Zollschuldentstehung für Nichtgemeinschaftswaren, die zum Ausfuhrverfahren unter Verwendung des Verfahrenscodes 1000 angemeldet werden; Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld – sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 921/04 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 4.10.2004 abgelehnt. Mit Beschluss vom 30.11.2004 an den VwGH zur Zl. 2004/16/0257abgetreten. Mit Erk. v. 18.9.2007 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde der Bf., vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft, gegen den Bescheid (Berufungsvorentscheidung) des Hauptzollamtes Wien vom 15. Februar 2001, GZ. 100/52671/99-113, betreffend Eingangsabgaben, entschieden:
Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:
Die Bf. hat die in der Abgabenberechnung näher angeführten Nichtgemeinschaftswaren dadurch der zollamtlichen Überwachung entzogen, dass sie diese mit Zollanmeldung vom 17. Oktober 1997, WE-Nr.: 998, zum Ausfuhrverfahren angemeldet hat. Gem. Art. 203 Abs. 1 und Abs. 3 erster Anstrich Zollkodex (ZK), Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992, S. 1) in Verbindung mit Art. 865 Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO), Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 (ABIEG Nr. L 253 vom 11. Oktober 1993, S.1) und § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG), BGBl. Nr. 659/1994, ist für sie die Eingangsabgabenschuld in nachstehender Höhe entstanden:
Abgabenart | Betrag in S | Betrag in € |
Zoll (Z1) | 34.970,00 | 2.541,37 |
Einfuhrumsatzsteuer (EU) | 173.517,00 | 12.609,97 |
Summe | 208.487,00 | 15.151,34 |
Jene Spruchteile, die die buchmäßige Erfassung, Mitteilung und Fälligkeit der Eingangsabgaben betreffen, bleiben unverändert.
Die den Entscheidungsgründen folgende Abgabenberechnung bildet einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Die Beschwerde wird im Übrigen als unbegründet abgewiesen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 85c Abs. 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) iVm § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 85c Abs. 7 ZollR-DG steht der Berufungsbehörde der ersten Stufe das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Anlässlich der am 30. August 1999 durch das Hauptzollamt Wien durchgeführten Lagerbestandsaufnahme im Zolleigenlager, Typ C, Kenn-Nr. 123/123, der Bf. wurde u.a. festgestellt, dass die unter Lagerpost 422/001/7/2 eingelagerten Nichtgemeinschaftswaren (6 Packstücke, 2.469,00 kg) mit der Bezeichnung "Transmissions" fehlten (Niederschrift vom 30. August 1999, GZ. 100/52671/99). Die Bf. wurde gleichzeitig aufgefordert, die zur Geltendmachung der Zollschuld erforderlichen Unterlagen beizubringen. Mit Eingabe vom 10. September 1999 gab die Bf. bekannt, dass die gegenständlichen Nichtgemeinschaftswaren mit Zollanmeldung vom 17. Oktober 1997, WE-Nr. 998, zur Ausfuhr aus dem freien Verkehr (Code 1000 0 im Feld 37 der Zollanmeldung) angemeldet und anschließend mit Carnet TIR, WE-Nr. 999, nach Rumänien ausgeführt, worden sei. Zum Nachweis ihrer Ausführungen legte die Bf. zwei Lagerblätter und eine Carnet TIR-Ladeliste bei.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2000, Zl. 100/52671/99-78, teilte das Hauptzollamt Wien gem. Art. 221 Abs. 1 ZK (Zollkodex) der Bf. eine für die oben angeführten Waren gemäß Artikel 203 Abs. 3 erster Anstrich und Art. 213 ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG entstandene und in der Folge gem. Art. 217 Abs. 1 ZK buchmäßig erfasste Eingangsabgabenschuld in der Höhe von insgesamt 16.377,55 Euro/225.360,00 S (davon 2.747,03 Euro/37.800,00 S an Zoll und 13.630,52 Euro/187.560,00 S an Einfuhrumsatzsteuer) mit. Dies mit der Begründung, in ein Zolllager eingelagerte Nichtgemeinschaftswaren würden der zollamtlichen Überwachung unterliegen bis sie ihren zollrechtlichen Status ändern, in eine Freizone oder Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Art. 182 ZK vernichtet oder zerstört würden (Art. 37, 98 ZK). Die Bf. als Lagerhalterin sei gem. Art. 101 