UFS RV/2776-W/02

UFSRV/2776-W/0212.5.2004

1) Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens2) Fiktive Anschaffungskosten einer Liegenschaft3) Anteil Grund und Boden4) Restnutzungsdauer

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/13/0091 eingebracht. Mit Erk. v. 23.5.2007 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Mag. Meinhard Gamsjäger, gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk und Klosterneuburg betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1999 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) hat per 1. Mai 1999 eine vermietete Liegenschaft von seiner Mutter im Schenkungsweg erworben. Als AfA-Bemessungsgrundlage machte er - basierend auf einem Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen - die fiktiven Anschaffungskosten nach § 16 Abs. 1 Z 8 lit. b EStG geltend.

Das am 25. August 2000 zum Stichtag 1. Mai 1999 erstellte Gutachten geht erkennbar von den Wertermittlungsmaßstäben des Liegenschaftsbewertungsgesetzes (LBG) aus. Die einzelnen relevanten Feststellungen sind:

Eine baubehördliche Bewilligung für den Umbau des bestehenden Bauwerkes wurde 1883 erteilt. 1971 erfolgte eine neuerliche baubehördliche Bewilligung für den Umbau des Wohnhauses, 1972 die Benützungsbewilligung.

Der Bau- und Erhaltungszustand wird als "im wesentlichen gut", der Wohnwert als "zeitgemäß" bezeichnet. Bemängelt wird allerdings, dass die Stahlverbundfenster im Winter bei nicht ausreichender Beheizung und Belüftung zu einer Schwitzwasserbildung und in weiterer Folge zu Schimmelbildung führen. Bei anfälligen Personen, v.a. bei Kleinkindern, könne dies zu gesundheitlichen Problemen führen. Es werde daher in nächster Zeit erforderlich sein, einen Fenstertausch (auch der teilweise vorhandenen Holzverbundfenster) durchzuführen.

Weiters bestehe auf den letzten Geschoßdecken keine zeitgemäße Wärmedämmung, weshalb auch aus Feuerschutzgründen empfohlen werde, diese einzubauen.

Für die Berechnung des Verkehrswertes werde das Sach- und das Ertragswertverfahren herangezogen. Die Gewichtung erfolge im Verhältnis 75% zu 25% zu Gunsten des Sachwertes; dies deshalb, da solche Bauwerke überwiegend zur Befriedigung der eigenen Wohnbedürfnisse errichtet bzw. erworben würden.

"Auf Grund des Bau- und Erhaltungszustandes und bei Berücksichtigung der oa. Ausführungen" schätzte der Sachverständige die wirtschaftliche Restnutzungsdauer mit 40 Jahren. Der Fachliteratur sei zu entnehmen, dass Bauwerke in der gegebenen Ausführung eine wirtschaftliche Nutzungsdauer zwischen 80 und 100 Jahren besäßen, im Mittel 90 Jahre. "Unter Zugrundelegung der vorangeführten Werte" betrage "der Abzug für die bisherige Bestanddauer gerundet 55% (100:90 x 50 = 55,55%)."

Der Grundwert wurde sodann unter Heranziehung von Vergleichsobjekten und unter Berücksichtigung eines Bebauungsabschlages mit ATS 5.625/m2, für 1337 m2 also mit ATS 7,520.630 geschätzt. Der Bauzeitwert wurde ausgehend vom Neubauwert nach Abzug eines Altersabschlages von 55% mit ATS 2,573.760 ermittelt. Unter Hinzurechnung des Wertes der Aufschließungsabgabe, des Bauzeitwertes des Abstellraumes sowie von Nebengebäuden, der Außenanlage sowie des Wertes der Anschlussgebühren und -kosten ergab sich schließlich ein Sachwert von ATS 10,728.580.

Beim Ertragswert ging der Sachverständige von der derzeit erzielbaren Jahresmiete aus, zog hiervon geschätzte Leerstehungsaufwendungen ab, verminderte den sich so ergebenden Betrag um 30% für Steuern, kleinere Instandhaltungsarbeiten, Verwaltung etc. und gelangte so zu einem jährlichen Nettoertrag von ATS 147.000. Kapitalisiert mit 5% auf eine Restnutzungsdauer von 40 Jahren ergab sich somit ein Ertragswert von ATS 2,522.520.

