Verifizierungsverfahren und Anwendung des Präferenzzollsatzes für Waren mit Ursprung in Syrien
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/16/0038 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 23.2.2006 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 85c Abs. 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) iVm § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 85c Abs. 7 ZollR-DG steht der Berufungsbehörde der ersten Stufe das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Über Antrag der Bf. als Anmelderin wurden am 20. April 2000 für die Empfängerin C. 1534,00 Kartons Bekleidung zur Überführung in den freien Verkehr beim Hauptzollamt Wien angemeldet. In der Anmeldung WE-Nr. xxxxx ist als Ursprungsland Syrien (Feld 16 der Anmeldung) und in den Feldern 36 der jeweiligen Position der Präferenzartencode "300" angegeben. Der Anmeldung ist als Unterlage nach Art. 218 Abs. 1 Buchstabe c Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 Nr. A 32385 angeschlossen. Unter Anwendung des in der Anmeldung beantragten Präferenzzollsatzes Null wurde kein Zoll, aber Einfuhrumsatzsteuer von 9.881,99 Euro gem. Art. 218 Abs. 1 Zollkodex (ZK) buchmäßig erfasst und gem. Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2003, Zl. 100/76531/2002-26, setzte das Hauptzollamt Wien die gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG bei der Überführung der genannten Waren in den zollrechtlich freien Verkehr entstandene Zollschuld kraft Gesetzes in der Höhe von 5.907,39 Euro an Zoll und 11.063,47 Euro an Einfuhrumsatzsteuer fest. Buchmäßig erfasst worden sei nur ein Eingangsabgabenbetrag von 9.881,99 Euro an Einfuhrumsatzsteuer. Der Differenzbetrag von 7.088,87 Euro (5.907,39 Euro an Zoll und 1.181,48 Euro an Einfuhrumsatzsteuer) werde weiterhin gesetzlich geschuldet und sei gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben. Als Folge dieser Nacherhebung wurde der Bf. gem. Art. 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung von 913,78 Euro zur Entrichtung vorgeschrieben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass sich bei einer nachträglichen Überprüfung des vorgelegten Präferenznachweises begründete Zweifel am Ursprung der Waren ergeben hätten. Die ausländische zuständige Behörde sei um Überprüfung der Richtigkeit des Präferenznachweises gebeten worden. Da kein befriedigendes Antwortschreiben eintraf, seien weitere Urgenzen an diese Stelle gesandt worden, welche ebenfalls unbeantwortet geblieben seien. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten seien zur Auffassung gelangt, dass für die Behörden des Ausfuhrlandes durch an sie gerichtete Verifizierungsersuchen eine Verpflichtung zur Kooperation entstehe, die integraler Bestandteil der Präferenzregelungen und Voraussetzung für die Gewährung der Präferenzen sei. Kraft dieser Verpflichtung könne eine Gewährung der Präferenzbehandlung im Einfuhrland von einem positiven Akt der Bestätigung des Ursprungs durch die Behörden des Ausfuhrlandes abhängig gemacht werden. Die Gewährung der Präferenz trotz ausbleibender Antwort würde der Nachlässigkeit der Ausfuhrbehörden den Wert einer Bestätigung der Echtheit des Nachweises bzw. der Ursprungseigenschaft der Ware beimessen, was dem Sinn und Zweck der Regelungen über die Amtshilfe diametral zuwider laufen würde. Gem. § 108 ZollR-DG sei auch eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag an Säumniszinsen entspreche, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung angefallen wäre. Im Rahmen des Auswahlermessens werde die Abgabenschuld aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Gleichbehandlung im Rahmen des Ermessens gem. § 20 BAO allen Gesamtschuldnern zur Entrichtung vorgeschrieben. Gem. Art. 213 ZK bestehe mit der C. hinsichtlich des Betrages von 6.821,17 Euro ein Gesamtschuldverhältnis.
Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. mit Eingabe vom 6. März 2003 ergänzt durch das Schreiben vom 13. Mai 2003 Berufung ein. Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Republik Syrien, Finanzministerium, habe mit Schreiben vom 29. September 2002 ausdrücklich festgehalten, dass die erwähnten Waren syrischen Ursprungs sind und dass aufgrund der durchgeführten Überprüfungen es möglich gewesen sei, die Richtigkeit der Ursprungsbescheinigungen zu bestätigen. Das Hauptzollamt Wien bzw. die österreichischen Abgabenbehörden seien an diese verbindliche Stellungnahme der zuständigen Behörde Syriens gebunden; es stehe ihnen daher keine Möglichkeit zu, die Richtigkeit dieser Bestätigung zu bezweifeln. Eine nachträgliche Überprüfung nach Art. 26 ZK wäre überhaupt nur möglich gewesen, wenn ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Prüfungszeugnisses bestanden hätten. Danach wäre eine Überprüfung überhaupt nur möglich gewesen, wenn ein konkret begründeter Verdacht der Unrichtigkeit bestehe und sich dieser Verdacht auf wesentliche Elemente des Ursprungszeugnisses beziehe: Solche konkret begründeten Verdachtsmomente an einer Unrichtigkeit der Ursprungsbestätigung lägen nicht vor und habe das Hauptzollamt Wien auch nicht behauptet (Witte, Art. 26, ZK3, Rz. 19). Nur eine so eingeschränkte Überprüfungsbefugnis von Ursprungszeugnissen verhindere Willkür durch die Abgabenbehörden: Denn anderenfalls wäre es den Abgabenbehörden möglich, wie im vorliegenden Fall, knapp vor Ablauf der Verjährungsfrist bei allen Verzollungen mit Ursprungsnachweis dessen Richtigkeit zu bezweifeln und nachträgliche Abgabenvorschreibungen zu erlassen: Dies zu einem Zeitpunkt, zu dem dem Zollanmelder selbst keine Möglichkeiten mehr zustehen würden, Überprüfungen oder Nachfragen durchzuführen. Die Vorgangsweise der belangten Behörde im vorliegenden Fall sei umso unverständlicher, als ja die staatliche Behörde des Ursprungslandes Syrien unzweifelhaft die Richtigkeit der Ursprungsbestätigung bestätigt habe.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 4. November 2003, Zl. 100/xxx/2001-xx, wies das Hauptzollamt Wien die Berufung als unbegründet ab. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass im gegenständlichen Fall eine nachträgliche Prüfung des Präferenznachweises aufgrund begründeter Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit des Präferenznachweises eingeleitet worden sei. Die begründeten Zweifel seien der syrischen Zollverwaltung samt den notwendigen Unterlagen übermittelt worden. Im Schreiben der syrischen Zollverwaltung seien auf die im Nachprüfungsantrag (Verifizierungsschreiben) angeführten begründeten Zweifel keine Antworten gegeben worden. Würden jedoch begründete Zweifel an der Echtheit eines Präferenznachweises oder an der Richtigkeit der Angaben über den tatsächlichen Ursprung der betreffenden Waren geltend gemacht, so müsse sich anhand des Prüfungsergebnisses der ausländischen Zollbehörden feststellen lassen, ob der beanstandete Präferenznachweis für die tatsächlich eingeführten Waren gelte und ob auf diese Waren wirklich die Vorzugsbehandlung Anwendung finden könne. Trotz weiterer Urgenzen sei die materiell-rechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Präferenz nicht nachgewiesen worden.
Gegen diese Berufungsvorentscheidung erhob die Bf. mit Eingabe vom 4. Dezember 2003 fristgerecht den Rechtsbehelf der Beschwerde. Über das Berufungsvorbringen vom 13. Mai 2003 hinausgehend wird im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass weder im Abgabenbescheid, noch in der Berufungsvorentscheidung die behaupteten "begründeten Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit des Präferenznachweises" dargelegt oder solche auch nur in irgendeiner Form zumindest angedeutet worden seien; obwohl das syrische Finanzministerium mit Schreiben vom 29. September 2002 ausdrücklich festgehalten habe, dass "die durchgeführten Kontrollen uns ermöglichen die Richtigkeit der Angaben im erwähnten Ursprungszertifikat zu bestätigen und dass die Waren syrischen Ursprungs sind", behaupte das Hauptzollamt Wien nach wie vor, ohne hierfür nur irgendeinen Grund anzugeben, dass von der syrischen Zollverwaltung "keine Antworten" gegeben worden seien. Die Beschwerde enthält auch Ausführungen zur Zulässigkeit der Überprüfung von nichtpräferentiellen Ursprungsnachweisen im Sinn des Art. 26 Zollkodex.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Art. 218 und 219 buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat gem. Art. 220 Abs. 1 Zollkodex (ZK), Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992, S. 1) die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Restbetrags innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung). Diese Frist kann nach Art. 219 verlängert werden.