Buchstabe a ZK verantwortlich, dass die Waren während ihres Verbleibs im Zolllager nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen würden. Eine Ware werde der zollamtlichen Überwachung entzogen, wenn ein Tun oder Unterlassen zur Folge habe, dass konkret begonnene zollamtliche Überwachungsmaßnahmen nicht weiter durchgeführt werden könnten. Nach Zitierung der Art. 203 Abs. 3 ZK und Art. 865 ZK-DVO wurde weiter begründend ausgeführt, dass für die gegenständlichen Waren infolge deren Abfertigung "mit einer freien Ausfuhr" die Zollschuld gem. Art. 203 ZK in Verbindung mit Art. 865 ZK-DVO entstanden sei. Die Bemessungsgrundlagen seien gem. § 184 Bundesabgabenordnung (BAO) geschätzt worden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. mit Eingaben vom 30. August 2000 und 19. Oktober 2000 innerhalb der mehrfach verlängerten Berufungsfrist den Rechtsbehelf der Berufung. Die am Zolllager der Bf. befindlichen sechs Cll. "Transmissions" seien aus dem Zolllager in ein Drittland, nach Malaysia, ausgeführt worden. Hiebei sei bei zwei Versendungen irrtümlich die Versendung im Verfahren AT 1000, bei einer eine Versendung im Vormerkverfahren (Ausbesserung, Verfahren 3151) durchgeführt worden. Die Waren seien aber aus dem Gemeinschaftsgebiet der EU endgültig ausgeführt worden. Richtig sei, dass im vorstehend angeführten Fall tatsächlich Fehler insoweit entstanden seien, als die Waren nicht mit dem richtigen Zollverfahren (nämlich T1, oder Verfahren 3171) aus dem EU-Zollgebiet ausgeführt worden seien. Alle Waren seien allerdings tatsächlich aus dem EU-Zollgebiet ausgeführt und in Drittstaaten einfuhrverzollt worden, was zum Großteil auch durch entsprechende Einfuhrzollbestätigungen der jeweils ausländischen Zollämter nachgewiesen werde. Hiedurch sei es nicht zu einer Entziehung der Waren gem. Art. 203 ZK gekommen, sondern lediglich zu sonstigen Verfehlungen nach Art. 204 ZK, die sich überdies nachweislich nicht wirklich ausgewirkt hätten: Denn tatsächlich seien alle Waren nicht im EU-Zollgebiet verblieben, sondern aus dem EU-Zollgebiet ausgeführt worden. Eine abgabenfreie Wiedereinfuhr sei aufgrund des Umstandes, dass die Waren tatsächlich in Drittstaaten einfuhrverzollt worden seien, auch nicht mehr möglich: Vielmehr hätten die Waren jeweils den Status einer ausländischen Ware erhalten, sodass eine abgabenfreie Wiedereinfuhr in das EU-Zollgebiet nicht möglich sei. Aus diesem Grund seien die Abgabenvorschreibungen zu Unrecht erfolgt.
Zu Unrecht sei auch jeweils die Einfuhrumsatzsteuer vorgeschrieben worden: Die Waren seien tatsächlich nicht in Österreich in Verkehr gebracht worden, sondern jeweils - wie nachgewiesen - in das EU-Ausland ausgeführt worden: Eine Einfuhr der Waren nach Österreich liege daher nicht vor, sodass aus diesem Grunde schon Einfuhrumsatzsteuer nicht vorgeschrieben werden könne. Darüber hinaus seien die jeweiligen Empfänger vorsteuerabzugsberechtigt, sodass aus diesem Grund eine Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer nicht rechtmäßig sei. Die Beschränkung der Nachsicht gem. § 72 ZollR-DG von der Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer auf Vorschreibungen gem. Art. 220 ZK und Art. 201 ZK sei überdies sachlich nicht gerechtfertigt und verfassungswidrig: Es sei kein sachlich gerechtfertigter Grund vorhanden, in Fällen wie diesen einem Unternehmen in Österreich, das nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, Einfuhrumsatzsteuer vorzuschreiben, obwohl die Ware selbst im Inland nicht in Verkehr gebracht worden sei und somit - mangels Berechtigung zum Vorsteuerabzug - Einfuhrumsatzsteuer als endgültige Steuer einem österreichischen Unternehmen für nicht im Inland eingeführte Ware vorgeschrieben werde.
Gleichzeitig stellte die Bf. einen Antrag auf Erstattung, über den nach den vorgelegten Verwaltungsakten vom Hauptzollamt (nunmehr Zollamt) Wien bislang noch nicht entschieden wurde.
Das Hauptzollamt Wien wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 15. Februar 2001, Zl. 100/52671/99-113, als unbegründet ab.
