Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe einer im Ausland lebenden Antragstellerin für deren ebenfalls im Ausland lebenden Kinder
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 217/04 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 3. März 2004 abgelehnt. Mit Beschluss vom 29. März 2004 an den VwGH abgetreten.VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/15/0049 eingebracht. Mit Erk. v. 19.4.2007 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Entscheidungstext
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom 10. Juli 2001 beantragte die Bw. die Gewährung von Familienbeihilfe für ihre drei studierenden Kinder. Die Bw. und ihre Kinder seien österreichische Staatsbürger und lebten gemeinsam in Spanien. Die zwischen der Bw. und dem für seine drei Kinder unterhaltspflichtigen österreichischen Staatsbürger W. H. geschlossene Ehe sei mit Urteil des BG F. vom 5. September 1993 aus dem überwiegenden Verschulden des W. H. geschieden worden. Der Kindesvater W. H. käme seiner monatlichen Unterhaltspflicht von monatlich ATS 800 nach. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn eine Schul- oder Berufsausbildung betrieben werde. Bis zum Februar 1997 sei die Familienbeihilfe an die Bw. ausbezahlt worden. Anspruch auf Familienbeihilfe hätten neben österreichischen Staatsbürgern sämtliche Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Wenn also eine spanische Familie ihren Wohnsitz in Österreich nehme, hat diese Anspruch auf Familienbeihilfe. Umso mehr müsse also auch eine österreichische Staatsbürgerin, die in Spanien lebt, österreichische Sozialhilfe bezieht, und deren Kinder in Spanien studieren, Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Es werde daher beantragt, die seit Februar 1997 ausständigen Familienbeihilfezahlungen im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren und auf das Konto des Einschreiters zu treuen Handen zu überweisen.
Mit Bescheid vom 20. August 2001 wurde der obgenannte Antrag mit der Begründung abgewiesen, dass nur Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder bzw. volljährige Kinder haben, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Anspruch auf Familienbeihilfe habe die Person, bei der das Kind haushaltszugehörig ist. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, habe dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Die Familienbeihilfe sei bis einschließlich April 1997 auf Grund der nachgewiesenen Unterhaltszahlungen an W. H. und nicht wie im Antrag angegeben, an die Bw. ausbezahlt worden. Da die Bw. im Bundesgebiet weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenhalt habe, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich.
Gegen obgenannten Bescheid berief der rechtliche Vertreter der Bw. form- und fristgerecht und führte hiezu aus, dass der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ohne Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens und ohne hinreichende Sachverhaltsdarstellungen abgewiesen worden sei. Die Familienbeihilfe sei bis einschließlich April 1997 an den Kindesvater W. H. ausbezahlt worden. Um Streitigkeiten über die Weiterleitung der Familienbeihilfe an die Kinder zu vermeiden, habe die Bw. direkt die Familienbeihilfe beantragt. Es sei eine außerordentliche unbillige Betrachtungsweise, dass die Zweit- bis Viertberufungswerber - die nach der Intention des Gesetzgebers ja wirtschaftlich Empfänger der Familienbeihilfe sind - die Familienbeihilfe nur deshalb nicht zuerkannt bekommen sollten, weil sie unzumutbaren Streitigkeiten mit ihrem Vater aus dem Weg gehen wollten. Aufgrund der Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens habe das Finanzamt weder einen entscheidungswesentlichen Sachverhalt festgestellt, noch sei nachvollziehbar, aus welchen Feststellungen aufgrund welcher Beweisergebnisse das Finanzamt zur Beurteilung gelangt, dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe. Dadurch dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht hinreichend begründet habe, hat sie wesentliche Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid gekommen wäre. Allein aus diesem Grund werde der angefochtene Bescheid zu beheben sein. Die Beschränkung des Bezuges von Familienbeihilfe auf im Inland wohnhafte Kinder widerspreche zudem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit. Der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 8. März 2001, C-215/99 , in einem vom LG F. vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen ausgesprochen, dass eine innerstaatliche Regelung dann gegen die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 verstößt, wenn die Auszahlung von Sozial- und Versicherungsleistungen - zu denen die Gewährung von Familienbeihilfe unzweifelhaft zählt - vom gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich abhängt. Das alleinige Abstellen der Bezugsberechtigung auf den Wohnsitz und Aufenthalt der anspruchsberechtigten Personen sei daher gemeinschaftswidrig.
