Vorsteuerabzug für Peugeot 806 Minivan; Antrag auf Aufhebung der Ust- und Est-Bescheide 1999 - 2001 gem. § 299 BAO; Ermessensübung bei geringfügigen Auswirkungen der Rechtswidrigkeit
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch WTM Maass Steuerberatungsges.m.b.H., gegen den Bescheid des Finanzamtes Perg betreffend Aufhebung des Bescheides, mit dem die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 aufgehoben wurden, entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom 24. September 2003 brachte der Berufungswerber durch seine ausgewiesene steuerliche Vertretung unter Hinweis auf § 299 Abs. 1 BAO den Antrag auf Aufhebung der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide der Jahre 1999 bis 2001 ein. Der Antrag auf Aufhebung der genannten Bescheide werde mit dem Verstoß des Bescheidinhaltes gegen das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union begründet. Der EuGH habe mit Urteil vom 8. Jänner 2002, Rs C-409/99 , zum Vorsteuerabzug von Kleinbussen ausgesprochen, dass die von der Republik Österreich vorgenommene Einschränkung (Verordnung BG Bl.Nr. 273/96) gemeinschaftswidrig sei. Der Berufungswerber habe am 1. August 1988 einen Kleinbus Peugeot 806 aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt. Für die laufenden Kosten sei kein Vorsteuerabzug geltend gemacht worden. Aus der Beilage geht hervor, dass die Kfz-Kosten für die Jahre 1999 bis 2001 brutto 7.418,01 € betragen. Die diesbezügliche Vorsteuer in Höhe von 20 % beträgt 1.236,33 €.
Mit Bescheid vom 3. Oktober 2003 hob das Finanzamt Perg die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 gem. § 299 Abs. 1 lit. b auf. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die aufgrund der eingereichten Erklärungen erlassenen Bescheide gegen das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union verstoßen würden. Somit sei bei der Umsatz- und Einkommensteuerveranlagung 1999 bis 2001 der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen worden, weshalb diese Bescheide zu beheben seien. Die im freien Ermessen erfolgte Ausübung des Behebungsrechtes gründe sich insbesondere auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit vor dem der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit sowie auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2003 hob das Finanzamt Perg den Aufhebungsbescheid vom 3. Oktober 2003 betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1999 bis 2001 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Aufhebung der Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 sei zu Unrecht erfolgt. Einer Anregung auf Aufhebung der Bescheide gem. § 299 BAO könne im Fall von erheblichen Vorsteuern (Anschaffungsvorsteuern), hingegen grundsätzlich nicht Vorsteuern aus Betriebskosten gefolgt werden. Mangels Vorliegen eines Vorsteueranspruches würden sich auch keine ertragsteuerlichen Auswirkungen ergeben. Die im freien Ermessen erfolgte Ausübung des Behebungsrechtes gründe sich insbesondere auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit vor dem der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit sowie auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Mit Schriftsatz vom 4. November 2003 wurde gegen den Aufhebungsbescheid vom 7. Oktober 2003 das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Im Antrag auf Aufhebung gem. § 299 BAO sei die Geltendmachung der Vorsteuern aus den Betriebskosten beantragt worden. Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch um erhebliche Vorsteuern aus diesen Betriebskosten. In den Richtlinien zur Aufhebung gem. § 299 BAO sei keinesfalls geschrieben, dass es sich um Vorsteuern aus den Anschaffungskosten handeln müsse. Es werde ersucht, den Aufhebungsbescheid vom 7. Oktober 2003 aufzuheben und dem Antrag auf Aufhebung gem. § 299 entsprechend dem Schreiben vom 24. September 2003 stattzugeben.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung in der Fassung des AbgRmRefG, Bundesgesetzblatt I 2002/97 (BAO) kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben. Nach § 299 Abs. 2 BAO ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.
Aufhebungen gem. § 299 BAO sind gem. § 302 Abs. 1 BAO bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97 BAO) des Bescheides zulässig. Darüber hinaus sind gem. § 302 Abs. 2 lit. c BAO Aufhebungen nach § 299 BAO, die wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union erfolgen, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist oder wenn der Antrag auf Aufhebung innerhalb dieser Frist eingebracht ist, auch nach Ablauf dieser Frist zulässig.