Gem. Art. 20 Abs. 1 ZK stützen sich die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften. Der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst nach Abs. 3 Buchstabe d der bezeichneten Gesetzesstelle die Zollpräferenzmaßnahmen aufgrund von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und bestimmten Ländern oder Ländergruppen, in denen eine Zollpräferenzbehandlung vorgesehen ist.
Die im Zeitpunkt der Überführung der Ware in den freien Verkehr maßgebenden Rechtsgrundlagen waren im Beschwerdefall demnach das Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Arabischen Republik Syrien, Amtsblatt Nr. L 269 vom 27. September 1978, S. 2, sowie die Verordnung (EWG) Nr. 2216/78 des Rates vom 26. September 1978 über den Abschluss des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Arabischen Republik Syrien. Protokoll Nr. 2 des Kooperationsabkommens enthält die Ursprungsregeln für die Gewährung der Zollpräferenzen.
Nach dessen Art. 1 Nr. 1 gelten zur Anwendung des Abkommens als Ursprungswaren Syriens, sofern sie im Sinne des Art. 5 unmittelbar befördert worden sind: a) Waren, die vollständig in Syrien hergestellt worden sind, b) Waren, die in Syrien unter Verwendung anderer als vollständig in Syrien hergestellter Waren hergestellt worden sind, wenn diese Waren im Sinne des Art. 3 in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden sind. Dieser Voraussetzung bedarf es nicht bei Waren, die im Sinne dieses Protokolls Ursprungswaren der Gemeinschaft sind.
Titel II des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens (Art. 6 bis 30) regelt die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen.
Gem. Art. 6 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens wird der Nachweis, dass Waren die Ursprungseigenschaft im Sinne dieses Protokolls besitzen, durch eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 erbracht, deren Muster im Anhang V dieses Protokolls wiedergegeben ist.
Nach Art. 7 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens wird die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 bei der Ausfuhr der Waren, auf die sie sich bezieht, von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats ausgestellt. Sie wird zur Verfügung des Ausführers gehalten, sobald die Ausfuhr tatsächlich erfolgt oder sichergestellt ist.
Gem. Art. 8 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens wird die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 von den Zollbehörden des Ausfuhrstaats ausgestellt, wenn die Waren als Ursprungswaren im Sinne dieses Protokolls angesehen werden können.
Um die ordnungsgemäße Anwendung dieses Titels zu gewährleisten, leisten gem. Art. 22 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens Syrien und die Gemeinschaft einander durch ihre Zollverwaltungen Amtshilfe bei der Prüfung der Echtheit der Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1, der Richtigkeit der Angaben über den tatsächlichen Ursprung der betreffenden Waren und der Erklärungen der Ausführer auf den Formblättern EUR.2.
Art. 24 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens lautet: Abs. 1: Die nachträgliche Prüfung der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 oder der Formblätter EUR.2 erfolgt stichprobenweise; sie wird immer dann vorgenommen, wenn die Zollbehörden des Einfuhrstaats begründete Zweifel an der Echtheit des Dokuments oder an der Richtigkeit der Angaben über den tatsächlichen Ursprung der betreffenden Waren haben. Abs. 2: Zur Anwendung von Absatz 1 senden die Zollbehörden des Einfuhrstaats die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 oder das Formblatt EUR.2 oder eine Fotokopie dieser Bescheinigung oder dieses Formblatts an die Zollbehörden des Ausfuhrstaats zurück und geben dabei gegebenenfalls die formalen oder sachlichen Gründe an, die eine Untersuchung rechtfertigen. Wenn die Rechnung bzw. eine Abschrift davon vorgelegt worden ist, so fügen sie diese dem Formblatt EUR.2 bei; sie teilen alle bekannten Umstände mit, die auf die Unrichtigkeit der Angaben in der Warenverkehrsbescheinigung oder im Formblatt schließen lassen. Wenden die Zollbehörden des Einfuhrstaats bis zum Eingang des Ergebnisses der Nachprüfung Titel I des Abkommens nicht an, so können sie dem Einführer vorbehaltlich der für notwendig erachteten Sicherungsmaßnahmen die Waren freigeben. Abs. 3: Das Ergebnis der nachträglichen Prüfung ist den Zollbehörden des Einfuhrstaats so schnell wie möglich mitzuteilen. Anhand des Ergebnisses muss sich feststellen lassen, ob die beanstandete Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 oder das beanstandete Formblatt EUR.2 für die tatsächlich ausgeführten Waren gilt und ob auch auf diese Waren wirklich die Vorzugsbehandlung Anwendung finden kann. Können die Zollbehörden des Einfuhrstaats und des Ausfuhrstaats diese Beanstandungen nicht klären oder treten Fragen der Auslegung dieses Protokolls auf, so werden diese Fälle dem Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen vorgelegt. Die Regelung von Streitfällen zwischen dem Einführer und den Zollbehörden des Einfuhrstaats unterliegt stets der Gesetzgebung des Einfuhrstaats.