Auch der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 30. November 2000, B 1340/00, ausgesprochen, dass die Familienbeihilfe für das jeweilige Kind zu verwenden ist und denjenigen entlasten soll, der den überwiegenden Aufwand für die Erziehung und Pflege des Kindes erbringt. Es stehe den Eltern daher frei, die Auszahlung der Familienbeihilfe selbst zu bestimmen. Der Vater der Zweit- bis Viertberufungswerber, dem bis einschließlich April 1997 die Familienbeihilfe ausbezahlt worden sei, kann gemäß § 2 a Abs. 2 FLAG zu Gunsten des anderen Elternteiles auf seinen vorrangigen Anspruch verzichten. Auch dies habe das Finanzamt pflichtwidrig nicht geprüft.
Mit Eingabe vom 4. Dezember 2001 wurden vom rechtlichen Vertreter der Bw. folgende Unterlagen vorgelegt:
- Schreiben der österreichischen Botschaft in M. vom 20. November 2001, woraus hervorgeht, dass von den Universitäten, Universidad Pontificia in Santiago de Compostela und der Escola Universitaria Politecnica in Ferrol, Bestätigungen über die Studienerfolge von C. und J. H. eingeholt wurden. Hinsichtlich der Voraussetzungen zur Inskribierung an den spanischen Universitäten ab dem 2. Studienjahr habe lediglich in Erfahrung gebracht werden können, dass diese unterschiedlich sind. Grundsätzlich könne davon ausgegangen werden, dass zumindest ein Drittel des vorhergehenden Studienjahres bestanden sein muss.
- Eine auszugsweise Arbeitsübersetzung betreffend einer Bestätigung des Generalsekretärs der Theologischen Fakultät in Santiago de Compostela (undatiert), woraus hervorgeht, dass C. W. H. in den Jahren 1995/96 und 1996/97 Student des Priesterseminars gewesen ist. Die Seminaristen könnten auch als außerordentliche Hörer diesen Studien nachgehen und Prüfungen ablegen. So habe auch dieser Student, ohne den Curso de Orientacion Universitaria (entspreche ungefähr dem Maturajahr) absolviert zu haben, Prüfungen ablegen können und praktisch alle Fächer des ersten und zweiten Studienjahres bestanden. Danach habe er das Priesterseminar verlassen müssen, um seine kranke Mutter zu betreuen, die auch heutzutage ans Bett gefesselt ist. Trotz allem habe er im Studienjahr 1998/99 an der "Universidad Pontificia de Salamanca" die Aufnahmeprüfung an der Universität für Hörer über 25 Jahre bestehen können und sei so ab dem Studienjahr 1999/2000 zum ordentlichen Hörer der Theologischen Fakultät geworden. Im folgenden Studienjahr habe er wieder seine Mutter betreut und inskribierte gleichzeitig in der Theologischen Fakultät in Santiago de Compostela im 3. Studienjahr, allerdings mit einigen nicht bestandenen Fächern aus den beiden Vorjahren. Ende des Studienjahres 1999/2000 seien es sechs Fächer der ersten drei Studienjahre gewesen, die er nicht bestanden habe, und aus diesem Grund sei ihm nicht gestattet worden, 2000/2001 zu inskribieren, aber auch weil festgestellt worden sei, dass er nicht regelmäßig am Unterricht teilnehmen konnte, da er seine Mutter zu betreuen hatte und zu diesem Zwecke nach Hause fahren musste (90 km Entfernung). Er habe allerdings weiter als Student der Fakultät gegolten und bereitete sich auf die Prüfungen der nicht bestandenen Fächer vor. Schließlich habe er die Prüfungen der sechs genannten Fächer am Ende des Studienjahres bestanden. Angesichts seiner Situation seien seine Resultate in diesem Jahr nicht so schlecht gewesen. Im Studienjahr 2001/2002 habe er die dem 4. Jahr entsprechenden Fächer belegen können und habe alle Fächer der ersten drei Studienjahre bestanden. Er besuche derzeit alle Vorlesungen.
