UFS RV/2737-W/02

UFSRV/2737-W/0227.2.2003

Betriebsstätte, Verfügungsmacht

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2003/13/0059 eingebracht. Mit Erk. v. 29.11.2006 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Anmerkungen:
BFH 17.3.1982, BStBl II 624Otto Taucher, Kommunalsteuer, Seite 176, 1998

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw.. gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 23. Bezirk betreffend Zuteilung der kommunalsteuerlichen Bemessungsgrundlage für 1994 bis 1999 der IS vom 20. Oktober 2000 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die Anteile der Bw. an der kommunalsteuerlichen Bemessungsgrundlagen der IS betreffend die Jahre 1994 bis 1999 werden mit jeweils 0 € (0 S) festgesetzt.

Rechtsbelehrung

 

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

 

Entscheidungsgründe

Die IS stellte am 27. November 1998 gem. § 10 Abs. 5 Kommunalsteuergesetz (KommStG) 1993 den Antrag auf Zuteilung der kommunalsteuerlichen Bemessungsgrundlage durch das Finanzamt.

Die IS teilte dem Finanzamt mit E - Mail vom 27. Dezember 1999 mit, dass u.a. auch in der Gemeinde F vom Kunden Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt würden (Umkleideräume, Lagerräume), über die eine Verfügungsmacht nicht bestehe. Für die Räumlichkeiten seien weder Miete noch sonstige Gelder für die Benutzung zu entrichten, die Räumlichkeiten könnten auch seitens des Kunden jederzeit und auch ohne Begründung zurückverlangt werden, wobei eine Ersatzleistung des Kunden nicht erfolge.

Das Finanzamt für den 23. Bezirk erließ am 20. Oktober 2000 einen Zuteilungsbescheid für die Jahre 1994 bis 1999, in dem ausgesprochen wurde, dass den Gemeinden S, GW, GK, F und K ein Anteil an der kommunalsteuerlichen Bemessungsgrundlage der IS nicht zukomme. Begründend wurde ausgeführt, dass in den maßgeblichen Gemeindegebieten Betriebsstätten der IS nicht bestünden, weshalb eine Zuteilung im Sinne des § 10 Abs. 5 KommStG 1993 nicht möglich sei.

Die Marktgemeinde F erhob gegen diesen Bescheid am 15. November 2000 das Rechtsmittel der Berufung, worin das Bestehen einer Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 1 KommStG 1993 behauptet und beantragt wurde der Gemeinde F jene Teile der kommunalsteuerlichen Bemessungsgrundlagen zuzuteilen, die auf die im Gemeindegebiet unterhaltene Betriebsstätte der IS entfallen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 8. Jänner 2001 als unbegründet ab, wobei begründend ausgeführt wurde, die IS habe keine Verfügungsmacht über die seitens der FB zur Verfügung gestellten Räume besessen, weshalb von einer Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 1 KommStG 1993 nicht gesprochen werden könne.

Die Bw. stellte am 9. Februar 2001 den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die IS teilte dem Finanzamt für den 23. Bezirk am 5. Oktober 2001 über Anfrage mit , dass Umkleideräume und Sozialräume mit Duldung des Flughafens gemeinsam mit den Mitarbeitern der FB genutzt würden, wobei die Zurverfügungstellung auf Grund einer mündlichen Duldung erfolgte. Die IS habe keine Entgelte für diese Zurverfügungstellung zu zahlen gehabt.

Die ho. Berufungsbehörde übermittelte der Bw. am 16. November 2001 Kopien der oben genannten Schreiben der IS vom 5. und 12. Oktober 2001 zur Kenntnisnahme, wobei angemerkt wurde, dass das Unternehmen über die ihm zur Nutzung überlassenen Räumlichkeiten keine Verfügungsmacht besessen habe und somit eine Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 1 KommStG 1993 nicht vorliege.

Die Marktgemeinde F nahm zum Schreiben der Berufungsbehörde vom 16. November 2001 mit Schreiben vom 14. Dezember 2001 Stellung und bekräftigte darin die bereits in der Berufungsschrift geäußerte Rechtsauffassung, wonach im Gemeindegebiet F eine Betriebsstätte der IS unterhalten werde. Zur Begründung dieser Rechtsauffassung wurde auf Textpassagen des Kommentars zur Kommunalsteuer von Otto Taucher, § 4 des Kommunalsteuergesetzes betreffend, hingewiesen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gem. § 1 KommStG 1993 unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.

Gem. § 4 Abs. 1 KommStG 1993 gilt als Betriebsstätte jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die mittelbar oder unmittelbar der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit dient.

Die Beziehung zwischen Anlage oder Einrichtung und dem Unternehmer wird durch das "Dienen" hergestellt. Dies kann nur gegeben sein, wenn das gegenüber den dienenden Anlagen und Einrichtungen (voraussetzungsgemäß) korrelativ herrschende Unternehmen über die Anlagen oder Einrichtungen verfügen kann . Selbst Einrichtungen, die einem fremden Unternehmen gehören, können Betriebsstätten des sie nutzenden Unternehmens sein, wenn dem Nutzenden oder seinem ständigen Vertreter eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Anlage oder Einrichtung zusteht (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 20. Mai 1960, 182/56; 21. Mai 1997, 96/14/0084 und Bundesfinanzhof vom 17. März 1982, BStBl. II 624). Alleinige Verfügungsmacht über ein und dieselbe Anlage oder Einrichtung ist nicht erforderlich, wenn durch Parallelgebrauch das "Dienen" dem einen und dem anderen Betrieb gegenüber möglich ist; unter diesem Aspekt kann auch das Mitbenutzen von Büroräumen (Bundesfinanzhof 10. Mai 1961, BStBl III 317) zur Betriebsstätte des Nutzenden führen (Verwaltungsgerichtshof vom 21. Mai 1997, 96/14/0084). Es ist überhaupt möglich, dass eine Betriebsstätte des einen Unternehmens in der eines anderen anzunehmen ist. Dies jedoch nur dann, wenn der nutzende Unternehmer beim fremden Unternehmer die Verfügungsmacht über Anlagen und Einrichtungen dergestalt hat, dass diese Anlagen und Einrichtungen ihm gehören oder diese ihm sonst so zur Verfügung stehen, als gehörten sie ihm (Taucher, Kommunalsteuer, § 4 Tz 21).