Durch Gewichtung des Sachwertes mit 75% und des Ertragswertes mit 25% betrug der Verkehrswert daher ATS 8,677.000.

Die Aufteilung des Verkehrswertes auf die Grundstücksfläche und das Wohnhaus wurde so vorgenommen, dass der Neubauwert des Gebäudes in Relation zum Wert des Grund und Bodens gesetzt wurde. Der Anteil für das Wohngebäude betrug demzufolge 46,26% von ATS 8,677.000, d.s ATS 4,014.000. Ausgehend von einer Restnutzungsdauer von 40 Jahren ergab sich ein AfA-Betrag von ATS 100.350.

Das Finanzamt hielt dem Bw. am 27. Februar 2001 unter Verweis auf Doralt, EStG, Kommentar, Tz 109 zu § 6 vor, die fiktiven Anschaffungskosten seien grundsätzlich vom Ertragswert abzuleiten, zumal sich auch der Marktpreis eines Objektes am Ertragswert orientiere. Selbst wenn der Sachwert einbezogen werden könne, so sei - Naegeli in Ross-Brachmann-Holzner, Ermittlung des Bauwertes von Gebäuden und des Verkehrswertes von Grundstücken28, S 334f folgend - von einer Gewichtung im Verhältnis 5 : 1 zugunsten des Ertragswertes auszugehen.

Der Vorhaltsbeantwortung war eine Stellungnahme des Sachverständigen vom 8. März 2001 beigeschlossen: Die Gesamtfläche der Liegenschaft habe ein Ausmaß von 1337 m2. Im Bebauungsplan sei festgelegt, dass die Liegenschaft zu 25% der Fläche bebaut werden könne. Derzeit seien jedoch nur ca. 167 m2 bebaut. Daher liege eine unwirtschaftliche Bebauung der Liegenschaft vor. Eine größere Bebauungsdichte würde zu einer größeren Nutzfläche und demnach zu einem höheren Ertrag führen.

Das gegenständliche Objekt könne aufgrund seiner Größe maximal als Zweifamilienhaus angesehen werden. Nach Kranewitter, Liegenschaftsbewertung4, wäre auch der ausschließliche Ansatz des Sachwertes möglich gewesen. Der Sachverständige habe aber auch den Ertragswert mit einbezogen, da eine Vermietung des Objektes nicht ausgeschlossen werden könne. Vorsichtshalber habe er überdies 1/6 des erzielbaren Mieterlöses als Leerstehung angesetzt. Hätte er dies nicht getan, wäre der Ertragswert um einiges höher.

Die Gewichtung 75 : 25 sei marktkonform und entspreche auch seinen Erhebungen am Realitätenmarkt. Die Ansicht des Finanzamtes, der Verkehrswert der Liegenschaft betrage ATS 3,890.197, sei mehr als unrealistisch. Schon allein der Freigrundwert inklusive Nebenkosten betrage ATS 7,924.820.

Das Finanzamt wich dessen ungeachtet bei der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1999 von der Erklärung ab. Die Einwände, dass auf Grund der unwirtschaftliche Bebauung der Liegenschaft geringere Einnahmen vorlägen und im Falle eines zukünftigen Ausbaus höhere Erträge zu erzielen seien, hätten keinen Einfluss auf die Bewertung eines derzeitigen, der Vermietung dienenden Objektes, sondern würden vielmehr einen Aspekt bei einer allfälligen Veräußerung des Grundstückes darstellen.

Das Schätzgutachten entspräche weiters nicht den Anforderungen, die die Judikatur an ein Schätzgutachten für eine kürzere als die gesetzliche Nutzungsdauer stelle. Das Gutachten stelle im Wesentlichen lediglich eine Bestandsaufnahme dar. lasse jedoch eine für einen Nichtkundigen jederzeit nachvollziehbare Schlussfolgerung auf die vom Gutachter gewählte Restnutzungsdauer vermissen.

Die AfA wurde daher mit ATS 26.994 (d.s. 1,5% von 1,799.628) ermittelt.