Gegen diese Berufungsvorentscheidung richtet sich die gem. § 85c Abs. 1 ZollR-DG fristgerecht erhobene Beschwerde vom 20. März 2001. Über das Vorbringen der Berufung vom 19. Oktober 2000 hinausgehend heißt es in der Beschwerdebegründung, die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer sei auch systemwidrig und sachlich nicht gerechtfertigt. Der Zweck der Einfuhrumsatzsteuer ergebe sich aus dem Bestimmungslandprinzip, also aus der Aufgabe der Umsatzsteuer, den Verbrauch im Inland zu besteuern (vgl. Doralt/Ruppe, Steuerrecht I6 (1998) 359, 404). Das Bestimmungslandprinzip solle sicherstellen, dass der Konsument importierter Waren die gleiche Steuerbelastung zu tragen habe wie der Konsument heimischer Waren (bzw. der importierende Unternehmer den gleichen Steuersatz anzuwenden habe wie der heimische Unternehmer). Weiters solle sichergestellt werden, dass das Umsatzsteueraufkommen dem Staat zufließe, in dem der Verbrauch stattfinde. Die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer sei daher nur in jenen Fällen sachgerecht, in denen Waren aus einem Drittstaat nach Österreich gelangen und hier in den Wirtschaftskreislauf (etwa in den zollrechtlich freien Verkehr) überführt werden sollen. Im gegenständlichen Fall habe die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer jedoch nicht der Sicherstellung des dargestellten Bestimmungslandprinzips gedient. Die Einfuhrumsatzsteuer sei nicht etwa deshalb vorgeschrieben worden, weil Waren, die aus einem Drittlandsgebiet nach Österreich gelangt seien, hier in den zollrechtlich freien Verkehr oder sonst in den Wirtschaftskreislauf überführt worden wären, sondern allein wegen einer versehentlich falschen Angabe in den Zollpapieren. Diese Verfehlung ändere aber nichts daran, dass die Waren aus Österreich und der EU ausgeführt worden seien. Die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer sei im gegenständlichen Fall daher systemwidrig. Die. Bf. werde in dieser Hinsicht zudem ohne sachlich gerechtfertigten Grund gleich behandelt wie jemand, der die Waren in Österreich in den zollrechtlich freien Verkehr überführt habe. Der Bescheid behandle daher Fälle, die wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich aufweisen, gleich und verstoße daher auch gegen den Gleichheitsgrundsatz (VfSlg 8217, 8806, 13.558, 13.965; Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 (2000) 1347).
Da die Bf. die vorgeschriebene Einfuhrumsatzsteuer weder selbst als Vorsteuer absetzen noch auch weiter verrechnen könne, nehme die EUst darüber hinaus den Charakter einer Geldstrafe an. Damit werde die Bf. ohne sachlich gerechtfertigten Grund nicht nur so behandelt, als hätte sie die Waren in Österreich in den zollrechtlich freien Verkehr überführt, sie werde gegenüber diesen Fällen sogar schlechter behandelt. Ein Spediteur, der Waren aus seinem Zolllager auslagern und zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr anmelden würde, könne die an ihn allenfalls vorgeschriebene Einfuhrumsatzsteuer nämlich unter Übermittlung der entsprechenden Belege an den verfügungsberechtigten Unternehmer weiterverrechnen. Dieser könne die EUst seinerseits als Vorsteuer geltend machen. Der Spediteur wäre somit von der EUst nicht belastet. Auch diese Schlechterstellung sei sachlich keinesfalls gerechtfertigt.
Soweit die Behörde auf die Dreimonats-Frist nach Art. 66 ZK verweise, sei darauf hinzuweisen, dass nach Art. 251 ZK-DVO die Überschreitung einer derartigen Frist von den Zollstellen zugelassen werden könne. Warum eine Überschreitung der Dreimonats-Frist nicht genehmigt worden sei, habe das Hauptzollamt Wien nicht begründet und daher sei schon aus diesem Grund der Bescheid rechtswidrig.
Gleichzeitig stellte die Bf. neuerlich einen Antrag auf Ungültigerklärung und Erlass der Zollschuld nach Art. 233 ZK.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, unterliegen gem. Art. 37 Abs. 1 Zollkodex (ZK), Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ( ABlEG Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992, S. 1) vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht zollamtlich geprüft werden. Sie bleiben gem. Art. 37 Abs. 2 ZK so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Artikels 82 Absatz 1 ZK, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Artikel 182 ZK vernichtet oder zerstört werden.
Nach Art. 51 Abs. 1 ZK dürfen vorübergehend verwahrte Waren ausschließlich an von den Zollbehörden zugelassenen Orten und unter den von diesen Behörden festgelegten Bedingungen gelagert werden.