Bezogen auf die hier behauptete Betriebsstätte der IS auf dem im Gemeindegebiet F befindlichen Areal des FGT wäre es also erforderlich gewesen, dass der IS die von ihr genutzten Anlagen und Einrichtungen gehört hätten, was nicht einmal die Bw. behauptet. Es kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Anlagen und Einrichtungen in einer Art zur Verfügung standen, als seien sie Eigentum der IS. Dies allein schon deshalb, weil es für den vorliegenden Fall eindeutiger und nachvollziehbarer vertraglicher Vereinbarungen bedurft hätte, aus denen eine solche eigentumsähnliche Verfügungsmacht abgeleitet werden könnte. Von einer derartigen Vereinbarung kann jedoch vorliegendenfalls nicht die Rede sein, führt doch die IS in ihrem Schreiben vom 5. Oktober 2001 an das Finanzamt für den 23. Bezirk aus , dass die Zurverfügungstellung von Umkleide- bzw. Sozialräumen auf Grund einer mündlichen Duldung erfolgte, Entgelte für die Zurverfügungstellung jedoch nicht zu zahlen waren.

Die Tatsache allein, dass Anlagen oder Einrichtungen unentgeltlich genutzt werden dürfen, ist allerdings noch nicht gleichbedeutend mit dem Innehaben einer nicht nur vorübergehenden Verfügungsmacht, sondern es muss hinzukommen, dass dem Nutzenden mit der Überlassung eine Rechtsposition eingeräumt wird, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres entzogen oder die ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres verändert werden kann, d. h., das vereinbarte Nutzungsrecht muss dem Gebrauchsinhaber mindestens das Recht einräumen, einer Zuweisung anderer als der ihm zur Nutzung überlassenen Anlagen oder Einrichtungen zu widersprechen (vgl. Taucher, Kommunalsteuer, § 4, Tz 22, 2. Absatz).

Dass derartige vertragliche Zusicherungen bestanden haben sollen, behauptet jedoch auch nicht die Bw., führt sie doch in ihrer Stellungnahme vom 14. Dezember 2001 lediglich aus, die IS habe im Gemeindegebiet F über eine Betriebsstätte verfügt. Das Vorhandensein einer derartigen Betriebsstätte werde davon abgeleitet , dass diese zur unbestritten ausgeübten Gewerbeentfaltung zwingend als Grundlage vorhanden sein muss und auch entsprechend ge- und benutzt wird.

Diesen Einwendungen kann jedoch nicht entnommen werden, auf Grund welcher Vereinbarungen die IS über eine Rechtsposition verfügt haben soll, die ihr ohne ihre Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres entzogen oder verändert werden konnte.

Zudem hat die IS bereits im Zuge der E - Mailnachricht vom 27. Dezember 1999 klargestellt, dass in den jeweiligen Gemeinden, darunter ist auch die Marktgemeinde F zu verstehen, beim jeweiligen Kunden Räumlichkeiten zur Verfügung standen, über die keine Verfügungsmacht bestand, wobei der Kunde diese Räumlichkeiten jederzeit ohne jegliche Begründung und Ersatzleistung zurückverlangen konnte. Im Schreiben vom 12. Oktober 2001 hat die IS schließlich angegeben, das der Fall betreffend die Gemeinde S ebenso gelagert war wie der Fall betreffend die Marktgemeinde F (FGT), wobei fix zugesprochene Räumlichkeiten nicht zur Verfügung standen. Die IS habe nur Räumlichkeiten zum Wechseln der Arbeitskleidung oder zur Lagerung von Gerätschaften nutzen können, wobei der IS diese Räumlichkeiten jederzeit entzogen werden konnten. Dies deshalb, weil ein Rechtsanspruch auf die Nutzung dieser Räumlichkeiten nicht bestand.

Bei Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes war den Angaben der IS, die naturgemäß über eine nähere Sachverhaltskenntnis verfügen muss als die einschreitende Gemeinde, schon deshalb höheres Gewicht beizumessen als den Einwendungen der Bw., weil sie konkrete Tatumstände enthalten, aus denen zwingend ableitbar ist, dass ein Rechtsanspruch auf die Nutzung der in Rede stehenden Räumlichkeiten im Sinne der oben zitierten Kommentarmeinung (Taucher, aaO) nicht bestand. Die Einwendungen der einschreitenden Gemeinde enthalten zu dem hier maßgeblichen Kriterium eines allfälligen Rechtsanspruches jedoch keinerlei Angaben.

War aber bei Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts ein derartiger Rechtsanspruch zu verneinen, so lag auch ein "Dienen" im Sinne des § 4 Abs. 1 erster Satz KommStG 1993 nicht vor. Das Vorliegen einer Betriebsstätte im Sinne der vorstehenden Bestimmung des KommStG 1993 war demnach zu verneinen, weshalb die strittigen Anteile der Bw. an den kommunalsteuerlichen Bemessungsgrundlagen der ISS mit jeweils 0 S zu bemessen waren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 27. Februar 2003

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 4 Abs. 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 29 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Betriebsstätte, Verfügungsmacht, Benutzung, Benützung, Rechtsanspruch, Dienen, Nutzung

Stichworte