Der fristgerecht eingebrachten Berufung war eine neuerliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 24. April 2004 beigeschlossen. Dieser verwies darauf, dass der Wert des Grundstückes schon um das 1,93-fache höher sei als der vom Finanzamt berechnete Verkehrswert. Weiters betonte er neuerlich, da das Objekt den Charakter eines Ein- bzw. Zweifamilienhauses habe, sei eine Bewertung nach dem Sachwertverfahren gerechtfertigt. Nur weil das Objekt derzeit vermietet werde, sei es noch lange kein Miethaus.

Zu der vom Finanzamt angesetzten Restnutzungsdauer - AfA-Satz 1,5 % - sei Folgendes zu bemerken: In der Bescheidbegründung werde nun ausgeführt, dass im Gutachten die Restnutzungsdauer "gewählt" wurde und das Gutachten im Wesentlichen lediglich eine Bestandsaufnahme darstelle. Im Gutachten sei aber sehr wohl ausgeführt, dass Mängel am Bauwerk bestünden. Diese seien auch von konstruktiver Art - Fenster, Wärmedämmung, Fehlen des feuerbeständigen Belages auf der letzten Geschoßdecke, gemischtes Mauerwerk. Dies bringe mit sich, dass keine wirksame Horizontalisolierung bestehe, daher sei eine Durchfeuchtung des aufgehenden Mauerwerkes festzustellen. Aus dem Gutachten sei weiters ersichtlich, dass das Bauwerk schon mehr als 100 Jahre alt sei, der kleinere Teil, der der Straße näher liege, sogar schon über 500 Jahre. Im Nutzungsdauerkatalog, herausgegeben vom Hauptverband der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Österreichs, Landesverband Steiermark und Kärnten, 2. Auflage, werde auf Seite 16 die Nutzungsdauer der Holzfenster mit 40 bis 80 Jahren und der Stahlfenster mit 30 bis 50 Jahre angegeben. Die versetzten Holzfenster seien auf Grund des Aussehens schon mehr als 80 Jahre alt, auch die Nutzungsdauer der Stahlfenster sei schon weiter über 40 Jahre.

Weiters wiederholte der Sachverständige die Ausführungen auf Seite 8 des Gutachtens, wonach eine Nutzungsdauer von 40 Jahren anzusetzen sei.

Der Vorwurf, dass für einen Nichtkundigen im Gutachten eine nachvollziehbare Schlussfolgerung auf die gewählte Restnutzungsdauer vermisst werde, entspreche somit nicht den Tatsachen. Er wähle keine Restnutzungsdauer, sondern schätze diese auf Grund des Bau- und Erhaltungszustandes. Ferner betonte der Sachverständige seine fachlichen Kenntnisse.

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde 2. Instanz vor.

Der unabhängige Finanzsenat richtete am 11. Februar 2004 an den Bw. einen Bedenkenvorhalt folgenden Inhalts:

"In seinem Schätzungsgutachten hat der Sachverständige ... die Bewertung der von Ihnen im Wege einer gemischten Schenkung erworbenen Liegenschaft ... unter Heranziehung eines Sachwertanteiles von 75% und eines Ertragswertanteiles von 25% durchgeführt. Dies wurde von ihm damit begründet, dass sich die Liegenschaft besser für Eigennutzung als für Vermietung eigne und damit - der Ansicht u.a. von Kranewitter folgend - der Sachwertanteil als relevanter anzusehen sei.

Der unabhängige Finanzsenat vertritt hierzu folgende Rechtsmeinung:

Es mag durchaus zutreffen, dass sich das streitgegenständliche Objekt besser zur Eigennutzung als zur Vermietung eignet und daher für einen an dieser Eigennutzung interessierten Erwerber der Ertragswert in den Hintergrund treten würde.

Der Begriff der fiktiven Anschaffungskosten ist allerdings in § 16 Abs. 1 Z 8 EStG enthalten; da die hieraus resultierende AfA somit Werbungskosten, und zwar im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, darstellt, ist damit schon begrifflich von einem Erwerber auszugehen, der beabsichtigt, die erworbene Liegenschaft zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu nutzen. Es ist somit der Rechtsansicht des Finanzamtes zuzustimmen, dass bei einer solchen Konstellation der Ertragswert weitaus überwiegend im Vordergrund steht. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang beispielsweise auf das VwGH-Erkenntnis vom 20.7.1999, 98/13/0109, sowie auf Doralt, EStG 4 , Tz 109 zu § 6, demzufolge ebenfalls dem Ertragswert bei vermieteten Gebäuden überragende Bedeutung zukommt.