Sind die Orte im Sinne des Art. 51 Abs. 1 des Zollkodex dauernd für die Lagerung von vorübergehend verwahrten Waren zugelassen worden, so werden sie gem. Art. 185 Abs. 1 ZK-DVO als "Verwahrungslager" bezeichnet.
Gem. Art. 91 Abs. 1 Buchstabe a ZK können im externen Versandverfahren Nichtgemeinschaftswaren, ohne dass diese Waren Einfuhrabgaben, anderen Abgaben oder handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, zwischen zwei innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft gelegenen Orten befördert werden. Nach Abs. 3 der bezeichneten Gesetzesstelle gilt das externe Versandverfahren unbeschadet der besonderen Bestimmungen für die Beförderung von Waren, die sich in einem Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung befinden.
Nach Art. 84 Abs. 1 Buchstaben a und b ZK gehört das Zolllagerverfahren sowohl zu den "Nichterhebungsverfahren" als auch zu den "Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung".
Ein Nichterhebungsverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung endet gem. Art. 89 Abs. 1 ZK, wenn die in dieses Verfahren übergeführten Waren oder gegebenenfalls die im Rahmen dieses Verfahrens gewonnenen Veredelungs- oder Umwandlungserzeugnisse eine zulässige neue zollrechtliche Bestimmung erhalten. Wird ein Zollverfahren nicht unter den vorgesehenen Voraussetzungen beendet, so treffen die Zollbehörden nach Absatz 2 der bezeichneten Gesetzesstelle alle erforderlichen Maßnahmen zur Regelung des Falls.
Nichtgemeinschaftswaren können gem. Art.182 Abs. 1 ZK - aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft wiederausgeführt werden; - vernichtet oder zerstört werden; - zugunsten der Staatskasse aufgegeben werden, wenn diese Möglichkeit nach einzelstaatlichem Recht vorgesehen ist.
Gem. Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Die Zollschuld entsteht nach Art. 203 Abs. 2 ZK in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Zollschuldner nach Absatz 3 der bezeichneten Gesetzesstelle sind: - die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat; - die Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie die Ware der zollamtlichen Überwachung entziehen; - die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war; - gegebenenfalls die Person, welche die Verpflichtungen einzuhalten hatte, die sich aus der vorübergehenden Verwahrung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben.
Gem. Art. 865 ZK-DVO stellen die Zollanmeldung einer Ware oder jede andere Handlung mit den gleichen Rechtswirkungen sowie die Vorlage eines Dokuments zur Bescheinigung durch die zuständigen Behörden ein Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne des Art. 203 Abs. 1 des Zollkodex dar, wenn dieses Vorgehen zur Folge hat, dass der Ware fälschlicherweise der zollrechtliche Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt wird.
Gem. Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als den in Art. 203 ZK genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabepflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben.
Art. 185 Abs. 1 ZK lautet: Gemeinschaftswaren, die aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden sind und innerhalb von drei Jahren wieder in dieses Zollgebiet eingeführt und dort in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, werden auf Antrag des Beteiligten von den Einfuhrabgaben befreit.
Die Bf. betreibt ein Zolllager, das auch als Verwahrungslager gem. den Art. 185 bis 187 ZK-DVO zugelassen ist. Für die im Anschluss an ein externes Versandverfahren (T1 Nr. 001100 vom 9. September 1997) nach vorübergehender Verwahrung in das Zolllagerverfahren übergeführten Nichtgemeinschaftswaren ist im Beschwerdefall die Zollschuld gem. Art. 203 Abs. 1 ZK in Verbindung mit Art. 865 ZK-DVO entstanden, weil diese zur Ausfuhr als Gemeinschaftswaren (Art. 161 ZK) angemeldet worden sind. Dies ergibt sich aus dem im Feld 37 der Ausfuhranmeldung vom 17. Oktober 1997 angegebenen Verfahrenscode 1000 0, aus dem hervorgeht, dass die Waren als Gemeinschaftswaren ausgeführt werden sollten. Den Nichtgemeinschaftswaren wurde damit der Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt, mit der in Art. 865 ZK-DVO ausdrücklich normierten Rechtsfolge, dass für sie die Zollschuld durch Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung entstanden ist (siehe Witte, Kommentar zum Zollkodex³, Art. 203, Rz 14). Entgegen dem Vorbringen der Bf. ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, dass die Waren aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden sind. Da die Waren als Gemeinschaftswaren ausgeführt wurden, könnten sie theoretisch als solche wieder zollfrei in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführt worden sein, wenn ihre Rückwareneigenschaft (Art. 185 ZK) belegt worden wäre, zumal die Ausfuhrzollanmeldung mit dem Verfahrenscode 1000 0 als Rückwarennachweis dient. Die Zollschuld entsteht gem. Art. 203 Abs. 2 ZK im Moment des Entziehens, in dem Zeitpunkt also, in dem die konkret begonnene zollamtliche Überwachung den Zollbehörden nicht mehr möglich ist. Im Sonderfall des Art. 865 ZK-DVO ist der Zeitpunkt des Zuerkennens des zollrechtlichen Status der Gemeinschaftsware entscheidend (Witte, Kommentar zum Zollkodex³, Art. 203, Rz 15). Das ist im vorliegenden Fall der 17. Oktober 1997. Art. 865 ZK-DVO zufolge entstand zu diesem Zeitpunkt die Eingangsabgabenschuld in der Person der Bf. gem. Art. 203 Abs. 1 erster Anstrich ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG. Allein der Umstand, dass eine Ware in der Folge aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt wird, lässt die Entstehung der Zollschuld nicht entfallen.
