Besitz drittländischer Anabolika, begleitet von dem Wissen, dass diese Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden waren
Anmerkungen:
Verweis auf: ZRV/0043-Z1W/02
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde des Bf. gegen den Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom 20. März 2001, GZ. 500/03495/2001, betreffend Zollschuld, entschieden:
1. Es wird festgestellt, dass die Zollschuld durch Entrichtung des Abgabenbetrages gemäß Art. 233 Unterabs. 1 lit. a Zollkodex (ZK) erloschen ist. 2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 85c Abs. 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz
(ZollR-DG) iVm § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 85c Abs. 7 ZollR-DG steht der Berufungsbehörde der ersten Stufe das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom 16. Jänner 2001, GZ. 500/90711/03/00, schrieb das Hauptzollamt Linz dem Bf. gemäß Art. 203 Abs. 1 und Abs. 3 dritter Anstrich ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG und
§ 108 Abs. 1 ZollR-DG Abgaben (Einfuhrumsatzsteuer, Abgabenerhöhung) in der Gesamthöhe von ÖS 1.399,00 (€ 101,67) vor; der Bf. habe im Zeitraum Jänner 1996 bis Dezember 1997 fünf Pakete "ausländische Präparate (Anabolika) mit Inhalt pro Paket 500 Stück Tabletten Naposim und 15 Stück Tabletten Cystado", welche von anderen Personen der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien, "gekauft und somit im Besitz gehabt, obwohl er im Zeitpunkt des Erwerbes oder des Erhaltes der Waren wusste oder billigerweise hätte wissen müssen, dass diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden waren".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung vom 12. Februar 2001, in der im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:
Der Bf. habe die verfahrensgegenständlichen Präparate nicht besessen oder verschickt. ES habe erstmals am 3. März 1998 "das gesamte Protokoll vom 10. Dezember 1997" widerrufen. Dieser habe lediglich ausgesagt, vom Bf. mehrere Pakete erhalten zu haben. Die Pakete hätten ausschließlich Sportnahrung und Nahrungsergänzungen enthalten. Die Gattin des ES habe ebenfalls ihre erste Aussage widerrufen und die Angaben des ES bestätigt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 20. März 2001, GZ. 500/03495/2001, wies das Hauptzollamt Linz die Berufung als unbegründet ab.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 19. April 2001, in der im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:
Der Vorwurf des Besitzes und der Versendung der verfahrensgegenständlichen Präparate beruhe lediglich auf Vermutungen. Die Behörde habe die geänderten Aussagen des ES nicht zur Kenntnis genommen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
Die Zollschuld entsteht gemäß Art. 203 Abs. 2 ZK in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
Zollschuldner ist gemäß Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat.
Zollschuldner sind gemäß Art. 203 Abs. 3 dritter Anstrich ZK die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war.
Gemäß Art. 233 Unterabs. 1 lit. a ZK erlischt die Zollschuld durch Entrichtung des Abgabenbetrages.
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Mit Straferkenntnis vom 23. November 2001, GZ. 500/90711/7/2000, erkannte der Spruchsenat beim Hauptzollamt Linz als Organ des Hauptzollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Bf. schuldig, er habe im Zeitraum Jänner 1996 bis Dezember 1997 im gemeinsamen Zusammenwirken mit AW ausländische unverzollte Anabolikapräparate, nämlich 10 Pakete jeweils mit dem Inhalt von 500 Stück Tabletten Naposim und 15 Stück Ampullen Cystado im Gesamtwert von ÖS 12.000,00 (€ 872,07) wobei hinsichtlich dieser Waren von namentlich unbekannten Personen das Finanzvergehen des Schmuggels im Sinne des § 35 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz (FinstrG) begangen worden sei, an sich gebracht. Der Bf. habe hierdurch das Finanzvergehen der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen. Dieses Erkenntnis ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.