Wenn somit das Finanzamt ohnehin teilweise auch den Sachwert herangezogen hat, ist dies nicht zu beanstanden.

Was weiters die mit 40 Jahren geschätzte Restnutzungsdauer anlangt, so ist zunächst festzuhalten, dass der Bauzustand im Gutachten als im Wesentlichen gut bezeichnet wurde. Trotz detaillierter Beschreibung aller Gebäudeteile war im ursprünglichen Gutachten kein Hinweis auf eventuell die Nutzungsdauer beeinflussende Durchfeuchtungsschäden ersichtlich. Diese wurden erst in der zweiten Gutachtensergänzung vom 24. April 2001 ohne nähere Darlegung releviert. Ansonsten wurde die Restnutzungsdauer schematisch aus einer geschätzten fiktiven Gesamtnutzungsdauer abgeleitet. Es ist dem Finanzamt auch hier Recht zu geben, dass damit eine von der gesetzlichen Vermutung abweichende Nutzungsdauer in keiner Weise nachgewiesen wurde.

Zusammenfassend bedarf die Schätzung des Finanzamtes nur in zwei Punkten einer Modifizierung:

1) Nach der Verwaltungspraxis bestehen keine Bedenken, bei vor 1915 erbauten Gebäuden von einer 50-jährigen Nutzungsdauer auszugehen. Diese AfA von 2% beabsichtigt auch der unabhängige Finanzsenat anzuerkennen.

2) Abgeleitet aus dieser Nutzungsdauer ergibt sich weiters bei Ermittlung des Gebäudeertragswertes ein höherer Vervielfacher von 18,26 und somit ein Ertragswertanteil von ATS 2,684.220 (147.000 x 18,26).

3) Hieraus ergibt sich bei sonst unveränderten Bemessungsgrundlagen folgende Berechnung (in ATS):

Sachwert:

10.728.580

 

Ertragswert:

5 x 2,684.220 = 13,421.100

 
 

24,149.680

: 6 = 4,024.947

 

- 53,74% Anteil Grund und Boden

2,163.007

 

Gebäudewert

1,861.940

 

davon 2%

37.239

Es ist daher beabsichtigt, im Rahmen der Berufungsentscheidung obige AfA zu berücksichtigen.

Es wird Ihnen Gelegenheit geboten, hierzu innerhalb obiger Frist Stellung zu nehmen.

Sollten Sie mit obiger Berechnung nicht einverstanden sein, ist zu vermerken, dass das vorgelegte Gutachten neben den oben dargelegten weitere gravierende Mängel aufweist, die es in wesentlichen Bereichen unschlüssig erscheinen lassen, weshalb es insoweit zur Wertermittlung nicht herangezogen werden kann.

1) Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass eine Sachwertermittlung auf Basis der Neuherstellungskosten unzulässig ist, da hierbei fiktive Herstellungs- und nicht fiktive Anschaffungskosten festgestellt werden.

2) Auch die Aufteilung des geschätzten Verkehrswertes auf Grund und Boden und Gebäude ist unschlüssig; ermittelt werden soll die zum Bewertungszeitpunkt bestehende Relation zwischen beiden Größen. Punkt 4 des Gutachtens stellt jedoch das Verhältnis zwischen dem aktuellen Freigrundwert abzüglich Bebauungsabschlag und dem Neubauwert her. Berücksichtigt man richtigerweise die Relation zwischen den jeweiligen Zeitwerten, ergibt sich ein Grundanteil von mehr als 70%, wobei der Gutachter selbst im Ergänzungsgutachten vom 24. April 2001 von einem noch höheren Grundwert ausgeht.