Im Beschwerdefall war der Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr als Unterlage gem. Art. 218 Abs. 1 Buchstabe c) ZK-DVO die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 Nr. 32385 angeschlossen. Gem. Art. 6 Abs. 1 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens wurde damit der Nachweis, dass die Waren die Ursprungseigenschaft im Sinne dieses Protokolls besitzen, erbracht. Die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 entspricht dem Muster, das im Anhang V dieses Protokolls wiedergegeben ist. Die österreichischen Zollbehörden veranlassten jedoch eine nachträgliche Prüfung der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 im Sinne des Art. 24 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens. Der Begründung der angefochtenen Berufungsvorentscheidung zufolge wurde eine nachträgliche Prüfung der Warenverkehrsbescheinigung wegen begründeter Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit des Präferenznachweises eingeleitet. Allerdings wurden weder in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vom 20. Februar 2003, Zl. 100/76531/2002-26, noch in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung die begründeten Zweifel dargelegt.
Die "UP-Verifizierungsstelle", des Bundesministeriums für Finanzen, 7000 Eisenstadt, sendete mit Schreiben vom 14. Jänner 2002, Zl. 330/00017/2002, die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 an die Zollbehörden des Ausfuhrstaats Syrien zurück und gab dabei als Grund, der eine Untersuchung rechtfertigt, an, dass laut einer Mitteilung der Europäischen Kommission (OLAF) zur Herstellung der im Präferenznachweis angeführten Waren gewirkte Erzeugnisse mit drittländischem Ursprung verwendet worden seien. Das Schreiben enthielt auch die Aufforderung, über die Herstellung der Waren zu informieren und - für den Fall, dass es sich um Ursprungserzeugnisse Syriens handelt, - die relevanten Nachweise in Kopie zu übersenden. Mit Schreiben vom 8. Juli 2002 wurde die Antwort der ersuchten Behörde urgiert.
Unter Bezugnahme auf diese beiden Schreiben antwortete die ersuchte Behörde (Zl. 396-2423/D/2002 vom 29. September 2002), dass eine Überprüfung die Richtigkeit der Angaben in der Warenverkehrsbescheinigung ergeben hat und die betreffenden Waren syrischen Ursprungs sind.
Daraufhin sendete die "UP-Verifizierungsstelle" den Präferenznachweis mit einem weiteren Schreiben vom 17. Oktober 2002, Zl. 330/00002/2002, erneut an die syrischen Zollbehörden, da aufgrund der Mitteilung der Europäischen Kommission (OLAF), der zufolge die Waren aus drittländischen Geweben oder Gewirken hergestellt worden seien, die Zweifel nicht ausgeräumt seien, zumal entsprechende Angaben über die Herstellung der Waren sowie Unterlagen über den Ursprung der Vormaterialien fehlen würden. Da eine Antwort der ersuchten Behörde ausblieb, verfasste die "UP-Verifizierungsstelle" am 3. Februar 2003 ein Urgenzschreiben. Im Zuge einer österreichischen Wirtschaftsmission vom 12. März 2004 bis 20. März 2004 in Jordanien, Syrien und Libanon hatte die Bf. Gelegenheit, in dieser Angelegenheit bei den zuständigen syrischen Zollbehörden vorzusprechen. Diese teilten mit, dass die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 mit entsprechender Bestätigung im Feld 14 bereits mit Schreiben vom 9. März 2003 an die österreichische Zollverwaltung gesandt worden wäre. Darin wurde auch auf das Ersuchen der "UP-Verifizierungsstelle" vom 17. Oktober 2002 Bezug genommen. Die Bf. erhielt eine Kopie dieses Schreibens, die sie mit Eingabe vom 26. April 2004 dem Unabhängigen Finanzsenat vorlegte. Nach den vorgelegten Verwaltungsakten ist weder dieses Schreiben noch die im Feld 14 bestätigte Warenverkehrsbescheinigung bei den österreichischen Zollbehörden eingelangt.