Wegen des Vorranges des Art. 203 ZK gegenüber Art. 204 Abs. 1 ZK (Witte, Kommentar zum Zollkodex³, Art. 204, Rz 2) und der ausdrücklichen gesetzlichen Fiktion des Art. 865 ZK-DVO, wonach dieser Sachverhalt unter den Tatbestand des Art. 203 ZK zu subsumieren ist, bleibt im Beschwerdefall für eine Anwendung des Art. 204 Abs. 1 ZK kein Raum. Eine hier nicht zu klärende Frage ist, ob Erlass/Erstattung der Eingangsabgaben nach Art. 239 ZK in Betracht kommt (siehe auch Urteil des BFH vom 7. Mai 2002, VII R 26/01; Witte in AW-Prax 3/2003, 114).
Die mit Berufungsvorentscheidung vom 15. Februar 2001, Zl. 100/52671/99-113, erfolgte Abweisung der Berufung als unbegründet ist so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem angefochtenen (erstinstanzlichen) Bescheid im Spruch übereinstimmenden Bescheid erlassen hätte, der fortan an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt. Der Spruch der angefochtenen Berufungsvorentscheidung war daher um den Tatbestand des Art. 865 ZK-DVO zu ergänzen und insoweit sprachlich zu berichtigen.
Im erstinstanzlichen Abgabenverfahren wurde vom Hauptzollamt Wien der Zollwert nach Art. 31 Zollkodex ermittelt. Das Hauptzollamt Wien wurde daher mit Schreiben vom 1. September 2003 ersucht, zur Zollwertermittlung Stellung zu nehmen, sowie mit Schreiben des Unabhängigen Finanzsenates vom 6. November 2003 gem. § 279 Abs. 2 BAO beauftragt, das Ermittlungsverfahren betreffend die Zollwertermittlung gem. Art. 31 ZK zu ergänzen.
Kann der Zollwert der eingeführten Waren nicht nach den Art. 29 und 30 ZK ermittelt werden, so ist er gem. Art. 31 Abs. 1 ZK auf der Grundlage von in der Gemeinschaft verfügbaren Daten durch zweckmäßige Methoden zu ermitteln, die übereinstimmen mit den Leitlinien und allgemeinen Regeln - des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994, - des Artikels VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 sowie - der Vorschriften dieses Kapitels.
Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gem. § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist gem. Absatz 2 der bezeichneten Gesetzesstelle insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.
Zu bewerten waren die in der Ausfuhranmeldung vom 17. Oktober 1997, WE-Nr. 998, sowie in der beigelegten Handelsrechnung Nr. 9710794 vom 14. Oktober 1997 angeführten sechs Packstücke "A.A.T", welche zu einem Rechnungspreis von 86.075,00 USD (CIF Wien) von einem österreichischen Unternehmen an einen in Malaysia ansässigen Empfänger verkauft wurden. Es handelt sich dabei um Waren der Warennummer 8483 4096. In seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 2003 gab das Hauptzollamt Wien an, dass mangels genauerer Angaben zu Art und Beschaffenheit der Waren vom durchschnittlichen Exportpreis gleicher Waren von 34,39 USD per kg auf einen Exportpreis für 2.649 kg von 91.091,00 USD geschlossen worden sei. Umgerechnet zum Zollwertkurs (1 Euro = 1,0462 USD) auf 1,198.088,00 S (1 Euro = 13,7603 S) sei für Gewinn-, Liefer- und Gemeinkosten nach Erfahrungswerten ein Abschlag von 25% berücksichtigt und das Ergebnis auf 900.000,00 S gerundet worden.
