Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens (nach erfolgter Schätzung)
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 2. und 20. Bezirk in Wien betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerverfahren für die Jahre 1997 und 1998 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Da der Berufungswerber (Bw.) für 1997 und 1998 keine Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen einreichte, ermittelte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege.
In der Folge wurden in den Umsatzsteuerbescheiden für 1997 und 1998 vom 15. Mai 2000 der Gesamtumsatz in Höhe von jeweils 400.000 S und in den Einkommensteuerbescheiden für 1997 und 1998 vom 15. Mai 2000 die Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von jeweils 250.000 S angesetzt. Im Einkommensteuerbescheid 1997 wurden neben den angeführten Einkünften aus selbständiger Arbeit die dem Finanzamt elektronisch übermittelten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 25.139 S berücksichtigt. Im Einkommensteuerbescheid 1998 wurde zusätzlich das vom Bw. für den Zeitraum 5. August bis 22. Dezember 1998 bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von 20.973 S für die Ermittlung des Steuersatzes (im Wege des Progressionsvorbehaltes) herangezogen.
Der Bw. erhob gegen die Bescheide vom 15. Mai 2000 Berufung mit der Begründung, er habe in den Jahren 1997 und 1998 keine Umsätze und Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt, sondern nur die im Einkommensteuerbescheid 1997 erfassten nichtselbständigen Einkünfte sowie das im Einkommensteuerbescheid 1998 berücksichtigte Arbeitslosengeld bezogen.
Mit Berufungsvorentscheidungen vom 28. Juni 2000 änderte das Finanzamt die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide vom 15. Mai 2000 insoweit ab, als der Gesamtumsatz in Höhe von jeweils 200.000 S und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von jeweils 100.000 S angesetzt wurden. In der Begründung wurde ausgeführt, der Umsatz und der Gewinn seien in Höhe des Existenzminimums geschätzt worden.
In den gegen die Berufungsvorentscheidungen eingebrachten Anträgen auf Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte der Bw. insbesondere an, er habe in den Jahren 1997 und 1998 auf seinem Bankkonto einen Überziehungsrahmen von 300.000 S gehabt und daraus seine Lebenshaltungskosten bestritten.
Mit Vorhalt vom 27. September 2000 forderte das Finanzamt den Bw. auf, den Vertrag betreffend den Überziehungsrahmen, die Kontoauszüge für die Jahre 1997 und 1998 sowie die Belege über die von ihm für sein Geschäftslokal und seine Wohnung bezahlte Miete vorzulegen.
Der Vorhalt des Finanzamtes vom 27. September 2000 blieb unbeantwortet.
Mit Berufungsentscheidung vom 27. Februar 2002, RV/382-16/16/2000, änderte die Finanzlandesdirektion die Einkommensteuerbescheide für 1997 und 1998 wie in den Berufungsvorentscheidungen ab. Die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1997 und 1998 wurden gegenüber den Berufungsvorentscheidungen insoweit herabgesetzt, als jeweils (im Schätzungswege ermittelte) Vorsteuern in Höhe von 15.000 S berücksichtigt wurden.
Am 18. September 2002 reichte der Bw. Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen für 1997 und 1998, einschließlich Einnahmen - Ausgaben - Rechnungen, beim Finanzamt ein und stellte gleichzeitig Anträge auf Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren.
In den Umsatzsteuererklärungen für 1997 und 1998 war ein Gesamtumsatz in Höhe von 59.741,67 S bzw. 23.783,33 S, in den Einkommensteuererklärungen für 1997 und 1998 waren Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von -72,40 S bzw. -50,50 S ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2002 wies das Finanzamt die Wiederaufnahmsanträge vom 18. September 2002 ab.
Strittig ist, ob die Abweisung der Wiederaufnahmsanträge zu Recht erfolgte.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Eine Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 lit. a BAO und § 303 Abs. 1 lit. c BAO scheidet im gegenständlichen Fall aus.
Eine Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO setzt unter anderem voraus, dass Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Parteinicht geltend gemacht werden konnten.