- Inskriptionsbestätigungen WS 1996, SS 1997, WS 1998/99, WS 1999/2000, WS 2000/01 betreffend C. W. H.
- Bestätigung auf Antrag der Österreichischen Botschaft in M. vom 8. November 2001 zwecks Beantragung von Sozialhilfe in Österreich für J. M. H., die im Studienjahr 2001/02 Fächer des zweiten und dritten Studienjahres inskribiert habe; Die Dauer des gewählten Studiums sei drei Jahre, von denen die genannte Studentin die Fächer des ersten Studienjahres zur Gänze bestanden hat. Sie konnte auch Fächer des dritten Studienjahres inskribieren, da sie mehr als ein Drittel der Fächer des zweiten Studienjahres bestanden habe. Ausgewiesen wurden in dieser Bestätigung die anrechenbaren "credits" sowie die "credits" zur Errechnung des Notendurchschnitts.
- Eine auszugsweise Arbeitsübersetzung der Bestätigung des Ärztezentrums Couciero vom 16. November 2001, woraus hervorgeht, dass bei J. M. H. das dort dargestellte Krankheitsbild festzustellen war (Tumorbildung rechtes Schienbein etc.). Die Patientin sei daher im Mai 1991 einer Osteochondrose des rechten Kondylus unterzogen worden. Ende Juni 2001 habe die Patientin an einem fieberhaften Affekt mit starken Schmerzen in den Gelenken gelitten. Der Patientin sei es daher während des vergangenen Jahres häufig nicht möglich gewesen, ihren Studienverpflichtungen nachzukommen.
- Eine auszugsweise Arbeitsübersetzung der Bestätigung des Sekretärs der Technischen Lehranstalt der Universität La Coruna, woraus hervorgeht, das J. M. H. Studentin des Lehrganges für Elektrotechnik, ärztliches Zeugnisse vorgelegt habe, die ihre Krankheit bestätigen und die der Grund für den Leistungsabfall in ihren Studien sein könnte. Durch Rückfragen bei einigen Professoren, die J. M. H. Unterricht erteilen, habe festgestellt werden können, dass alle ihren Arbeitseifer und ihr Interesse, aktiv an den Lehrveranstaltungen teilzunehmen, bestätigt haben. Die Bestätigung sei auf Antrag der Studentin am 19. November 2001 ausgestellt worden.
- Inskriptionsbestätigungen für 1996/97, 1997/98, 1998/99, 1999/2000, 2000/01, betreffend das Kind J. M. H.;
Mit Schreiben vom 11. März 2002 ersuchte das Finanzamt um Vorlage eines Bescheides der zuständigen spanischen Behörde bzw. um Beantwortung der Frage, wie lange in Spanien ein Anspruch auf Familienleistungen bestanden habe bzw. aus welchen Gründen im Wohnland der Kinder kein Anspruch auf die spanischen Familienleistungen bestehen würde.
Mit Eingabe vom 10. Mai 2002 wurden vom rechtlichen Vertreter der Bw. vier Schriftstücke, nämlich ein Telefax der österreichischen Botschaft in M., eine Bestätigung der Arbeitslosenversicherung, der Gesundheitsvorsorge sowie der Familienbeihilfenstelle vorgelegt. Nach der kaum lesbaren Beilage 1 würde die Bw. nach Ansicht ihres Rechtsvertreters seit 7. April 1992 Arbeitslosenbeihilfe beziehen. Nach der gut lesbaren Beilage 2 sei die Bw. zwischen dem 25. Juni 1985 und 7. April 1992 Bezieherin von Gesundheitsbeihilfeleistungen gewesen. Aus Beilage 3 ergebe sich, dass die Bw. für keines ihrer drei genannten Kinder Familienbeihilfe in Spanien beziehe bzw. bezogen habe.
Laut Angaben im Telefax vom 24. April 2002 der österreichischen Botschaft in M. werden die vorgelegten, teils unlesbaren und in spanischer Sprache abgefassten Unterlagen wie folgt dokumentiert:
- Bestätigung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, Nationales, Beschäftigungsinstitut, Büro-Cee, dass die Bw. seit 7. April 1992 keine Arbeitslosenunterstützung mehr erhalte (Beilage 1);
- Bestätigung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, Nationales, Beschäftigungsinstitut, Büro-Cee, dass der Bw. zwischen 25. Juni 1985 und 7. April 1992 medizinische Unterstützung als im Arbeitslosenregister eingetragene Leistungsberechtigte zuteil geworden sei (Beilage 2);
- Bestätigung des Nationalen Sozialversicherungsinstituts in Corcubion (La Coruna), dass die Bw. seit 1. April 1996 für keines ihrer Kinder Kinder- bzw. Familienbeihilfe bezogen habe (Beilage 3); von Seiten der Botschaft wird bemerkt, dass Kinderbeihilfen nach spanischem Recht im allgemeinen tatsächlich nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes vorgesehen seien;
Mit Berufungsvorentscheidung vom 8. Oktober 2002 wurde die Berufung vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 hätten nämlich nur Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der Anspruch auf Familienbeihilfe sei nicht von der Staatsbürgerschaft des Antragstellers abhängig, auch nichtösterreichische Staatsbürger hätten einen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet beschäftigt sind oder sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten. Anspruchsvoraussetzung sei in erster Linie der Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet. Da diese Voraussetzungen im vorliegenden Berufungsfall nicht erfüllt würden, können die Familienleistungen in Österreich nicht gewährt werden. Lediglich der in Österreich lebende Vater der Kinder könnte bei nachgewiesener überwiegender Kostentragung und entsprechender Antragstellung einen Anspruch auf Familienbeihilfe begründen.
Mit seiner Eingabe vom 30. Oktober 2002 stellte der rechtliche Vertreter der Bw. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte hiezu aus, dass die Beschränkung des Bezuges von Familienbeihilfe auf im Inland wohnhafte Kinder wie jede Wohnsitzklausel grundsätzlich dem den Grundfreiheiten zentral zugrundeliegenden Diskriminierungsverbot und den klaren Vorgaben der Verordnung 1408/71/EWG zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit widerspreche. Der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil Jauch vom 8. März 2001, C-215/99 , in einem vom LG F. vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen ausgesprochen, dass eine innerstaatliche Regelung dann gegen die Verordnung 1408/71/EWG verstoße, wenn die Auszahlung von Sozial- und Versicherungsleistungen - zu denen die Gewährung von Familienbeihilfe unzweifelhaft zählt - vom gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich abhängt. Das alleinige Abstellen der Bezugsberechtigung auf den Wohnsitz und Aufenthalt der anspruchsberechtigten Person sei daher glatt gemeinschaftswidrig. In seinem Urteil Anna Humer vom 5. Feber 2002, C-255/99 , habe der EuGH das oben genannte Urteil bestätigt. Der Gerichtshof stelle dabei unter Hinweis auf die Rechtssache Offermanns vom 15. März 2001, C-85/99 , fest, dass als Ausgleich von "Familienlasten" jeder staatliche Beitrag zum Familienbudget zu behandeln sei, der die Kosten des Unterhalts von Kindern verringern soll. Nach der Begründung des österreichischen Gesetzgebers solle die Regelung den Unterhalt der Kinder in den Fällen sicherstellen, in denen Mütter allein mit ihren Kindern dastünden und sie neben der Aufgabe, sie aufzuziehen, auch noch die Schwierigkeiten hätten, den Unterhalt vom Vater zu bekommen.
Nach obiger Definition handle es sich bei der Familienbeihilfe ebenfalls um eine Familienleistung. Die Familienbeihilfe sei bis einschließlich April 1997 an den Kindesvater W. H. ausbezahlt worden. Um Streitigkeiten über die Weiterleitung der Familienbeihilfe an die Kinder zu vermeiden, hätten die Antragsteller direkt die Familienbeihilfe beantragt. Es stelle auch eine außerordentlich unbillige Betrachtungsweise dar, dass die Zweit- bis Viertantragsteller - die nach der Intention des Gesetzgebers ja wirtschaftlich Empfänger der Familienbeihilfe sind - die Familienbeihilfe nur deshalb nicht zuerkannt bekommen sollten, weil sie unzumutbaren Streitigkeiten mit ihrem Vater aus dem Weg gehen wollten. Diese willkürliche Behandlung widerspreche dem oben zitierten Urteil C-255/99 .