Vom Hauptzollamt Wien wurde nunmehr nach Ergänzung der Zollwertermittlungen die Handelsrechnung Nr. 49141 vom 8. September 1997 vorgelegt, die das vor dem oben angeführten Exportgeschäft liegende Kaufgeschäft betrifft. Darin ist als Rechnungspreis 66.455,00 USD angegeben. Demzufolge hat sich die Zollwertermittlung nach Art. 31 ZK an diesen Grundlagen zu orientieren, weil diese dem Verkauf zur Ausfuhr in die Gemeinschaft am nächsten kommen. Mit dem im Zeitpunkt der Annahme der Ausfuhranmeldung am 17. Oktober 1997 gültigen Zollwertkurs von 1 USD = 12,529 S umgerechnet ergibt sich daher ein Zollwert in der Höhe von 832.614,70 S (60.508,47 Euro). Der angefochtene Bescheid war daher auch hinsichtlich der Abgabenhöhe zu berichtigen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss, wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (z.B.: VwGH 28.5.1997, 94/13/0032). Im Schätzungsverfahren besteht die Mitwirkungspflicht der Partei ( VwGH 17.10.1991, 91/13/0090 ). Der Bf. wurde daher mit Schreiben des Unabhängigen Finanzsenates vom 22. Jänner 2004 das Ergebnis der Zollwertermittlung vorgehalten und ihr die oben genannte Handelsrechnung vom 8. September 1997 zur Kenntnisnahme übermittelt. Die Bf. äußerte sich dazu nicht.
Zum Vorbringen der Bf. hinsichtlich der Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer (Punkt 2 a bis d der Beschwerde) ist vorweg festzustellen, dass der Unabhängige Finanzsenat als Verwaltungsbehörde zweiter Instanz an ordnungsgemäß kundgemachte Verordnungen und Gesetze gebunden ist. Es obliegt dieser Behörde daher nicht, über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder die Gesetzesmäßigkeit einer Verordnung zu befinden. Eine weitergehende Erörterung der von der Bf. vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere auch hinsichtlich der Bestimmung des § 72a ZollR-DG, die im Beschwerdefall nicht zur Anwendung kam, konnte daher unterbleiben.
§ 2 Abs. 1 ZollR-DG lautet: Das im § 1 ZollR-DG genannte gemeinschaftliche Zollrecht, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen, (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex) gelten weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten gemeinschaftsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.
Gem. § 1 Abs. 1 Z 3 Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 (UStG), unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Umsatzsteuer (Einfuhrumsatzsteuer). Eine Einfuhr liegt vor, wenn ein Gegenstand aus einem Drittlandsgebiet in das Inland, ausgenommen die Gebiete Jungholz und Mittelberg, gelangt.
Nach § 1 Abs. 2 UStG ist Inland das Bundesgebiet. Ausland ist das Gebiet, das hienach nicht Inland ist.
Gem. § 26 Abs. 1 erster Satz UStG gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den aktiven Veredlungsverkehr nach dem Verfahren der Zollrückvergütung und über den passiven Veredlungsverkehr.
Nach Abs. 3 der bezeichneten Gesetzesstelle sind die Hauptzollämter für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer zuständig.
Gem. Art. 4 Nr. 10 ZK sind Einfuhrabgaben - Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung bei der Einfuhr von Waren - bei der Einfuhr erhobene Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder aufgrund der für bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse geltenden Sonderregelungen vorgesehen sind Nach Art. 4 Nr. 9 ZK ist Zollschuld die Verpflichtung einer Person, die für eine bestimmte Ware im geltenden Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Einfuhrabgaben (Einfuhrzollschuld) oder Ausfuhrabgaben (Ausfuhrzollschuld) zu entrichten.
