Berufsausbildung, Praktikum, freiwilliges soziales Jahr
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom 18. Dezember 2002 gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 2. Dezember 2002 betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum 10/2001 bis 07/2002 entschieden:
Der Berufung wird im Umfang der Berufungsvorentscheidung vom 27.1.2003 teilweise Folge gegeben.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt Innsbruck erließ am 2.12.2002 einen Bescheid, mit dem Antrag der Berufungswerberin (Bw.) auf Gewährung der Familienbeihilfe (FB) für die Zeit von 10/2001 bis 7/2002 für die Tochter J abgewiesen wurde.
Das Finanzamt führte im Abweisungsbescheid nach Wiedergabe der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 Folgendes aus: "Ihre Tochter absolvierte in der Zeit vom 3.9.2001 bis 5.7.2002 ein freiwilliges soziales Jahr. Für die Ausbildung an der Fachschule der Caritas ist ein Praktikum von mindestens zwei Monaten erforderlich. Das Praktikum kann in den Ferien abgelegt werden. Da ein freiwilliges soziales Jahr für die Ausbildung nicht erforderlich ist, muss der Antrag auf FB abgewiesen werden."
Gegen den angeführten Bescheid erhob die Bw. form- und fristgerecht Berufung. In der Rechtsmittelschrift, die in den Antrag auf antragsgemäße Zuerkennung der FB mündet, wird begründend vorgebracht: "Meine Tochter besuchte die 3- jährige HBLA in I und hat anschließend ein freiwilliges soziales Jahr beim E gemacht. Dieses freiwillige soziale Jahr ist überaus schlecht honoriert. Die Kinderbeihilfe (KB) macht mehr aus. Da die Wahrscheinlichkeit , dass sie mit diesem freiwilligen sozialen Jahr in der heilpädagogischen Schule unterkommt, bei weitem größer war (wie sich erwiesen hat) und uns die Mitteilung der Schule gemacht wurde, dass sie die KB rückerstattet bekommt, bin ich der Meinung, dass uns sehr wohl die KB zusteht. Zumal eine Kollegin meiner Tochter (OÖ), die den selben Werdegang wie meine Tochter hatte, die KB für das freiwillige soziale Jahr rückerstattet bekam. Da die Gesetzeslage in Österreich überall gleich sein sollte, bin ich sehr verwundert, dass wir eine Absage erhalten haben. Leider ist es so, wenn man im sozialen Bereich tätig ist, dies überaus schlecht honoriert wird. Dabei können wir froh sein, dass es solche Menschen gibt, die sich mit Behinderten udgl. beschäftigen. Ich habe meine Tochter alleine aufgezogen und das war ganz bestimmt nicht einfach für mich/uns."
Das Finanzamt erließ am 27.1.2003 eine Berufungsvorentscheidung, wobei der Berufung dahingehend teilweise Folge gegeben wurde, dass die Abweisung auf den Zeitraum 1.11.2001 bis 31.7.2002 eingeschränkt und die FB für den Monat Oktober 2001 zuerkannt wurde. In der Berufungsvorentscheidung wurde § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 erneut wiedergegeben und ausgeführt:
" Ihre Tochter hat die Höhere Bundeslehranstalt mit 20.6.2001 abgeschlossen und machte vom 3.9.2001 bis 5.7.2001 ein soziales Jahr im E um bessere Aufnahmechancen für die im September 2002 begonnene Lehranstalt für Heilpädgagogische Berufe zu haben. Laut Schulleitung dieser Schule ist aber lediglich ein Praktikum von 2 Monaten Aufnahmevoraussetzung. Umfangreichere Erfahrungen bringen nur bessere Vorkenntnisse und eine solidere Basis mit sich. Da es für den Anspruch auf FB unerheblich ist, ob ihre Tochter durch die genannte Tätigkeit im E bessere Chancen für die Aufnahme an einer bestimmten Schule hat und es sich bei diesem Praktikum weder um eine schulische noch kursmäßige Ausbildung gehandelt hat, konnte Ihrer Berufung nur insoweit entsprochen werden, dass für 2 Monate, in denen das Praktikum verpflichtend vorgeschrieben ist, FB gewährt werden konnte."
Mit Schreiben vom 12.2.2003 beantragte die Bw. fristgerecht die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz. Im Vorlageantrag wird ergänzend vorgebracht: Ein Kind mit derselben Vorgeschichte habe in Oberösterreich die KB erhalten. In der Begründung der Berufungsvorentscheidung sei mit keinem Wort erklärt, warum es in Oberösterreich möglich ist und in Tirol nicht. Die Bw. sei auch "gerne bereit", mit dieser Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu gehen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, idF. BGBl. 433/1996 (gültig ab dem Sommersemester 1997), besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einen erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Unter den Begriff "Berufsausbildung" fallen alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem bestimmten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (VwGH 23.1.1999, 87/14/0031, und 18.11.1987, 87/13/0135). Ein Praktikum fällt nur dann unter diesen Begriff, wenn es eine unbedingte Voraussetzung für die Aufnahme an eine Lehranstalt darstellt. Der bloße Umstand, dass durch den Besuch des Praktikums die Aufnahmechancen erhöht werden, reicht nicht aus. Aus der von der Bw. vorgelegten Bestätigung der Lehranstalt für Heilpädagogische Berufe (Caritas) v. 17.10.2001 (Bl. 1 d. A.) geht hervor, dass für die Aufnahme an der angeführten Lehranstalt nur ein Praktikum in der Dauer von mindestens zwei Monaten Voraussetzung ist. Die Vorinstanz ist daher zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass der die Mindestzeit von zwei Monaten übersteigende Zeitraum des Praktikums keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 b FLAG 1967 darstellt und für diesen Zeitraum daher auch kein Anspruch auf FB besteht. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein Praktikum insoweit keine Berufsausbildung darstellt, als es nicht zwingender Teil der Ausbildung für den angestrebten speziellen Beruf ist. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die im Praktikum gewonnenen Erfahrungen -wie im gegenständlichen Fall- für die künftige Berufsausbildung bzw. -ausübung wertvoll sind.
Auch das von der Bw. in der Berufung vorgebrachte Argument, dass von einer Abgabenbehörde in einem vergleichbaren Fall die FB gewährt worden sei, kann der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen, da der Unabhängige Finanzsenat (UFS) seine Entscheidungen ausschließlich aufgrund der Sach- und der geltenden Rechtslage zu treffen hat. Allfällige anders lautende Entscheidungen von Abgabenbehörden in Dritte betreffenden Verfahren sind daher für den gefertigten Referenten nicht bindend.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Innsbruck, am 21. Juli 2004
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte: | Berufsausbildung, Praktikum, freiwilliges soziales Jahr |
Verweise: |