Die im vorliegenden Fall geltend gemachten neuen Tatsachen (die tatsächliche Höhe der Umsätze sowie die Höhe der Einnahmen und Ausgaben) hätte der Bw. bereits in den von ihm bis zum 15. Mai 1998 einzureichenden Steuererklärungen 1997 bzw. in den bis zum 17. Mai 1999 einzureichenden Steuererklärungen 1998 dem Finanzamt bekanntgeben müssen.
Es stellt sich daher die Frage, ob der Umstand, dass er die Höhe der Umsätze sowie die Höhe der Einnahmen und Ausgaben für 1997 und 1998 dem Finanzamt erst am 18. September 2002 bekanntgegeben hat, in Anbetracht der langen Zeitspanne seit dem Ende der oben angeführten Einreichungsfristen für die Steuererklärungen für 1997 und 1998 ein grobes Verschulden des Bw. darstellt, da die betreffenden Unterlagen (Belege, Aufzeichnungen) ja bereits mehrere Jahre zuvor vorhanden gewesen bzw. geführt worden sein mussten.
Der Bw. hat es im Übrigen nicht nur verabsäumt, fristgerecht Steuererklärungen einzureichen, sondern er hat auch den vom Finanzamt im Vorhalt vom 27. September 2000 verlangten Nachweis, wie er in den Berufungsjahren seine Lebenshaltungskosten bestritten hat, nicht erbracht. Ein solcher Nachweis war auch - obwohl in der Berufungsentscheidung vom 27. Februar 2002 ausdrücklich auf sein Fehlen hingewiesen wurde - den am 18. September 2002 gestellten Wiederaufnahmsanträgen nicht angeschlossen. Wie bereits in der Berufungsentscheidung vom 27. Februar 2002 ausgeführt, trifft den Abgabepflichtigen - neben seiner Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) - bei Vorliegen ungewöhnlicher Verhältnisse, die nur der Abgabepflichtige selbst aufklären kann, oder wenn Behauptungen des Abgabepflichtigen in Widerspruch mit den Erfahrungen des täglichen Lebens stehen, eine darüber hinausgehende erhöhte Mitwirkungspflicht.
Selbst wenn auf Grund der in der Berufung angeführten Argumente (persönliche Belastung des Bw. dadurch, dass er angezeigt und angeklagt wurde; finanzielle Probleme dadurch, dass er an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert wurde; sowie der Umstand, dass er sein Geschäftslokal räumen musste, wodurch einige Dokumente unauffindbar waren) ein grobes Verschulden des Bw. verneint wird, wäre die Bewilligung der beantragten Wiederaufnahme der Verfahren jedoch aus folgendem Grund nicht zulässig:
Gemäß § 303 Abs. 2 BAO ist ein Antrag auf Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 BAO binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, zu stellen.
Nach den Berufungsausführungen war der einzige Grund, warum der Bw. die Steuererklärungen für die Jahre 1997 und 1998 nicht zumindest bis zum Februar 2002 einbrachte, der Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die Berufungsverfahren für diese Jahre liefen und ihm gesagt worden sei, dass eine Wiederaufnahme nicht erfolgen könne, bevor die Akten von der Berufungsbehörde zurückkämen. Da sich aus diesen Ausführungen ergibt, dass dem Bw. die gegenständlichen Wiederaufnahmsgründe (die tatsächliche Höhe der Umsätze sowie die Höhe der Einnahmen und Ausgaben) nicht erst drei Monate vor der Stellung der Wiederaufnahmsanträge bekannt waren, konnte den Anträgen auf Wiederaufnahme der Verfahren auch aus diesem Grund vom Finanzamt nicht stattgegeben werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass mit der vorliegenden Berufungsentscheidung kein Abspruch über die Anregung des Bw. auf amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren erfolgt und der unabhängige Finanzsenat diesbezüglich auch nicht weisungsbefugt ist.
Wien, 7. April 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Wiederaufnahme auf Antrag, grobes Verschulden der Partei |