Das gemeinschaftliche Zollrecht, soweit es sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, gilt gem. § 2 Abs. 1 ZollR-DG auch für die sonstigen Eingangsabgaben, sohin auch für die Einfuhrumsatzsteuer, die nach § 26 Abs. 3 UStG von den Hauptzollämtern zu erheben ist. Die Anwendbarkeit der zollrechtlichen Vorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer ergibt sich daher bereits aus § 2 Abs. 1 ZollR-DG. § 26 Abs. 1 UStG wiederholt diese Anordnung. Art. 23 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern überlässt den Mitgliedstaaten die nähere Regelung der Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer. Insoweit ist die Anwendung zollrechtlicher Vorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht unproblematisch (siehe auch Ruppe UStG 1994², § 26 Tz 3-7). Die Detailregelungen des materiellen und formellen Rechts der Einfuhrumsatzsteuer erfolgt daher weitgehend nicht im UStG, vielmehr sind die Vorschriften über die Zölle sinngemäß heranzuziehen. Dies gilt vor allem für die Frage der Entstehung und des Umfanges der Steuerschuld (Ruppe UStG 1994², § 1 Tz 440). Zu den zollrechtlichen Vorschriften zählen auch die im Titel VII, Kapitel 2 des Zollkodex geregelten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über das Entstehen der Zollschuld, so auch Art. 203 ZK, der auf das Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung abstellt. Da § 26 Abs. 1 UStG die Anwendung der Zollvorschriften nicht schlechthin, sondern nur sinngemäß anordnet, gilt eine Zollvorschrift nur mit der Maßgabe, dass ihre Anwendung dem Sinn und Zweck der Einfuhrumsatzsteuer entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in § 26 UStG normierte Verweisung auf Zollvorschriften und damit auch auf die Bestimmungen des Zollkodex die jüngere Vorschrift ist. Während nämlich der Zollkodex am dritten Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992 in Kraft trat (vgl. Art. 253 Satz 1 ZK), trat das UStG 1994 erst mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union in Kraft (§ 28 Abs. 1 UStG). Hätte der nationale Gesetzgeber den Standpunkt vertreten, dass zentrale Regelungen des Zollkodex über das Entstehen der Zollschuld, insbesondere Art. 203 ZK, dem Sinn und Zweck der Einfuhrumsatzsteuer widersprechen, hätte er diese Vorschrift des Zollkodex von der sinngemäßen Anwendung der Zollvorschriften ausgenommen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der nationale Gesetzgeber in die Bestimmung des § 26 UStG Einschränkungen im Hinblick auf die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften, wie zum Beispiel die Vorschriften über den aktiven Veredelungsverkehr nach dem Verfahren der Zollrückvergütung (Art. 124 - 128 ZK) und über den passiven Veredelungsverkehr ausdrücklich aufgenommen hat. Aus dieser bewussten gesetzgeberischen Entscheidung ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber bezüglich der Vorschriften über das Entstehen der Zollschuld, insbesondere Art. 203 ZK, keine Veranlassung sah, die Anwendung der Zollvorschriften zu begrenzen. Darüber hinaus kann nicht außer Betracht bleiben, dass das UStG 1994 in der Folgezeit wiederholt geändert wurde und der Gesetzgeber keine der beschlossenen Änderungen zum Anlass genommen hat, die Bestimmung des Art. 203 ZK aus der sinngemäßen Anwendung der Zollvorschriften in § 26 UStG herauszunehmen. Für die Bf., für die - wie bereits oben dargelegt - die Zollschuld gem. Art. 203 Abs. 1 ZK in Verbindung mit Art. 865 ZK-DVO entstanden ist, ist daher gleichzeitig auch gem. §§ 2 Abs. 1 ZollR-DG, 26 Abs. 1 UStG die Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden. Eine "systemwidrige" Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer liegt daher im Beschwerdefall nicht vor.
Die Einfuhrumsatzsteuer ist nach Ansicht der Bf. zu Unrecht vorgeschrieben worden, weil eine Einfuhr nach Österreich nicht vorliege. Dem ist zu entgegnen, dass die Einfuhrumsatzsteuerschuld bei jedem Vorgang, der als Einfuhr zu bewerten ist, entsteht (§ 1 Abs. 1 Z 3 UStG). Als solche Einfuhr sind nicht nur die Überführung in den freien Verkehr (Art. 201 ZK), sondern auch Unregelmäßigkeiten im Sinne der Art. 202 ff ZK, somit auch ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung, das nach Art. 203 ZK zur Entstehung der Zollschuld führt, anzusehen (vgl. Korntner, Praxishandbuch zum UStG 1994, 1967 ff). Da es sich sohin hinsichtlich der Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 3 UStG um gleiche Tatbestände handelt, ist der Gesetzgeber demnach durch den Gleichheitssatz verpflichtet, an diese gleichen Tatbestände die gleiche Rechtsfolge der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer zu knüpfen. Insoweit geht das Vorbringen, die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer sei sachlich nicht gerechtfertigt und widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, weil die Bf. gleich behandelt werde, wie jemand, der die Waren in Österreich in den zollrechtlich freien Verkehr überführt hat, ins Leere. Im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 3 UStG ist auch ohne Bedeutung, auf welcher Rechtsgrundlage die Einfuhr erfolgt, ob der Gegenstand nur zur Durchfuhr bestimmt ist oder später wieder ausgeführt werden soll (Ruppe UStG 1994², § 1 Tz 442 und die dort angeführte Judikatur des VwGH). Allein der Umstand, dass sich eine Ware nicht mehr im Zollgebiet der Gemeinschaft befindet, lässt eben die Entstehung der Zollschuld und damit der Einfuhrumsatzsteuerschuld nicht entfallen (siehe oben angeführtes Urteil des BFH). Aus den angeführten Gründen wurde daher im Beschwerdefall die Einfuhrumsatzsteuer entgegen der Ansicht der Bf. zu Recht vorgeschrieben.