Der EuGH hat weiter ausgesprochen, dass das Recht auf Freizügigkeit beeinträchtigt wäre, wenn die Gewährung von Familienleistungen vom Wohnsitz abhängig wäre. Die Gewährung einer Familienleistung dürfe daher nicht deshalb versagt werden, weil der Berechtigte in einem anderen Mitgliedstaat lebe.
Auch der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 30. November 2000, B 1340/00, ausgesprochen, dass die Familienbeihilfe für das jeweilige Kind zu verwenden sei und denjenigen entlasten solle, der den überwiegenden Aufwand für die Erziehung und Pflege des Kindes erbringt. Es stehe den Eltern frei, die Auszahlung der Familienbeihilfe selbst zu bestimmen. Der Vater der Zweit- bis Viertantragsteller, dem bis einschließlich April 1997 die Familienbeihilfe ausbezahlt wurde, könne gemäß § 2 a Abs. 2 FLAG zu Gunsten des anderen Elternteiles auf seinen vorrangigen Anspruch verzichten.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass die Bw. und ihre drei Kinder im strittigen Zeitraum ihren Wohnsitz in Spanien hatten und immer noch haben.
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967 besagt, dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder besteht, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Gemäß § 50 g Abs. 2 FLAG 1967 tritt § 5 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.Nr. 201/1996 an dem der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 201/1996 folgenden Tag in Kraft. Soweit bestehende Staatsverträge die Gewährung von Familienbeihilfe für Kinder vorsehen, die sich ständig in einem anderen Staat aufhalten, ist § 5 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 297/1995 weiter anzuwenden, bis völkerrechtlich anderes bestimmt ist.
Gemäß § 5 Abs. 4 FLAG 1967 besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, grundsätzlich kein Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern es nicht entsprechende zwischenstaatliche Regelungen gibt.
Ein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, besteht somit nur insoweit, als EU/EWR-Recht bzw. Ergänzungsabkommen hiezu einen solchen Anspruch vorsehen. Eine Beschränkung des Bezuges von Familienbeihilfe einzig und allein auf im Inland wohnhafte Kinder wird daher entgegen sämtlicher Ausführungen in den Eingaben der rechtlichen Vertretung (siehe hiezu die dort angeführte EuGH- und VfGH-Rechtsprechung) aufgrund Berücksichtigung obigen Rechts bzw. der Ergänzungsabkommen nicht vorgenommen.
Laut Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, kommen gemäß Kapitel 7 die dort angeführten Artikel betreffend Gewährung von Familienleistungen zur Anwendung.
Im vorliegenden Berufungsfall ist zunächst zu überprüfen inwieweit die Artikel 72 a ff anwendbar sind.
Artikel 72 a betreffend vollarbeitslose Arbeitnehmer bestimmt, dass ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer, für den Artikel 71 Abs. 1 Buchstabe a) Ziffer ii) oder Buchstabe b) Ziffer ii) erster Satz gilt, für seine in demselben Mitgliedstaat wie er wohnenden Familienangehörigen die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates bezieht, als ob diese Rechtsvorschriften für ihn während seiner letzten Beschäftigung gegolten hätten.
Gemäß Artikel 71 Abs. 1 Buchstabe b) Ziffer ii) gilt für die Gewährung der Leistungen an einen arbeitslosen Arbeitnehmer, der während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des zuständigen Staates wohnte, folgendes:
Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaates zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder in das Gebiet dieses Staates zurückkehren, erhalten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären;
Buchstabe a) Ziffer ii) bezieht sich auf eine Grenzgängerbestimmung, die auf den vorliegenden Berufungsfall nach der Aktenlage nicht zutrifft.