In den Urteilen vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 218/83 (Les Rapides Savoyards u. a., Slg. 1984, 3105), vom 7. Dezember 1993 in der Rechtssache C-12/92 (Huygen u. a., Slg. 1993, I-6381), vom 5. Juli 1994 in der Rechtssache C-432/92 (Anastasiou u. a., Slg. 1994, I-3087) und vom 14. Mai 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-153/94 und C-204/94 (Faroe Seafood u. a., Slg. 1996, I-2465) hat der Europäische Gerichtshof Vorschriften eines Systems der Zusammenarbeit der Verwaltungen ausgelegt, das dem System ähnelt, um das es im vorliegenden Beschwerdefall geht. Diese Urteile bezogen sich auf das in Brüssel am 22. Juli 1972 unterzeichnete Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizer Eidgenossenschaft (ABl. L 300, S. 189), das in Brüssel am 22. Juli 1972 unterzeichnete Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich (ABl. L 300, S. 2), das Abkommen vom 19. Dezember 1972 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern (ABl. 1973, L 133, S. 2) bzw. die Verordnung (EWG) Nr. 3184/74 der Kommission vom 6. Dezember 1974 über die Bestimmung des Begriffes "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen für die Anwendung der Zollregelung für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung in und Herkunft aus den Faroeer (ABl. L 344, S. 1). Nach dieser Rechtsprechung beruht die Bestimmung des Warenursprungs auf einer Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Behörden des Einfuhr- und denen des Ausfuhrstaats; während ersterer - gegebenenfalls auf Antrag der Behörden des Einfuhrstaats - den Ursprung bestimmt, wird das Funktionieren der Regelung durch die Zusammenarbeit der beteiligten Verwaltungen beider Seiten gesichert. Diese Regelung rechtfertigt sich dadurch, dass die Behörden des Ausfuhrstaats am besten in der Lage sind, die für den Ursprung maßgebenden Tatsachen unmittelbar festzustellen (Urteil Faroe Seafood u. a., a. a. O., Randnr. 19). Der Gerichtshof hat in diesen Urteilen ferner darauf hingewiesen, dass dieser Mechanismus nur funktionieren kann, wenn die Zollverwaltung des Einfuhrstaats die von den Behörden des Ausfuhrstaats rechtmäßig vorgenommenen Beurteilungen anerkennt (Urteil Faroe Seafood u. a., a. a. O., Randnr. 20).
Das "Ergebnis der Prüfung" im Sinne von Art. 24 Abs. 3 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens soll den Behörden des Einfuhrmitgliedstaats die Feststellung ermöglichen, ob die beanstandete Bescheinigung EUR.1 für die tatsächlich ausgeführten Waren gilt und ob auf diese tatsächlich die Vorzugsbehandlung angewendet werden kann. Diese Vorschrift verpflichtet die Behörden des Ausfuhrstaats nicht, das Ergebnis ihrer Prüfung der Gültigkeit der Bescheinigung zu begründen. Die Mitteilung vom 29. September 2002 ist folglich als "Ergebnis der Prüfung" im Sinne von Art. 24 Abs. 3 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens anzusehen (vgl. EuGH 17.7.1997, Rs C-97/95 ).