3) Kaufpreisbeeinflussend wäre es für einen gedachten Erwerber weiters, wenn nach dem Erwerbszeitpunkt größere Reparaturen zu erwarten sind. Diese Kosten des rückgestauten Reparaturbedarfes sind daher wertmindernd zu berücksichtigen (vgl. auch Stabentheiner, LBG, S 91). Obwohl bereits kurz nach dem Erwerbszeitpunkt Großreparaturen in Höhe von ATS 173.188,89 angefallen sind, und der Gutachter im Ergänzungsgutachten vom 24. April 2001 auf Reparaturbedarf hinweist, wurden im Gutachten keinerlei Kosten für rückgestauten Reparaturbedarf abgezogen."

In der Vorhaltsbeantwortung brachte der steuerliche Vertreter zur Restnutzungsdauer vor, dass eine 50-jährige Nutzungsdauer trotz der Durchfeuchtungsschäden, die auf Grund der Bausubstanz vorlägen, akzeptiert würde, wenn das Sachverständigengutachten im Übrigen Anerkennung fände.

In Fachseminaren sei in den letzten Jahren von der im Erkenntnis des VwGH 20.7.1999, 98/13/0109 zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht sowie der Meinung Doralts abgegangen worden; nunmehr werde das Sachwertverfahren primär einer Bewertung zugrunde gelegt.

Im Jahr 1979 habe der Neubauwert bereits ATS 4 Mio. und 1991 ATS 5,042.100 betragen.

Weiters war der Vorhaltsbeantwortung eine neuerliche Stellungnahme des Sachverständigen beigelegt. Hierin verwies er neuerlich auf die seiner Meinung nach bestehende Wertdivergenz zwischen Grund und Boden und dem vom Finanzamt geschätzten Gesamtwert der Liegenschaft.

Er betonte ferner neuerlich, dass im gegenständlichen Fall das Sachwertverfahren zur Anwendung zu kommen habe. Auch das Vorbringen betreffend Nutzungsdauer der Liegenschaft wurde im Wesentlichen wiederholt.

Weiters führte er aus, dass kein rückgestauter Reparaturbedarf vorliege. Der als Großreparatur bezeichnete Aufwand von ATS 173.188,89 sei in Wahrheit kein solcher, da dieser Betrag nur 2 % des Verkehrswertes ausmache.

Abschließend teilte er mit, dass er das erstellte Bewertungsgutachten nach bestem Wissen und Gewissen verfertigt habe. Den Vorwurf, dass das Gutachten gravierende Mängel aufweise, weise er zurück.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Rechtliche Grundlagen

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 EStG sind Werbungskosten auch:

"Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§§ 7 und 8). Gehört ein Gebäude oder ein sonstiges Wirtschaftsgut nicht zu einem Betriebsvermögen, so gilt für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung folgendes:

...

b) Wird ein Gebäude unentgeltlich erworben, dann ist der gesamte Einheitswert für den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem unentgeltlichen Erwerb zugrunde zu legen. Auf Antrag sind auch die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes (§ 6 Z 9) anzusetzen.

...

e) Bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, können ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5% der Bemessungsgrundlage (lit. a bis d) als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden."

Lit. b des § 6 Z 9 EStG - hierauf wird in § 16 Abs. 1 Z 8 lit. b EStG Bezug genommen - lautet:

"b) Werden aus betrieblichem Anlaß einzelne Wirtschaftsgüter unentgeltlich in das Betriebsvermögen eines anderen Steuerpflichtigen übertragen, so gilt für den Empfänger als Anschaffungskosten der Betrag, den er für das einzelne Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Empfanges hätte aufwenden müssen (fiktive Anschaffungskosten). Liegt ein betrieblicher Anlaß nicht vor, dann gilt dies als Einlage (Z 5)."

Aus dem Gesetz lässt sich also keine ins Einzelne gehende Vorschrift erkennen, wie die fiktiven Anschaffungskosten ermittelt werden sollen.

2. Anwendbarkeit des Liegenschaftsbewertungsgesetzes (LBG)

Obwohl der Sachverständige dies nicht ausdrücklich in seinem Gutachten anführt, geht er offensichtlich von der Anwendbarkeit des LBG aus. Schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 1 LBG ist allerdings klar ableitbar, dass eine Anwendbarkeit für steuerliche Zwecke nicht erfolgen kann:

"§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Ermittlung des Wertes (Bewertung) von Liegenschaften, Liegenschaftsteilen und Überbauten im Sinn des § 435 ABGB sowie von damit verbundenen Rechten und darauf ruhenden Lasten in allen gerichtlichen Verfahren.