In der Begründung führte der Spruchsenat ua. aus, dass der Bf. und AW im Jahre 1996 und 1997 einen Handel mit Sportnahrungsmitteln betrieben hätten. In dieser Zeit, nämlich im Zeitraum von Jänner 1996 bis Dezember 1997 habe der Bf. im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgen AW zumindest 10 Pakete mit dem oben angeführten Inhalt an ES versendet. Dies in Kenntnis des Umstandes, das diese ausländischen Anabolika zuvor von unbekannten Personen widerrechtlich nach Österreich verbracht worden waren. Die Angaben von ES und IS vom 10. Dezember 1997 vor Beamten der Bundespolizeidirektion Leoben, wonach sie von AW und dem Bf. im Postweg etwa 15 Pakete Anabolika mit dem Inhalt von jeweils 500 Stück Tabletten Naposim und 15 Stück Ampullen Cystado ausländischer Herkunft erhalten hätten, seien glaubwürdig. Da anlässlich der Haudurchsuchung am 10. Dezember 1997 bei ES und IS Anabolika der genannten Art, sowie eine Versandschachtel mit dem darauf befindlichen Namen des Bf. als Absender sichergestellt worden seien, bestehe kein Grund, die übereinstimmenden Aussagen von ES und IS vom 10. Dezember 1997 in Frage zu stellen. Dazu komme, dass nach den Erhebungen beim Postamt K in der Zeit von Februar 1996 bis Ende 1997 etwa 15 Paketzustellungen an ES aus dem Raum Linz erfolgt seien. Schließlich sei die dem Bf. angelastete Tat auch nicht lebensfremd, da er im Zusammenhang mit dem Ankauf ausländischer Anabolika eine einschlägige Vorstrafe (Strafverfügung des Hauptzollamtes Linz vom 22. April 1997 wegen § 37 Abs. 1 FinStrG, begangen durch den Ankauf von Anabolika im Zeitraum 1994 bis 1996) habe. Auch der Geschäftpartner AW weise entsprechende Vorstrafen im Zusammenhang mit der Einfuhr/dem Ankauf von Anabolika bzw. Suchtgiften nach dem Suchtgiftgesetz auf. Unter Berücksichtigung dieser objektiven Belastungsmomente sei dem nicht völlig widerspruchsfreien Widerruf der ursprünglichen, den Bf. belastenden Aussagen von ES und IS kein Glaube zu schenken, weil der Widerruf erst Monate nach der Einvernahme vom 10. Dezember 1997 erfolgt sei und nach der forensischen Erfahrung die unter dem unmittelbaren Eindruck der Tatbetretung gemachten (geständigen) Angaben zum Tatverlauf die höhere Wahrscheinlichkeit für sich hätten als eine spätere, nach längerer Überlegung und - unter Umständen auch nach Absprache mit anderen Tatbeteiligten - leugnende Verantwortung. Der Widerruf der ursprünglich belastenden Angaben sei deshalb nicht völlig widerspruchsfrei, weil ES noch am 8. September 1999 lediglich die Menge der in der am 10. Dezember 1997 geschilderten Weise erhaltenen Anabolika bestritten habe und erst ab dem 5. Oktober 1999 die ihm angelastete Anabolikamenge zur Gänze von nicht näher genannten Dritten bezogen haben wollte. IS habe in ihrem Widerruf lediglich darauf verwiesen, dass sie vom Inhalt der übernommenen Sendungen keine Kenntnis gehabt hätte. Dazu komme, dass weder ES noch IS logisch nachvollziehbar begründet hätten, weshalb sie "ursprünglich am Tag der Hausdurchsuchung" den Bf. und seinen Geschäftspartner AW "grundlos belasteten".
Der Senat erachtet es daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen, dass der Bf. die verfahrensgegenständlichen Anabolika im Besitz gehabt hat, obwohl er im Zeitpunkt des Erhalts der Waren wusste, dass diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden waren. Für den Bf. ist somit die Zollschuld gemäß Art. 203 Abs. 1 und Abs. 3 dritter Anstrich ZK entstanden.
Gibt es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so sind diese gemäß Art. 213 ZK gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet. Im vorliegenden Fall traf dies auf den Bf. und AW zu.
Die Gesamtschuld besteht darin, dass die Zollbehörden die Abgaben zwar nur einmal fordern können, dass aber jeder Zollschuldner die gesamte Leistung zu bewirken verpflichtet ist (Witte, Zollkodex Art. 213 Rz 3).
Bei der Entscheidung, einen der Zollschuldner in Anspruch zu nehmen, müssen die Zollbehörden auswählen; es können auch alle Zollschuldner zugleich in Anspruch genommen werden.
Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen) in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter "Billigkeit" versteht die ständige Rechtsprechung (z. B. VwGH 26.4.1996, 92/17/0258) die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben".
Der Bf. hat keine Umstände nachgewiesen, welche bei der Ermessensübung unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sind. Da alle Gesamtschuldner dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, hat das Hauptzollamt Linz zu Recht alle Gesamtschuldner in Anspruch genommen.
Der Bf. hat den Abgabenbetrag am 2. Februar 2001 entrichtet. Die Zollschuld ist daher gemäß Art. 233 Unterabs. 1 lit. a ZK erloschen.
Aufgrund dieser Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, 22. Oktober 2003
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Zoll |
betroffene Normen: | Art. 203 Abs. 1 ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1 |
Schlagworte: | Besitz, drittländische Anabolika, Wissen, Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung |