Unentgeltliche Übertragung von Miteigentumsanteilen im Rahmen der Neufestsetzung der Nutzwerte
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2003/16/0074 anhängig. Mit Erk. v. 26.6.2003 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0300-I/03 erledigt.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Nader Mahdi gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck, vertreten durch RR AD Ing. Günter Neumeister, betreffend Schenkungssteuer vom 20. September 2000 entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Entscheidungsgründe
Laut dem am 31. August/6. September 2000 abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrag wurde zwischen der Fa. U-GmbH (= Berufungswerberin) als 3/7el-Miteigentümerin und Günther K. als 4/7el-Miteigentümer (außerbücherlich) an der Liegenschaft in EZ 573 GB W. (im Ausmaß von 639 m² samt darauf errichtetem Wohn- und Geschäftshaus) ausgehend von der Nutzwertfestsetzung laut Sachverständigen-Gutachten vom 9. August 2000 für die 7 Wohnungen und 1 Betriebseinheit (Gesamtnutzwert 695) Wohnungseigentum in der Weise begründet, dass Günther K. "unentgeltlich und ausschließlich zum Zwecke der gemeinsamen Begründung von Wohnungseigentum 617/4865 ideelle Miteigentumsanteile an der Liegenschaft an die U-GmbH" übergibt (Punkt III). Zufolgedessen verbleiben dem Günther K. 309/695 Miteigentumsanteile, verbunden mit Wohnungseigentum an Top 8. Die Nutzwertverschiebung und zwecks Begründung von Wohnungeigentum erforderliche Nutzwertfeststellung sei aufgrund geplanter Um- und Ausbauarbeiten durch die U-GmbH veranlasst, weshalb die Übertragung der Liegenschaftsanteile - dies laut Punkt V. mit dem Tag der Vertragsunterfertigung - allein aus grundbuchstechnischer Sicht erfolge (Pkt. IV.).
Im Ergebnis wurde daher Wohnungseigentum gegenseitig wie folgt eingeräumt:
alter Stand: | neuer Stand: | |
Günther K. | 4/7 = 2780/4865 | 309/695 = 2163/4865 = - 617/4865 Anteile |
Fa. U-GmbH | 3/7 = 2085/4865 | 386/695 = 2702/4865 = + 617/4865 Anteile |
Unter Verweis auf Punkt IV. des Wohnungseigentumsvertrages wurde in der Abgabenerklärung Gre 1 vom 11. September 2000 u. a. die Befreiung von der Grunderwerbsteuer beantragt.
Der zuletzt zum 1. Jänner 1997 für die Gesamtliegenschaft festgestellte Einheitswert wurde mit erhöht S 854.000 erhoben.
Das Finanzamt Innsbruck hat daraufhin der Bw mit Bescheid vom 20. September 2000, Str. Nr. X, ausgehend vom anteiligen Einheitswert der übertragenen Anteile von S 108.308 (= 617/4865el von S 854.000) abzüglich dem Freibetrag von S 1.500, sohin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von gerundet S 106.800 gem. § 8 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG), BGBl. 141/1955 idgF, (Stkl. V) eine 16%ige Schenkungssteuer im Betrag von S 17.088 sowie gem. § 8 Abs. 4 ErbStG 4 % vom Einheitswertanteil, das sind S 4.332, und daher insgesamt an Schenkungssteuer einen Betrag von S 21.420 (bzw nunmehr € 1.556,65) vorgeschrieben.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde die ersatzlose Bescheidaufhebung beantragt und im Wesentlichen eingewendet, in Punkt IV des Wohnungseigentumsvertrages sei ausdrücklich festgehalten, dass die Übereignung nur aufgrund der im Namen und auf Rechnung der Bw geplanten Um-, Aus- und Anbauarbeiten und der hiedurch bedingten Nutzwertsteigerung und anlässlich der dadurch bewirkten Nutzwertverschiebung in den schon bisher ausschließlich der Bw vorbehaltenen Miteigentumsanteilen erfolge. Die Übertragung sei daher allein aus grundbuchstechnischer Sicht veranlasst. Es liege demzufolge auch weder eine Bereicherung noch ein subjektiver Bereicherungswille vor.
Die abweisende Berufungsvorentscheidung vom 17. April 2001 wurde damit begründet, dass nach dem Gesetzeswortlaut dann, wenn der Nutzwert nach § 3 Abs. 2 Z 1 oder 3 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) 1975 neu festgesetzt werde, sich die Miteigentümer nach § 4 Abs. 2 WEG im Rahmen der Nutzwertfestsetzung gegenseitig die erforderlichen Miteigentumsanteile zu übertragen/zu übernehmen hätten und vom jeweiligen Erwerber für einen übernommenen Miteigentumsanteil grundsätzlich ein angemessenes Entgelt zu leisten sei. Indem Günther K. die 617-Miteigentumsanteile laut Vertrag unentgeltlich übertragen habe, habe er auf die gesetzlich gebotene Möglichkeit auf ein angemessenes Entgelt verzichtet und diese Leistung freiwillig auf sich genommen, wodurch das Tatbestandserfordernis der Freigebigkeit erfüllt sei. Die Schenkungssteuervorschreibung bestehe somit zu Recht.
