegründung nicht erkennbar war, aus welchen Gründen der Bescheid von der eingereichten Steuererklärung abgewichen ist, sei zunächst mit Berufung vom 17. Oktober 2003 die Abgabenerklärung 2002 nochmals eingereicht worden, da vermutet worden sei, dass bei der Fertigstellung der Abgabenerklärung ein Fehler passiert sei. "Wie sich nun aus dem Bescheid vom 24. Oktober 2003 (Berufungsvorentscheidung?) ergibt, wird die Abweichung der Veranlagung mit einer unterschiedlichen Rechtsauffassung hinsichtlich der anzuwendenden Gewinnermittlungsvorschrift (Pauschalierung) begründet.
In diesem Sinne halten wir nochmals fest, dass der Abgabepflichtige auf die Gewinnermittlung durch Vollpauschalierung (Kannbestimmung) verzichtet hat den Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermitteln möchte.
Die Inanspruchnahme der Teilpauschalierung ist unabhängig davon, ob der Einheitswert € 65.500,00 überschreitet oder eine Optionserklärung bei der SVA der Bauern eingebracht wurde. Die Formulierung der Verordnung, dass in diesem Falle stets die Teilpauschalierung anzuwenden wäre schließt nicht aus, dass diese auch in anderen Fällen angewendet werden kann. Dies ist die klare Bedeutung dieser Formulierung im Sinne des allgemein üblichen Verständnisses der deutschen Sprache."
Mit Bericht vom 11. Dezember 2003 legte das Finanzamt Gänserndorf die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor und führte als Streitpunkt aus, dass ein pauschalierter Landwirt mit einem Einheitswert von unter € 65.500,00 (im gegenständlichen Fall € 59.484,24) eine Teilpauschalierung beantrage, obwohl keine sozialversicherungsrechtliche Option gemäß § 23 Abs. 1 a BSVG erfolgt sei.
Über die Berufung wurde erwogen:
Unstrittig ist, dass der Bw. einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem maßgebenden Einheitswert im Sinne des § 1 Abs. 2 der LuF PauschVO 2001 in Höhe von € 59.484,24 bewirtschaftet und keine sozialversicherungsrechtliche Betragsgrundlagenoption gemäß § 23 Abs. 1 a Bauernsozialversicherungsgesetz ausgeübt hat.
Unstrittig ist ferner, dass der Bw. nicht seinen Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Form, nämlich durch Gegenüberstellung der (gesamten) Einnahmen mit den (gesamten) tatsächlichen Ausgaben ermitteln möchte, sondern unter Inanspruchnahme des § 8 Abs. 2 der LuF PauschVO 2001.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 der LuF PauschVO 2001 lautet:
"Bei einem Einheitswert des land- und fortwirtschaftlichen Betriebes bis 65.500 Euro kann der Gewinn mittels eines Durchschnittssatzes vom maßgebenden Einheitswert (§ 1 Abs. 2) ermittelt werden (Grundbetrag), soweit die §§ 3 bis 6 nichts Gegenteiliges bestimmen oder die sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlage nicht gemäß § 23 Abs. 1 a Bauernsozialversicherungsgesetz ermittelt wird."
Die Überschrift zu Abschnitt III der LuF PauschVO 2001 lautet "Gewinnermittlung bei Ermittlung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1 a Bauernsozialversicherungsgesetz oder einem Einheitswert von mehr als 65.500 Euro".
§ 8 der Verordnung lautet:
"§ 8 (1) Bei einem Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes von mehr als 65.500 Euro oder bei Ermittlung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1 a Bauernsozialversicherungsgesetz (Beitragsgrundlagenoption) ist der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft stets durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln.
(2) Die Betriebsausgaben sind, soweit sie nicht in den §§ 9 bis 12 abweichend geregelt sind, mit einem Durchschnittssatz von 70 % der diesen Betriebsausgaben gegenüberstehenden Betriebseinnahmen (einschließlich Umsatzsteuer) anzusetzen."
Nach einheitlicher Lehre ist der LuF PauschVO 2001 das Verständnis beizulegen, dass bei einem maßgebenden Einheitswert bis einschließlich € 65.500,00 nur die Vollpauschalierung nach Abschnitt II der Verordnung in Betracht kommt, bei einem Einheitswert von mehr als € 65.500,00 nur die Teilpauschalierung nach Abschnitt III der Verordnung. Eine Teilpauschalierung bei einem Einheitswert unter € 65.500,00 kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen die BSV-Option ausgeübt wurde (vgl. Jilch, Die Besteuerung pauschalierter Land- und Forstwirte, 2. Auflage, Wien-Graz 2002, 241; Gaedke/Jilch/Leitinger, Die Pauschalierung im Einkommen- und Umsatzsteuerrecht, Wien-Graz 2002, 290; Doralt, EStG, 4. Auflage, § 21 Rz 132, 191; Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 17 Anm. 59, 65, 92).
Auch nach der Verwaltungspraxis (Rz 4140 EStR 2000) kommt die Teilpauschalierung nur bei Ermittlung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1 a Bauernsozialversicherungsgesetz oder einem land- und forstwirtschaftlichen Einheitswert zwischen mehr als € 65.500,00 und € 150.000,00 oder einem fortwirtschaftlichen Einheitswert von mehr als € 11.000,00 (nur hinsichtlich der Einkünfte aus Forstwirtschaft) in Betracht.
Dem steuerlichen Vertreter des Bw. ist beizupflichten, dass § 8 LuF PauschVO 2001 nur aussagt, wie vorzugehen ist, wenn der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes € 65.500,00 übersteigt bzw. die Ermittlung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1 a BSVG erfolgt. Daraus allein ist für den Bw. aber nichts gewonnen.
Die LuF PauschVO 2001 kennt keine Bestimmung, die es ermöglichen würden, bei einem Einheitswert unter € 65.500,00 ohne sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlagenoption die Betriebsausgaben mit einem Pauschalsatz in Höhe von 70 % der Betriebseinnahmen (§ 8 Abs. 2 der Verordnung) anzusetzen. Sind die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 der Verordnung nicht gegeben, hat der Land- und Forstwirt nur die Möglichkeit, die Vollpauschalierung nach § 2 Abs. 1 der Verordnung in Anspruch zu nehmen, seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 durch vollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln (wobei sämtliche Betriebsausgaben nachzuweisen oder gegebenenfalls glaubhaft zu machen sind) oder schließlich seinen Gewinn durch freiwillige Buchführung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 zu ermitteln.
Will der Bw. die land- und forstwirtschaftliche Pauschalierung anwenden, so hat er im gegenständlichen Fall seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft durch Vollpauschalierung zu ermitteln.
Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 4. Jänner 2005
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 17 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Pauschalierung, Land- und Forstwirtschaft, Einheitswert, Teilpauschalierung, Vollpauschalierung |
Verweise: | Jilch, Die Besteuerung pauschalierter Land- und Forstwirte, 2. Auflage, 241 |