UFS RV/0963-W/02

UFSRV/0963-W/0221.10.2003

Schätzung der Besteuerungsgrundlagen auf Grund formeller und materieller Mängel der Aufzeichnungen

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Margit Kaufmann, gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 2. und 20. Bezirk in Wien betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1997 entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. ist seit Juli 1994 als Prostituierte tätig und bezieht daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Im Rahmen einer BP über den Zeitraum 1994 bis 1997 wurden gravierende formelle und materielle Mängel der Aufzeichnungen festgestellt, und wurde auf Basis der nicht geklärten Einkünfte, Lebenshaltungskosten und Angaben des Ehegatten der Bw. eine Umsatz- und Gewinnschätzung in Form eines Sicherheitszuschlages gem. § 184 BAO vorgenommen.

Die wesentlichen und die Berufungsverfahren betr. Feststellungen waren folgende:

1) Die Grundaufzeichnungen für die Ermittlung der Tageslosungen sind nicht vorhanden. Weiters wurde festgestellt, dass die Einnahmen aus den Kreditkartenabrechnungen sowie Scheckzahlungen in den Tageslosungen nicht enthalten sind bzw. dies nicht mehr nachvollzogen werden kann.

Lt. Erstaussage des Ehegatten der Bw. vom 28.8.1998 hätte es sich bei den erklärten Einnahmen lediglich um die Hälfte der tatsächlich erzielten Einnahmen gehandelt. Im Rahmen einer weiteren Aussage am selben Tag wurden die durchschnittlichen monatlichen Einnahmen mit rd. S 100.000,00 angegeben.

2) Bei Überprüfung des Kassabuches wurden in den Jahren 1995 und 1996 Kassenfehlbeträge bis zu S 16.533,-- festgestellt, und konnten weiters Einlagen i.H.v. S 200.000,00, S 330.000,-- und S 650.000,-- für die Jahre 1994 bis 1996 nicht nachgewiesen werden.

3) Die Bw. ist seit April 1995 im Besitze eines Kreditabrechnungsgerätes, jedoch wurden die Belege nur unvollständig vorgelegt. Auch wurden diese Einnahmen in den erklärten Erlösen nicht berücksichtigt. Eine Durchsicht der Abrechnungsbelege ergab, dass nicht die nummerierten Abrechnungen sondern nur die Beilagen zu den Bankkontoauszügen vorhanden waren, damit ist eine Kontrolle auf Vollständigkeit nicht möglich.

4) Auf Ersuchen der BP wurden Bankkonten der Bw. und des Ehegatten der Bw. vorgelegt und festgestellt, dass betriebliche Einnahmen der Bw. auf dem Bankkonto des Ehegatten wie Kreditkartenabrechnungen zuflossen, wobei jedoch Auszugsnummern fehlen.

Eine Prüfung der Bankauszüge ergab den Eingang folgender Beträge:

BAWAG

1994

1995

1996

1997

bar

Keine Aus-

244.500,00

489.000,00

494.300,00

Scheck

züge vorgelegt

79.459,00

133.000,00

40.500,00

Gutschriften

 

31.052,10

44.737,80

24.676,89

Summe d. Eingänge

 

355.011,00

667.637,80

519.476,63

     

SPARDA

    

bar

746.571,00

690.000,00

597.089,00

75.000,00

Scheck

45.000,00

16.500,00

-

-

Eingänge gesamt

792.471,00

706.500,00

597.089,00

75.000,00

Bzgl. der Herkunft der Beträge wurde ausgeführt, dass die Bareingänge aus Transaktionen des Ehegatten mit Kollegen herrühren, die für die Kollegen durchgeführt worden wären. Die Abwicklung der Bankgeschäfte wäre derart gewählt worden, da die Arbeitszeiten der Kollegen des Ehegatten die Abwicklung der Bankgeschäfte unmöglich gemacht hätte. Die Vorgangsweise dieser Transaktionen wurde von einem (ehemaligen) Kollegen bestätigt, jedoch konnte nicht der Umfang verifiziert werden.