Mit Antrag vom 4. Mai 2001 wurde die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde II. Instanz ohne weiteres Vorbringen begehrt und zugleich beantragt, das Berufungsverfahren aufgrund einer"zur Zeit vor dem VwGH behängenden gleichgelagerten Beschwerdesache" bis zur höchstgerichtlichen Entscheidung auszusetzen.
Die Berufungsbehörde hat dem folgend mit Bescheid vom 8. Oktober 2001 die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 281 BAO bis zur Entscheidung des VwGH in der ähnlich gelagerten Beschwerdesache zu Zl. 99/16/0431 verfügt, welches Erkenntnis zwischenzeitig am 19. Dezember 2002 ergangen ist.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes nach Ziffer 1 jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechtes sowie nach Z 2 dieser Gesetzesstelle jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
Der Schenkungstatbestand im Sinne des § 3 ErbStG umfasst einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand. Den objektiven Tatbestand bilden die Unentgeltlichkeit, die Freigebigkeit sowie die Vermögensvermehrung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden; der subjektive Tatbestand erfordert den Bereicherungwillen (siehe zB Dorazil, Handkommentar zum ErbStG, 3. Auflage, Verlag Manz, § 3 Rz 1.6.).
Die bezughabenden Bestimmungen des WEG 1975 lauten:
"Mindestanteil
§ 3. (1) Der zum Erwerb des Wohnungseigentums erforderliche Mindestanteil ist ein solcher Anteil, der dem Verhältnis des Nutzwerts der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten zum Nutzwert aller Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten der Liegenschaft entspricht. Die Nutzwerte sind vom Gericht festzusetzen.
(2) Der Nutzwert ist auf Antrag insbesondere neu festzusetzen:
1. wenn sich der festgesetzte Nutzwert einer Wohnung oder einer sonstigen Räumlichkeit bis zur Vollendung der Bauführung durch Vorgänge, die einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen, um mindestens 3 v. H. ändert; der Antrag ist bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt der Rechtskraft der baubehördlichen Benützungsbewilligung zulässig; ... "
Der in diesem Zusammenhang weiters bedeutsame § 4 Abs. 2 WEG 1975 lautet wie folgt:
"Wird der Nutzwert nach § 3 Abs. 2 Z 1, 1 a oder 3 festgesetzt, so haben die Miteigentümer gegenseitig diejenigen Miteigentumsanteile zu übernehmen oder zu übertragen, die notwendig sind, damit jedem Wohnungseigentümer der nach der Festsetzung der Nutzwerte zur Begründung seines Wohnungseigentums erforderliche Mindestanteil zukommt. Mangels vereinbarter Unentgeltlichkeit ist für die übernommenen Miteigentumsanteile ein angemessenes Entgelt zu entrichten; die durch die einzelne Übertragung entstehenden Kosten und Abgaben hat der Miteigentümer zu tragen, dem ein Miteigentumsanteil übertragen wird."
Der Verwaltungsgerichtshof hat nunmehr im Erkenntnis vom 19.12.2002, 99/16/0431 - welches als entscheidungswesentlich für gegenständliches Berufungsverfahren erachtet und deshalb das Verfahren gemäß § 281 BAO mit Bescheid vom 8. Oktober 2001 ausgesetzt worden war - der dortigen Beschwerde mit folgender Begründung unter Darlegung der obigen Bestimmungen des WEG 1975 Folge gegeben:
"Weder dem gegenständlichen Wohnungseigentumsvertrag noch dem sonstigen Akteninhalt ist zu entnehmen, dass eine derartige (damals gerichtliche) Neufestsetzung im Sinne des § 3 Abs. 2 WEG erfolgt wäre. Den Kaufverträgen aus 1993 und 1995 lag keine gerichtliche Nutzwertfestsetzung nach § 3 Abs. 1 WEG zu Grunde. Erst im Wohnungseigentumsvertrag wird auf einen Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Kitzbühel ... verwiesen. Nach dem Vertragsinhalt muss diesbezüglich von einer Festsetzung der Nutzwerte im Sinne des § 3 Abs. 1 WEG ausgegangen werden, nicht aber von einer Neufestsetzung im Sinne der im § 3 Abs. 2 WEG aufgezählten Tatbestände.
Damit ist auch der Verweis auf § 4 Abs. 2 WEG zur Begründung einer nicht von Gesetzes wegen vorgegebenen Unentgeltlichkeit verfehlt ...".
Dass es sich aber im Gegenstandsfalle im Gegensatz zu obigem Beschwerdefall um eine Festsetzung der Nutzwerte gem. § 3 Abs. 2 Z 1 WEG 1975 handelt, wonach anlässlich der Feststellung der Nutzwerte abweichend um zumindest 3 % von den tatsächlichen Verhältnissen in einem Nutzwertgutachten eine Festsetzung zu erfolgen hat, steht nicht in Streit bzw. blieben die diesbezüglich begründenden Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung vom 17. April 2001 zur Gänze unbestritten und ergibt sich dies ebenso aus dem Inhalt des "Wohnungseigentumsvertrages" vom 6. September 2000, wonach infolge der Erstellung des Nutzwertgutachtens zum Zwecke der Begründung von Wohnungseigentum und anlässlich der durch den geplanten Umbau bedingten Nutzwertverschiebung eine Änderung der Miteigentumsquoten zu erfolgen hatte (siehe dazu die Vertragspunkte VIII. Nutzwertberichtigung und XV. Kosten, worin auf die § 4 Abs. 2 bzw. § 3 Abs. 2 WEG Bezug genommen wird). Dem diesfalls - vice versa zu obigem VwGH-Erkenntnis - sehr wohl zur Anwendung gelangenden § 4 Abs. 2 WEG 1975 lässt sich aber entnehmen, dass für den übernommenen Miteigentumsanteil vom Erwerber grundsätzlich ein angemessenes Entgelt zu leisten ist. Demnach ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass bei einer im Zuge der Neufestsetzung der Nutzwerte erforderlichen Anteilsübereignung eine objektive Bereicherung des Anspruchsberechtigten erfolgt, die grundsätzlich der Abgeltung bedarf. Es kann auch nicht bestritten werden, dass gegenständlich zusätzliche 617/4865 Miteigentumsanteile in das Vermögen der Bw übertragen worden sind. Das Wohnungseigentum stellt bloß eine qualifizierte Form des Miteigentums aber noch kein real geteiltes Eigentum dar. Entscheidend wäre daher auch nicht, ob etwa die Größe einer Wohnung bzw. die vereinbarte Nutzungsberechtigung eine Vergrößerung oder Änderung erfahren hat, sodass dem Einwand betreffend den Umstand, dass das Objekt der Bw an sich keine Veränderung erfahren habe, rechtlich keine Bedeutung zukommen kann; ausschlaggebend ist vielmehr, dass sich der ideelle Anteil der Bw am Grundstück vergrößert hat und ist insoferne dem Einwand, es sei keine Bereicherung bzw. Vermögensvermehrung erfolgt, entgegenzutreten. Sind sich aber die Beteiligten, wie im vorliegenden Falle, auch darüber laut Vertrag einig, dass die Sache trotz des grundsätzlich laut gesetzlicher Bestimmung entgeltlichen Charakters unentgeltlich gegeben bzw. angenommen wird, dann liegt neben der objektiven Bereicherung auch der erforderliche subjektive Bereicherungswille vor (siehe Dorazil aaO, § 3 Rz 4.2). Dieser Wille braucht auch kein unbedingter zu sein; es genügt vielmehr, dass der Zuwendende eine Bereicherung des Empfängers bejaht bzw. in Kauf nimmt, falls sich eine solche Bereicherung im Zuge der Abwicklung des Rechtsgeschäftes - wie im Gegenstandsfalle - ergibt (vgl. VwGH 27.4.2000, 99/16/0249; VwGH 28.9.2000, 2000/16/0327 u. v. a.).
Freigebigkeit bedeutet, dass der Leistende oder Versprechende die unentgeltliche Leistung freiwillig auf sich nimmt (Dorazil aaO, § 3 Rz 2.1). Im Gegenstandsfalle erfolgte die Übertragung der Miteigentumsanteile von Günther K. auf die Bw entsprechend der vertraglichen Vereinbarung unentgeltlich. Das Gesetz hätte ihm aber die Möglichkeit geboten, ein angemessenes Entgelt zu fordern. Indem er darauf verzichtete und mit der Bw Unentgeltlichkeit vereinbarte, hat er die unentgeltliche Leistung freiwillig auf sich genommen. Das Tatbestandserfordernis der Freigebigkeit ist daher gegeben. Der Übergeber war nach dem Gesetz nicht zur unentgeltlichen Übertragung der Anteile verhalten sondern hat sich freiwillig im Vertrag dazu verpflichtet.
Aufgrund obiger Umstände besteht die Vorschreibung einer Schenkungssteuer dem Grunde nach zu Recht. Gegen die Höhe der Vorschreibung wurde kein Einwand erhoben.
In Anbetracht der obigen Sach- und Rechtslage konnte daher der Berufung kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, 14. März 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 3 Abs. 1 Z 1 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 |
Schlagworte: | Unentgeltliche Übertragung von Miteigentumsanteilen, Neufestsetzung der Nutzwerte |
Verweise: |