Nach den Bestimmungen des Kooperationsabkommens sind nur die Zollbehörden des Ausfuhrstaats befugt und in der Lage, den fraglichen Sachverhalt in Bezug auf den Ursprung der Waren zu prüfen und zu beurteilen. Die Mitteilungen vom 29. September 2002 und 9. März 2003 stellen einen positiven Akt der Bestätigung des Ursprungs durch die Behörden des Ausfuhrstaats dar. Gem. Art. 24 Abs. 3 des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens lässt sich anhand des durch die Zollbehörden des Ausfuhrstaats mitgeteilten Ergebnisses der nachträglichen Prüfung feststellen, dass die beanstandete Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 für die tatsächlich ausgeführten Waren gilt und dass auch auf diese Waren wirklich die Vorzugsbehandlung Anwendung finden kann. Die vom Hauptzollamt Wien vorgebrachten begründeten Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit des Präferenznachweises wurden weder im erstinstanzlichen Bescheid noch in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung näher dargelegt. Auch in den genannten Amtshilfeersuchen an die Behörden des Ausfuhrstaats erschöpft sich die Darstellung der begründeten Zweifel im bloßen Hinweis auf eine Mitteilung der Europäischen Kommission (OLAF), wonach die in der Warenverkehrsbescheinigung angeführten Waren aus (gewebten bzw. gewirkten) Erzeugnissen mit Drittlandsursprung hergestellt worden wären. Wie die Europäischen Kommission zu dieser Annahme gelangt ist und ob auch im Beschwerdefall ausreichend fundierte Verdachtsmomente vorliegen, die diese begründeten Zweifel abstützen, lässt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnehmen. Im Übrigen sind bei dieser Beweislage die Zweifel durch die Mitteilungen der Behörden des Ausfuhrstaats vom 29. September 2002 und 9. März 2003, die in Beantwortung der Nachprüfungsersuchen den Ursprung der Waren positiv bestätigten, ausgeräumt. Die syrischen Zollbehörden übermittelten mit Schreiben vom 29. September 2002 in dieser Angelegenheit zudem weitere Unterlagen in arabischer Sprache. Von einer Übersetzung dieser Unterlagen nahmen die österreichischen Zollbehörden jedoch Abstand, sodass das Vorbringen der belangten Behörde in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung und in der ergänzenden Stellungnahme vom 20. Dezember 2004, die Behörden des Ausfuhrstaats seien auf die im Nachprüfungsersuchen vorgebrachten begründeten Zweifel nicht (ausreichend) eingegangen, nicht nachvollziehbar ist. Sind die Zollbehörden des Einfuhrstaats im Übrigen der Ansicht, dass die Beanstandungen nicht geklärt sind, wäre das in Art. 24 Abs. 3 zweiter Unterabsatz des Protokolls Nr. 2 des Kooperationsabkommens geregelte Verfahren durchzuführen. Dies ist nach den vorgelegten Aktenunterlagen nicht geschehen. Das Kooperationsabkommen sieht aber keine Befugnis einer Vertragspartei vor, von den Zollbehörden der anderen Vertragspartei ausgestellte Präferenznachweise für ungültig zu erklären und das Abkommen nicht anzuwenden. Eine solche Vorgangsweise ist schwerlich vereinbar mit dem Grundsatz der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Zollbehörden der Vertragsparteien und dem Grundsatz, dass die Zollverwaltung des Einfuhrstaats die von den Behörden des Ausfuhrstaats rechtmäßig vorgenommenen Beurteilungen anerkennt (EuGH 7.12.1993, Rs C-12/92 ; EuG 10.5.2001, T-186/97 u.a.).
Der in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung vertretenen Ansicht, die materiell-rechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Präferenz sei nicht nachgewiesen worden, kann somit aufgrund der Aktenlage nicht gefolgt werden. Aus den angeführten Gründen erfolgten im Beschwerdefall die Präferenzverweigerung und die Abgabennachforderung zu Unrecht. Der Beschwerde war daher Folge zu geben. Ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Zulässigkeit der Überprüfung von nichtpräferentiellen Ursprungsnachweisen im Sinn des Art. 26 Zollkodex konnte unterbleiben.
Hinweis: Hinsichtlich der sich aus der Berufungsentscheidung ergebenden Gutschrift in der Höhe von 6.821,17 Euro (5.907,39 Euro an Zoll und 913,78 Euro an Abgabenerhöhung) wird das Zollamt Wien nach den Bestimmungen der BAO das Weitere veranlassen.
Linz, 27. Dezember 2004
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Zoll |
betroffene Normen: | Art. 20 Abs. 1 ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1 |
Schlagworte: | Präferenzzollsatz, Verifizierung, Nachprüfungsersuchen, Präferenzverweigerung, Kooperationsabkommen, Syrien, Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 |