Die Herkunft der Scheckeingänge und Gutschriften konnte ebenfalls nicht aufgeklärt werden.

5) Weiters wurden Mieteinnahmen betr. die Vermietung des ehem. Hostessenlokales in W., G.gasse 21 für den Zeitraum 1995 i.H.v. S 27.600,00 brutto, sowie weiters die Vermietung des Geschäfts-(Hostessen-)lokales in W., W. 4/Top R1 für den Zeitraum 1997 i.H.v. S 156.384,00 brutto (S 13.032,00 brutto monatlich) nicht erklärt.

Weiters ist eine am Konto des Ehegatten gutgeschriebene Versicherungsentschädigung i.H.v. S 47.000,00 betr. eines Schadenersatzes bzw. Schadensfalles (Anschlag mit Buttersäure im Geschäftslokal der Bw. im Jahre 1995) in die steuerliche Bemessung miteinzubeziehen.

6) Vermögensdeckungsrechnung/Lebenshaltungskosten

Eine für den Prüfungszeitraum durchgeführte Geldflussrechnung ergab folgende Mittel für die Lebenshaltungskosten:

 

1994

1995

1996

1997

LHK

-14.000,00

497.000,00

-23.000,00

264.000,00

Auf die Frage, aus welchen Mitteln die Bw. und ihr Ehegatte die laufenden Kosten bestritt, wurde ausgeführt, dass

Unterlagen bzgl. diesen Spielgewinnen bzw. den Verkauf einer Genossenschaftswohnung an die Schwester der Bw. konnten jedoch nicht vorgelegt werden. Auch wurden die Angaben des Ehegatten bzgl. Begleitservice im Rahmen einer rd. zweistündig späteren Aussage dahingehend geändert, dass er nicht 2-3 Fahrten pro Woche je S 600,00 bis S 1.000,00 bzw. individuell vereinbart innerhalb von Wien, sondern dass die monatl. Einnahmen ungefähr den monatlichen Leasingraten für den PKW Mercedes Benz 500 SL i.H.v. S 20.000,00 monatlich entsprechen würden. Dies werde auch dem zuständigen Wohnsitzfinanzamt umgehend gemeldet.

7) Eine Überprüfung der Kassenaufzeichnungen ergab, dass in den Zeiträumen 5/98, 3/97, 7/97, 10/97, 2/96, 5/96 sowie zwischen 26.2. bis 12.3.1995 und 15.7. bis 20.8.1995 keine Aufzeichnungen vorliegen.

Als Begründung führte die Bw. aus, dass aus gesundheitlichen Gründen die Kontrollkarte der MA 15 entzogen, und die Tätigkeit nicht ausgeübt worden wäre, bzw. wäre dieser aus Unlust oder Urlaubsgründen nicht nachgegangen worden.

Erhebungen der BP ergaben jedoch, dass die Bw. auch in diesen Zeiträumen Zeitungsinserate aufgegeben hatte und lediglich für den Zeitraum 3. - 31.5.1996 die Kontrollkarte entzogen worden war. Auch wurden in diesen Zeiträumen Einnahmen aus der Kreditkartenverrechnung festgestellt.

Lt. Aussage des Ehegatten könnten die Gründe für die Nichterklärung von Einnahmen in diesen Zeiträumen nicht belegt werden. Einzelne Kunden (Stamm-) könnten in diesen Zeiträumen auch bedient und die Einnahmen daraus nicht erklärt worden sein.

Auf Grund der festgestellten Mängel schätzte die BP auf Basis der Aussage des Ehegatten einen Sicherheitszuschlag im Ausmaß von 100% der erklärten Betriebseinnahmen i.H.v. S 433.000,00 für das Jahr 1994, S 882.000,00 für das Jahr 1995, S 625.000,00 für das Jahr 1996 und S 501.000,00 für das Jahr 1997 zu Umsatz und Gewinn hinzu.

Die Schätzung erfolgte unter Berücksichtigung der Aussage des Ehegatten, der Unterdeckung lt. Geldflussrechnung, Höhe der nicht geklärten Einlagen und Kreditkartenabrechnungen und Unvollständigkeit der vorgelegten Belege. Zur Höhe des Sicherheitszuschlages führt die BP aus, dass lt. Erstaussage des Ehegatten lediglich die Hälfte der tatsächlich erzielten Einnahmen der Besteuerung zugrunde gelegt worden wären. Da lt. VwGH-Erkenntnis vom 4.9.1986, 86/16/0080 die Erstaussage die größte Vermutung mit sich bringt, dass sie der Wahrheit am nächsten komme, wurde die zweite Aussage des Ehegatten (dass monatlich durchschnittlich S 100.000,00 eingenommen worden wären, d.h. ca. S 1,100.000,00 brutto jährlich) vernachlässigt.

Gegen die auf Grund der Feststellungen der BP ergangenen Bescheide wurde form- und fristgerecht Berufung erhoben und wie folgt eingewendet:

Die Tätigkeit wäre im Juli 1994 aufgenommen worden und folgende Umsätze i.H.v. insgesamt S 495.800,-- erzielt worden. Der Geschäftsgang im Jahr 1994 erfolgte noch nicht regelmäßig.

Aus physischen und psychischen Gründen wäre es zu mehreren Schließtagen monatlich gekommen, bzw. jeweils in der zweiten Hälfte des Dezember Urlaub genommen worden. Die Bw. hätte täglich Einnahmen von ca. S 3.000,00 bis S 5.000,00 erhalten, und wäre eine Verdoppelung des Umsatzes wie von der BP festgesetzt, nicht realistisch.

In den Jahren 1995 bis 1997 wären zwar Kreditkartenabrechnungen i.H.v. S 98.507,40, S 141.704,40 und S 72.712,54 nicht in die Umsatzsteuererklärung aufgenommen worden, jedoch wäre noch ein Dienstverhältnis aufrecht und die Bw. daher zeitlich gebunden gewesen.

Zur Berufung nahm die BP wie folgt Stellung:

Folgende Faktoren wurden hinsichtlich der Höhe der Hinzurechnungen berücksichtigt:

1) Lt. Erstaussage des Ehegatten im Rahmen der Einvernahme vom 28.8.1998 in der Zeit von 10.00 bis 12.00 Uhr handelt es sich bei den erfassten Betriebseinnahmen lediglich um die Hälfte der tatsächlich erzielten Einnahmen. Darüber hinaus wurde ausgeführt, dass die Bw. in Zeiträumen ohne Aufzeichnungsführung möglicherweise dennoch Einnahmen erzielt hätte. Diese Aussage erfolgte im Beisein von zwei Organen der Finanzverwaltung (Prüferin, Schriftführerin).

Zwei Stunden nach dieser Aussage wurde die Behauptung aufgestellt, dass die durchschnittlichen monatlichen Einnahmen lediglich S 100.000,00 betragen hätten. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bringt jedoch die Erstaussage die größte Vermutung mit sich, dass sie der Wahrheit am nächsten kommt (VwGH 4.9.1998, 86/16/0080), und liegt lt. BP die Vermutung nahe, dass die zweite Aussage nach einer "Nachdenkphase" getätigt wurde, um die steuerlichen Nachforderungen zu begrenzen.

Im Zusammenhang mit den Kreditkartenabrechnungen wurde ermittelt, dass sich die von einem Kunden bezahlten Beträge zwischen S 1.100,00 und S 3.300,00 belaufen, und lässt dies Rückschlüsse auf die wahrscheinlich erzielten Tagsumsätze zu. Die Bw. übt ihre Tätigkeit von 11.00 bis 23.00 Uhr aus, die durchschnittliche Verweildauer eines Kunden betrage eine ½-1 Stunde. Unter Berücksichtigung von 50% Tätigkeitszeiten ergibt dies rund 8 Kunden pro Tag. Lt. Angaben der Bw. lautet die Zahl der Kunden auf 5 pro Tag. Die durchschnittliche Tageslosung wird daher lt. BP mit täglich S 17.600,00 (S 2.200,00 / Kunde x 8), der Monatsumsatz mit S 293.333,00 netto (Basis = 20 Tage monatlich) und der Jahresumsatz mit S 3,2 Mio. jährlich (Basis = 11 Monate) ermittelt.

Die vorgebrachten Verhinderungen wurden durch Erhebungen der BP größtenteils entkräftet, da die Kontrollkarte nur einmal im Zeitraum 3. - 31.5.1996 entzogen war, bzw. wurden lt. Ansicht der BP den Verhinderungen durch ausreichende Abschläge und Hinzuschätzung von lediglich 100% der erklärten Einnahmen Rechnung getragen.

2.) Die Zuschätzung hat lt. BP sämtlichen Unsicherheitsfaktoren Rechnung getragen und waren dies im ggstdl. Fall insbesondere

3) Zum Vorbringen der Bw., durch Dienstverhältnisse zeitlich gebunden gewesen zu sein, führt die BP aus:

a) Das Dienstverhältnis H. als Bürokraft vom 1.4.1995 bis 30.9.1996 ergebe nur geringe Einkünfte (S 46.726,00 für das Jahr 1995 und S 49.318,00 für das Jahr 1996) und konnte die ehem. steuerliche Vertreterin keine Angaben über Art und Umfang des Dienstverhältnisses machen. Da die Bw. über keine perfekten Deutschkenntnisse verfügt , und die Frage nach dem Aufgabenbereich der Bw. unbeantwortet blieb, war der allfällige Zeitaufwand für diese Tätigkeit daher lt. Ansicht der BP zu vernachlässigen.

b) Das Dienstverhältnis K. GmbH vom 15.10.1996 bis 31.12.1997 als Geschäftsführerin und Kellnerin (Beteiligung 20%, Beteiligung des Ehegatten 80%) betrug 20 Stunden wöchentlich, und wurde die Bw. lt. Angaben des Ehegatten zeitweise als Kellnerin tätig. Im Rahmen der Prüfung der GmbH wurden keine näheren Angaben über den zeitlichen Umfang der Tätigkeit gemacht. Das Verhalten der Bw. im Rahmen dieser BP lässt daher den Schluss zu, dass die Bw. - wenn überhaupt - nur sehr eingeschränkt dieser Geschäftsführertätigkeit nachgegangen ist.

Die BP setzt daher für beide Dienstverhältnisse keinen allzu hohen Zeitaufwand an, die die Bw. an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert hätte. Die Schätzungshöhe ist daher lt. BP auf Grund der Einwendungen nicht zu revidieren.

Zur Stellungnahme der BP wurde folgende Gegenäußerung der Bw. eingebracht:

Die Ausführungen des Ehegatten wären falsch verstanden worden, und sei er kein steuerlicher Fachmann. Mit Gewinn sei der übriggebliebene Betrag von Steuern gemeint gewesen.

Betr. die Kreditkontenabrechnungen wird eingewendet, dass auch bei Stornierungen die Nummern weiterlaufen würden wie wenn ein weiterer Verrechnungsvorgang stattgefunden hätte. Dasselbe würde bei Stromausfall oder anderen technischen Manipulationen der Fa. Digi-Card eintreten. Die Abrechnungen seien also nicht unvollständig.

Die Bw. arbeite von 18.00 bis 23.00 Uhr, und nicht von 11.00 bis 23.00 Uhr täglich, und nicht jeden Tag im Monat. Die Dienstverhältnisse wären sehr wohl vorgelegen, da die Bw. nicht nur die Matura, sondern eine Staatsprüfung für Maschinschreiben gemacht habe (übersetzte Zeugnisse wurden in Kopie beigelegt), die Bw. würde auch über perfekte Deutschkenntnisse verfügen.

Die Einvernahme im Rahmen der BP sei mangelhaft erfolgt und stehe die Beweiswürdigung nicht mit den Denkgesetzen in Einklang. Betr. die Dienstverhältnisse bei der Krim GmbH wird ausgeführt, dass niemals fünf Dienstnehmer, sondern nur zwei gleichzeitig gemeldet waren.

Die Schätzung erfordere den Denkgesetzen, der Logik und der Lebenserfahrung verhaftete Feststellungen und Folgerungen, die reale Zustände, Tätigkeiten und Leistungen u.dgl. in ihren Ergebnis wie sie zu vermuten sind zu erfassen haben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 184 Abs. 3 BAO hat die Abgabenbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn die Bücher und Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Aufgrund dieser Bestimmung ergibt sich, dass schon bloß formelle Buchführungsmängel, die einen Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Bücher nach sich zu ziehen vermögen, die Schätzungsbefugnis der Behörde begründen, wobei es eines Nachweises der Behörde, dass die Aufzeichnungen tatsächlich unrichtig sind, nicht bedarf. Dem Abgabepflichtigen steht die Möglichkeit offen, die sachliche Richtigkeit seiner formell mangelhaften Aufzeichnungen zu beweisen und damit der ansonsten bestehenden Schätzungsbefugnis entgegenzuwirken. Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages gehört zu den Elementen der Schätzung, ist aber auch als selbständige Schätzungsmethode möglich (vgl. VwGH 19.3.1985, 84/14/0144; 13.9.1989, 88/13/0042).

Zu schätzen ist lt. st. Rspr. jedenfalls, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabevorschriften zu führen hat, nicht führt oder nicht vorlegt oder sogar vernichtet hat. Hat die Behörde diesen Nachweis der qualifizierten Mangelhaftigkeit erbracht, ist die Schätzungsbefugnis die Folge, die nicht erst wieder in ihrer Berechtigung nachzuweisen ist. Die solcherart dem Grunde nach gerechtfertigte Schätzung ist in ihrer Begründetheit, im beschrittenen Weg, in ihrer Schlüssigkeit und Denkfolgerichtigkeit plausibel zu machen. D.h. die Behörde hat aufzuzeigen, von welchen Ermittlungsergebnissen tatsächlicher Art sie ausgegangen ist und auf welche Weise (Schätzungsmethode) sie zu den Schätzungsergebnissen gekommen ist (vgl. Stoll, BAO-Komm., S 1927f).

Ziel der Schätzung ist es, die Besteuerungsgrundlagen festzustellen, die die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben (VwGH 22.6.83, 83/13/0051). Die Wahl der Schätzungsmethode steht dabei der Behörde im allgemeinen frei, doch muss das Verfahren einwandfrei abgeführt und die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein. Ob eine Kombination von Schätzungsmethoden (kalkulatorische Schätzung, Schätzung nach dem Vermögenszuwachs, etc.) angewendet wird, hängt von den Gegebenheiten im Einzelfall ab und wird von dem Ziel jeder Schätzung bestimmt, den tatsächlichen Verhältnissen so nahe wie möglich zu kommen. Die Schätzungsberechtigung als auch das Schätzungsergebnis sind zu begründen.

Nach st. Rspr hat weiters die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (freie Beweiswürdigung gem. §°167 Abs 2 BAO).

Im ggstdl. Fall bekämpft die Bw. das Schätzungsergebnis. Die Verdoppelung des Umsatzes sei völlig unrealistisch, und sei die Bw. in den Jahren 1995 bis 1997 auch durch ein Dienstverhältnis zeitlich gebunden gewesen. Lediglich die Kreditkartenabrechnungen wären in den Streitjahren 1995-1997 nicht in die Umsatzsteuererklärung aufgenommen worden. Sie lauten wie folgend dargestellt:

1994

1995

1996

1997

-

98.507,40

141.704,40

72.712,54

ad Schätzungsergebnis

Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Der Behörde liegen zwei verschiedene Aussagen des Ehegatten der Bw. vor, aus denen grundsätzlich hervorgeht, dass die Bw. nicht sämtliche Einkünfte dem Finanzamt erklärt hat. Das Finanzamt ging unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse von den Angaben der Erstaussage als der Wahrheit am nächsten kommend aus.