Der neue § 299 BAO gestattet Aufhebungen nur mehr wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes. Der Inhalt eines Bescheides ist rechtswidrig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa bei einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, bei mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, bei Übersehen von Grundlagenbescheiden), ist für die Anwendbarkeit des § 299 Abs. 1 BAO nicht ausschlaggebend. Die Aufhebung setzt weder ein Verschulden der Abgabenbehörde noch ein Verschulden bzw. ein Nichtverschulden des Bescheidadressaten voraus.
Mit Urteil vom 8. Jänner 2002, Rs C-409/99 , hat der EuGH aus Anlass der Prüfung der Vorsteuerabzugsberechtigung der Kraftfahrzeuge Pontiac Transport und Fiat ULYSSE entschieden, dass es einem Mitgliedsstaat nach Art. 17 Abs. 6 Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie verwehrt ist, die Ausgaben für bestimmte Kraftfahrzeuge nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie (für Österreich ist das der Zeitpunkt des Beitrittes zur EU, somit der 1. Jänner 1995) vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie für Ausgaben das Recht auf Vorsteuerabzug nach ständiger auf einem Ministerialerlass beruhender Praxis der Verwaltungsbehörden dieses Staates gewährt wurde.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass Ausgaben in Bezug auf den Peugeot 806 Minivan grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigt sind.
Die Aufhebung nach § 299 Abs. 1 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Gemäß § 20 BAO müssen Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Bei der Ermessensübung kommt dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine zentrale Bedeutung zu. Eine Aufhebung wird jedoch nur dann zu unterlassen sein, wenn die Rechtswidrigkeit bloß geringfügig ist bzw. wenn sie keine wesentlichen Folgen nach sich gezogen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hielt in der bisherigen Rechtsprechung zu § 299 BAO in der vor dem Abgabenrechtsmittelreformgesetz gültigen Fassung fest, dass für den Bereich des § 299 BAO dem Prinzip der Rechtmäßigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zukommt. Das eingeräumte Ermessen wird regelmäßig dann im Sinne des Gesetzes gehandhabt, wenn die Behörde bei Wahrnehmung einer nicht bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit mit Aufhebung des bereits rechtskräftigen Bescheides vorgeht, gleichgültig ob zum Vorteil oder zum Nachteil des Abgabenpflichtigen. Eine bloß geringfügige Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn der gem. § 299 Abs. 2 BAO mit dem Aufhebungsbescheid zu verbindende Abgabenbescheid im Spruch lediglich geringfügig vom bisher im Rechtsbestand befindlichen Bescheid abweicht. Sind die Auswirkungen der Aufhebung der Bescheide geringfügig, so spricht der Grundsatz der Sparsamkeit gegen die Aufhebung des Bescheides. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufhebung sich zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei auswirken würde.
Der Unabhängige Finanzsenat hat festgestellt, dass der Berufungswerber in den Jahren 1999 bis 2001 insgesamt Vorsteuer iHv. 281.449,17 S geltend gemacht hat. Das entspricht in Euro 56.790,13. Der Berufungswerber begehrt nunmehr die Anerkennung von Vorsteuern für die Jahre 1999 bis 2001 im Ausmaß von 1.236,33 €. Im Verhältnis zu den bislang geltend gemachten Vorsteuern entspricht dies einem Prozentsatz von 2,177. Wenn mehr als 97 % der zu berücksichtigenden Vorsteuerbeträge tatsächlich auch im Zuge der Umsatzsteuerfestsetzung anerkannt wurden und daher die unberücksichtigt gebliebenen Beträge in Relation zu den übrigen Vorsteuerbeträgen sehr gering sind, dann ist die Fehlerhaftigkeit der Umsatzsteuerbescheide, deren Aufhebung nach § 299 BAO begehrt wird, als geringfügig anzusehen.
Das Finanzamt Perg hat zu Recht erkannt, dass der Aufhebungsbescheid vom 3. Oktober 2003, mit dem die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2001 aufgehoben worden sind, rechtswidrig ist, weil die Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bescheide so geringfügig ist, dass sie eine Aufhebung der materillrechtlichen Bescheide im Rahmen der Ermessensübung nicht rechtfertigt. Zu Recht hat das Finanzamt Perg daher den Aufhebungsbescheid vom 3. Oktober 2003 mit Aufhebungsbescheid vom 7. Oktober 2003 aufgehoben.
Die Ausführungen des Berufungswerbers, wonach die Auswirkungen der Rechtswidrigkeit nicht geringfügig seien, können aufgrund der objektiven Kriterien nicht nachvollzogen werden.
Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, 12. Jänner 2004