Die Möglichkeit der Weiterverrechnung sowie die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung ist unabhängig von der Frage der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld zu beurteilen. Der Umstand, dass die Einfuhrumsatzsteuer demjenigen "erspart" bleibt, der die Ware für sein Unternehmen einführt und sie daher als Vorsteuer geltend machen kann, während derjenige, der diese Voraussetzungen nicht erfüllt, sie zu tragen hat, kann bei der Frage, ob die Einfuhrumsatzsteuer entsteht, nicht berücksichtigt werden. Die Frage, ob dies sachlich ungerechtfertigt ist und darin eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gesehen werden könnte, wäre allenfalls im Zusammenhang mit einem etwa geltend gemachten Vorsteuerabzug zu erörtern, um den es aber im Beschwerdefall nicht geht. Da die Waren nicht für ein in Österreich ansässiges Unternehmen eingeführt wurden, ist das Vorbringen, die jeweiligen Empfänger seien vorsteuerabzugsberechtigt, sodass die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer aus diesem Grund nicht rechtmäßig sei, nicht nachvollziehbar.
Gem. § 85c Abs. 8 ZollR-DG gelten für die Einbringung der Beschwerde, das Verfahren des Unabhängigen Finanzsenates sowie dessen Entscheidungen die diesbezüglichen Bestimmungen der BAO, soweit die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Regelungen nicht entgegenstehen, sinngemäß.
Gem. § 289 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer in den Fällen des § 289 Abs. 1 BAO immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen.
Sache ist dabei die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat. Sache ist damit die Erfassung eines bestimmten Abgabenschuldverhältnisses mit seinen wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (VwGH 24.9.2002, 2000/16/0114).
Die Ungültigerklärung einer Zollanmeldung gem. Art 66 ZK ist nicht Gegenstand der nunmehr angefochtenen Berufungsvorentscheidung. Es liegt in dieser Angelegenheit nach den vorliegenden Aktenunterlagen bislang weder eine Entscheidung einer Zollbehörde vor, noch hat eine Zollbehörde auf einer ersten Rechtsstufe über einen Rechtsbehelf nach Art. 243 Abs. 2 Buchstabe a ZK betreffend die Ungültigerklärung einer Zollanmeldung im gegenständlichen Abgabenverfahren entschieden.
Eine meritorische Entscheidung über dieses Beschwerdevorbringen (Punkt 3. der Beschwerde) durch den Unabhängigen Finanzsenat wäre daher ein unzulässiger Eingriff in die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz.
Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Abgabenberechnung:
Lagerpost 000422/001/7/2 sechs Packstücke "A.A.T" Warennummer 8483 4096 Zollwert: 832.614,70 S (60.508,47 Euro)
Bemessungsgrundlage | Abgabensatz | Betrag | |
Zoll (Z1) | 832.614,70 S 60.508,47 Euro | 4,2% | 34.970,00 S 2.541,37 Euro |
Einfuhrumsatzsteuer (EU) | 867.584,51 S 63.049,82 Euro | 20% | 173.517,00 S 12.609,97 Euro |
Bisherige Festsetzung | Neufestsetzung | Gutschrift | |
Zoll (Z1) | 37.800,00 S | 34.970,00 S 2.541,37 Euro | 2.830,00 S 205,66 Euro |
Einfuhrumsatzsteuer (EU) | 187.560,00 S | 173.517,00 S 12.609,97 Euro | 14.043,00 S 1.020,54 Euro |
Hinsichtlich der Gutschrift in der Höhe von € 1.226,20 wird das hiefür zuständige Zollamt Wien nach den Bestimmungen der BAO das Weitere veranlassen.
Linz, 7. Juni 2004
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Zoll |
betroffene Normen: | Art. 4 Z 9 ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1 |
Schlagworte: | Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung, Zollschuld, Verwahrungslager, Zolllager, zollrechtlicher Status, Ausfuhr, Verfahrenscode 1000, Gemeinschaftswaren, Nichtgemeinschaftswaren, Einfuhrumsatzsteuerschuld, sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften |
Verweise: | BFH 07.05.2002, VII R 26/01 |