Der Ehegatte gab im Rahmen der Erstaussage an, dass es sich bei den als Betriebseinnahmen erfassten Beträgen lediglich um die Hälfte der tatsächlich erzielten Einnahmen handelte. Weiters gab er an, dass in Zeiträumen, in denen keine Einnahmen aufgezeichnet wurden, möglicherweise dennoch Einnahmen erzielt worden wären.

Unter Berücksichtigung der nichterklärten Kassa- und Bankeingänge im Verhältnis zu den zugeschätzten Beträgen ist das Schätzungsausmaß somit nicht als unrichtig zu bezeichnen.

 

1994

1995

1996

1997

nicht geklärte Kassafehlbeträge

200.000,0

330.000,00

65.000,00

 

nicht geklärte Bankeingänge

 

355.000,00

667.000,00

519.000,00

nicht geklärte Bankeingänge

792.000,00

706.000,00

597.000,00

75.000,00

Summe

992.000,00

1,361.000,00

1,329.000,00

594.000,00

Sicherheitszuschlag

433.000,00

882.000,00

625.000,00

501.000,00

Gesamteinnahmen lt. BP

866.000,00

1,787.875,00

1,250.750,00

1,132.404,00

     

Einnahmen lt. Zweitaussage

1,100.000,00

1,100.000,00

1,100.000,00

1,100.000,00

evt. Zuschätzung lt. Zweitaussage

667.000,00

218.000,00

475.000,00

599.000,00

Die Erstaussage wird somit durch die erhobenen nicht geklärten Eingänge mehr als bestätigt. Stellt man die Gesamteinkünfte lt. BP in der Folge mit den Ergebnissen der Zweitaussage gegenüber, wird erkennbar, dass sich ebenfalls Differenzen im hohen Ausmaß ergeben würden.

Lt. st. Rspr. des VwGH wird der Erstaussage i.d.R. der Vorzug gegeben, und begründen die vorliegenden Ergebnisse der BP jedenfalls eine Zuschätzung. Die Bw. kann daher eine Unschlüssigkeit dieser Beweiswürdigung nicht aufzeigen, da nach der Lebenserfahrung die Kürzung von Einnahmen um die Hälfte bei der Erstellung der Jahreserklärungen als möglich anzusehen ist. Die weitere Darstellung der Gesamteinkünfte nach kurzer Überlegungszeit betr eines jährlichen pauschalen Betrages ist auch nach der Erfahrung des täglichen Lebens als insgesamt unwahrscheinlich zu beurteilen. Sie hat lediglich den Zweck die auf Grund der Erstaussage sich ergebende Nachforderung zu relativieren und in Grenzen zu halten.

Dem Einwand, dass eine Verdoppelung des Umsatzes völlig unrealistisch sei, ist daher zu entgegnen, dass dieser Einwand allein in Hinblick auf die Höhe der ungeklärten Eingänge sehr wohl als realistisch beurteilt werden muss. Unter Berücksichtigung der weiteren Mängel, wie nicht erklärte Kreditkartenabrechnungen, festgestellte Vermögensunterdeckungen und nicht offengelegte Mieteinnahmen wie folgend dargestellt,

 

1994

1995

1996

1997

Vermögensunterdeckung

194.000,00

 

203.000,00

 

nicht erklärte Kreditkartenerlöse

 

98.500,00

141.700,00

72.700,00

ist dieser Einwand ebenfalls als unbeachtlich zu beurteilen. Auch die Einwendung betr. falsch verstandene Ausführungen und Wissen hinsichtlich Einnahmen, Umsatz- und Gewinn kann nur als unglaubhaft und daher unerheblich in diesen Zusammenhang beurteilt werden.

