Zurückweisung einer verspätet eingebrachten Berufung
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/15/0089 eingebracht. Mit Erk. v. 31.3.2005 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Die Berufungsvorentscheidung wird aufgehoben.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe:
Bei der Bw. handelt es sich um eine Leasinggesellschaft mit Sitz in Deutschland, welche an ein im Inland gelegenes Hotel Einrichtungen vermietete. Aufgrund der Insolvenz der Leistungsempfängerin begehrte die Bw. die Berichtigung der Umsatzsteuer gemäß § 16 Abs. 3 UStG 1994. Aufgrund der daraufhin durchgeführten Betriebsprüfung wurde der Bw. mit Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 14. März 2002 die Umsatzsteuerberichtigung nicht zur Gänze gewährt. Dieser Bescheid enthielt als Begründung den Satz: "Durch die Umrechnung der Beträge von Euro auf Schilling bzw. von Schilling in Euro kann es zu geringfügigen Rundungsdifferenzen kommen". Eine weitere Begründung, insbesondere den Hinweis auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung und den darüber erstellten Betriebsprüfungsbericht oder den Hinweis auf eine Begründung, welche gesondert ergehe, enthielt der Bescheid nicht. Dieser Bescheid wurde ohne Zustellnachweis an die Bw. bzw. deren Zustellbevollmächtigten zugestellt. Am 19. März 2002 rief der Steuerberater der Bw. beim Finanzamt, Referat 25, an und urgierte nach seinen Angaben telefonisch den fehlenden Betriebsprüfungsbericht. Zum Beweis für den erfolgten Anruf legte er Terminkalenderblätter vor, welche für den 19. März 2002 unter der Rubrik Telefon die Eintragung "FA Graz Ref 25" enthielten. Mit Schreiben vom 21. März 2002 übermittelte das Finanzamt den "BP-Bericht vom 28.02.2002". Im Finanzamtsakt findet sich kein Aktenvermerk oder Hinweis auf den erfolgten Anruf des Steuerberaters der Bw. Der Betriebsprüfungsbericht langte am 2. April 2002 beim Steuerberater ein, was mit einem Eingangsstempel der Kanzlei dokumentiert wurde.
Mit Berufung vom 2. Mai 2002, eingegangen am 3. Mai 2002, erhob die Bw. Berufung. Das Finanzamt erließ mit 4. Juli 2003 eine Berufungsvorentscheidung, die zwar als stattgebend formuliert, vom Ergebnis her aber eine Abweisung mit Verböserung im Vergleich zum Erstbescheid war. Daraufhin brachte die Bw. einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein.
Im Zuge der Überprüfung der Rechtzeitigkeit der Berufung durch den unabhängigen Finanzsenat wurde die Bw. im Vorhalteverfahren auf die nach der Aktenlage vorliegende Verspätung der Berufung hingewiesen und aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen sowie entsprechende Nachweise für die Rechtzeitigkeit der Berufung vorzulegen. Die Bw. führte daraufhin aus, dass erst auf ihre telefonische Urgenz hin der Betriebsprüfungsbericht vom 28. Feber 2002 als Begründung zum Umsatzsteuerbescheid 1999 am 2. April 2002 zugestellt worden sei. Die Berufungsfrist beginne nach § 245 BAO erst mit Bekanntgabe der Begründung zu laufen, die Berufung vom 2. Mai 2002 sei somit als rechtzeitig eingebracht zu werten.
Beim Erörterungstermin verwies die Bw. darauf, dass das Telefonat vom 19. März 2002 als Antrag auf Mitteilung der fehlenden Begründung zu werten sei. Ein schriftlicher Antrag auf Mitteilung der dem Bescheid fehlenden Begründung war nicht eingebracht worden.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Ob eine Berufung fristgerecht eingebracht worden ist, richtet sich nach § 245 BAO. Nach Abs. 1 beträgt die Berufungsfrist einen Monat. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Berufungsfrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt. Nach § 245 Abs. 2 BAO wird durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.
§ 85 Abs. 1 BAO lautet: Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben). Nach Abs. 3 des § 85 BAO hat die Abgabenbehörde mündliche Anbringen der im Abs. 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen, (a) wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen, oder (b) wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist, oder (c) wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann.
Im berufungsgegenständlichen Fall hat der Bescheid vom 14. März 2002 eine Begründung enthalten, wenngleich diese inhaltlich als unzureichend zu werten ist. Die tatsächliche Begründung enthielt der Betriebsprüfungsbericht, auf den der Bescheid aber keinen Hinweis enthielt. Es ist somit vom Vorliegen einer fehlenden Begründung (iSd § 93 Abs. 3 lit. a BAO) auszugehen und liegen die Voraussetzungen und Rechtswirkungen des § 245 Abs. 1 BAO nicht vor. Für einen solchen Fall sieht § 245 Abs. 2 BAO einen Antrag auf ganz oder teilweise fehlende Begründung vor, welcher den Lauf der Berufungsfrist hemmt. Ein solcher Antrag ist aber als Anbringen zur Geltendmachung von Rechten grundsätzlich schriftlich einzubringen (§ 85 Abs. 1 BAO). Nach dem Erkenntnis des VwGH vom 1.9.1999, 99/16/0097 sind telefonische Anbringen keine "mündlichen" Anbringen im Sinne der Abgabenordnung und nur zulässig, wenn sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sind. Es kann daher, selbst wenn man die Zulässigkeit eines in Form eines mündlichen Anbringens gestellten Antrages gemäß § 245 Abs. 2 BAO bejahen würde, der bloße Anruf der Bw. nicht als fristhemmendes mündliches Anbringen gewertet werden. Da der Lauf der Berufungsfrist nicht rechtswirksam gehemmt worden ist, und damit die Berufungsfrist mit 19. April 2002 (unter Zugrundelegung der Zustellung mit spätestens 19. März 2002, was sich aus den Angaben der Bw. ableiten lässt) abgelaufen ist, muss die Berufung vom 2. Mai 2002 als verspätet gewertet werden und ist diese gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen. Dass die Abgabenbehörde erster Instanz diesen Zurückweisungsgrund nicht aufgegriffen hat, steht einer Wahrnehmung des Zurückweisungsgrundes durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht entgegen. Die ergangene Berufungsvorentscheidung ist diesfalls aufzuheben (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Wien 1994, S. 2709).
Graz, 29. April 2004
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 273 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | verspätet eingebrachte Berufung, Antrag auf fehlende Begründung, Schriftlichkeit, telefonisches Anbringen, Hemmung der Berufungsfrist, mündliches Anbringen |
Verweise: |