Die Artikel 73 und 74 beziehen sich auf Arbeitnehmer oder Selbständige sowie Arbeitslose, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat wohnen. Diese Artikel treffen auf den hier vorliegenden Sachverhalt nicht zu, da die Bw. Leistungen vom spanischen Staat erhalten hat und aufgrund der geschilderten Situation den Rechtsvorschriften jenes Staates unterliegt, indem auch ihre Kinder wohnen.
Aufgrund der vorgelegten Unterlagen und der von der rechtlichen Vertretung gemachten Aussagen erhielt die Bw. zwischen 25. Juni 1985 und 7. April 1992 als im Arbeitslosenregister eingetragene Leistungsberechtigte medizinische Unterstützung und seit 7. April 1992 keine Arbeitslosenunterstützung mehr. Weitere Nachweise über erhaltene Bezüge bzw. Unterlagen betreffend erhaltener Unterstützungen wurden nicht vorgelegt.
Aufgrund der Ermittlungen des Unabhängigen Finanzsenates wurde mittels vom 16. Dezember 2003 datiertem Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung bescheinigt, dass weder für die Bw. noch für deren Kinder Daten vorhanden sind.
Ein Anknüpfungspunkt, weshalb die Bw. aufgrund zwingender Anwendungen österreichischer Rechtsvorschriften laut obiger Verordnung Familienleistungen von Österreich erhalten sollte, kann daher nach Überprüfung sämtlicher Artikel der Verordnung nicht erblickt werden. Denn Artikel 13 der in Rede stehenden Verordnung, welcher über die anzuwendenden Rechtsvorschriften abspricht, sieht unter Buchstabe f) vor, dass eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliege, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates unterliegt, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften. Diese Ausführungen stellen jedoch eindeutig klar, dass die Bw. unter Berücksichtigung aller Einwendungen und vorgelegten Unterlagen sowie eigens vom Unabhängien Finanzsenat angestellter Erhebungen den Rechtsvorschriften des spanischen Staates unterliegt.
Auch das Abkommen zwischen der Republik Österreich und Spanien über soziale Sicherheit verweist laut Abschnitt III, Besondere Bestimmungen, Kapitel 5, Familienbeihilfen, auf das sogenannte "Beschäftigungslandprinzip". Dies bedeutet - wie z. B. in Artikel 28 des Abkommens definiert - dass Dienstnehmer für den Anspruch auf Familienbeihilfe so behandelt werden, als hätten sie ihren Wohnort ausschließlich in dem Vertragsstaat, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Nach Abs. 3 dieses Artikels sind Dienstnehmer, die Ansprüche auf Geldleistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung eines Vertragsstaates haben, in bezug auf den Anspruch auf Familienbeihilfen so zu behandeln, als ob sie in dem Vertragsstaat, aus dessen Versicherung sie die Geldleistungen erhalten, beschäftigt wären.
Nachdem im Gegenstandsfall die Bw. im strittigen Zeitraum nach der Aktenlage weder eine Beschäftigung in Österreich ausübt bzw. ausübte, noch Geldleistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung in Österreich erhält bzw. erhalten hat, kann der Berufung nicht zum Erfolg verholfen werden und war sie daher als unbegründet abzuweisen.
Dem Einwand, der Vater der Zweit- bis Viertantragsteller, dem bis einschließlich April 1997 die Familienbeihilfe ausbezahlt wurde, könne gemäß § 2 a Abs. 2 FLAG 1967 zu Gunsten des anderen Elternteiles auf seinen vorrangigen Anspruch verzichten ist folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 2 a Abs. 1 FLAG 1967 geht unter der Voraussetzung, dass ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört, der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt. Nach Abs. 2 kann der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, in den Fällen des Abs. 1 zugunsten des anderen Elternteiles verzichten.
Aufgrund dieser exakt definierten Gesetzesbestimmung kann es im vorliegenden Berufungsfalle nie zu einer Verzichtserklärung im Sinne des § 2 a Abs. 2 FLAG 1967 kommen, da die Voraussetzung, dass das bzw. die Kinder zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört bzw. gehören, unstrittig nicht erfüllt ist.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
Feldkirch, 17. Dezember 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte: | Familienbeihilfe, Wohnsitzregelung unter Beachtung der EWG-Verordnung 1408/71 , Kinder und Antragstellerin im Ausland |