(2) Dieses Bundesgesetz gilt auch für die Bewertung der in Abs. 1 genannten Sachen in Verfahren auf Grund von bundesgesetzlichen Verwaltungsvorschriften, sofern vorgesehen ist, daß der Bescheid, zu dessen Erlassung der Wert ermittelt wird, mit der Anrufung eines Gerichts außer Kraft tritt, und sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen."

Dies ist auch bereits vom VwGH mehrfach bestätigt worden, vgl. zB VwGH 8.6.1994, 92/13/0154: "Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Bundesgesetz über die gerichtliche Bewertung von Liegenschaften (Liegenschaftsbewertungsgesetz - LBG)...geht dabei schon deswegen ins Leere, weil für die im Beschwerdefall vorzunehmende Bewertung ausschließlich die abgabenrechtlichen Bestimmungen maßgeblich sind."

Ebenso: VwGH 19.3.2002, 97/14/0034: "Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass nach dem mit 1.Juni 1992 in Kraft getretenen Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG, BGBl. 150/1992) "in erster Linie und grundsätzlich der Verkehrswert maßgeblich" sei. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin, dass für die im Beschwerdefall vorzunehmende Bewertung ausschließlich abgabenrechtliche Bestimmungen und nicht das LBG (vgl. dessen § 1) anzuwenden sind".

3. Anzuwendender Wertmaßstab

3.1 Beweiswürdigung von Sachverständigengutachten

Die Abgabenbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs 2 BAO)

Sowohl Gutachten eines Amtssachverständigen nach § 177 BAO als auch Privatgutachten stellen Beweismittel dar und unterliegen somit der freien Beweiswürdigung.

Die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens kann durch den Nachweis erschüttert werden, dass es

in Widerspruch steht

Derartige unschlüssige Gutachten müssen unberücksichtigt bleiben

Es steht der Abgabenbehörde allerdings frei, nur

zu berücksichtigen.

Der unabhängige Finanzsenat geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die im Gutachten angeführte Beschreibung des Bauzustandes entspricht den Tatsachen.

Soweit der Ertragswert ermittelt wird, ist das Gutachten als schlüssig anzusehen. Im Übrigen erfolgt eine eigenständige Ermittlung der AfA, die unten näher dargelegt ist.

3.2 Sachwert oder Ertragswert

Der Sachverständige betont in jeder der Vorhaltsbeantwortungen, die Anwendung der Sachwertmethode sei geboten, da es sich bei der zu bewertenden Liegenschaft um ein Zweifamilienhaus handle, das sich deutlich besser zur Eigennutzung als zur Vermietung eigne.

Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass der VwGH für die Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten die Sachwertermittlung durch Ableitung des Zeitwertes aus den Neuherstellungskosten schon mehrfach als unzulässig angesehen hat; zu ermitteln seien fiktive Anschaffungs- und nicht fiktive Herstellungskosten (vgl. zB VwGH 5.10.1988, 87/13/0075).

Ferner vermeinen der Bw. und der Sachverständige offensichtlich, der Begriff "fiktive Anschaffungskosten" sei schlechthin mit "gemeiner Wert" gleichzusetzen.

Wie aber schon im Bedenkenvorhalt vom 11. Februar 2004 ausgeführt wurde, vertritt der unabhängige Finanzsenat folgende Rechtsmeinung:

Es mag durchaus zutreffen, dass sich das streitgegenständliche Objekt besser zur Eigennutzung als zur Vermietung eignet und daher für einen an dieser Eigennutzung interessierten Erwerber der Ertragswert in den Hintergrund treten würde. Bei derartigen Konstellationen könnte der Sachwert ebenso von Bedeutung sein wie bei der Entnahme von Liegenschaften aus dem Betriebs- in das Privatvermögen.

Der Begriff der fiktiven Anschaffungskosten ist allerdings in § 16 Abs. 1 Z 8 EStG enthalten; da die hieraus resultierende AfA somit Werbungskosten, und zwar im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, darstellt, ist damit schon begrifflich von einem Erwerber auszugehen, der beabsichtigt, die erworbene Liegenschaft zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu nutzen.

Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber in § 16 Abs. 1 Z 8 lit b ebenso wie in § 6 Z 9 lit b EStG den eigenständigen Begriff "fiktive Anschaffungskosten" verwendet; dass dieser nicht mit dem an anderer Stelle (vgl. zB § 24 Abs. 3 EStG) gebrauchten "gemeinen Wert" deckungsgleich ist, ist schon daraus ableitbar, dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, verschiedene Termini für gleiche Wertermittlungen zu verwenden (vgl. auch VwGH 19.3.2002, 97/14/0034).

Ist dies aber geklärt, kann dem Finanzamt nicht entgegen getreten werden, wenn es dem Ertragswert überwiegende Bedeutung beigemessen hat (vgl. auch VwGH 20.7.1999, 98/13/0109 mwN).

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass dem in Rede stehende Gutachten in einem gerichtlichen Verfahren etwa zwecks Zwangsversteigerung einer Liegenschaft Bedeutung zukäme, nicht aber in einem für steuerliche Zwecke durchzuführenden Bewertungsverfahren.

4. Anteil Grund und Boden

Wie im Sachverhaltsteil ausgeführt, wird dieser aus der Relation zwischen Zeitwert des Grund und Bodens und dem Neubauwert des Gebäudes abgeleitet.

Über Vorhalt der Abgabenbehörde 2. Instanz, die zum Bewertungszeitpunkt gegebene Relation zwischen beiden Größen sei maßgebend, antwortete der Gutachter: "Bei der Aufteilung kann ich nicht von Zeitwerten ausgehen, sondern muß den Verkehrswert der Liegenschaft berücksichtigen".

Wie damit die Unschlüssigkeit des Gutachtens in diesem Punkt entkräftet werden soll, ist nicht erkennbar. Faktisch vergleicht der Gutachter nämlich unterschiedliche Größen: den Zeitwert des Grund und Bodens (abzüglich Bebauungsabschlag) und die fiktiven Neuherstellungskosten. Der Gutachter bleibt aber jede Begründung schuldig, warum nicht auch der Zeitwert des Gebäudes herangezogen wird (der ja im Übrigem mit dem Verkehrswert ident sein müsste).

Wenn das Finanzamt dennoch einen Anteil an Grund und Boden von bloß 53,74% ausgeschieden hat, kann der Bw. hierdurch nicht beschwert sein.

Der Gutachter bemängelt weiters, es könne nicht sein, dass der Grund und Boden allein mehr Wert sei als die vom Finanzamt ermittelten fiktiven Anschaffungskosten. Er übersieht dabei aber Folgendes:

Die sog. "Differenzmethode" - also der Abzug des geschätzten Anteils an Grund und Boden vom (fiktiven oder tatsächlichen) Gesamtkaufpreis - kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Summe der Werte von Grund und Boden und Gebäude dem Gesamtkaufpreis entspricht (vgl. hierzu zB VwGH 25.2.1997, 92/14/0039). Da dies hier offensichtlich nicht der Fall ist, war die Methode des Sachwertverhältnisses heranzuziehen und der so ermittelte Prozentschlüssel auf die geschätzten fiktiven Anschaffungskosten anzuwenden.

5. Restnutzungsdauer

Zunächst ist festzuhalten, dass der AfA-Satz von 1,5% in § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e EStG gesetzlich normiert ist. Die Beweislast für eine kürzere Nutzungsdauer trifft den eine solche Behauptung aufstellenden Steuerpflichtigen (vgl. zB VwGH 27.1.1994, 92/15/0127 mwN).

Dem Bw. ist aus folgenden Gründen nicht gelungen, die gesetzliche Vermutung zu entkräften:

Im Bewertungsgutachten wird die (wirtschaftliche) Restnutzungsdauer sehr lapidar aus einer geschätzten Gesamtnutzungsdauer abgeleitet. Der Bauzustand wird als "gut" bezeichnet.