Zur Einwendung betr. Dienstverhältnisse und zeitliche Gebundenheit in den Streitzeiträumen 1.4.1995 bis 30.9.1996 und 15.10.1996 bis 31.12.1997 ist auszuführen, dass diese angesichts der geringen Höhe der Einkünfte von S 46.726,00 für das Jahr 1995 (d.s. S 5.191,77 monatlich) sowie S 49.318,00 für das Jahr 1996 (d.s. S 5.479,77 monatlich) jedenfalls auch nur zeitlich mit beschränkten Aufwand ausgeführt werden könnten. Gleiches ist auch bzgl. dem Dienstverhältnis bei der Fa. K. GmbH als Geschäftsführerin und Kellnerin mit wöchentlich 20 Stunden zu entgegnen, da lt. Aussage des Ehegatten diese nur zeitweise als Kellnerin tätig war. Die Einwendung betr. zeitliche Gebundenheit durch Dienstverhältnisse ist daher ebenso als unbeachtlich bzw. vernachlässigbar im Zusammenhang mit dem Schätzungsergebnis lt. BP zu beurteilen.

In diesem Zusammenhang wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Schätzung der Höhe nach unter Berücksichtigung der Angaben der Bw. ermittelt wurde. Bedient die Bw. täglich 5 Kunden ergibt dies eine durchschnittl. Tageslosung von rd. S 11.000,00, einen Monatsumsatz von S 220.000,00 (20 Tage / Monat) und einen Jahresumsatz von rd. S 2,420.000,00 (11 Monate jährlich). Die Schätzungsergebnisse lt. BP liegen weit unter diesen geschätzten Umsätzen, womit Abschläge bzgl. Verhinderungen durch Krankheiten, Urlaub und anderen Tätigkeiten wie die Dienstverhältnisse ausreichend Berücksichtigung gefunden haben. Insofern gelten auch die Einwendungen, dass die Arbeitszeit der Bw. zwischen 18.00 und 23.00 Uhr und nicht 11.00 und 23.00 Uhr (richtig 14.00 bis 23.00 Uhr) lag, als berücksichtigt. Dazu ist auszuführen, dass im Rahmen der Prüfungsanmeldung und -verlaufes lt. Telefontonband die betriebl. Tätigkeit mit 14.00 bis 23.00 Uhr wochentags (Montag bis Freitag) und 14.00 bis 20.00 Uhr sonntags, irrtümlich wurden von der BP 11.00 bis 23.00 Uhr dargelegt, angegeben wurde. Dies ergibt durchschn. 6 Kunden täglich, und ändert sich somit grundsätzlich nichts am Schätzungsergebnis der Höhe nach.

Der Berufungseinwand bzgl. Kreditkartenabrechnungen, dass Stornierungen als Nummer wie bei einem weiteren Verrechnungsvorgang weiterlaufen würden, ist allein im Zusammenhang mit den Angaben des Ehegatten der Bw. vom 28.8.1998, dass die Vorlage fehlender Abrechnungsbelege nicht mehr möglich ist, als nicht relevant zu beurteilen.

Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes ist daher die Schätzung in Form von Sicherheitszuschlägen auf Basis der Aussage des Ehegatten der Bw. dem Grunde und der Höhe nach berechtigt. Die Schätzung gründet sich auf Erhebungen der BP bzgl. ungeklärte Eingänge (Bank-, Kassa-), Lebenskostenunterdeckung, nicht erklärten Kreditabrechnungsbeträgen und erfolgte in Anbetracht der Aussage des Ehegatten der Bw. und einem Schätzungsspielraum von rd. S 3,2 Mio. lt. BP auch der Höhe nach als jene richtigen Besteuerungsgrundlagen, die die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben, mit dem Ziel den tatsächlichen Verhältnissen so nahe wie möglich zu kommen.

Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.

Wien, 21. Oktober 2003

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Schätzung, materielle Mängel, Erstaussage

Verweise:

VwGH 25.01.2000, 94/14/0034

Stichworte