Schon hierbei sind grundlegende Unschlüssigkeiten aufzuzeigen:

Erst in der Vorhaltsbeantwortung vom 24. April 2001 wird "eine Durchfeuchtung des aufgehenden Mauerwerkes" behauptet, ohne aber anzugeben, inwieweit dies tatsächlich die (technische) Nutzungsdauer verkürzt. Auch in der weiteren Vorhaltsbeantwortung vom 26. April 2004 wird nur angeführt, für jeden Fachmann sei aus dem Umstand, dass die aufgehenden Mauern aus gemischten Material bestünden, abzuleiten, dass Durchfeuchtungsschäden vorhanden seien. Konkretere Angaben erfolgten nicht. Insbesondere fehlen auch jede Feststellungen, inwieweit eine Behebung der aufgezeigten behaupteten Schäden mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln erfolgen könnte.

Auch das Beharren darauf, dass kein rückgestauter Reparaturbedarf vorliegt, spricht im Verein mit dem bescheinigten guten Bauzustand gegen eine Verkürzung der Nutzungsdauer.

6. Steuerliche Wertermittlung

6.1 Wert der gesamten Liegenschaft

Wie oben ausgeführt, ist das LBG für steuerliche Wertermittlungen nicht anwendbar. Die Anwendung des im Gutachten durchgeführten Sachwertverfahrens scheitert schon an der vom VwGH abgelehnten Methodik der Ableitung des Zeitwertes aus den Neuherstellungskosten.

Somit verbleibt die auch lt. VwGH durchgehend akzeptierte Ertragswertmethode (vgl. zB das bereits mehrfach zitierte Erkenntnis VwGH 20.7.1999, 98/13/0109). In diesem Teil erscheint das Gutachten dem unabhängigen Finanzsenat schlüssig. Allerdings wird zugunsten des Bw. - dem Vorhalt vom 11. Februar 2004 folgend - auch eine Sachwertkomponente in die Bewertung einbezogen. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Gutachter einerseits den möglichen Ertrag sehr vorsichtig geschätzt hat, und andererseits in der Liegenschaft noch Entwicklungspotential vorhanden ist. Im Ergebnis kommt die Einbeziehung des Sachwertes somit einem Zuschlag zum Ertragswert gleich.

Auch gegen den Kapitalisierungszinssatz bestehen keine Bedenken. Der Vervielfacher wurde entsprechend den Ausführungen unter Punkt 6.3 auf 18,26 erhöht.

Wenn allerdings vom Gutachter auf die unwirtschaftliche Bebauung verwiesen wird, so ist dem Finanzamt Recht zu geben, dass ein möglicher zukünftiger Ausbau keinen Einfluss auf die Bewertung des derzeitigen Objektes hat. Weiters übersieht der Gutachter, dass dann auch die (wohl nicht unbeträchtlichen) für den Ausbau erforderlichen Aufwendungen geschätzt und wertmindernd angesetzt werden müssten.

Die fiktiven Anschaffungskosten (die also von einem ertragsorientierten Erwerber gezahlt würden) betragen somit ATS 4,024.947; den Ausführungen des Gutachters, dass kein relevanter Reparaturrückstau vorliegt, wird Glauben geschenkt.

6.2 Anteil Grund und Boden

Wiewohl die Unschlüssigkeit des Gutachtens an anderer Stelle bereits aufgezeigt wurde, wird der Anteil - dem Gutachten folgend - mit 53,74% berücksichtigt. Dieser Prozentsatz entspricht nach Ansicht des unabhängigen Finanzsenates am ehesten den tatsächlichen Gegebenheiten, wohingegen ein Anteil von 70% doch überhöht erscheint.

Der Gebäudewert beträgt somit ATS 1,861.940.

6.3 Restnutzungsdauer

Wie bereits unter Punkt 5 dargestellt, konnte das Gutachten die gesetzliche Vermutung eines AfA-Satzes von 1,5% nicht entkräften.

Der unabhängige Finanzsenat folgt allerdings der Verwaltungspraxis und berücksichtigt einen AfA-Satz von 2%.

7. Berechnung

 

ATS

AfA lt. Vorhalt vom 11. Februar 2004

37.239

AfA lt. ESt-Bescheid 1999

- 26.994

Differenz

10.245

Überschuss aus V+V lt Bescheid

2.483

Verlust aus V+V lt Berufungsentscheidung

- 7.762

Wien, 12. Mai 2004

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Ertragswert, Sachwert

Stichworte